1. Überlieferung
Frühdruck:
WJder die alte vn̄ ∥ neꝛve Papiſtiſche Meſſen. ∥ Andꝛes Carolſtat. ∥ M. D. XXIIII. ∥ ❦ ∥
[Basel]: [Thomas Wolff], 1524.
4°, 4 Bl., A1–4.
Editionsvorlage:
BSB München, 4 Polem. 554.Weitere Exemplare: HAB Wolfenbüttel, A: 359 Theol. (6). — UB Erlangen, 095 XIXc B 717 nh.
Bibliographische Nachweise:
- VD 16 B 6261.
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 131.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 68A.
- Köhler, Bibliographie, Nr. 1970.
- Pegg, Swiss Libraries, Nr. 468.
- Pegg, Strasbourg, Nr. 387.
- Pegg, Great Britain, Nr. 287.
- Pegg, Great Britain, Nr. 127.
- Georgii/Schnizlein, Rothenburger Bibliothek, Nr. 671.
Das als Editionsvorlage dienende Exemplar stammt aus dem Besitz des Ulmer Reformators Konrad Sam; vgl. Breitenbruch, Ulm, 116.
Frühdruck:
EJn schone kurcze vn̄ ∥ Chriſtliche vnterꝛichtūg ∥ der rechten (widder die alte vnnd ∥ neüwe papiſtische) meß. ∥
[Straßburg]: [Johannes Schwan], 1524.
8°, 12 Bl. (Titelrückseite leer), A8–B4, Sign.: Aij–Biij.
Editionsvorlage:
aktuell (2023) kein Exemplar auffindbar (Titelaufnahme und Beschreibung nach Freys/Barge).Bibliographische Nachweise:
- VD 16 B 6186 (nach Freys/Barge).
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 133.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 68B [nach Freys/Barge].
- Benzing, Bibliographie strasbourgeoise, Nr. 899 [nach Freys/Barge].
Freys/Barge verzeichnet Incipit und Explicit: [fol. 2r, Incipit:] Lieber brůder N. nachdem ir von mir begeret, eüch von den teütschen mesßen etwas zů schreiben […]. ∥ [fol. 11v, Explicit:] […] gůt willig. Finis. 1524. ∥ Hec Andreas Carolostadius. ∥ Omnia probate, quod bonum ∥ est tenete. ∥ Super omnia autem. ∥ Veritas vincit. ∥
Frühdruck:
WJder die alte ∥ vn̄ neüwe Papiſti∥ſche Meſſen. ∥ Andꝛeas Carolſtatt. ∥ XXIiII ∥ [TE]
[Colmar]: [Amandus Farckall], 1524.
4°, 4 Bl., A1–4, TE.
Editionsvorlage:
SB-PK Berlin, Cu 1373 R.Bibliographische Nachweise:
- VD 16 B 6262.
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 132.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 68C.
- Pegg, Strasbourg, Nr. 388.
- Pegg, Colmar, Nr. 82.
- Pegg, Great Britain, Nr. 288.
Der Holzschnitt, der die Titeleinfassung bildet, stellt den Mythos des frevelnden Tantalos dar.1 Das untere Feld zeigt, wie Tantalos seinen getöteten, gekochten und in Stücken geschnittenen Sohn Pelops den Göttern Jupiter, Merkur und Ceres zur Speise vorsetzt, um deren Allwissenheit auf die Probe zu stellen. Von der gereichten Speise kostet allein Ceres, die aus Trauer nicht ganz bei Sinnen ist. In den Rahmenteilen des Holzschnitts erscheinen rechts und links des Titels Jupiter und Merkur sowie Tantalos, der seinen Frevel rechtfertigt. Die Darstellung des Holzschnitts spielt damit auf das in der Karlstadt-Schrift verhandelte Thema des Messopfers an, bei dem ja ebenfalls ein geopferter Leib als Speise gereicht wird.
Frühdruck:
WJder die alte vnd neıve ∥ Papistische Messen. ∥ Andꝛes Carolstat. ∥ M. D.XXv. ∥ ☙
[Ulm]: [Matthias Hoffischer], 1525.
4°, 4 Bl., A1–4.
Editionsvorlage:
UB Basel, FP IX 5:15.Bibliographische Nachweise:
- VD 16 B 6263.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 68D.
- Köhler, Bibliographie, Nr. 1971.
- Pegg, Swiss Libraries, Nr. 469.
Frühdruck:
Ain nutʒliche vnd auſʒ hayl∥iger ſchꝛifft gegrünte vnderweiſ-∥ung/ wider der alten vnd neu-∥wen Papiſtiſchen Meſſʒen ∥ müſſʒbꝛauch. ∥ Luce.17. ∥ O herꝛ ſtercke vns den glauben/ ∥ 1.Joannis .5. ∥ Dann vnſer glaub iſt der ſyg/ der ∥ die welt vberwunden hat. ∥ 1525 ∥ [TE]
[Augsburg]: [Melchior Ramminger], 1525.
4°, 6 Bl. (Titelrückseite und letztes Bl. leer), A4–B2 (Bogensignatur B1 übersprungen), TE.
Editionsvorlage:
SB-PK Berlin, Cu 1373, TE5 R.Weitere Exemplare: SB Regensburg, 999/4Theol.syst.540(4.
Bibliographische Nachweise:
- VD 16 B 6175.
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 134.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 68E.
- Köhler, Bibliographie, Nr. 1894.
- Pegg, Swiss Libraries, Nr. 409.
Der den Titel einfassende Holzschnitt bildet unten Putten ab sowie rechts und links des Titels einen Mann mit Angelrute bzw. einen Mann im Gaukler- oder Vogelfängerkostüm, der auf einen Vogel über ihm zeigt.
Verhältnis der Ausgaben
Die Schrift Wider die alte und neue papistische Messe, von der literarischen Form her ein Brief, liegt in vier Ausgaben vor, erschienen in Basel (A), Colmar (C), Ulm (D) und Augsburg (E). Dass noch mindestens eine weitere, die Straßburger Ausgabe (B), existierte, ist durch das Verzeichnis von Freys/Barge für das Jahr 1904 bezeugt. Dieses dokumentiert einen seinerzeit innerhalb der Sammlung Knaake der Lutherhalle Wittenberg aufbewahrten Druck.2 Bei diesem handelt es sich um das einzige der Forschung bisher bekanntgewordene Exemplar der Straßburger Ausgabe, das aber bereits »seit vielen Jahren« als verschollen gilt.3 Da im Zuge unserer Edition erneut vorgenommene Recherchen nach einem andernorts erhaltenen Exemplar der Straßburger Ausgabe erfolglos blieben, lässt sich die Druckgeschichte dieser Karlstadt-Schrift zwar sehr weitgehend, aber nicht vollständig klären. Der Vergleich der von Freys/Barge dokumentierten Titelseite sowie des Incipits und des Explicits der Straßburger Ausgabe mit den erhaltenen anderen Ausgaben ergibt diesen Befund:4
1. Die Basler Ausgabe (Druck A)5 bildete die Vorlage für die voneinander unabhängigen Nachdrucke C (in Colmar)6 und D (in Ulm).7
2. Die durch Johannes Schwan8 in Straßburg hergestellte Ausgabe (Druck B) diente der im Jahr 1525 erschienenen Augsburger Ausgabe (Druck E) als Vorlage. Diese beiden Drucke weisen – bei differierenden Titelformulierungen – im Unterschied zu allen anderen Drucken ein (für Druck B durch Freys/Barge dokumentiertes) gleichlautendes Explicit auf.9
3. Zugleich stimmt die Augsburger Ausgabe (Druck E) bis auf Titel und Explicit durchgehend mit dem Basler Druck A überein, in Details auch im Unterschied zu den Drucken C und D. Die Abweichungen der Augsburger von der Basler Ausgabe (Druck A) sind als sekundäre Glättungen oder (allerdings zahlreich unterlaufene) Flüchtigkeitsfehler zu erklären und fallen nicht ins Gewicht. Die daher anzunehmende Abhängigkeit der Augsburger von der Basler Ausgabe wurde – so die naheliegendste Erklärung – über die (derzeit nicht vorliegende) Straßburger Ausgabe (Druck B) hergestellt. Der Textbestand der Straßburger Ausgabe kann daher aufgrund der großen Übereinstimmung der Basler und der Augsburger Ausgabe als sicher erschlossen gelten.
4. Für eine Abhängigkeit der Straßburger Ausgabe (Druck B) von der Basler Ausgabe (Druck A) sprechen auch diese Beobachtungen: Die ausführlicher und unpolemischer gehaltene Titelformulierung der Straßburger Ausgabe scheint direkt aus der prägnant-konfrontativen Fassung des Titels der Basler Ausgabe heraus entwickelt worden zu sein. Das erweiterte Explicit der Straßburger Ausgabe lässt sich ebenfalls als sekundäre Hinzufügung erklären.10
5. Von diesen Beobachtungen her unwahrscheinlich, aber eben nicht völlig auszuschließen ist die Möglichkeit, dass die (gegenwärtig verschollene) Straßburger Ausgabe (Druck B) unabhängig von der Basler Ausgabe (Druck A) auf der Basis einer eigenen handschriftlichen Vorlage hergestellt wurde, eventuell sogar als frühester Druck nach der originalen Briefausfertigung. Die große Übereinstimmung zwischen den Drucken A und E spricht allerdings dagegen: Bis auf die genannte Bearbeitung des Titels und des Explicits zeigen sich keine nennenswerten Abweichungen. Eine solche Übereinstimmung von zwei Drucken, die voneinander unabhängig zum Druck gelangten, ist nur schwer vorstellbar.
Die Zusammenhänge der Drucke seien anhand eines Stemmas veranschaulicht:
Die Basler und die Straßburger Ausgabe
Das Manuskript des Briefs Wider die alte und neue papistische Messe gehörte zur Menge der »plus minus« acht Karlstadt-Schriften, die nach Konrad Grebels Mitteilung vom 14. Oktober 1524 kurz nach Mitte September von Karlstadts»Boten«Gerhard Westerburg nach Zürich gebracht und dort bereits vor ihrer Drucklegung im Grebel-Kreis gelesen wurden.11 Das Manuskript kam dann bei Thomas Wolff wohl Ende September / Anfang Oktober 1524 in Basel zum Druck (A).12 Sein Verhältnis zum derzeit nicht auffindbaren Straßburger Druck (B) mit dessen eigentümlicher Titelformulierung bleibt rätselhaft. Beruhte die Straßburger Ausgabe auf einer eigenen Manuskriptvorlage, vielleicht sogar auf der Briefausfertigung, die Karlstadt absandte? Ist sie daher möglicherweise vom historischen Adressaten selbst oder seinem Umkreis, dann vermutlich bereits im Laufe des Sommers 1524, zum Druck befördert worden?13 Diese Fragen lassen sich ohne neue Quellen, die darüber Aufschluss geben, nicht vollends beantworten. Der Befund der Kollationierung lässt jedoch annehmen, dass die Straßburger Ausgabe schlicht einen nur punktuell, nämlich im Titel und am Schluss (Explicit) geringfügig modifizierten Nachdruck des Basler Erstdrucks darstellte. Diese Straßburger Ausgabe kann frühestens in der zweiten Oktoberhälfte 1524 erschienen sein.14 Die unten angestellten Überlegungen zur Entstehung und zu den Adressaten sprechen ebenfalls für die Priorität der Basler Ausgabe. Der Herausgeber der Straßburger Ausgabe, der den apodiktisch-polemischen Titel der Basler Ausgabe umformulierte, wollte Interessierte eher werbend als konfrontativ für die Argumente der Flugschrift gewinnen. Dazu passt, dass Karlstadt nicht auf der Titelseite, sondern erst am Schluss des Textes, nämlich im Explicit als Autor genannt wird, verbunden mit zwei lateinischen Zitaten aus der Vulgata: »Prüft alles und das Gute behaltet!« (1. Thess 5,21 und 3. Esra 3,12) und »Über alles siegt die Wahrheit.« (3. Esra 3,1)
Als möglicher Herausgeber der Straßburger Ausgabe kommt zuerst ihr Drucker selbst in Betracht:15Johannes Schwan, ein aus einer Marburger Ratsfamilie stammender vormaliger Basler Franziskaner. Nach seinem Klosteraustritt hatte er sich von Mai bis Oktober 1522 zum Studium in Wittenberg aufgehalten16 und wohl auch Karlstadt persönlich kennengelernt. Dann heiratete Schwan in Straßburg die Witwe des Buchdruckers Reinhard Beck und führte dessen Offizin weiter. Der theologisch gebildete Schwan könnte also durchaus hinter der Straßburger Ausgabe von Karlstadts Schrift Wider die alte und neue papistische Messe mit ihren Besonderheiten stehen. Denkbar ist aber ebenfalls, dass eine andere Person, womöglich ein Straßburger Theologe, vor dem Hintergrund der gegen Ende Oktober 1524 in der Stadt ausgebrochenen Abendmahlsdebatten mit der Veränderung des Titels die Schärfe der Schrift wenigstens oberflächlich etwas mildern wollte. Angesichts der deutlichen Polemik gegen Luther und die Wittenberger in der Karlstadtschen Flugschrift bedeutete die Umformulierung des Titels freilich nur einen kosmetischen Eingriff. Der Ende Oktober / Anfang November 1524 selbst in Straßburg anwesende Karlstadt kommt dafür kaum in Frage, lag ihm doch gerade nicht an Vermittlung, sondern an klärender Auseinandersetzung.17
Die von Druck B zweifellos abhängige Augsburger Ausgabe (Druck E), die wahrscheinlich zu Beginn des Jahres 1525 erschien, variierte den werbenden Titel erneut, indem sie ihn um zwei neutestamentliche Zitate erweiterte, die die Bedeutung des Glaubens hervorheben (Lk 17,5 und 1. Joh 5,4). Ansonsten behielt die Augsburger Ausgabe – dies zeigt der Vergleich mit der ansonsten im Wortlaut völlig übereinstimmenden Basler Ausgabe – offenbar den gesamten Text von Druck B mit der Nennung Karlstadts als Verfasser und der Aufforderung an die Leserschaft zur eigenen kritischen Prüfung getreu bei.
Thomas Wolff, der Drucker der Basler Ausgabe (Druck A), teilte in seiner schriftlich niedergelegten Verhöraussage18 Anfang Dezember 1524 nichts darüber mit, wann Gerhard Westerburg mit den vier Karlstadt-Manuskripten auf ihn zugekommen war und in welcher Reihenfolge die Flugschriften erschienen.19 Der Brief des Heidelberger Universitätslehrers Martin Frecht vom 10. November 1524, der den Titel der Basler Ausgabe nannte, bezeugt, dass sie spätestens zu diesem Zeitpunkt vorlag.20 Alle Hinweise deuten darauf hin, dass die Drucklegung der vier Karlstadt-Manuskripte bei Wolff ein paar Wochen zuvor stattfand, nämlich gleichzeitig mit den beiden anderen Ende September und Anfang Oktober 1524 in Basel durch Johann Bebel hergestellten Publikationen.21Wolff bestätigte auch pauschal die Detailangaben der Aussage von Johann Bebel, der ebenfalls festgenommen und verhört worden war.
Wie Konrad Grebel in Zürich in einem Brief vom 14. Oktober 1524 seinen Schwager Joachim Vadian in St. Gallen wissen ließ, erwartete er täglich das Eintreffen der Karlstadt-Drucke aus Basel, wohl um sie weiterzuverbreiten. Tatsächlich müssen die Basler Ausgaben der Schriften Wider die alte und neue papistische Messe und Ob man gemach fahren soll (KGK 273) bereits Mitte Oktober 1524 dem Straßburger Reformator Wolfgang Capito vorgelegen haben. In Capitos erstem Beitrag zum Abendmahlsstreit Was man halten und antworten soll von der Spaltung zwischen Martin Luther und Andreas Karlstadt,22 der seinerseits in der letzten Oktoberwoche erschien, finden sich nämlich bereits Spuren Karlstadt'scher Argumente, die den Basler Drucken entnommen sein müssen.23
Wenn es zutrifft – wie im Folgenden erwogen –, dass die Schrift Wider die alte und neue papistische Messe ursprünglich als »echter« Brief Karlstadts an den ZürcherGrebel-Kreis, also bereits um den 26. Mai 1524 abgeschickt wurde, dann könnte die in Zürich eingetroffene Briefausfertigung selbst als Vorlage für den Druck in Basel gedient haben.24 Sie wäre nur noch ganz leicht bearbeitet, nämlich anonymisiert und mit einem Titel versehen worden. Dies kann aber nicht mehr sicher geklärt werden.
Editionen:
- Walch1 20, 2872–2878.
- Walch2 20, 2306–2313.
- Burnett, Eucharistic Pamphlets, 110–115 Nr. 6 (engl. Übersetzung).
Literatur:
- Barge, Chronologie, 325; 329.
- Barge, Karlstadt 2, 144–176, bes. 151f. mit Anm. 9.
- Zorzin, Flugschriftenautor, 101–105, Nr. 68 mit Anm. 57–59; 157f. mit Anm. 109.
- Ponader, Caro, 226–245.
- Burnett, Eucharistic Controversy, 59f.; 170.
2. Entstehung und Inhalt
Bei der Flugschrift Wider die alte und neue papistische Messe handelt es sich formal um einen authentischen Brief25 mit den üblichen Gattungsmerkmalen. Mit diesem Brief antwortete Karlstadt – so die Auskunft im Text selbst – auf ein an ihn gerichtetes Erkundigungsschreiben seines nicht genannten Korrespondenzpartners, das offenbar den ersten Kontakt hergestellt hatte. Diese beiden Schreiben des Briefwechsels, wenn er tatsächlich historisch stattfand und keine Fiktion darstellt, liegen als solche nicht vor. Gleichwohl spricht kein wesentlicher Einwand, kein äußeres und kein inneres Indiz dagegen, die Flugschrift Wider die alte und neue papistische Messe als (anscheinend nur minimal) bearbeitete Druckfassung des »echten« (Antwort-)Briefs Karlstadts aufzufassen, den dieser dem historischen Korrespondenzpartner zugesandt hat. In diesem Brief weist nichts darauf hin, dass bereits bei seinem Entstehen eine Veröffentlichung ins Auge gefasst wurde. Eine von vornherein für eine Veröffentlichung konzipierte Schrift hätte Karlstadt in der Art des »Sendbriefs«Ob man gemach fahren soll (KGK 273)26 wohl grundsätzlicher angelegt, das angerissene Thema umfassender, leichter verständlich und stringenter behandelt und den Text abgerundeter gestaltet. Wenn Karlstadt auf die offenbar speziellen Anfragen (»Artikel«) vielmehr detailliert und auf wenig systematische Weise einging, spricht dies für eine historisch echte Korrespondenz. Adressat dieses privaten Briefgutachtens,27 das Karlstadt tatsächlich absandte, war eine als »Bruder« angesprochene Person, deren Identität bei der Bearbeitung des Briefgutachtens zur Veröffentlichung unkenntlich gemacht wurde. Außer dieser Anonymisierung und der Voranstellung einer Titelseite gibt es keine Anzeichen auf weitere Eingriffe. Der Charakter eines echten, ursprünglich privaten Briefs blieb erhalten.
Entstehung
Karlstadts Briefgutachten Wider die alte und neue papistische Messe greift das zentrale Anliegen seines zu Jahresbeginn 1524 erschienenen Traktats Von dem Priestertum und Opfer Christi (KGK VI, Nr. 249) erneut auf, nämlich die Bekämpfung der Messfeier, deren Zentrum die Darbringung des Opfers Christi bildet. Auf diesen vorhergehenden Karlstadt-Traktat weist die Flugschrift ausdrücklich hin (KGK 275 (Textstelle)) und sie bietet beiläufig sogar eine genauere Zeitangabe für ihre Abfassung: Karlstadt spricht von den »tagen Corporis Christi«, die »itzt« gerade begangen würden (KGK 275 (Textstelle)). Das damit gemeinte Fronleichnamsfest fiel im Jahr 1524 auf den 26. Mai. Der Text des Briefgutachtens wurde demnach in diesen Tagen des Frühsommers 1524 niedergeschrieben. Zugleich fällt auf, dass Karlstadts im Laufe des Jahres 1524 entwickelte eigentümliche biblisch-exegetische Interpretation der Einsetzungsworte des Abendmahls sowie seine dezidierte Bestreitung der Realpräsenz, wie sie sich in den weiteren Karlstadt-Schriften finden (KGK 276; KGK 277; KGK 278; KGK 279), im Briefgutachten Wider die alte und neue papistische Messe (noch) nicht vorkommen.
Der Name des Adressaten des Antwortbriefs, dessen Druckfassung mit der Flugschrift vorliegt, wird nicht genannt. Karlstadt spricht ihn als »Bruder« an. Vermutlich hat dieser Briefschreiber, der den Kontakt mit Karlstadt gesucht hatte, sich auch selbst so bezeichnet und damit bereits ein grundlegendes, verbindendes Einverständnis markiert. Die Anfrage des Briefschreibers wurde, wie aus der Antwort hervorgeht, durch die aktuell veröffentlichten Entwürfe von »teutschen messen« veranlasst. Mit ihren »neuen fünden und zůsetzen« (KGK 275 (Textstelle)) gingen diese Entwürfe in den Augen des Briefschreibers über die in der Heiligen Schrift gebotene göttliche Vorgabe hinaus, die für ihn – wie auch für Karlstadt – der allein gültige Maßstab zur Gestaltung des christlichen Gottesdienstes war. Zu diesen problematischen Veröffentlichungen wollte der Briefschreiber Karlstadts theologisches Urteil einholen. Besonderen Anstoß nahm man offenbar an Luthers liturgisch konservativer Formula missae et communionis, die dessen erste ausgeführte Konzeption einer evangelischen Abendmahlsfeier darstellte.28 Gedruckt gegen Jahresende 1523, war sie dem an der Gottesdienstreform besonders interessierten Zwickauer Pfarrer Nikolaus Hausmann (1478–1538) gewidmet. Namentlich gegen Luther und Hausmann richtete Karlstadt im Antwortschreiben seine Kritik (KGK 275 (Textstelle)). Das im Frühjahr 1523 erschienene Schreiben Luthers an die Böhmischen Brüder Von Anbeten des Sakraments des heiligen Leichnams Christi,29 in dem sich dieser zur Bedeutung der leiblichen Realpräsenz Christi bekannte und die liturgische Geste der Elevation verteidigte, weil sie diesen Glauben besonders hervorhob, fand ebenfalls Karlstadts Ablehnung.
Außer der Unkenntlichmachung des Korrespondenzpartners, der Tilgung des Datums und der Unterschrift sowie der Formulierung des Titels zeigen sich beim publizierten Erstdruck keine Indizien für eine weitere Überarbeitung des Briefs. Die Anonymisierung des Adressaten stellte für Karlstadt, wenn er diese überhaupt selbst veranlasst hat, ein eher ungewöhnliches Vorgehen dar.30 Vermutlich galt es, auf die Interessen des Adressaten Rücksicht zu nehmen. Vielleicht repräsentierte der ungenannte »Bruder« auch nicht nur eine einzige Person, sondern einen Kreis. Die von Karlstadt durchgehend verwendete pluralische Anredeform »Ihr« deutet darauf hin. Wer diese historischen Adressaten der Schrift Karlstadts waren – wenn es sich tatsächlich um einen echten Brief handelte –, ließe sich allerdings nur durch den Fund weiterer hierüber Aufschluss gebender Quellen sicher klären. Immerhin aber erlaubt der Karlstadt-Text einigermaßen plausible Überlegungen.
Zu den Adressaten
Die Adressaten befanden sich anscheinend in einer von Sachsen, Thüringen und Franken entfernter gelegenen deutschsprachigen Region, denn Karlstadt besaß von der aktuellen Situation für gottesdienstliche Reformen bei seinen Korrespondenzpartnern keine nähere Kenntnis. Zugleich berichtete er seinerseits von seiner engeren Umgebung um Orlamünde und Jena,31 über die wiederum der Fragesteller offenbar kaum informiert erscheint. Karlstadt, der den »Bruder« anscheinend bisher persönlich nicht kennen gelernt hatte, galt diesem wohl auf Grund seiner Publikationen und seiner mittlerweile bekannt gewordenen Distanz zur Wittenberger Theologie als kompetenter, urteilsfähiger Gesprächspartner. Bei dem »Bruder« handelte es sich anscheinend auch nicht um einen Theologen in Amtsfunktion, sondern eher um einen akademisch Gebildeten.32 In seinem Erkundigungsbrief hatte dieser »Bruder« zu verstehen gegeben, dass er oder sein Umkreis über gewisse Einwirkungsmöglichkeiten bei dem für ihn zuständigen Ortspfarrer und in seiner offenbar stark zum Evangelium tendierenden Gemeinde verfügte. Da gleichwohl in dieser Gemeinde die Feier der »Messe« noch in der überkommenen Form stattfand, schloss Karlstadt sein Schreiben mit der Forderung, die »Messe« umgehend abzustellen (KGK 275 (Textstelle)).
Bei der Frage nach dem historischen Korrespondenzpartner Karlstadts mag man zuerst an St. Joachimsthal denken, wo Bartholomäus Bach, der ebenfalls als »Bruder« angesprochene Widmungsempfänger des vermutlich im März 1524 fertiggestellten Sendschreibens Ob man gemach fahren soll (KGK 273), als Stadtschreiber fungierte.33Karlstadt plädierte gegenüber Bach, einem ihm bekannten Repräsentanten der evangelisch gesinnten Führungsschicht der nordwestböhmischen Freien Bergstadt, für eine unverzügliche Durchführung radikaler kirchlicher Reformmaßnahmen. Er empfahl dafür Orlamünde als Vorbild und eben nicht Wittenberg, wo man im Sinne von LuthersInvokavitpredigten auf die Schwachen und die Obrigkeit Rücksicht nehmen und eben »gemach« verfahren wollte. Gegen einen Adressaten in St. Joachimsthal spricht allerdings, dass Karlstadt mit der dortigen Situation gewiss vertrauter war als mit der Situation bei den Adressaten seines Briefs. Auch über die Orlamünde näher gelegenen sächsischen Bergstädte Schneeberg und Annaberg sowie Zwickau, die ebenfalls als Empfängerorte des Briefes in Betracht kommen,34 wäre Karlstadt besser informiert gewesen. In diesen Städten verfügte er ebenfalls über Kontaktpersonen. Auf eine bereits bestehende Beziehung deutet im Text des Schreibens freilich nichts hin.35 Feststellen lässt sich aber: Auf die verschiedenen Situationen für die Reformationsanhänger etwa in Annaberg, wo Herzog Georg von Sachsen die evangelische Bewegung unterdrücken ließ, oder in Schneeberg, wo ein albertinisch-ernestinisches Kondominat vorlag, oder in Zwickau passt der spezifische Skopus des Briefgutachtens nicht. Dieses nahm ja auch den Stadtpfarrer der Empfänger des Schreibens kritisch in den Blick.36 Auf die Lage der kleinen fränkischen Weinhandelsstadt Kitzingen am Main, östlich von Würzburg, wo mit Christoph Hoffmann ein ehemaliger Promovend als Ratsprädikant und mit Konrad Gutmann als brandenburg-ansbachischer Kastner zwei Karlstadt vertraute Personen wichtige Positionen innehatten,37 trifft das Briefgutachten ebenfalls nicht zu.
Das Briefgutachten Wider die alte und neue papistische Messe gibt Auskunft über sehr spezifische theologisch-liturgische Themen. Dem Korrespondenzpartner, der an Karlstadt herangetreten war, ging es nicht grundsätzlich um die Reformen selbst. Darüber, dass diese entschieden und radikal anzugreifen waren, bestand bereits Konsens zwischen ihm und Karlstadt.38 Der hinter dem Korrespondenzpartner stehende Brüderkreis war vielmehr an sehr speziellen Fragen interessiert. Für Straßburg sind solch konkrete Fragen und ein Kreis von Brüdern, mit dem Karlstadt in eine stabilere Verbindung treten sollte – obwohl er die Stadt im Oktober 1524 für mehrere Tage aufsuchte39 – nicht andeutungsweise fassbar. Es liegen auch keine Indizien dafür vor, dass das Briefgutachten Wider die alte und neue papistische Messe die Situation in Straßburg in den Blick nahm40 und bereits im Laufe des Sommers 1524 veröffentlicht wurde,41 was außerdem vom Überlieferungsbefund her als unwahrscheinlich gelten kann. Auf Basel finden sich ebenfalls keine entsprechenden Hinweise.42 Dagegen spricht einiges für Zürich.
Karlstadts Korrespondenz mit dem Brüderkreis um Konrad Grebel in Zürich
Nach seiner Ausweisung aus Kursachsen im September 1524 machte sich Karlstadt nach Zürich auf den Weg – und hatte bereits zuvor seinen »Boten«Westerburg dahin gesandt. Dies beweist, dass bereits eine stabile Verbindung in diese Stadt bestand.43 Ohne neu gefundene Quellen zwar nicht beweisbar, aber als erstaunlich plausibel und erkenntnisfördernd erweist sich folgende These – kein schwerwiegendes Argument spricht gegen sie, und bestimmte einzelne Indizien fügen sich zusammen: Die Flugschrift Wider die alte und neue papistische Messe stellt die Druckfassung von Karlstadts Antwortbrief auf die (nicht erhaltene) briefliche Kontaktaufnahme des Kreises der »Brüder« um Konrad Grebel in Zürich dar.44 Diesen Kreis suchte der aus Sachsen ausgestoßene Karlstadt im Oktober 1524 auf. Form und Inhalt der Flugschrift erlauben diesen Gedanken nicht nur, sondern legen ihn nahe. In Anbetracht der Entfernung zwischen Zürich und Orlamünde (520 km), die eine Beförderungsdauer des Briefs von mindestens drei Wochen erforderte, hätten die Zürcher Brüder ihre Anfrage bei Karlstadt demnach um Anfang Mai 1524 abgeschickt. Der um den 26. Mai 1524 verfasste Antwortbrief Karlstadts wäre dann wiederum gegen Ende Juni 1524 in Zürich eingetroffen. Am 3. September 1524 jedenfalls war Grebel im Begriff, an Karlstadt»zurückzuschreiben«.45 Ob Grebel damit erst auf das ihm wohl spätestens seit Juli 1524 vorliegende Briefgutachten KarlstadtsWider die alte und neue papistische Messe, verfasst um den 26. Mai 1524, reagierte oder ob inzwischen, wie zu vermuten, weitere Briefe gewechselt wurden, lässt sich nicht verifizieren. Sicher ist aber, dass Karlstadt seinen »Boten«Westerburg bei seiner Abreise aus Orlamünde in Richtung Schweiz, um den 26. August 1524, mit acht Büchlein sowie einem weiteren Schreiben an die Schweizer Brüder (KGK 268) ausstattete.46Westerburg war mit diesen Manuskripten noch nicht in Zürich eingetroffen, als der Grebel-Kreis mit dem von Castelberger verfassten Schreiben vom 5. September 1524 (KGK 269) die bereits betriebene Korrespondenz fortsetzte.47 Zugleich wollte sich Grebel erstmals an Thomas Müntzer und sogar an Luther selbst wenden – mit direkter Kritik. Die beiden erhaltenen Schreiben des Grebel-Kreises an Thomas Müntzer48 geben jedenfalls eine konkrete Vorstellung davon, wie der Brief ausgesehen haben könnte, mit dem der Grebel-Kreis an Karlstadt herantrat.49
Was von dem Kreis der radikalen ZürcherZwingli-Kritiker um Konrad Grebel historisch bekannt ist, passt zu den Indizien, die sich im anonymisierten Briefgutachten Wider die alte und neue papistische Messe finden: Die »Brüder« um Grebel erkannten – vermutlich insbesondere seit Karlstadts Traktat Von Abtuung der Bilder,50 der im Februar 1522 erschienen war – in dem als Mitstreiter Luthers berühmt gewordenen Theologieprofessor einen theologischen Gesinnungsgenossen. Vermutlich hatten sie bereits wahrgenommen, dass Karlstadt, der seit Sommer 1523 die Orlamünder Gemeinde als »Bruder Andreas« pastorierte, von Luther und Wittenberg abweichende eigene Positionen entwickelt hatte. Diese Schweizer »Brüder« waren ihrerseits von Huldrych Zwingli, dem theologischen Protagonisten der Zürcher Reformation, tief enttäuscht. Seit Weihnachten 1523, spätestens nach der Dritten Zürcher Disputation Mitte Januar 1524, die erneut die Überzeugungskraft der evangelischen Lehre bewies, wandten sie sich endgültig von ihm ab.51 Sie brachen mit Zwingli, weil er wie Luther ebenfalls durch »Gemachfahren« Rücksicht nahm: auf die Befindlichkeiten zum einen der Obrigkeit, die den Gang der Reformation unter Kontrolle behalten wollte, zum andern der »Schwachen«, die noch nicht alle Gewissensbedenken aufgegeben hatten. So ließen die in den Augen der »Brüder« überfälligen Grundsatzentscheidungen weiter auf sich warten, nämlich die Bildnisse aus den Kirchen zu entfernen und die Feier des Messopfers nach dem römischen Kanon als widerchristlich zu verbieten bzw. diese überall zur evangelischen Abendmahlsfeier Christi umzuwandeln und die Taufe unmündiger Kinder zu unterlassen. Für die Zürcher Radikalen bedeutete das einen inakzeptablen Aufschub der biblisch gebotenen Reformen des kirchlichen und kommunalen Lebens.52
Wenn tatsächlich das Briefgutachten Wider die alte und neue papistische Messe von Ende Mai 1524 ursprünglich für den ZürcherGrebel-Kreis bestimmt war, könnte es mit dem Herantreten der »Brüder« an Karlstadt folgende Bewandtnis haben: Der Zürcher Rat hatte die Theologen aufgefordert, bis Pfingsten (15. Mai) 1524 einen »Vorschlag« einzureichen, wie mit der noch geduldeten römischen Messe und den Bildnissen in den Kirchen zu verfahren sei.53 Dieser Auftrag hat möglicherweise die Radikalen veranlasst, Karlstadts Sicht der Dinge einzuholen. Sie suchten den Schulterschluss mit ihm – so wie später auch mit Thomas Müntzer, wie die an diesen gerichteten Briefe des Grebel-Kreises vom 5. September 1524 zeigen.54 Es ist also gut vorstellbar, dass sich Konrad Grebel im April 1524 im Namen seines Kreises mit einem ersten Schreiben an Karlstadt wandte und konkret um seine Einschätzung der Lage in Zürich bat. Karlstadt antwortete so um den 26. Mai 1524 mit seinem Briefgutachten Wider die alte und neue papistische Messe auf Grebels Fragen nach den neu erschienenen »teutschen messen« und zu der in Zürich noch geduldeten Praxis der Messfeier nach dem römischen Kanon.
Inhalt
Die Flugschrift Wider die alte und neue papistische Messe behandelte die »Artikel«, über die sich der ungenannte Korrespondenzpartner erkundigt hatte: über Karlstadts Haltung zu den neu erschienenen »teutschen messen«55 (KGK 275 (Textstelle)) und die Frage nach der rechten, eben durch die Bibel gebotenen Reform der eigentlichen Liturgie der Messe. Der »Bruder« hatte außerdem zu verstehen gegeben, dass an seinem Wohnort die Messfeier nach dem römischen Kanon noch geduldet wurde, obwohl die Dringlichkeit von Kirchenreformen anerkannt war und sich offenbar bereits die Feier des evangelischen Abendmahls durchgesetzt hatte.56
Karlstadt bestätigte zunächst, dass der Gebrauch der deutschen Sprache in der Kirche notwendig sei, damit das Volk das gottesdienstliche Geschehen verstehen und dazu »Amen« sagen könne (KGK 275 (Textstelle)). Dies allein genüge freilich nicht, vielmehr sei es geboten, die Feier des Messopfers selbst einzustellen und dessen Lehre grundsätzlich zu überwinden (KGK 275 (Textstelle)). Zur Erläuterung verwies Karlstadt auf seinen Traktat Von dem Priestertum und Opfer Christi (KGK VI, Nr. 249), der zu Jahresanfang 1524 im Druck erschienen war. Insbesondere verwarf Karlstadt die Bezeichnung »Messe« sowie die Praxis der Elevation (»aufhebung«) von Brot und Kelch in der Abendmahlsliturgie. Beide waren seiner Ansicht nach sachlich untrennbar mit der Opfervorstellung verbunden. Karlstadt widersprach damit ausdrücklich Luther und dessen treuem Anhänger, dem Zwickauer Stadtpfarrer Nikolaus Hausmann, die beide darin irrten (KGK 275 (Textstelle)). Das neu eingeführte, dem Volk zugewandte Sprechen der Einsetzungsworte lehnte Karlstadt ebenfalls ab, wenn dabei die Elemente Brot und Wein eleviert werden (KGK 275 (Textstelle)). Es war das Festhalten Luthers, Hausmanns und ihrer Anhänger an überkommenen, in Karlstadts Augen jedoch die Messopferlehre zur Geltung bringenden liturgischen Handlungen, zusammen mit einem scheinheiligen, autoritären, sich aber tatsächlich über die Heilige Schrift erhebenden Gebaren, worauf die vermutlich für den Zweck der Publikation geprägte polemische Titelformulierung von den »alten und neuen papistischen Messen« anspielte. Dagegen hatte Christus befohlen, das Sakrament zu seinem »Gedächtnis« zu feiern. Eben darin bestand nach Karlstadts Überzeugung der Sinn der Abendmahlsfeier, auf den er immer wieder mit Nachdruck hinwies.
Karlstadt stimmte auch ausdrücklich dem Erkundigungsschreiben zu, es als »teuflisch« zu bezeichnen, wenn Menschen, »trotzig« und »dumm«, den Gottesdienst »besser ordnen« wollten als Christus es selbst getan habe (KGK 275 (Textstelle)).57 Das Abendmahl war Karlstadts Überzeugung nach auf eine schlichte Weise, nach biblischem Zeugnis zu feiern, eben wie Christus es eingesetzt habe, nämlich zum Gedächtnis seiner Hingabe und Liebe (KGK 275 (Textstelle)). Karlstadt schloss sein Briefgutachten mit dem Rat an den Korrespondenzpartner, »die meß gar fallen« zu lassen und das Abendmahl »in der ordnung Christi« zu begehen (KGK 275 (Textstelle)). Die Ordnung Christi sei klar und bedürfe keiner Interpretation.