Nr. 256
Andreas Karlstadt an Herzog Johann von Sachsen
Orlamünde, 1524, 19. April

Text
Bearbeitet von Stefanie Fraedrich-Nowag
Buchsymbol fehlt Durchlauchter hochgeborner furst gnediger herr. e'uer' f'urstlich' g'naden'
sind meyne underthenige dinste/ in allem gehorsam zcuvor an.

Gnediger furst und herr/ die hochberumpte Universitett-
zcu wittenbergk haben/ mir zcu gut/ an e'uer' f'urstlich' g'naden' eynen brieff
geschriben und geben1/ der nach meynem angeben/ solt gemacht
worden seyn/ als sich unser herr Rector der Achtbar und
hochgelartte her Philippus Melanchton und eczliche andre
erbothen. Aber weill ich zcu wittenbergk/ in dem selben
brieffe2/ welcher mir zcubesehen zcugeschickt/ als ich gancz
wegefertig war3/ vermerckt habe/ das eczliche artickell auß-
gelassen und verschwigen/ sonderlich eyner/ an dem mir
ethwas gelegen/ hab ich und auch anderer sach halben/ solchen
brieff E'uer' f'urstlich' g'naden'/ mir zcu gut belangende/ eczliche tage bey mir
behalden/ und mich bedacht/ ob ich e'uer' f'urstlich' g'naden' odder gedachter lob-
lichen universitett widerumb zcufugen4 solt. den selbigen
schick ich e'uer' f'urstlich' g'naden' mit undertheniger bith zcu.
E'uer' f'urstlich' g'naden' wolten
meyn nottorfft zcu hercz gehen lassen und nicht zcu
ungnaden stellen.5

Der außgelassen artickel/ der mir am meynsten an ligt
ist disser. Ich byn obgenanter e'uer' f'urstlich' g'naden'universitett schuldig
worden/ durch meyn vilfeldiges reisen zcu disser pfharren6
und wolt sie gern gnugig machen/ derhalben hab ich von yhnen
erbethen/ das sie meynen sold/ alhie zcu Orlamunde von dem
zcukunfftigen vicario eyn nemen und sich do mit beczalen
sollten/ ßo vil ich yhnen pflichtig
.7Die weil sie sich
ßo fruntlich und trostlichen hören liessen. und alle erbothen/
sie wolten mich furdere und helffen〈.〉 Und alßo wolt ich zcu
wittenberg seyn〈,〉 lesen und predigen. und nicht zcuthun haben
mit den meßhaltern
.8 Doch ßo fernen/ das mir das andere
zcu wittenberg wurd.

Solt ich nuhe/ g'nediger' f'urst' und h'err'/ mich/ auff yhre schrifft9/ gen Witten-
berg erheben/ het ich zcu furchten/ das sie von mir wolten
beczalt seyn/ und mir doch nicht zcu meynem sold10 helffen/ den
ich an iren beystand nicht erlangen magk/ Das Capittell
hatt mich wiczigk gemacht11/ und ursach geben/ das ich yhnen
messiglich12 vertraw/ denn sie haben mir meyn presencz
genhomen/ als ich meyner lection wartten13 solt/ widder
Buchsymbol fehlt yhre statuten
.14Drumb wil ich vor allem wissen/ wie
und wo ich meynen sold heben werde.a von disser pfar15 will ich
meynen lohn nicht heben noch wartten/ ßo mir yhnen obgedachte
universitett nicht anheissig16 wurd, denn es möcht mir als vor/
ergehen17/ do mit aber muß ich die lenge zcum betler werden.
Mir
ist auch nicht enthfallen/ das ich vil hindernis und wenig fur-
derungb gehabt.18 werd ich versichert/ ßo wil ich umb lohn
lesen, one das trau ichs nicht zcuthun und gebs euren furst-
lichen gnaden zcubedencken.E'uer' f'urstlichen' g'naden' darff ich auch nicht bergen〈/〉
das disse pfar den Sommerlang nur vir alte schock19/ an gelde
eynkomen hat. Mit dem Zcehen20 wann er wol geredt, konth
man Capellan und schulmeyster bestellen.
Es stehet drauff/ das
eynen newen Conventor/ der sich den Sommer herfuget/
ergehen möchte/ als mir vorm Jar.21 Ich muste mher winczerlons
geben/ dan mir Gott weyn bescheert. Auch verdarb mir das
heu/ das aber ich davon brachte/ kostet mich mher geldes/
danns wirdig war. Auch hat M'a'g'iste'r Conradus22 die ecker
außgekornet/ das zcufurchten ist/ wo eyn durre Jar eynfile/
das wenig getreidichs wachsen wurde. dann wie wol ich uber
funffczigk fuder mistes hab lassen furen/ ist es doch nicht zcu
mercken.
Der wegen besorg ich/ das sich eyn Conventor/
mit eynem solchen schweren anfangk in schuld brengen möchte/
als ich gethan/ Daczu must mir eyn Conventor/ meyne
art23 und weynbaw/ und besserung24 zcusampt der sahet bezcalen/
das alles auff eyn eben gelt lauffet. Ich habe bereith gelt
außgeben/ drumb wil ichs vor wider nemen, ehe ich abczihe.
Der Magister25 hat die pfar noch nicht genczlich ubergeben/ eyn
unordentlich register gelassen/ und helt mich noch yn
anspruchen, wie e'uer' f'urstlich' g'naden' auß seyner Supplication vernomen
haben
.26 Steht mir seyner halben auch nicht zcuthun, das
ich von dannen/ one rechtlichen vertrag wende. Der halben
E'uer' f'urstlich' g'naden' ich underteniglich bith/ das ich vor allem/ meynes
verdinstes versichert/ mit M'a'g'ist'ro Conrado enthscheiden, und
mir gnugsamer abtrag/ und erstattung/ vor meyne artt/
weynbaw/ sahet/ Und besserung geben werde/ ehe ich zcu
weichen gedrungen.
Szo aber e'uer' f'urstlich' g'naden' das mißlich eyn-
komen des sommers ermessen27/ und zcu herczen nemen wollten/
das e'uer' f'urstlich' g'naden' nachreden drauß erwachsen mochten, wo ich ßo
Buchsymbol fehlt ploczlich von hynnen und vom Landvolck genomen wurde,
das auß vil enden hie her zcur predigt leufft.28wolt ich den
sommerlang bleiben und meyne angefangene lectionen, nemblich
der Apostolischen geschichten teglich, und des Evangelii Joannis
am feyertag
volenden29
/
mitler Zceit möcht man, uff eynen
Conventor dencken/ der die art ecker30 uff den wintter arbeitten
liese. Wolten e'uer' f'urstlich' g'naden' meyn arbeithen ansehen Und durch
f'urstlich' bevelh verschaffen lassen, das mich die habhafftige des Adels
und andere zcaleten31/ ich nemes mit grosser danckbarkeith an,
den ich hab zcugepust reh.32 Bith e'uer' f'urstlich' g'naden' gnedige anthwort, wens
e'uer' f'urstlich' g'naden' gelegen. E'uer' f'urstlich' g'naden' mit allem vermogen zcu dynen
bin ich willig, schuldig, und alczeit bereith Datum Orlamunde
Dinstags nach Jubilate.33 Anno xv. xxiiii.

E'uer' F'ürstlich' G'naden'

armer dyner

Andres Karlstadt.


Beilage 1: Rat und Gemeinde von Orlamünde und die Gemeinden Dienstädt, Bucha, Zeutsch und Freienorla an Herzog Johann von Sachsen, Orlamünde, 1524, 3. Mai

Buchsymbol fehlt

Durchlauchter hochgeborner furst und here〈.〉E'uer' f'urstlich' g'naden' sind unsre
schuldige dinste zcuvorn/ Gnediger furst und her/ Es ist
vor uns ruchtbar34 worden/ als wolten uns das Capittell/ sampt
der loblichen universitet zcu wittenbergAndream Karlstadunsern
pastor und hirten/ der uns von Gott zcugeschickt
/35 widerumb
enthziehen und enthwenden36/ welchs uns zcu eyner wichtigen be-
schwerungen gedeyen wolt/ nemblich/ das wirc mit göttlicher
weyßheit/ warheit und gerechtikeith/ hirnach wir eyne lange
Zceit durstig37 und eynbrunstig38 gewest39/ noch nicht gnugsam/
Eusserlich/ gestetigt40 noch underweist seyn. Szo wissen wir
(wie es dan am tag ist) das e'uer' f'urstlich' g'naden'/ dem evangelio und warheit
Gottis/ mit hochem vleiß/ gancz hiezigk und begirig/ nachtrachten,
und gevolgig seyn. E'uer' f'urstlich' G'naden' wollen sich umb solcher war-
heit willen/ den heilligen Sant Pauln/ durch unser under-
thenig bitthen/ bewegen lassen. szo er von der erwelung eynes
pastors geschriben und gelernet hat41/ das eyne iczliche gemeyne/
eynend pastor und hirtten/ die waren reden gottis dem volck
furzulegen/ der eynes guthen lebens/ und vol heiliges geistes
ist/ zcu erwelen hat. Szo kisen und erwelen wir/ gedachten
Karlstad/ welcher uns sunst zcuvor durch Gott gegeben42/ vor e'uer' f'urstliche' g'naden'
und meniglichen43/ alle semptlich und eyn ietczlicher in sunder-
heit/ uns zcu eynem pastor und warhafftigen hirtten/ die
weil wir/ alles/ ane44 mangel/ was Paulus von eynem
solchen gelernt45/ yn yhm befinden und nicht anders spuren
kinnen
.
46Des verhoffens e'uer' f'urstlich' g'naden' werden gedachtem Capittell
und universitet wittenbergk mit nichte gestatten/ uns eynen solchen
ordentlichen erwelten hirtthen von Goth und den menschen/

hynwegk zcunhemen.
Die weil sie47 mit hochgelarten und gelar-
ten leuthen (Gott hab lob) selbst gnugsam versorget/ und
keynen mangel haben. Mit ganczem vertrauen/ wen
wir den allerhochsten gelartten/ szoe yn eueren f'urstlich' g'naden' loblicher
universitet wittenbergk geseyn möchte/ zcu uns hirauß zcukomen
disser gestalt erweleten/ e'uer' f'urstlich' g'naden' wurden uns den nicht versagen/
und weniger den/ szo schon iczt bey uns ist48/ von uns hinwegk
kommen lassen/ E'uer' F'urstlich' G'naden' wollen uns nachmals/ unsers
vorbittens49/ unsers vertrauens/ und sunderlich gotlicher erwelung
gnissen lassen etc. Das wollen wir alle semptlich und eyn
iczlicher in sunderheit umb e'uer' f'urstlich' g'naden'/ alczeit zcu tag und nacht/
gancz underthenig/ mit schuldigen dinsten leibs und guths
vergleichen. Bitthen e'uer' f'urstlich' g'naden' bey dissem bothen/ gnedige
Buchsymbol fehlt anthwort/ Zcu Dinstags nach walpurgis Anno
xv. und Im xxiiiif

E'uer' f'urstlich' G'naden'

underthenige

Der Radt und gan〈cze〉

gemeyn zcu Orlam〈unde〉

Die gemeyne zcu Den〈stedt〉

Die gemeyn zcu Bu〈ch〉

Die gemeyne zcu Zceu〈czsch〉

Die gemeyn zcu Freienor〈la〉


Beilage 2: Rat und Gemeinde von Orlamünde und die Gemeinden Dienstädt, Bucha, Zeutsch und Freienorla an Universität und Stiftskapitel Wittenberg, Orlamünde, 1524, 12. Mai

Buchsymbol fehlt

Dem Erwurdigen/ achtbarnn unnd
hochgelarten Capittel unnd Uni-
versitett zu wittenbergk unsern
gunstigenn herenn

Buchsymbol fehlt

Unsere willige Dinste/ Erwurdige/ Achtbare
und hochgelarthe/ gunstige lieben hern. Seyntemall
Doctor Andreas Karlstad/ uns/ das wort Gottis getreulich
zcu predigen/ sonder zcweiffell auß Göttlicher gnediger versehung
zcugeschickt,50 und wir solche gnadreiche gotliche gabe/ mit dem
umbligenden landvolck51/ zcu Gottlicher ehre/ und unserer selen
heilwertikeith52/ gereichen/ und nicht wenig erschißlich/ erkennen
und yn Gott hoch erfreuet. doch als balde wir ver-
nommen/ das obbemelter D'octor' Karlstad/ sich/ uff e'uer' w'ürden' ansinnen
widerumb kegen wittenbergk sold/ zculesen/ verfugen.53 unnd ehr
auch/ uff solch e'uer' w'ürden' anregen (szo es gefuglich geschen möcht)
geneigt.54 Sind wir mit der umbwonenden landschafft55
yn grossem bekommern enthseczt/ Haben vorgemelten
D'octor' Karlstad/ auß bruderlicher liebe/ uff lenger zceith/ bey
Uns/ mit angefangner Gottlicher unterrichtung zcu verharren/
bitlich ersucht. Aber ehr hat uns dar uber sicher vertros-
tung56/ nicht zcugesagt. Ist die landschafft neben uns
auß Cristlichem bewegen/ eynmutig radts geworden/ und
hat vilgedachten Doctor/ zcum pastor oder prediger uff
lenger zceit bey uns zcu bleiben/ erwelt und nominirt
haben auch solche unsere cristliche nominacion unserem lan-
dsfursten und hern/ hern Johans herczog zcu Sachsen etc.
unserm gnedigen herrnn, durch schrifft/ wie ihr yn
eyngeleibter Copien vernemen werdet/ eröffnet/ und zcube-
krefftigen bithlich und underthenig angesunnen.57 Dar-
uff wir s'einer' f'ürstlich' g'naden' gnedige schrifftliche anthwort/ wie auch
hir neben yn eyngelegter Copien bemeldet ist/ enthpfangen58
Als solten wir e'uer' w'ürden' unser Cristlich guthmeynen59/ entdecken/
des wir dan/ mit mehrer sicherer verhoffnung/ erfreuet.
sinthemall e'uer' w'ürden' yn disser sachen (wie es weltruchtig60 ist)
hochwissen tragt/ auch durch unsere gnedigsten und
gnedigen hern61/ mit furstlichem solde vielen under euch/
Göttlich zcu leren/ predigen/ lesen und schreiben/ erwelet
und verordnet〈.〉
62 Auß solcher evangelischer underrichtung/
sind wir unser Cristlich furnhemen zcu Gottlicher ehre/
und menschlicher heilvertikeith63/ als gotlichen lerern
und hochverstendigen/ zcuentdecken/ herczhafftiger worden
yn ungezcweiffelter Zcuversicht e'uer' w'ürden' werden auß cristlicher
Buchsymbol fehlt liebe bewegen/ was nuczbarkeith unserer selen64 (wie
ir zcu bedencken verpflicht) erwachsten möchte/ szo unser
cristlich furnhemen65 bekrefftigt. Widerumb auch mercklich
uffrur under dem Cristlichen volck und evangelischen
feinden zcu befurchten/ szo angefangne Gottliche lehre durch
D'octor' Karlstad/ welches das volck iczt gewonet/ leichtlich und
uff kurcze zceit sold wider enthwonen
.66 Furderlich auch/
dasg wir eczlich vil Jar bey uns haben Conventores
erduldet/ welche/ der meherer taill zcu yhrem leiblichen
nucz uber auß vil vleissiger/ dan nach unserer selikeith
getrachtet.67Bittend der halben e'uer' w'ürden' wolten unser
not68 cristlich (als wir uns zcu euch getreulich versehen)
beherczigen/ und uns von bestimpter erwelung/ unnd
nominacion sampt der hochberumpten und loblichenn
universitet/ nicht enthseczen/ sondern mher bekrefftigen/
und kegen unserm gnedigsten und gnedigen herrn,
gunstige verfugere69/ erscheynen
/ das wollen wir mit
allen pflichtschuldigen Dinsten mher dan willig umb
e'uer' w'ürden' alczeith danckbarlich verschulden. Bithen hirmit
e'uer' w'ürden' schrifftliche gunstwillige anthwort/ Datum Dornst〈ag〉
oder am achten tag der himelfart Christi Anno
xv. unnd ym xxiiiih

Der Radt und gancze

gemeyne zcu Orlamunde

Die gemeyne zcu Denstedte

Die gemeyn zcu Buch

Die gemeyne zcu Zceuczsch

Die gemeyne zcu Freienorla


ahsl. korrigiert aus werden.
bgestrichen habe
cfolgt gestrichen y
dhsl. korrigiert aus eyner
efolgt gestrichen yhn
fam Rand vermerkt 3. May
gdavor gestrichen das
ham Rand vermerkt 12. May

1Gemeint ist hier wahrscheinlich eine schriftliche Beglaubigung der Vereinbarungen im Sinne eines Attestats; vgl. hierzu KGK 256 (Anmerkung).
2Wie vorige Anm.
3Der besagte Briefentwurf erreichte Karlstadt wohl im Moment seines Aufbruchs aus Wittenberg zurück nach Orlamünde. Zu seinem Aufenhalt in Wittenberg siehe die Einleitung zu dieser Einheit.
4zuschicken. Vgl. DWb 32, 372 s.v. zufügen Nr. 2.
5Karlstadt legte seinem Schreiben den Briefentwurf der Universität bei, der in verschiedenen Punkten sein Missfallen erregte, so dass er ihn erst nach einigen Tagen Bedenkzeit überschickte. Auch wenn Karlstadt nach eigener Aussage zunächst überlegt hatte, den Brief an die Universität zurückzuschicken, teilte er sein Missfallen und seine geänderte Meinung den Verfassern des Schreibens offenbar nicht mit – noch am 14. April ging Melanchthon davon aus, dass Karlstadt seine Tätigkeit in Wittenberg wie geplant wieder aufnehmen würde; vgl. Melanchthon an Spalatin, Wittenberg, 14. April 1524: »Non veniebat in mentem Carolostadii, cum nudius tertius ad te scriberem. Is revocatus pollicetur se rediturum et ex more praelecturum. Quod si fecerit, tumultuandi hic, ut spero, nullus erit locus. Et nisi sancte promisisset se rediturum esse, perrexissemus uti summo adversus eum iure. Reliquum est, ut optem eum praestare promissum. Non defuturi sumus reipublicae, si fefellerit ipse« ( 2, 125,1–126,2 Nr. 318).
6Karlstadt hatte der Universität vor seiner endgültigen Übersiedelung durch seine Reisen zwischen Orlamünde und Wittenberg Kosten verursacht, die er nun begleichen wollte. Hierzu siehe auch KGK 256 (Anmerkung).
7Karlstadt wollte zur Tilgung seiner Schulden bei der Universität die ihm als Archidiakon zustehenden Abgaben aus der Pfarrei Orlamünde nutzen, hatte also vor, diese bei einer Rückkehr nach Wittenberg wieder in absentia von seinem Stellvertreter, dem neu einzusetzenden Konventor, einzuziehen. Damit plante er die Wiederaufnahme einer Einnahmenpraxis, für die er in der Vergangenheit massiv kritisiert worden war und der er aus Gewissensgründen mit seiner Übersiedelung nach Orlamünde und der Implementierung eines neuen Unterhaltsmodells versucht hatte, entgegenzuwirken; vgl. Einleitung zu KGK VI, Nr. 242. Zur Widersprüchlichkeit von Karlstadts Verhalten siehe KGK 256 (Anmerkung).
8Die »altgläubigen« Stiftsherren des Allerheiligenstifts.
9Karlstadt bezieht sich hier wahrscheinlich auf den beigelegten Briefentwurf (wie KGK 256 (Anmerkung)); möglicherweise ist aber auch die Zitation der Universität (KGK 255) gemeint.
10Hier die ihm als Archidiakon zustehenden Einnahmen aus Orlamünde, die üblicherweise durch das Allerheiligenstift eingezogen wurden; vgl. KGK 256 (Anmerkung).
11aus Schaden klug werden. Vgl. DWb 30, 894 s.v. witzig, Nr. 3.
12in Maßen, eingeschränkt. Vgl. FWB s.v. messiglich.
13seinen Dienst versehen. Vgl. DWb 27, 2142f., s.v. warten, Nr. D 5c.
14Gemäß der Statuten des Allerheiligenstifts war der Archidiakon verpflichtet, aus seinen Einnahmen einen Kaplan als Vertretung für seine kirchlichen Verpflichtungen zu finanzieren, wenn er diesen aufgrund seiner Lehrverpflichtung an der Universität nicht nachkommen konnte. Dafür standen ihm die Präsenzgelder in voller Höhe zu; vgl. Bünger/Wentz, Brandenburg, 96f.Karlstadt behauptete nun, das Allerheiligenstift habe ihm in der Vergangenheit die ihm zustehenden Präsenzgelder vorenthalten, wenn er aufgrund seiner Lehrtätigkeit verhindert gewesen sei, seinen kirchlichen Verpflichtungen nachzukommen. Ob dieser Vorwurf berechtigt war, ist nicht bekannt. Nachweislich unterhielt Karlstadt zumindest bis zum 10. Februar 1524 (cinerum) in Wittenberg einen Kaplan; vgl. Justus Jonas und Johann Volmar an Kurfürst Friedrich III., 25. April 1524: »Doctor Carolstad hat seinen capellan iungst Cinerum geurlaubt« (Pallas, Urkunden, 88f.).
16geloben, auf sich nehmen. Vgl. DWb 1, 373f s.v. anheischig.
17Karlstadt befürchtete offenbar, dass Allerheilgenstift werde ihm, wie bereits in der Vergangenheit, seine Einkünfte – in diesem Fall aus Orlamünde – vorenthalten und hoffte daher auf die Einziehung und Auszahlung der Gelder durch die Universität. Siehe auch KGK 256 (Anmerkung).
18Möglicherweise spielt Karlstadt hier auf die Einschränkungen in seiner Publikations- und Predigttätigkeit an, denen er seit der Rückkehr Luthers von der Wartburg ausgesetzt gewesen war und die zunehmend zu seiner Isolation in Wittenberg geführt hatten.
191 alte Schock = 20 gute Groschen = 1,25 Gulden; vgl. Zedler 35, 623f.
20Zehnten.
21Karlstadt hatte die Pfarrei 1523 in einem so heruntergewirtschafteten Zustand übernommen, dass sie nach Aussage des Orlamünder Rates wohl »in czweien jaren nichts ertragen« würde; vgl. KGK VI, Nr. 242, S. 163 Z. 5.
22Der vorherige Konventor Konrad Glitzsch, zu ihm siehe KGK VI, Nr. 242, S. 157 Anm. 6.
23Pflügung, Beackerung eines Feldes. Vgl. FWB s.v. art Nr. 1.
24Düngung des Ackers. Vgl. DWb 1, 1649 s.v. Besserung Nr. 1.
26In einem am 14. Oktober 1522 geschlossenen Vertrag hatte sich Glitzsch gegenüber Karlstadt nicht nur zum Abzug aus Orlamünde zum 1. Mai 1523, sondern auch zur Zahlung noch ausstehender Pensionen – zu diesem Zeitpunkt 40 Gulden – verpflichtet; vgl. KGK VI, Nr. 242, Beilage 3. Die Aussage Karlstadts an dieser Stelle legt nahe, dass Glitzsch seinen finanziellen Verpflichtungen noch nicht nachgekommen war und es nach dem Vertrag von Oktober 1522 noch eine Supplication von Glitzsch an Herzog Johann gegeben hat. Eine solche ist jedoch nicht bekannt. Möglicherweise bezieht sich Karlstadt hier aber auch darauf, dass Glitzsch die unrechtmäßig entwendeten Güter (noch) nicht zurückgegeben hatte. Zum Abzug Glitzschs aus Orlamünde siehe die Einleitung zu KGK VI, Nr. 242.
28Neben Orlamünde bediente Karlstadt als Pfarrer noch die benachbarten Landgemeinden Dienstädt, Bucha, Zeutsch und Freienorla, scheint aber auch darüber hinaus eine wachsende Anhängerschaft, z.B. in Kahla, gehabt zu haben.
29Karlstadt knüpfte mit der fortlaufenden Textauslegung eine Art der Predigt an, wie er sie 1522 bereits in Wittenberg praktiziert hatte; vgl. Einleitung zu KGK V, Nr. 224.
30pflügbares Feld. Vgl. DWb2 3, 303.
31Auf wen genau sich Karlstadt sich hier bezieht, ist unklar.
32Wortbedeutung unklar.
3319. April 1524.
34bekannt werden. Vgl. DWb 14, 1341f. s.v. ruchbar.
35Die Orlamünder nehmen hier die in Ursachen seines Stillschweigens und von rechter Berufung formulierte These Karlstadts vom Primat der göttlichen Berufung auf, wonach Priester und Bischöfe von Gott für das Kirchenvolk erwählt würden, dem sie verpflichtet seien; vgl. KGK VI, Nr. 248, S. 278, Z. 28f.
36Universität und Stiftskapitel hatten Karlstadt Ende März 1524 aufgefordert, nach Wittenberg zurückzukehren und seine Aufgaben an Universität und Allerheiligenstift wiederaufzunehmen (KGK 255).
37gierig, begierig. Vgl. DWb 2, 1753 s.v. durstig Nr. 2.
38erfüllt von religiösem Verlangen. Vgl. FWB s.v. einbrünstig.
39Die Orlamünder spielen hier auf die Schwierigkeiten mit dem vorherigen Konventor Konrad Glitzsch an. Hierzu siehe KGK VI, Nr. 242.
40befestigt. Vgl. DWb 18, 2570 s.v. stetigen.
42Vgl. die Einleitung zu dieser Einheit.
43jeder, jeglicher. Vgl. DWb 12, 1591 s.v. männiglich Nr. 2.
44ohne.
46Die Gemeinden folgen hier der aus 1. Tim 5,22 abgeleiteten und in Ursachen seines Stillschweigens und von rechter Berufung formulierten Forderung Karlstadts, die Berufung eines Priesters nicht leichtfertig auszusprechen, sondern den Kandidaten auf seine innere Berufung und Eignung zu prüfen; vgl. KGK VI, Nr. 248, S. 282, Z. 13–18.
49Fürbitten. Vgl. DWb 26, 920.
51Gemeint sind hier die unterzeichnenden Gemeinden Dienstädt, Bucha, Zeutsch und Freienorla.
52Erlösung von den Sünden bewirkend; das ewige Heil bringend. Vgl. FWB, s.v. heilertig Nr. 2.
54Bei seinem Treffen mit der Universität hatte sich Karlstadt am 4. April zunächst zur Rückkehr nach Wittenberg bereit erklärt (vgl. KGK 256 (Textstelle)), nach seiner Rückkehr nach Orlamünde aber um einen Verbleib dort gebeten.
56Zusage. Vgl. DWb 25, 2012 s.v. Vertröstung Nr. 3.
57Vgl. Beilage 1. Das Präsentationsrecht für die Pfarrstelle in Orlamünde lag eigentlich beim Kurfürsten, die Nomination bei Universität und Stiftskapitel. Indem die Gemeinden sich an Herzog Johann zur Bestätigung ihrer – ebenfalls nicht den Statuten entsprechenden – Wahl wandten, umgingen sie wie bereits bei der Übersiedelung Karlstadts die eigentlichen Entscheidungsträger; vgl. KGK VI, Nr. 242.
58Herzog Johann an die Gemeinden im Saaletal, Weimar, 5. Mai 1524 (LATh-HStA Weimar, EGA, Reg. N 624, fol. 7r = Hase, Orlamünda, 98f. Nr. X). Herzog Johann hatte die Gemeinden in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass das Nominationsrecht den Statuten gemäß Universität und Stiftskapitel in Wittenberg zugeschrieben sei und sich die Gemeinden wegen einer etwaigen Nomination Karlstadts zunächst an diese zu wenden hätten, was die Orlamünder mit dem vorliegenden Schreiben taten.
59aufrichtige Gesinnung. Vgl. DWb 9, 1470.
60allgemein bekannt. Vgl. DWb 14, 1344f. s.v. rüchtig.
62Möglicherweise Bezug auf Luthers Schrift Dass eine christliche Versammlung Recht und Macht habe: »Da her ists auch blieben, das an ettlichen ortten auch welltliche uberkeyt, als radherrn und fursten, yhn selbs prediger bestellet und besoldet haben ynn yhren stedten und schlossern, wilch sie gewollet haben on alle urlaub und befelh der Bisschoff und Bepste, Und hatt auch niemant dreyn geredt« (WA 11, 415,19–22).
64Nutzen für die Seele, zu deren Mehrung der christliche Fürst verpflichtet sei.
65Vorhaben. Vgl. DWb 4, 777f s.v. fürnehmen Nr. 6.
66Ähnlich hatte sich Karlstadt in seinem Schreiben an Herzog Johann mit Blick auf die noch nicht abgeschlossenen Predigtreihen zur Apostelgeschichte und dem Johannesevangelium geäußert; vgl. KGK 256 (Textstelle).
67Bezug auf den ehemaligen Konventor Konrad Glitzsch und seine Vorgänger Nikolaus Suppan und Wolfgang Geißendorfer; zu ihnen siehe Wähler, Orlamünde, 49–51.
68Not, Notlage, Bedrängnis. Vgl. FWB s.v. not Nr. 1.
69Sachwalter, Interessenvertreter. Vgl. DWb 25, 356 s.v. Verfüger.

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