Nr. 259
Andreas Karlstadt an Kurfürst Friedrich III. von Sachsen
Borna, 1524, 8. Juni

Einleitung
Bearbeitet von Stefanie Fraedrich-Nowag

1. Überlieferung

Handschrift:

[a:]LASA Magdeburg, A 2, Nr. 499, fol. 5r–v (Abschrift eines Kanzleischreibers, unbekannte Hand)

Die Abschrift weist Unterstreichungen und Markierungen am Rand auf, die wahrscheinlich durch den Kanzleischreiber angebracht wurden, um die wesentlichen Textpassagen in Bezug auf die Resignation Karlstadts hervorzuheben.

Edition:

Literatur:

2. Entstehung und Inhalt

Mit dem vorliegenden Schreiben reagierte Karlstadt auf die am 26. Mai ergangene abschlägige Antwort Friedrichs III. auf sein Gesuch, in Orlamünde bleiben zu dürfen (KGK 258). Er kündigte an, Orlamünde gemäß der fürstlichen Anweisung zwar zu verlassen, aus Gewissensgründen jedoch nicht, wie ebenfalls vom Kurfürsten gefordert, nach Maßgabe der Statuten des Allerheiligenstifts nach Wittenberg zurückzukehren und seine dortigen Verpflichtungen wahrzunehmen. Stattdessen erklärte er seine Resignation vom Amt des Archidiakons und der damit verbundenen Präbende in Orlamünde. Er bat den Kurfürsten abschließend, die Annahme der Resignation zu bestätigen und für die Zahlung der ihm für seine Tätigkeit im vergangenen Jahr noch zustehenden Resteinkünfte zu sorgen.1

Mit der Berufung auf sein Gewissen knüpfte Karlstadt an seine Argumentation aus der Zeit seiner Übersiedelung nach Orlamünde an, die er u.a. damit begründet hatte, den Gläubigen und Gott durch seine Verstrickung in das altkirchliche Pfründensystem nicht länger ein Ärgernis sein zu wollen.2 Bei einer Rückkehr nach Wittenberg wäre Karlstadt jedoch erneut gezwungen gewesen, in absentia Pfründengelder aus Orlamünde anzunehmen, da er allein mit dem Lohn für seine Vorlesungen an der Universität und den Predigten an der Stadtkirche, zu denen er sich wohl als kleinstes Übel beim Gespräch mit der Universität bereit erklärt hatte, nicht in der Lage gewesen wäre, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie aufzubringen. Die Wiederaufnahme der gottesdienstlichen Tätigkeiten am Allerheiligenstift schloss er kategorisch aus;3 eine publizistische Tätigkeit als zusätzliche Einnahmequelle musste ihm vor dem Hintergrund der Zensurerfahrungen kaum verlässlich erscheinen. Eine Rückkehr nach Wittenberg war also aus finanziellen Gründen, v.a. aber um die Glaubwürdigkeit seiner eigenen Lehre nicht zu beschädigen, nahezu unmöglich.4 Die gegenüber Herzog Johann noch angeführte Verpflichtung gegenüber den Gläubigen in Orlamünde5 führte er in seinem Brief an den Kurfürsten dagegen nicht als Begründung an.

Zum Zeitpunkt seines Schreibens hielt sich Karlstadt in Borna auf, wo ihn ein Hochwasser dazu zwang, umzukehren und nach Orlamünde zurückzureisen.6 Wahrscheinlich befand er sich auf dem Weg nach Wittenberg, um – als Reaktion auf die abschlägige Antwort des Kurfürsten – vor Universität und Stiftskapitel seinen Verzicht auf das Amt des Archidiakons zu erklären.7 Aufgrund des Hochwassers daran gehindert, entschied er sich wohl, seine Resignation schriftlich beim Kurfürsten als höchster Entscheidungsinstanz einzureichen. Ende Juli begab er sich auf Anweisung Friedrichs III. nach Wittenberg, um den offiziellen Rechtsakt nachzuholen und seine finanziellen Angelegenheiten mit der Universität abschließend zu klären.8


1Karlstadt forderte für das Jahr in Orlamünde den ihm als Archidiakon zustehenden Lohn und eine Entschädigung für die Kosten, die er für die Instandsetzung der Pfarrgüter aufgewandt hatte; vgl. KGK 256 (Textstelle). Nach Ausweis eines Schreibens des kfst. Hofkammermeisters Hans von Taubenheim an Friedrich III. vom 2. Oktober 1524 wurde Karlstadt schließlich das Korpusgeld »umb frydens und aynigkeit willen zufolgen nachgelassen, aber das eynkommen diser prebend des nachfolgenden jars wirdt E'urer' churf'urstlichen' G'naden' heymfallen« (Sider, Karlstadt, 304).
2Vgl. KGK VI, Nr. 242, S. 160, Z. 15–18. Karlstadt bezog sich hier auf die Präsenzgelder für seine gottesdienstlichen Verpflichtungen am Allerheiligenstift sowie die Einnahme von Präbendengeldern aus Orlamündein absentia; zu Karlstadts Übersiedlung insgesamt siehe KGK VI, Nr. 242 und KGK VI, Nr. 243.
4Zur Widersprüchlichkeit von Karlstadts Überlegungen siehe auch KGK 256 (Anmerkung).
5Vgl. KGK VI, Nr. 242, S. 161, Z. 5f. und KGK 256 (Textstelle).
7Ob dies eine direkte Reaktion auf die Anweisung des Kurfürsten war oder ob Karlstadt eine erneute Zitation durch Universität und Stiftskapitel erhalten hatte, ist nicht abschließend zu klären. Dass er sich schriftlich jedoch direkt an den Kurfürsten wandte, lässt die erste Möglichkeit etwas plausibler erscheinen. Hierzu siehe auch KGK 258 (Anmerkung).
8Nach Aussage Hans von Taubenheims (wie KGK 259 (Anmerkung)) hielt sich Karlstadt zu diesem Zweck um den 22. Juli 1524 in Wittenberg auf, wo er »uff Marie Magdalene [= Freitag, 22. Juli 1524] negst vorschynnen seyn prebend ufgebn und resigniret« (Sider, Karlstadt, 304).

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