Nr. 258
Kurfürst Friedrich III. von Sachsen an Andreas Karlstadt
Lochau, 1524, 26. Mai

Einleitung
Bearbeitet von Stefanie Fraedrich-Nowag

1. Überlieferung

Handschrift:

[a:]LATh-HStA Weimar, EGA, Reg. N 624, fol. 16r (Konzept)
Edition:

Beilage: Universität und Stiftskapitel Wittenberg an Rat und Gemeinde von Orlamünde, Wittenberg, 1524, 28. Mai1

Handschrift:

[a:]StA Orlamünde, II A 18 Nr. 66/1, unfol.
Literatur:

2. Inhalt und Entstehung

Mit dem vorliegenden Brief lehnte Kurfürst Friedrich III.Karlstadts Gesuch vom 22. Mai 1524 ab, weiterhin in Orlamünde bleiben zu dürfen (KGK 257) und wies diesen an, der an ihn ergangenen Aufforderung Folge zu leisten und seine Verpflichtungen als Archidiakon in Wittenberg wieder aufzunehmen; Universität und Stiftskapitel würden die Pfarrei gemäß ihrer Statuten mit einem geeigneten Pfarrer versorgen.2 Ein nahezu gleichlautendes Schreiben erging am selben Tag an die Gemeinden im Saaletal,3 die sich parallel zu Karlstadt am 22. Mai mit einem entsprechenden Gesuch an den Kurfürsten gewandt hatten.4 Damit bekräftigte Friedrich III. nicht nur das Nominationsrecht von Universität und Stiftskapitel in Bezug auf die Besetzung der Pfarrstelle in Orlamünde, sondern erteilte indirekt auch der durch die Gemeinde vorgenommenen Pfarrwahl eine Absage. Gleichzeitig wird nochmals deutlich, dass Karlstadt aus Sicht des Kurfürsten das Amt des Archidiakons weiterhin bekleidete, also noch nicht resigniert hatte.5

Universität und Stiftskapitel argumentierten in einem Schreiben vom 28. Mai6 (hier ediert als Beilage) ähnlich: Darin teilten sie den Orlamündern mit, ihrem erneuten Gesuch nach Verbleib Karlstadts in der Pfarrei nicht nachgeben zu können, da dieser als Archidiakon verpflichtet sei, Vorlesungen zu halten.7 Auf diese könne die Universität keinesfalls weiter verzichten; aufgrund der Entfernung zwischen Wittenberg und Orlamünde sei es für Karlstadt aber unmöglich, an beiden Orten Dienst zu tun.8 Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich hierbei um die Antwort auf ein heute verschollenes Schreiben, mit dem die Orlamünder auf die Ablehnung ihres Gesuchs vom 12. Mai (Beilage 2 zu KGK 256) durch Universität und Stiftskapitel reagiert hatten.9 Mit der abschlägigen Antwort des Kurfürsten waren in jedem Fall nun alle Möglichkeiten, einen Verbleib Karlstadts als Pfarrer in Orlamünde zu erreichen, ausgeschöpft.


1Unser besonderer Dank gilt Herrn Dr. Volker Joestel, Herrn Dr. Peter Lange und Frau Karin Spange für ihre Hilfsbereitschaft beim Zugang zu diesem Dokument.
2Entsprechend hatte er sich bereits am 17. Mai 1524 gegenüber Universität und Stiftskapitel auf die Frage geäußert, wie sie sich mit Blick auf das Gesuch der Orlamünder zu verhalten hätten; vgl. Friedrich III. an Universität und Stiftskapitel Wittenberg, Torgau, 17. Mai 1524, LASA Magdeburg, A 2, Nr. 499, fol. 3v: »Ir werdet euch hirinnen gegen doctor karlstat, nach vermog der statuta deßgleichen der pfarr halben zu orlamund, domit dieselbig mit aynem pastor versorget wol zu halten wissen.« Ein Konzept dieses Schreibens findet sich in LATh-HstA Weimar, EGA, Reg. N 624, fol. 12r (= Hase, Orlamünda, 102 Nr. XIII).
3Friedrich III. an die Gemeinden im Saaletal, Lochau, 26. Mai 1524, LATh-HStA Weimar, EGA, Reg. N 624, fol. 17r (= Hase, Orlamünda, 107 Nr. XVII). Von einer Neuedition dieses Schreibens in der vorliegenden Edition wurde abgesehen, da der Text nahezu identisch mit dem abgedruckten Schreiben Friedrichs III. an Karlstadt ist.
4Beilage zu KGK 257. Ob es sich hierbei um eine konzertierte Aktion handelte, ist unklar; beide Seiten dürften aber Kenntnis vom Schreiben der jeweils anderen gehabt haben.
5Zu dieser Fragestellung siehe KGK VI, Nr. 243.
6Diese Datierung sowie die Formulierung der Unterschrift der hier edierten Beilage (»Datum Wittenberg Sonnabend nach Corporis Christi Anno xxiiii Rector, Magister und doctores der Universität und Capitels zu Wittenberg«) bestätigt auch Christoph Heinrich Loeber 1702 in einer lokalhistorischen Kompilation zur Kirchengeschichte Orlamündes, vgl. Loeber, Historia, 162: »Unde tandem Senatus Academicus WittenbergensisSenatui nostro significabat, Carolstadio redeundum esse Wittenbergam ad functiones, sibi concreditas, obeundas; cum quibus officium Orlamundani Pastoris simul stare nequeat. Literae datae sunt die Saturni post Corporis Christi A. 1524 [28. Mai 1524] et subscriptio: Rector, Magistri und Doctores der Universität und Capitels zu Wittenberg Hierzu siehe auch Joestel, Ostthüringen, 137. Hase, Orlamünda, 70 mit Anm. 62 und Barge, Karlstadt 2, 112 mit Anm. 48 vermuten unter Verweis auf Loeber eine zweite, ebenfalls am 28. Mai an Karlstadt ergangene Zitation durch Universität und Stiftkapitel. Diese These ist jedoch auch angesichts des vorliegenden Schreibens, mit dem der Kurfürst als höchste Entscheidungsinstanz in dieser Sache Karlstadt nach Wittenberg zurückbeorderte, als unwahrscheinlich anzusehen. Als Argument für eine zweite Zitation könnte lediglich ein undatiertes Schreiben von Universität und Stiftskapitel an Kurfürst Friedrich III. herangezogen werden, in dem auf eine entsprechende Weisung des Kurfürsten Bezug genommen wird: »dass uff euer kurfürstlichen gnaden jungstes begern Wir doctor Carolstadt anher haben heischen thuen« (Hase, Orlamünda, 112 Nr. XXI). Dieses Schreiben enthält einen Bericht über die zwischen der Universität und Karlstadt getroffenen finanziellen Regelungen im Zusammenhang mit der Räumung der Pfarrei Orlamünde und könnte sich sowohl auf den Aufenthalt Karlstadts in Wittenberg am 4. April (vgl. die Einleitung zu KGK 256) – also im Anschluss an die erste Zitation – beziehen als auch auf jenen vom 22. Juli (vgl. die Einleitung zu KGK 265), was die theoretische Möglichkeit einer zweiten Zitation eröffnen würde.
7Dieser Verpflichtung war Karlstadt seit seiner Übersiedlung nach Orlamünde nicht nachgekommen, sie war jedoch von der Universität bislang auch nicht eingefordert worden; vgl. KGK 255.
9Zur Antwort auf das erste Gesuch der Orlamünder vom 12. Mai (Beilage 2 zu KGK 256) siehe die Einleitung zu KGK 256. Dass es eine erneute Eingabe der Orlamünder nach dem 12. Mai gegeben haben muss, legt auch die zu Beginn gewählte Formulierung des hier edierten Schreibens (»wir haben euer ander schreiben […] horn lesen«) nahe.

Downloads: XML · PDF (Druckausgabe)
image CC BY-SA licence
»