Nr. 260
Kurfürst Friedrich III. von Sachsen an Andreas Karlstadt
Schweinitz, 1524, 10. Juni

Einleitung
Bearbeitet von Stefanie Fraedrich-Nowag

1. Überlieferung

Handschrift:

[a:]LASA Magdeburg, A 2, Nr. 499, fol. 6r (Abschrift von unbekannter Hand)

Bei der Editionsvorlage handelt es sich um eine durch einen Kanzleischreiber angefertigte Abschrift des Briefes an Karlstadt, die einem Schreiben Kurfürst Friedrichs III. an Universität und Stiftskapitel Wittenberg beilag. Die Ausfertigung des Schreibens ist verschollen.

Edition:

Literatur:

2. Entstehung und Inhalt

Mit dem vorliegenden Schreiben bestätigte Kurfürst Friedrich III.Karlstadt den Eingang seines Briefes vom 8. Juni 1524 über die Resignation von seinem Archidiakonat am Allerheiligenstift in Wittenberg (KGK 259) und wies ihn an, sich gemäß der Aufforderung von Universität und Stiftskapitel nach Wittenberg zu begeben. Diese würden sich dann auf kurfürstliche Anweisung hin um die Abwicklung der mit der Resignation zusammenhängenden v.a. finanziellen Angelegenheiten dergestalt kümmern, »daz Ir Euch unnsers versehenns, keiner unbilligkheit zubeclagen ursach habt.«1 Am folgenden Tag informierte der KurfürstUniversität und Stiftskapitel über Karlstadts Resignation und den damit verbundenen Verzicht auf die Pfarrei Orlamünde, legte dem Schreiben seine Antwort an Karlstadt bei und gab Anweisung, sich »auff solch sein schreiben unnd bitt Auch unnser gegeben anntwurt, der billigkeit nach zuerzeigen.«2

Die Nachricht der Resignation Karlstadts wurde in Wittenberg positiv aufgenommen – bereits am 18. Juni 1524 brachte Luther gegenüber Kurprinz Johann Friedrich seine Hoffnung zum Ausdruck, dass »Der Schwärmer halben mit dem Predigen etc. hoff ich es solt itzt der Sachen zu Orlamünde wohl geraten werden, weil Doctor Karlstadt die Pfarr [Orlamünde] ubergeben hat, daß man ein rechtschaffnen Mann bei uns dahin bestell.«3 Der Abzug Karlstadts aus Orlamünde ließ entgegen der Hoffnung Luthers jedoch auf sich warten. Erst knapp einen Monat nach der kurfürstlichen Aufforderung begab sich Karlstadt nach Wittenberg, wo er am 22. Juli 1524 persönlich bei Universität und Stiftskapitel auf sein Archidiakonat und die damit verbundene Präbende verzichtete. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die finanziellen Angelegenheiten zwischen Karlstadt und der Universität geklärt.4

Damit verschaffte er sich einen zeitlichen Aufschub, der ihm die Chance bot – wie bereits in seinem Schreiben an Herzog Johann vom 19. April 1524 (KGK 256) angestrebt – noch über den Sommer in Orlamünde zu bleiben und so bis zur Ankunft des neuen Pfarrers die Ernte einbringen und seine Lektionen abschließen zu können.5 Mit Blick auf die Tatsache, dass Karlstadt zu diesem Zeitpunkt bereits ein Haus in Naschhausen bei Orlamünde besaß,6 kann jedoch insgesamt in Zweifel gezogen werden, ob Karlstadt nach der Aufgabe seines Archidiakonats überhaupt vorhatte, Orlamünde zu verlassen oder ob er nicht vielmehr plante, sich dort dauerhaft als Bauer niederzulassen, wie er es bereits bei seiner Übersiedlung gegenüber Herzog Johann angekündigt hatte.7


2Kurfürst Friedrich III. von Sachsen an Universität und Allerheiligenstift Wittenberg, Lochau, 11. Juni 1524 (LASA Magdeburg, A 2, Nr. 499, fol. 4r–v = Friedensburg, Verzicht, 72 Nr. 3).
3Luther an Herzog Johann Friedrich, Wittenberg, 18. Juni 1524 (WA.B 3, 307,66–68 Nr. 753).
4Vgl. Hans von Taubenheim an Kurfürst Friedrich III., Wittenberg, 2. Oktober 1524: »Der carlstat hat vff Marie Magdalene [22. Juli] negst vorschynnen seyn prebend vfgebn vnd resigniret, vnd das corpus gelt is jme dis jar allenthalben vmb fydens vnd aynikeit willen zufolgen nachgelassen. Aber das eynkomen diser prebend des nachfolgenden jars wirdt E'uer' churf'urstlichen' g'naden' heymfallen, E'uer' churf'urstlichen' g'naden' gefallens damit zugebaren. gedachter carlstat hat von der pfarre zu orlamund jerlich lxxx fl gehabt vnd jnnebehalden vnd das vorgangen jar wyder gepredigt nach gelesen, umb des willen dieselbe pension der lxxx fl zu dem archidiaconat geordenet.« (Sider, Karlstadt, 304; das Original befindet sich in LATh-HStA Weimar, EGA, Reg. O 181, fol. 1). Etwas detaillierter Universität und Stiftskapitel Wittenberg an Kurfürst Friedrich III. von Sachsen, Wittenberg, 1524 (undatiert): »[…] und als er erschynnen, hat er vom Decanat Theologico rechnung gethan. Des und anders. Szo er uns schuldig zu hauff sumirt ist er uns in samt zwen und dreissig floren sieben groschen zu zcahlen schuldig befunden. […] haben wir uns dermassen mit ime verdragen, das, was des archidiaconats Corpus ime gehorig, was auch des vergangenen Jahrs ime an Corpus noch ausstendig (das dan wenig) uns dofür volgen solt. Also das wir, ungevehrlich biß auff zcehn oder zwelff gulden bezalt megen werdenn. Darnach so wir weitter ynen der pfarrn Orlamunde und des kunftigen Vicarii halben, nemlichen das er der pfarrn abtrete und reumete, auch dem Vicario an fruchten und anderm einkumen sein gebur bleiben zu lassen, angeredt, das wir szein auch zufride.« (Hase, Orlamünda, 112 Nr. XXI). Diese Quelle könnte sich allerdings auch auf die Vereinbarungen vom 4. April 1524 beziehen; hierzu siehe auch KGK 258 (Anmerkung).
5Vgl. KGK 256 (Textstelle). Zu Karlstadtscollationes und lectiones siehe auch die Einleitung zu KGK 250.
6Vgl. Hase, Orlamünda, 59 Anm. 26. Dies geht auch aus einer Vollmacht Karlstadts und seiner Frau Anna für Valentin Geißendorf zum Verkauf dieses Hauses vom 12. Januar 1526 hervor. Diese wird in KGK VIII ediert.
7Vgl. KGK VI, Nr. 242, S. 161, Z. 8–12. In diese Richtung könnte auch Karlstadts Äußerung gegenüber Luther bei ihrem Aufeinandertreffen in Jena am 22. August verstanden werden, sich zukünftig mit dem Pflug ernähren zu wollen, auch wenn Karlstadt wohl plante, zudem noch publizistisch tätig zu sein; vgl. KGK 267 (Textstelle). Tatsächlich scheint es auch Luther so verstanden zu haben, denn noch am 22. September sprach er sich dafür aus, »daß er [Karlstadt] allerding des Orts an der Sala [Orlamünde] nicht bliebe« (WA B. 3, 353,8f. Nr. 778).

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