Luther an Spalatin, 30. Oktober 1524: »Carlstadius literas Orlamundae scripsit, alteras viris, alteras feminis […].«1
Luther an Amsdorf, 27. Oktober 1524: »Carlstadius interim scripsit Orlamundensibus, quoque seorsim […].«2
1. Inhaltliche Hinweise
Nach seiner Ausweisung aus Sachsen wandte sich Karlstadt Mitte Oktober mit zwei getrennten Briefen schriftlich an die Männer und Frauen von Orlamünde, wie durch die oben zitierten Schreiben belegt ist. Über ihren Inhalt ist nichts Näheres bekannt, wohl aber über die Umstände ihrer Verlesung in Orlamünde, wo die unter Glockengeläut vorgetragenen Worte die Anwesenden angeblich zu Tränen rührten.3 Unterzeichnet waren die Schreiben mit den Worten »Andreas Bodensteyn unverhort und unuberwunden durch Martinum Luther vertrieben.«4 In Orlamünde hielten sich zu diesem Zeitpunkt noch Karlstadts hochschwangere Ehefrau Anna von Mochau und ihr gemeinsamer Sohn5 auf – möglicherweise in dem Haus, das sie in Naschhausen in der Nähe von Orlamünde besaßen.6 Nach ihrer Niederkunft im Januar 1525 und der Weigerung, den neugeborenen Sohn Andreas taufen zu lassen, wurden auch sie aus Sachsen verwiesen und trafen dann in Rothenburg wieder mit Karlstadt zusammen.7
Bei diesen Briefen handelt es sich um den letzten nachweisbaren direkten
Kontakt zwischen Karlstadt
und den Orlamündern; er kehrte nie
mehr dorthin zurück, widmete »den Brudern an der Saale« aber
seine Schrift Anzeige etlicher Hauptartikel christlicher
Lehre.8
Dennoch scheinen diese ihm und seiner Lehre – trotz aller Widerstände – noch
geraume Zeit die Treue gehalten zu haben. Im Januar 1525 berichtete Glatz in einem Brief an Luther:
Noch 1527 berichtete Melanchthon den Kurfürsten von seiner Visitationsreise ins Saaletal: »Wir haben auch im ampt Leuchtenberg, als zu Calo und sonderlich zu Orlemund, noch etliche Karolstadter gefunden. Mit den selbigen irs irtuhumbs halben geredt und vil disputationes gehaltten. Seint so vil aus vorleihung gotlicher genaden untterricht worden, das sie yren irthumb bekannt und got dem almechtigen dancksagung gethan, mit verheissung, sich hinforder diesen irthumb nit verfuren lossen, sonder dovon abtzustehen.«10 Auch einige noch ungetaufte Kinder seien in Abstimmung mit dem Rat getauft worden.11 Lediglich ein Schuster aus Orlamünde möglicherweise derjenige, der sich in der Disputation mit Luther hervorgetan hatte, sei so verstockt gewesen, dass man ihn mit Ausweisung aus den kursächsischen Landen bedroht habe.12 Trotz dieser landesherrlichen Maßnahmen sind auch 1529 und 1539 in den Visitationsprotokollen noch einige Anhänger der Lehren Karlstadts oder zumindest seiner religiösen Praktiken erwähnt.13