Nr. 273
Ob man gemach fahren und die Schwachen des Ärgernisses verschonen soll in Sachen, die Gottes Willen angehen
[Basel] , 1524, [Anfang Oktober] (Entstehung: [1524, vor/um 1. März] )

Einleitung
Bearbeitet von Wolfgang Huber

1. Überlieferung

Frühdruck:

[A:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
Ob man gemach ∥ faren/ vnd des ergernüſſen ∥ der ſchwachen verſchonen ∥ ſoll/ in ſachen ſo ∥ gottis wil⸗∥len an⸗∥gehn. ∥ Andres Carolſtadt. ∥ ❧ ∥ M. D. XXIIII ∥
[Basel]: [Thomas Wolff], 1524.
4°, 16 Bl. (Titelrückseite leer), A4–D4.
Editionsvorlage:
BSB München, 4 Mor. 90.
Weitere Exemplare: HAB Wolfenbüttel, 359 Theol.(2). — UB Tübingen, Gf 1021.4. — SuStB Augsburg, 4° Th H 566.
Bibliographische Nachweise:

Die Schrift Ob man gemach fahren soll gehörte zu der Menge von acht Manuskripten (»libelli plus minus octo«) aus der Feder Karlstadts, die dessen »Bote«Gerhard Westerburg mit sich führte, als er Mitte September 1524 Zürich erreichte.1 In den sechs Tagen seines Aufenthalts im Kreis um Konrad Grebel wurden diese »Büchlein«, wie sie immer wieder genannt wurden, intensiv studiert. Begleitet von dem Zürcher Felix Mantz, brachte Westerburg die etwa acht Manuskripte gegen Ende September weiter zum Druck nach Basel.2 Dort erschienen bei Thomas Wolff diese vier Karlstadt-Schriften: die beiden Traktate Ob man gemach fahren soll und Wie sich Glaube und Unglaube halten (KGK 274) sowie die beiden Abendmahlsschriften Wider die alte und neue papistische Messe (KGK 275) und Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei (KGK 278). Johann Bebel druckte zwei Schriften, nämlich den Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276) – der offenbar erst für die Drucklegung aus drei einzelnen Manuskripten gebildet worden war – sowie den Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments (KGK 277). Die Drucklegung dieser sechs Flugschriften in Basel begann, wie die Aussagen der Drucker annehmen lassen, bereits Ende September und kam wohl vor Mitte Oktober 1524 zum Abschluss. Die Auflagenhöhe der vier von Wolff hergestellten Büchlein betrug 1000 Exemplare. Lediglich vom »letzten« aus dieser Reihe – welches Wolff damit meinte, lässt sich nicht mehr klären – erschienen 800 Stück.3 Der erste von Bebel hergestellte Druck, der Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276), hatte mit 300 die geringste Auflagenhöhe. Der Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments (KGK 277) kam dagegen ebenfalls mit 1000 Exemplaren heraus.

Während die in Basel zum Druck gebrachten Abendmahlsschriften sowohl in Karlstadts eigenem Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments (KGK 277) als auch im Brief des Heidelberger Universitätslehrers Martin Frecht vom 10. November 1524 mit ihren Titeln aufgeführt wurden,4 fand das Sendschreiben Ob man gemach fahren soll weder in diesen beiden Auflistungen noch in der Rechtfertigungsschrift Ursachen seiner Vertreibung aus Sachsen (KGK 281), in der Karlstadt die Anzahl seiner Basler Veröffentlichungen zu einzelnen Themenbereichen nannte, Erwähnung.5 Auch Thomas Wolff konnte sich, wie er in seiner schriftlich niedergelegten Verhöraussage Anfang Dezember 1524 bekundete, nicht mehr erinnern, wie die von ihm gedruckten Karlstadt-Titel genau lauteten.6 Er bestätigte aber die Zahl von vier Büchlein, die er in Westerburgs Auftrag gedruckt habe. Angesichts ihrer unzweifelhaften Herkunft aus der Wolffschen Produktion und der in verschiedenen Quellen genannten Anzahl der Basler Publikationen kann das Erscheinen der Schrift Ob man gemach fahren soll in einem Zuge mit den drei anderen Karlstadt-Drucken aus der Presse Wolffs Anfang Oktober 1524 als sicher gelten.

Die Veröffentlichung der sechs von Bebel und Wolff bereits in der ersten Hälfte des Monats Oktober 1524 hergestellten Büchlein vermag auch folgende Beobachtung zu erklären: In Wolfgang Capitos Flugschrift Was man halten und antworten soll von der Spaltung zwischen Martin Luther und Andreas Karlstadt, die in der letzten Oktoberwoche 1524 erschien, findet sich ein Motiv aus Karlstadts Sendschreiben Ob man gemach fahren soll wieder,7 das sich am plausibelsten aus der Lektüre des neu erschienenen Drucks erklären lässt. Es handelt sich um den Vergleich der Lage eines Gemeinwesens noch vor der Einführung radikaler evangelischer Reformen – wie Karlstadt sie verstand –, das eben noch unbiblische, »widerchristliche« kirchliche Praktiken und Verhältnisse hinnahm, mit der Gefahrensituation eines arglosen Kindes, das mit einem scharfen Messer spielt. In dieser Situation sei unverzügliches Eingreifen gefordert und »gemach fahren« nicht erlaubt.8 Das Vorkommen dieses Bildes bei Capito deutet auf eine vorhergehende Lektüre des Karlstadt-Textes hin und spricht für ein entsprechend frühzeitiges Erscheinen von Karlstadts Sendschreiben im Druck.9 Diese Annahme lässt sich auch mit den Aussagen der Drucker vereinbaren.

Wolff bekundete, nur widerwillig zum Druck bereit gewesen zu sein; Westerburg hätte jedoch beteuert, dass die Karlstadt-Schriften keineswegs politisch brisant seien, sondern es in ihnen allein um die »lautere Wahrheit« ginge.10 Tatsächlich wies insbesondere das an St. Joachimsthal gerichtete Sendschreiben Ob man gemach fahren soll mit seinem drängenden Aufruf zu unverzüglichen radikalen Reformen große Brisanz auf. Umso bemerkenswerter erscheint darum die Tatsache, dass just diese Flugschrift am Vorabend des sog. Bauernkrieges, als das Thema der Reformen allenthalben aktuell war, – im Unterschied zu den anderen Veröffentlichungen Karlstadts – keinen Nachdruck erfahren hat.11

Editionen:

Literatur:

2. Entstehung und Inhalt

Korrespondenz mit Barthel Bach in St. Joachimsthal

Die Flugschrift selbst bietet über den Bezug auf die vorhergehende Korrespondenz zwischen Karlstadt und Bach (KGK 253; KGK 254) hinaus von ihrem Inhalt oder ihrer Quellenbenutzung her keine näheren Hinweise auf ihre Entstehung. Den Terminus post quem der Fertigstellung des Sendschreibens markieren die durchgeführten evangelischen Reformen in Orlamünde. Über deren Verlauf sind allerdings nur spärliche Quellenauskünfte erhalten. Die nach Karlstadts Überzeugung unbedingt gebotenen Reformen des Gottesdienstes und der Armenfürsorge sowie die Entfernung der sakralen Bildnisse hat er vermutlich – es sind keine Belege erhalten – so bald wie möglich verwirklicht, seit er im Frühsommer 1523 in Orlamünde die Aufgaben eines Pfarrers übernommen hatte.12Karlstadts Sendschreiben Ob man gemach fahren soll stellte ja ein flammendes Plädoyer für unverzügliche, nach Maßgabe der Bibel durchgeführte Reformen dar. Den Terminus ante quem der Entstehung bildet die Abreise Gerhard Westerburgs aus Orlamünde in Richtung Schweiz; denn Westerburg nahm die Manuskripte des Sendschreibens sowie des Traktats Wie sich Glaube und Unglaube halten (KGK 274) und der bereits fertiggestellten Abendmahlsschriften13 mit auf den Weg. Westerburg brach wahrscheinlich bald nach den Streitgesprächen mit Luther in Jena und Orlamünde gegen Ende August 1524 auf und reiste vermutlich auf dem möglichst direkten Weg nach Zürich und dann nach Basel.14 Innerhalb dieses weiten zeitlichen Rahmens lässt sich die Entstehung des Manuskripts aber noch genauer bestimmen.

Das Sendschreiben richtete sich an Bartholomäus Bach, den Stadtschreiber von St. Joachimsthal, dem Karlstadt bereits zuvor Werke zugeeignet hatte.15 Ihm ging ein nicht erhaltener Briefwechsel voraus, in welchem Karlstadt zunächst eine »anzeygung etlicher aͤnderung«, die in Orlamünde vorgenommen wurden, bot (KGK 253). Wie die Eingangspassage des Sendschreibens Ob man gemach fahren soll erkennen lässt, hatte Karlstadt dazu aufgefordert, nach dem Vorbild von Orlamünde Reformen auch in St. Joachimsthal umzusetzen. Karlstadt hatte damit vor allem die Umwandlung der Feier der römischen Messe zu einer schlichten evangelischen Abendmahlsfeier im Blick sowie die Entfernung aller sakralen Darstellungen aus den Kirchenräumen.16

Barthel Bach, als Stadtschreiber auf einer Schlüsselposition der städtischen Selbstverwaltung, antwortete auf das Ansinnen Karlstadts, dass man in St. Joachimsthal mit den Reformmaßnahmen nur »gemach« verfahren wolle (KGK 254 (Textstelle)). Damit erregte Bach den leidenschaftlichen Widerspruch Karlstadts. Hinter dem zurückhaltenden Vorgehen in St. Joachimsthal erkannte Karlstadt nur zu deutlich die Orientierung der böhmischen Bergstadt an Luthers Kurs, den dieser nach seiner Rückkehr von der Wartburg in Wittenberg eingeschlagen hatte. Luther hatte ostentativ – mit Rücksicht auf die Schwachen, deren Gewissen von Zwängen und ärgerlichen Anstößen freizuhalten seien – einige von Karlstadt durchgeführte liturgische Reformen zurückgenommen.17 In Reaktion auf Bachs Bekenntnis zu einem maßvoll-schonenden Vorgehen verfasste Karlstadt das vorliegende Plädoyer für die unverzügliche Durchführung der durch die Bibel gebotenen Reformen – in St. Joachimsthal und an allen Orten, wo »Christen herrschen«, die »Gott bekennen«.18 Wenn auch an Barthel Bach in St. Joachimsthal adressiert, so war doch in diesem »Sendschreiben«19 die breite Öffentlichkeit von Anfang an im Blick. Ein regulärer, gar persönlicher Briefschluss kam nicht mehr zustande. Der Text erörterte auch nicht als »Quaestio« ein Problem, vielmehr vertrat Karlstadt seine Position dezidiert und polemisch, offensichtlich provoziert durch die Korrespondenz mit dem evangelisch gesinnten Stadtschreiber Barthel Bach. Um Karlstadts Text historisch zu verorten, sei zunächst der Hergang der frühen Reformation in St. Joachimsthal skizziert.

Historischer Hintergrund: Die Reformation in St. Joachimsthal (1521 bis 1524)

Die auf Tschechisch Jáchymov genannte Stadt, gut 60 km südöstlich von Zwickau im nordwestböhmischen Teil des Erzgebirges gelegen, war nach dem Fund reicher Silbervorkommen im Jahr 1516 gegründet worden. Bereits 1520 vom böhmischen König zur Freien Bergstadt erhoben, erlebte St. Joachimsthal im engen Austausch mit den nur wenig älteren, ähnlich rasch herangewachsenen benachbarten sächsischen Bergstädten Annaberg, Buchholz, Schneeberg und der alten Tuchhandelsstadt Zwickau eine stürmische wirtschaftliche und soziale Entwicklung.20 Von Sachsen und Franken her eindringend, fand die evangelische Botschaft bei der neuzugezogenen Bevölkerung ebenso früh Anklang wie bei der herrschenden Adelsfamilie. Die Grafen Schlick hatten das Patronat für die neue Pfarrei St. Joachimsthal durch Kauf beim zuständigen Erzpriester von Falkenau erworben und der Gemeinde übertragen.21 Die Stadtpfarrkirche, die heutige Allerheiligenkirche, wurde 1520 geweiht. Karlstadt unterhielt spätestens seit Juli 1520, als er die Stadt kurz besuchte, persönliche Beziehungen nach St. Joachimsthal. Den Kontakt hergestellt hatte wohl der vormalige Wittenberger Student Wolfgang Kuch, der kurzzeitig als Kaplan in St. Joachimsthal wirkte.22Karlstadt sah die Möglichkeit, über persönliche Beziehungen auf die kirchliche Entwicklung in St. Joachimsthal Einfluss zu nehmen. Dies dokumentieren die zahlreichen Vorreden zu eigenen Veröffentlichungen, die er an einzelne Repräsentanten der Stadt richtete.23 Die Aufsehen erregende radikale Reformschrift Von Abtuung der Bilder (KGK V, Nr. 219) widmete Karlstadt im Februar 1522 gar einem Angehörigen der Grafenfamilie.24 Zugleich informierte er über die neue Wittenberger Stadt- und Kirchenordnung (KGK V, Nr. 219 Beilage), wohl auch, um für diese zu als Vorbild zu werben. Von der weiteren Korrespondenz Karlstadts mit St. Joachimsthal, die es angesichts dieser Beziehungen gegeben haben muss, ist allerdings nichts erhalten.25

Die böhmische Bergbaustadt hatte im Jahr 1521 den evangelisch gesinnten, gleichwohl an seinem vorherigen Wirkungsort Zwickau von dem radikalen Thomas Müntzer hart attackierten Johannes Wildenauer aus Eger (Sylvius Egranus) als Prediger berufen.26 Dieser kam seinen Amtspflichten in St. Joachimsthal aber erst seit Jahresanfang 1522 nach. Humanistisch geprägt, lag Egranus an der Bewahrung der Kircheneinheit. Egranus hielt sich zurück, was polarisierende Reformmaßnahmen anging, etwa die rasche Einführung des Laienkelches und die Abstellung überkommener Gebräuche, etwa die Prozessionen. Diese gemäßigte Haltung, die sich offenkundig an der Entwicklung in Wittenberg nach der Rückkehr Luthers von der Wartburg im Februar 1522 orientierte, provozierte wiederum die Kritik der ungeduldigeren Anhänger der Reformation. Diese drängten auf unverzügliche und tiefer greifende Maßnahmen.27Karlstadt wollte sich – so erscheint es – in die Auseinandersetzungen einmischen und reiste vor Ort. An Michaelis 1522 predigte er in der Pfarrkirche von St. Joachimsthal.28 Darüber, was seine Präsenz in der Bergbaustadt konkret bewirkte, liegen allerdings keine Hinweise vor.

Nach dem Weggang von Egranus übernahm im Jahr 1523 der Prediger Stephan Schönbach, der wohl bereits 1521/1522 als Diakonus in St. Joachimsthal tätig gewesen war, die Aufgaben des Pfarrers.29Schönbach setzte die vordringlichsten kirchlichen Reformen um, zog aber bereits im Frühjahr 1524 wieder ab. Er hatte offenbar den Rückhalt der Grafenfamilie und der Stadtregierung verloren.30 Man warf Schönbach vor, bei seiner Reformtätigkeit nicht ausreichend im Sinne eines Einverständnisses zwischen der Stadtobrigkeit und dem »Herrn Omnes« zu wirken. Die breite Bevölkerung verlangte anscheinend radikalere soziale und kirchlich-religiöse Verbesserungen.

Die briefliche Auseinandersetzung zwischen Stadtschreiber Bach und Karlstadt zu Jahresbeginn 1524 spielte sich in dieser angespannten Lage ab – am Vorabend des Aufstandes der Joachimsthaler Bergleute, der im Jahr 1525 ausbrechen sollte. Sie drehte sich um die Frage, ob weitere, unbestreitbar notwendige Reformen auf dem Weg zu einem dem Evangelium entsprechenden Kirchenwesen ein behutsam-schonendes oder drängend-radikales Vorgehen erforderlich machten. Der kommunale Rat von St. Joachimsthal plädierte, wie der Brief des Stadtschreibers Barthel Bach (KGK 254) erkennen lässt, für ein »Gemachfahren«. Offenbar hoffte der Rat, die gesellschaftlichen Konflikte nicht weiter zu verschärfen. Im Juli 1524 trat Johann Bindmann, ein vormaliger Dominikaner, der im sächsisch-albertinischen Annaberg wegen seines evangelischen Predigens verhaftet worden war, das Pfarramt in St. Joachimsthal an. Bindmann mahnte anscheinend wieder stärker als sein Amtsvorgänger Schönbach zu einem behutsameren Vorgehen und zur Untertänigkeit gegenüber der Herrschaft.31Bindmann starb jedoch bereits Ende 1524.32 Im Folgejahr brach tatsächlich, nachdem es schon früher immer wieder zu Unruhen gekommen war, der große Aufstand der Joachimsthaler Bergleute aus.33

Fertigstellung des Sendschreibens

In der auf den 1. März 1524 datierten Vorrede zum Druck seiner Predigt Von den zwei höchsten Geboten der Liebe (KGK VI, Nr. 247), den Karlstadt dem sonst unbekannten Joachimsthaler Bürger Dietrich von Bil widmete, kündigte er die baldige Zusendung einer weiteren Schrift an: »In kurtzen werdet ir ein buͤchlin/ von der goͤtzische bruͤderlichen lieb von mir entpfahen«.34 Dieses Büchlein Karlstadts war demnach weitgehend fertiggestellt, sollte »in Kürze« erscheinen und als Druck in St. Joachimsthal Verbreitung finden. Da kein anderer Text unter diesem oder einem ähnlichen Titel bekannt ist, könnte Karlstadt hier tatsächlich von der Flugschrift Ob man gemach fahren soll gesprochen haben.35 Zwei Überlegungen sprechen für diese Möglichkeit. Zum einen besagt gerade die Pointe einer der zentralen Aussagen der Flugschrift – in Übereinstimmung mit dem von Karlstadt in seinem Vorwort an Dietrich von Bil wiedergegebenen Titel –, dass die von Gott gebotene Nächstenliebe sich im unverzüglichen Eingreifen erweise und eben nicht in einer vermeintlichen Liebe, die sich in der Schonung der Schwachen zeige. Diese falsche, in der Predigt Von den zwei höchsten Geboten der Liebe als »götzische brüderliche« bezeichnete Liebe hänge, wie Karlstadt überzeugt ist, in Wirklichkeit an den Bildnissen.36 Sie verstoße gegen das biblische Verbot des Götzendienstes, indem sie die Praxis der römischen Messe und die Präsenz religiöser Bildnisse, vorgeblich noch auf Zeit, hinnimmt.

Zum anderen passt das Sendschreiben Ob man gemach fahren soll zusammen mit der ihm vorausgehenden Korrespondenz – neben dem Faktum, dass sie ebenfalls einem Joachimsthaler Bürger gewidmet ist – sehr gut zur reformationspolitischen Situation in der böhmischen Bergbaustadt gegen Ende des Jahres 1523 und im frühen Jahr 1524. Nach dem zurückhaltenden Egranus war es unter dem mit kirchlichen Reformen entschiedener voranschreitenden Pfarrer Schönbach offenbar zu einer Krise gekommen. Anscheinend versuchten Herrschaft und Gemeinde unter Berufung auf die Maßgaben eines schonenden »Gemachfahrens«, wie sie Luther nach seiner Rückkehr von der Wartburg propagierte, die in St. Joachimsthal stark vorandrängende reformatorische Bewegung wieder unter ihre Kontrolle zu bekommen. Darum musste Pfarrer Schönbach, vermutlich auf Verlangen der gräflichen Herrschaft und des Stadtrates, abziehen. Im Hintergrund stand natürlich auch das Bestreben, bei aller Dynamik der wirtschaftlich-sozialen und religiösen Entwicklung in der Bergbaustadt eine Gefährdung des Gefüges der weltlichen Ordnung tunlichst zu vermeiden.

Treffen diese Überlegungen zu, ergibt sich als präziserer Termin der Fertigstellung des Manuskripts des Sendschreibens Ob man gemach fahren soll das Datum der Vorrede zum Druck der Karlstadt-Predigt Von den zwei höchsten Geboten der Liebe (KGK VI, Nr. 247), also der 1. März 1524. Dagegen finden sich keine äußeren und inhaltlich-sachlichen Indizien für eine spätere Abfassung der Schrift, etwa im späteren Frühjahr oder im Sommer 1524, gleichzeitig mit den großen Abendmahlstraktaten, vor und nach dem Jenaer Gespräch im August 1524 oder gar erst nach erfolgter Ausweisung Mitte September.37 Eine Abfassung im Hoch- oder Spätsommer 1524, da Karlstadt an einer ganzen Reihe weiterer großer Traktate zum Abendmahl und zur Kindertaufe arbeitete und sich in zuspitzenden Auseinandersetzungen mit der Universität Wittenberg, den Landesherren und mit Luther befand. Karlstadt hat das Sendschreiben Ob man gemach fahren soll sehr wahrscheinlich spätestens im Februar 1524 verfasst.38

Gedanklich-thematisch führt die Flugschrift allerdings weiter zurück, nämlich zur Auseinandersetzung mit Martin Luther nach dessen Rückkehr von der Wartburg. Luther hatte in seinen Invokavitpredigten 1522 seinen Universitätskollegen Karlstadt für die um die Jahreswende 1521/22 in seinen Augen rücksichtslos und überstürzt durchgeführten Wittenberger Reformen verantwortlich gemacht. Die rigorose Entfernung sakraler Bildnisse aus der Stadtkirche und neue, im Namen des Evangeliums eingeführte Zwänge in der liturgischen Feier des Abendmahls hätten die Schwachen überfordert und die Gewissen der noch nicht hinreichend belehrten Gemeindeglieder belastet. Darum nahm Luther, der charismatisch die Führung der Wittenberger Gemeinde an sich riss, unter Berufung auf die biblisch und seelsorglich gebotene Schonung der Schwachen einige Reformen ostentativ zurück und setzte – mit der Rückendeckung der kurfürstlichen Regierung – Karlstadt öffentlich ins Unrecht.39

Inhalt des Sendschreibens

Die eröffnende Widmung (KGK 273 (Textstelle)) spricht ohne Umschweife den Dissens an, der sich zwischen Karlstadt und dem als »Bruder« angeredeten Joachimsthaler Stadtschreiber Bartholomäus Bach in einem vorangehenden, aber nicht erhaltenen Briefwechsel (KGK 253; KGK 254) aufgetan hat. Es geht um die im Buchtitel festgehaltene Frage: Dulden kirchliche Reformen, die von der Heiligen Schrift her gesehen als unbedingt geboten erscheinen, ein »Gemachfahren«, also ein langsames, behutsames Vorgehen, um die »Schwachen« zu schonen und ihnen kein Ärgernis zu bereiten? Oder sind solche Reformen, nachdem der dahinterstehende »Wille Gottes« verstanden wurde, unverzüglich und ohne Rücksichten anzugreifen? Karlstadt unterstreicht einleitend, dass in dieser Frage jeder einzelne für sich strikt auf Gottes Wort als »Richtschnur« sehen und »der Gerechtigkeit« nacheilen soll (KGK 273 (Textstelle)). Keine Ausflucht sei möglich im Namen einer Mehrheit, eines »Conciliums« oder der führenden »Schriftgelehrten«: Sie alle könnten irren. Gutdünken und Anpassung sind nicht statthaft, auch »aller anderen Menschen Weisheit«, von Gelehrten und Ungelehrten, haben keinen Bestand gegenüber der befreienden »bloßen« Wahrheit Gottes.

Vier durch Überschriften markierte Argumentationsgänge behandeln dann im eigentlichen Hauptteil der Flugschrift (KGK 273 (Textstelle)) die Frage unter verschiedenen Aspekten noch eingehender: Zuerst formuliert Karlstadt die Maxime: »Im Tun soll man nicht auf andere sehen«. Es geht vor allem darum, das Rechte allein nach Gottes Befehlen zu tun und diese unbedingten Anordnungen nicht zu relativieren.

Der zweite Grundsatz lautet: »Eine jegliche Gemeine, sie sei klein oder groß, soll für sich sehen, dass sie recht und wohl tue, und auf niemanden warten« (KGK 273 (Textstelle)). Der Bund mit Gott, hergestellt durch die Gabe des »gemeinen Gesetzes«, bilde, wie im alttestamentlichen Buch Deuteronomium dokumentiert, die Grundlage für dieses Handeln.

Der dritte Abschnitt unter der Überschrift »Die Tat soll dem Verstand bald und allzeit folgen« (KGK 273 (Textstelle)) hebt hervor, dass das Wissen um das Gebot unbedingten Gehorsam verlange. Das Verständnis oder die »Erkenntnis« der göttlichen Gebote erfordere den Willen zum Gehorsam und zum Leiden: »Wer göttlicher Lehre recht und wohl gedenkt, der kann nicht still stehen noch müßig oder träge sein, wenn ihn Gottes Reden zur Tat verbinden und treiben.« (KGK 273 (Textstelle)) Bei seinen Ausführungen präsentiert Karlstadt eine eigentümliche Differenzierung der biblischen Gebote und unterscheidet zwei Kategorien: »figürliche Gebote« (KGK 273 (Textstelle)) und absolut geltende Gebote wie das Bilderverbot und die Gebote der Zweiten Tafel des Dekalogs (KGK 273 (Textstelle)). Obwohl die »figürlichen Gebote« die Christen nicht wie seinerzeit die Juden »nach dem Buchstaben« verbinden, so gelten sie doch nach Karlstadts Auffassung weiterhin (KGK 273 (Textstelle)), nämlich für eine bestimmte Situation oder eine definierte Zeit. Sie sind dann auch »gründlich« zu befolgen (KGK 273 (Textstelle)), etwa das Gebot zu Werken der Barmherzigkeit. Sie sind im Fall der Not eines Mitmenschen verpflichtend. Dazu gehören nach Karlstadts Überzeugung auch die alttestamentlichen Zeremonial- und Reinheitsgebote, die Festvorschriften oder das Sabbatgebot. Ihre Befolgung dient der »fleischlichen Gerechtigkeit«, bis sich eine gründlichere Erkenntnis von »Gottes wahrhaftiger Gerechtigkeit« und »gerechter Wahrheit« (KGK 273 (Textstelle)) einstellt. Nach Karlstadts Auffassung hat Gott nämlich die »figürlichen« Gesetze nur um der Schwachen willen erlassen, die ein unzureichendes Verständnis des ewigen Willens Gottes haben, so wie auch die Juden in ihrer großen Blindheit »unfrei und gefangen« waren (KGK 273 (Textstelle)).

Der vierte und letzte Argumentationsgang der Flugschrift ruft unter der Überschrift »Ärgernis und Liebe des Nächsten ist ein teuflischer Mantel aller Bosheit« (KGK 273 (Textstelle)) zum unverzüglichen, entschiedenen Vorgehen gegen die »Götzenbilder« auf. Hier bringt Karlstadt das Beispiel der Situation eines Kindes, das arglos mit einem scharfen Messer spielt. Er führt damit den Nachweis: Akute Gefahr erfordert sofortiges Eingreifen – gerade darin zeigt sich die Liebe.

Abschließend führt Karlstadt unter der Überschrift »Antwort« (KGK 273 (Textstelle)) nochmals auf biblischer Grundlage Beispiele an, die belegen, dass eine christliche Gemeinde frei und ohne falsche Rücksicht auf Mächtigere und Schwächere, auch gegen deren Murren und Widerstand, unverzüglich all das abstellen muss, was offen gegen Gottes Gesetz verstößt.40 Damit diene man Gott und folge dem Gebot der Nächstenliebe.41

Mit seinem Sendschreiben Ob man gemach fahren soll versuchte Karlstadt, seine Adressaten in St. Joachimsthal und darüber hinaus die allgemeine Öffentlichkeit zu einer energisch und zügig voranschreitenden Reformationspolitik ohne falsche Rücksichten zu bewegen. Orlamünde und nicht Wittenberg sollte dafür das Vorbild abgeben. Dabei ging es Karlstadt insgesamt, belegt mit einer fast überbordenden Fülle biblischer Zitate, um die unbedingte Fortgeltung der alttestamentlichen Kult- und Bilderverbote. Christus selbst habe diese göttlichen Gebote bekräftigt. Ihnen gegenüber sei keine Relativierung möglich, sondern unmittelbare Umsetzung gefordert. Die in einem erregt-leidenschaftlichen Ton gehaltenen Ausführungen Karlstadts münden in den Aufruf, »wo Christen herrschen«, wo also grundsätzlich die christliche Religion in Geltung steht, direkt, auch gegen Widerstände und ohne Beachtung der »Oberkeit« für den gehorsamen Vollzug der göttlichen Gebote zu sorgen.

Es waren vermutlich solche radikalen Aussagen,42 die Karlstadt insbesondere von Seiten der kurfürstlichen Regierung und von Luther den Vorwurf einbrachten, radikale Aktionen, Aufruhr und Gewaltausbrüche mitverursacht zu haben. Trifft die hier vorgeschlagene Datierung zu, dann markiert dieses Sendschreiben, das allerdings erst im Oktober 1524 erschien, eine der ersten Veröffentlichungen, die in der Öffentlichkeit Karlstadts besonderes, von Luther abweichendes reformatorisches Profil für Außenstehende erkennbar machten. Darum setzte sich Luther bereits am Beginn des ersten Teils seiner Polemik »Wider die himmlischen Propheten« ausführlich mit Karlstadts Sendschreiben auseinander.43


1Zur Reise Westerburgs im Auftrag Karlstadts nach Zürich siehe Konrad Grebel an Joachim Vadian, 14. Oktober 1524 (Vadianische Briefsammlung 3, 88f. Nr. 407), zitiert bei KGK 268.
2Zu den Umständen der Drucklegung siehe die schriftlich niedergelegten Verhöraussagen der Basler Drucker (Beilage zu KGK 280). Barge, Chronologie, identifizierte die Drucker der in Basel zum Druck gelangten Karlstadt-Schriften und klärte auch die Drucklegung weitgehend; vgl. Barge, Karlstadt 2, 205f.
3Siehe Wolffs Verhöraussage (Beilage zu KGK 280 (Textstelle)).
5Siehe KGK 281 (Textstelle). Karlstadt hatte offenbar auf die beiden Traktate Ob man gemach fahren soll (KGK 273) und Wie sich Glaube und Unglaube halten (KGK 274) auch in Heidelberg, wo er Zwischenstation auf seiner Rückreise aus der Schweiz und Straßburg in Richtung Franken nahm und seine Bücher verbreitete, nicht ausdrücklich aufmerksam gemacht. In Frechts Brief (Beilage zu KGK 279) jedenfalls wurden sie nicht erwähnt. Offensichtlich ging es Karlstadt vor allem darum, seine neue Sicht des Abendmahls bekannt zu machen.
6Siehe KGK 280 (Textstelle), Beilage.
7Zu dieser Capito-Schrift (VD 16 ZV 2928) und zum Vorkommen des Karlstadt'schen Vergleichs siehe Kaufmann, Abendmahlstheologie, 207–209.
9Die frühere Forschung nahm mit Barge, Karlstadt 2, 206f., an, dass Karlstadts Weg nach Zürich über Straßburg führte und er dort (Anfang Oktober 1524) diesen Vergleich unter seinen Anhängern mündlich verbreitetete. So konnte er Capito zur Kenntnis gelangen; vgl. Müsing, Karlstadt, 178; Kaufmann, Abendmahlstheologie, 208 Anm. 501f. Dagegen legte Burnett, Eucharistic Controversy, 143–145; 201–203, plausibel dar, dass sowohl der Bote Westerburg als auch Karlstadt selbst nach seiner Ausweisung, etwa vier Wochen später Westerburgs Route folgend, den kürzeren Weg durch Franken und Schwaben (vermutlich Ulm) nach Zürich reisten und etwa Mitte September bzw. Mitte Oktober 1524 dort eintrafen; vgl. dazu KGK 268 und KGK 283. Zur Datierung des Eintreffens von Westerburg und Mantz in Basel»etwa Mitte oder Ende September« 1524 vgl. Jecker, Basler Täufer, 33.
10Siehe Wolffs Verhöraussage (KGK 280 (Textstelle), Beilage).
11Vgl. Barge, Karlstadt 2, 185.
12Besser belegt ist, dass Karlstadt in Orlamünde einen Aufschub der Taufe für Neugeborene bis zum Alter von etwa sechs Jahren, also bis zur Erinnerungsfähigkeit, realisiert hat; vgl. die Einleitung zu KGK 280. Generell zu den Orlamünder Reformen unter Karlstadts Leitung vgl. Joestel, Ostthüringen, 83–103; siehe auch KGK 255; KGK 256.
14Westerburg reiste gegen Ende August 1524 aus Jena bzw. Orlamünde ab, denn in seinem Protestschreiben gegen seine Ausweisung vom 26. November 1524 sprach er von einer dreimonatigen Abwesenheit (KGK 268 (Textstelle)).
15Karlstadt hatte Bach bereits in seiner Vorrede zur Schrift De canonicis scripturis (1520) Grüße bestellt (KGK III, Nr. 163, S. 271, Z. 18f.) und ihm dann 1521 seine Schrift Super coelibatu (KGK IV, Nr. 190, S. 203, Z. 12f.) sowie 1522 den Druck seiner Maleachi-Predigt (KGK V, Nr. 224, S. 215, Z. 8f.) gewidmet. Zu Barthel Bach, der aus dem sächsischen Bergbaustädtchen Geyer im Erzgebirge stammte und zur Führungsschicht von St. Joachimsthal gehörte, siehe KGK III, Nr. 163, S. 271, Anm. 12; KGK V, Nr. 224, S. 215, Anm. 1; vgl. Mittenzwei, Joachimsthaler Aufstand, 14.
17Vgl. Brecht, Luther 2, 70f.; ausführlicher und kritischer vgl. Kaufmann, Geschichte der Reformation, 383–392.
19Zum »Sendschreiben« vgl. Enzyklopädie der Neuzeit 2, 412 s.v. Brief; vgl. auch Zorzin, Flugschriftenautor, 173–175, der auf diese literarische Gattung bei Karlstadt hinweist.
20Vgl. Mittenzwei, Joachimsthaler Aufstand. Die Namensgebung Sankt Joachimsthal bezog sich auf die der etwas älteren sächsischen Schwesterstadt Sankt Annaberg, die um 1497 entstand.
21Vgl. Wolkan, Anfänge der Reformation, 3; Mittenzwei, Joachimsthaler Aufstand, 83; außerdem zur kirchlichen Entwicklung zuletzt Wernisch, Mathesius, 105–111.
22Vgl. KGK III, Nr. 161, S. 214; Karlstadt widmete Kuch den umfangreichen Traktat De canonicis scripturis (1520) (KGK III, Nr. 163, S. 257–362; vgl. bes. S. 262 und S. 270, Anm. 1).
23Siehe KGK III, Nr. 162, 163 und 171; KGK IV, Nr. 190; KGK V, Nr. 219 und 233; KGK VI, Nr. 247, S. 239, Z. 10–22; vgl. Barge, Karlstadt 1, 202f. m. Anm. 62; Barge, Karlstadt, 2, 179; mit Hinweis auf Wolkan, Anfänge der Reformation, 17–29; vgl. auch Zorzin, Flugschriftenautor, 150f.; 157 Anm. 108; 162 Anm. 127; 175 Anm. 48 (ausführlich); [S. 285] Nr. 30; [S. 291] Nr. 49; [S. 297] Nr. 70.
24Wittenberger Stadt- und Kirchenordnung (1521) (KGK V, Nr. 219, S. 115–178 mit Beilage 179–185).
25Karlstadt widmete seine Rechtfertigungsschrift Ursachen seiner Vertreibung aus Sachsen (KGK 281) mit Datum vom 6. November 1524 dem Joachimsthaler Schulmeister Philipp Stumpf aus Eberbach; siehe KGK 281 (Textstelle).
26Zu Egranus siehe KGK III, Nr. 163, S. 262, Anm. 42; KGK V, Nr. 219, S. 121, Anm. 16; vgl. zuletzt Sächsische Biografie s.v. Johannes Sylvius Egranus.
27Vgl. Wolkan, Anfänge der Reformation, 4–17, sowie KGK V, Nr. 219, S. 121 mit Anm. 16.
28KGK V, Nr. 232, S. 309–322; vgl. bes. S. 310–312 (Indizien für Wittenberger Einflüsse auf die Kirchenordnung von 1521/22 der Stadt Elbogen, die zur Herrschaft der Grafen von Schlick gehörte).
29Zu Stephan Schönbach aus Crimmitschau (um 1495 – nach 1552) vgl. Pfarrerbuch Sachsen s.v. Schönbach, Stephan (Lit.). Wohin sich Schönbach, der in Leipzig studiert hatte, unmittelbar nach Aufgabe seiner Tätigkeit in St. Joachimsthal wandte, ist unklar. Von 1549 bis 1552 fungierte er als Superintendent in Rochlitz.
30Zu den Vorgängen vgl. Mittenzwei, Joachimsthaler Aufstand, 85f. Zum Verhältnis der Grafen Schlick zu Luther vgl. KGK V, Nr. 232, S. 310–312 mit Anm. 9.
32In seiner Nachfolge als Pfarrer in St. Joachimsthal fungierte 1525 bis 1526 der vormalige Wittenberger Student und Luther-Vertraute Johann Schlaginhaufen (um 1500–1560) aus Neunburg vorm Wald; er wurde 1526 Pfarrer in Schneeberg, 1527 Diakon in Werdau, 1530 Oberpfarrer in Zahna, und schließlich 1533 Pfarrer in Köthen, wo er seit 1541 auch als Superintendent amtierte; vgl. Graf, Anhaltisches Pfarrerbuch, 413; Pfarrerbuch Kirchenprovinz Sachsen 7, 458.
33Vgl. Mittenzwei, Joachimsthaler Aufstand, 87–91. Zur weiteren Geschichte des evangelischen Kirchenwesens St. Joachimsthal vgl. Wartenberg, Matthesius, sowie Kohnle/Dingel, Mathesius.
34KGK VI, Nr. 247, S. 239, Z. 17f.
35Vgl. Zorzin, Flugschriftenautor, 230 mit Anm. 40, der zwar auf inhaltlich verwandte Aussagen in der Flugschrift Ob man gemach fahren soll hinweist, allerdings nicht die Identität beider Texte in Erwägung zieht.
36Siehe KGK 273 (Textstelle); KGK 273 (Textstelle). Unter dem Mantel und Anschein brüderlicher Liebe hält man die Götzen, welche die Laien »Heilige« heißen, in Gotteshäusern, auf Bergen, in Tälern und an Wegscheiden und will sie dort bestehen lassen, bis die Schwachen stark werden (siehe KGK 273 (Textstelle)).
37Zur Datierung vgl. Jäger, Carlstadt, 407, der die Schrift, ohne nähere Begründung, »im Frühjahr 1524« entstanden sieht. Zorzin, Flugschriftenautor, 296, Nr. 70 mit Anm. 60 [S. 306], hält diese Annahme der Entstehung im Frühjahr 1524 für plausibel, weil Karlstadts Widmung seiner Predigt Von den zwei höchsten Geboten der Liebe an den Joachimsthaler Bürger Dietrich von Bil darauf hindeute, dass Karlstadt gerade »zu diesem Zeitpunkt darum bemüht [war], seine Verbindungen zu Joachimsthal aufrechtzuerhalten«. Dagegen setzte Barge, Karlstadt 2, 152, die Entstehung des Sendschreibens Ob man gemach fahren soll nach dem Jenaer Gespräch an, also »frühestens Ende August 1524«. »Die scharfen Auseinandersetzungen« zwischen »Luther und Karlstadts Anhängerschaft über die Zulässigkeit kirchlichen Bilderschmuckes«, zu denen es bei ihrer Begegnung in Orlamünde am 24. August 1524 gekommen war, hätten Karlstadt den Anstoß gegeben, sich in dieser Schrift »zu der Frage zu äußern und die in Betracht kommenden prinzipiellen Gesichtspunkte hervorzuheben«; Barge, Karlstadt 2, 178f. Nach Barge, Chronologie, 331, sei das Sendschreiben sogar »erst in der Verbannung entstanden«. Pater, Karlstadt, 160f., wiederum datierte die Abfassung des Sendschreibens Ob man gemach fahren soll in die Zeit vor Karlstadts Briefwechsel mit Müntzer im Juli 1524. Ponader, Abendmahlslehre, 119, widersprach und meinte, nur die am 18. September 1524 erfolgte Ausweisung Karlstadts aus Kursachsen könne »die Schärfe der Ausfälle gegen Luther« erklären; die Flugschrift sei um Mitte September 1524 begonnen worden.
38Die Kunde von Karlstadts positiver Aufnahme von Vorgaben des atl. Gesetzes drang auch zu Luther, der Karlstadts Wirken in Orlamünde aufs schärfste kritisierte; vgl. Luther an Spalatin, 14. März 1524 (WA.B 3, 254 Nr. 720). Mit »monstra Carlstadii« (WA.B 3, 254,6f. und 256,18) bezeichnete Luther vermutlich (gegen WA.B 3, 255 Anm. 3) die umfangreichen Traktate Von dem Priestertum und Opfer Christi (KGK 249) und Von dem Sabbat (KGK 252). Zu Karlstadts Auffassung von der bleibenden Bedeutung des atl. Gesetzes vgl. die Analyse der Schrift Ob man gemach fahren soll bei Totzeck, Gesetze, 109–113.
39Vgl. Kaufmann, Geschichte der Reformation, 385–392; vgl. Brecht, Luther 2, 66–72; Krentz, Ritualwandel, 218–242.
40Karlstadt formuliert als Summe: »Demnach ist das der schluß/ wo christen herschen/ da sollen sie keyn oberkeit ansehen/ sonder frey von sich umb hauen und nider werffen das wider got ist/ auch on predigen. Solcher ergernüßen seind viel/ nemlich die meß/ bildnüssen/ […] und der gleichen.« (KGK 273 (Textstelle)).
41Angehängt ist zuletzt (KGK 273 (Textstelle)) der Hinweis auf das Projekt einer weiteren Schrift Karlstadts»Von Mannigfaltigkeit des Ärgernisses«, das aber nicht zur Ausführung gelangte.
42Locher, Zwinglische Reformation, 294, bezeichnete das Sendschreiben Ob man gemach fahren soll als Karlstadts»radikalste Schrift«.
43WA 18, 67,3–81,20.

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