1. Überlieferung
Frühdruck:
Ob man mit heyli⸗∥ger ſchrifft erweyſen müge/ ∥ das Chꝛiſtus mit leyb/ blůt vnd ſele ∥ im Sacrament ſey. ∥ Andꝛes Carolſtat. ∥ M. D. XXIIII. ∥ ❦ ∥
[Basel]: [Thomas Wolff], 1524.
4°, 26 Bl. (Titelrückseite und letzte Seite leer), A4–E4, F6.
Editionsvorlage:
BSB München, Res. 4° Polem. 3342,1.Weitere Exemplare: HAB Wolfenbüttel, A:359 Theol. (3). — UB Tübingen, Gf 1016 4\Circ{}. — UB Erlangen, 095 XIXd B 1034 d, Kapsel V, 1. — StB Nürnberg, Strob. 1147.8\Circ{}. — UB Bern, MUE AD 178:3.
Bibliographische Nachweise:
- VD 16 B 6178.
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 124.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 66A.
- Köhler, Bibliographie Nr. 1897.
- Pegg, Great Britain, Nr. 96.
- Georgii/Schnizlein, Rothenburger Bibliothek, Nr. 675.
Frühdruck:
Ob man mit heyliger ſchꝛifft ∥ erweyſen müge/ das Chꝛiſtus mit ∥ leyb/ blůt vnd ſeele im Sa⸗∥crament ſey. ∥ Andꝛes Carolſtatt. ∥ M.DXXV. ∥
[Straßburg]: [Johann Prüss d. J.], 1525.
4°, 20 Bl. (letztes Bl. leer), A4–E4.
Editionsvorlage:
SB-PK Berlin, Cu 1390 R.Weitere Exemplare: HAB Wolfenbüttel, A:87.4 Theol. (7). — HAB Wolfenbüttel, A:231.174 Theol. (4). — HAB Wolfenbüttel, H:K 261.4\Circ{} Helmst. (17). — HAB Wolfenbüttel, H:Yv 2562.8° Helmst. (6).
Bibliographische Nachweise:
- VD 16 B 6179.
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 125.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 66B.
- Köhler, Bibliographie, Nr. 1898.
- Pegg, Belgium and Netherlands, Nr. 290.
- Pegg, Strasbourg, Nr. 341.
Der Vergleich der Drucke bestätigt den Befund, den die Jahresangaben der Titelblätter ohnehin nahelegen: Der von Thomas Wolff in Basel (Ende September / Anfang Oktober) 1524 hergestellte Erstdruck1 diente als Vorlage für die vermutlich bereits früh im Jahr 1525 von Johann Prüss gedruckte Straßburger Ausgabe (B).2 Erstmals explizit mit ihrem Titel bezeugt wird die Basler Erstausgabe im Brief des Heidelberger Universitätslehrers Martin Frecht vom 10. November 1524.3
In seiner Anfang Dezember 1524 schriftlich niedergelegten Verhöraussage beteuerte Thomas Wolff, die vier Manuskripte Karlstadts nur widerwillig gedruckt zu haben und sich nicht mehr an ihre Titel zu erinnern.4 Zu diesen vier »Büchlein« gehörten neben der hier edierten Schrift auch das Briefgutachten Wider die alte und neue papistische Messe (KGK 275), das Sendschreiben Ob man gemach fahren soll (KGK 273) und der Traktat Wie sich Glaube und Unglaube halten (KGK 274). Der Druck dieser vier von Gerhard Westerburg vorgelegten Manuskripte fand vermutlich bereits Ende September und Anfang Oktober 1524 statt und zwar, nach Wolffs Angaben, in einer Auflage von jeweils 1000 Exemplaren. In der geringeren Auflage von 800 Exemplaren erschien lediglich »das letzte« der vier Büchlein. Welches, bleibt unklar, da sich die Reihenfolge der Drucklegung der Büchlein bei Wolff nicht mehr ermitteln lässt. Die Karlstadt-Schriften fanden von Basel aus umgehend Verbreitung.5
Edition:
- Burnett, Eucharistic Pamphlets, 116–143 Nr. 7 (engl. Übersetzung).
Literatur:
- Jäger, Carlstadt, 428–445.
- Barge, Chronologie, 323–331, bes. 325 u. 329.
- Barge, Karlstadt 2, 144–176, bes. 151f. mit Anm. 9.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 66 mit Anm. 55.
- Burnett, Eucharistic Controversy, 60–62 (171).
2. Entstehung und Inhalt
Entstehung
Karlstadt verfasste die Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei im Hochsommer 1524, und zwar vor den Streitgesprächen mit Luther, die am 22. und am 24. August 1524 in Jena und Orlamünde (KGK 267) stattfanden. Spätestens gegen Ende August 1524 war das Manuskript abgeschlossen und konnte von Gerhard Westerburg nach Zürich und dann nach Basel zum Druck gebracht werden.6
Der Titel der Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei stellt offen und direkt einen vormals allgemein anerkannten Artikel der kirchlichen Lehrtradition in Frage. Im Jahr 1523 hatte sich Martin Luther in seiner Schrift Von Anbeten des Sakraments des heiligen Leichnams Christi (WA 11, 431–456) erneut zum Glauben an die Realpräsenz Christi in den Abendmahlselementen bekannt. Von diesem von Luther festgehaltenen Wittenberger Grundkonsens hatte sich Karlstadt seit 1521 immer weiter entfernt und zuletzt charakteristische Positionen entwickelt, etwa zum eigenen Selbstverständnis als berufener theologischer Lehrer innerhalb einer evangelischen Gemeinde von Brüdern (»neuer Laie«) oder zum Heiligen Abendmahl. Das Einschreiten der herzoglichen Regierung und das Zensurregime der Universität hinderten ihn allerdings seit dem Frühjahr 1524 daran, seine immer gravierender abweichenden Auffassungen zu publizieren. Um diese der Öffentlichkeit darzulegen und gegen den dominierenden Wittenberger Mainstream zu behaupten, bat Karlstadt in einem Schreiben vom 14. August 1524 Herzog Johann von Sachsen um die Erlaubnis einer öffentlichen theologischen Disputation (KGK 265). Offenbar strebte Karlstadt danach, seine Kontroversen mit Luther, die sich freilich nicht nur am Abendmahl festmachten, auf diesem Weg auszutragen und zu einer Entscheidung zu bringen. Diese Absicht bildet vermutlich den Hintergrund für Karlstadts Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei. Sie zeigt sich entsprechend um Sachlichkeit bemüht und nur an wenigen Stellen polemisch.7 Inhaltlich verfolgte Karlstadt das Ziel, Argumente für die Realpräsenz Christi im Abendmahl systematisch zu widerlegen. Er wählte eine topische Darstellungsform, die man als »Erörterung«8 in der Form der »Quaestio disputata«9 bezeichnen kann. Damit gab Karlstadt seine akademische Herkunft deutlich zu erkennen, richtete sich aber nun – nach dem auf Wirkung beim »Gemeinen Mann« zielenden Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments (KGK 277) – in deutscher Sprache an die gebildete Öffentlichkeit. War anscheinend die eigene Vorbereitung auf eine Disputation das ursprüngliche Motiv zum Entwurf der Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei, so stand hinter der vermutlich von Anfang an ins Auge gefassten Publikation die Absicht, den Interessierten die Argumente darzulegen, die bei einer Disputation sachlich zur Geltung zu bringen waren. Dabei war es keineswegs sicher, dass eine solche öffentliche Debatte, wie Karlstadt sie sich erhoffte, zustande kam.10
Die im Titel der Flugschrift formulierte »Quaestio« behandelte Karlstadt zum Zwecke der Wahrheitsfindung in einem Beweisgang von 7 Thesen und Gegenargumenten.11 Die Lektüre des Textes wird erschwert durch den Umstand, dass Karlstadt auf der expliziten Ebene der Schrift, wie er selbst angab, nicht seine eigenen Überzeugungen kundtun wollte. Vielmehr ging es Karlstadt nur darum, »anzuzeigen«, was »unsere Feinde antworten« könnten, wenn »wir«, wie er hier schrieb, Argumente für die leibliche Realpräsenz Christi in den Abendmahlselementen vorbringen würden. Mit diesen Worten stellte sich Karlstadt also scheinbar auf die Seite der Vertreter der Realpräsenzauffassung, um die Gegenargumente der »Widersprecher« zu artikulieren. Vermutlich verband Karlstadt mit dieser Art der Präsentation die Hoffnung, dass die Argumente gegen die Realpräsenz ihre Wirkung bei der Leserschaft entfalteten, ohne gleich von vornherein direkte Ablehnung zu provozieren. Karlstadt war sich der starken Widerstände gegen eine Infragestellung der Realpräsenz in der Öffentlichkeit bewusst. Die scheinbare Positionierung des Autors an der Seite der Wittenberger führte im Text zu mitunter gewundenen, häufig verwirrenden Formulierungen, zumal sich die Argumente gegen die Realpräsenz im Fortgang des Traktats durchweg als überzeugend erweisen. Der Autor fällt diesen, offenbar unabsichtlich, immer wieder zu, hält also seine anfangs eingenommene Gegenposition nicht durch. Beim Gebrauch der Personalpronomen »wir«, »ihr« und »sie« zur Markierung der Redeperspektive zeigt sich der Autor inkonsequent, wenn er etwa die Vertreter der Lehre von der Transsubstantiation oder der Realpräsenz – zu denen er doch nach eigenem Bekunden selbst gehört – immer wieder polemisch als »pfaffen« und theologische Kontrahenten bezeichnet.
Während die Schlusspassage der thematisch eng verwandten Auslegung der Abendmahlsworte Christi (KGK 279) Karlstadts existenzielle Erschütterung durch die am 18. September 1524 angeordnete Ausweisung aus Kursachsen widerspiegelt,12 lässt sich beim vorliegenden Text noch nichts davon bemerken, dass Karlstadt seinen Verbleib in Orlamünde und in Kursachsen in Frage gestellt sah. Die Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei bewegt sich durchgehend auf einer einigermaßen sachlichen Argumentationsebene, auch wenn Karlstadt von Anfang an von »Feinden«13 oder von »Papisten« spricht. Gemeint sind mit diesen nicht nur die römischen Theologen, sondern in erster Linie Luther und sein Kreis, die in Karlstadts Sicht ebenfalls nur ihre eigenen Überzeugungen gelten ließen und diese mit mehr oder weniger Nachdruck durchsetzten. Karlstadts polemische Kennzeichnung »Papisten« versuchte eben alle Verfechter der leiblichen Gegenwart Christi im Sakrament mit ihrem autoritären Lehranspruch gemeinsam zu treffen. Jedoch beteuerte Karlstadt zum Abschluss der Erörterung erneut seine Bereitschaft, sich eines Besseren belehren zu lassen. Er verband damit vor allem auch die Forderung, seine Argumente ebenfalls unvoreingenommen zu akzeptieren.14
In der auf der Basis von Indizien nur hypothetisch zu rekonstruierenden Entstehungsreihenfolge der im Jahr 1524 gedruckten Abendmahlsschriften machte die Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei die Frage der leiblichen Realpräsenz Christi im Abendmahl zum expliziten Titelthema – wie auch die Auslegung der Abendmahlsworte Christi (KGK 279). Letztere reflektiert an ihrem Schluss Karlstadts Ausweisung aus Kursachsen (um 18. September). Sie ist in der Kette der Abendmahlsschriften des Sommers 1524 als letztes Glied entstanden und kam erst Ende Oktober 1524 zum Druck.
Die inhaltliche Schwerpunktverlagerung in der Reihe der im Jahr 1524 publizierten Abendmahlsschriften lässt sich so beschreiben: In dem zu Jahresbeginn erschienenen Traktat Von dem Priestertum und Opfer Christi (KGK VI, Nr. 249) ging es Karlstadt (zunächst) darum, die Messopfervorstellung grundsätzlich zu bestreiten und – offenbar unter dem Einfluss von Erasmus und Zwingli – das Gedächtnismotiv als Herzstück der Abendmahlsfeier wiederzugewinnen. Das um den 26. Mai 1524 verfasste Briefgutachten Wider die alte und neue papistische Messe (KGK 275) zeigt Karlstadts Bemühen um die Überwindung der überkommenen, vom römischen Kanon geprägten Liturgie, an welcher Luther trotz ihres in Karlstadts Augen irreführenden Charakters festhielt. Dann sah sich Karlstadt – um des rechten Gedenkens an das Kreuzesleiden willen, das in der Erkenntnis Christi und der Liebe Gottes besteht – gezwungen, im Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 279) auch die Sakramentsauffassung Luthers zu bekämpfen. In deren Zentrum stand die Zusage der Sündenvergebung und, wesentlich damit verbunden, die von Luther selbstverständlich vorausgesetzte Realpräsenz Christi in den Elementen des Abendmahls. Im Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments (KGK 277) wurde die Frage der Realpräsenz ebenfalls behandelt, als zentraler Gegenstand zwar, aber doch nur als ein Punkt unter mehreren, die sich mit Luthers Abendmahlsverständnis auseinandersetzten. Diese thematische Akzentuierung deutet darauf hin, dass die Niederschrift der Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei, welche die Frage der Realpräsenz sogar zum Titelthema machte, zeitlich nach dem Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 279) und nach dem Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments (KGK 277) von Karlstadt begonnen wurde.15 Tatsächlich zeigt sich, dass zahlreiche im Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments auftauchende Einzelargumente in der Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei wiederkehren, jedoch im Rahmen einer neuen, systematischer strukturierten Darlegung.16 Mit der Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei stellte Karlstadt als erster prominenter Publizist der Reformation die Realpräsenz-Lehre programmatisch in Frage, bestritt eine eucharistische Konsekration und hob den Gedächtnis- und Gemeinschaftscharakter des »Sakraments« hervor. Schließlich verfasste er noch, als eindeutig letzte seiner Orlamünder Schriften, die Auslegung der Abendmahlsworte Christi (KGK 279), die das Gedächtnis der (vergangenen) leidenden Hingabe Jesu als Wesenskern der Feier herausarbeitete. Dieser neue Schwerpunkt tritt bereits im letzten, dem siebten Argumentationsgang der Erörterung hervor. Im Blick auf die relative Chronologie des Entstehens der verschiedenen Schriften bestätigt auch dies den Befund, dass die Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei der Auslegung der Abendmahlsworte Christi unmittelbar vorausging.17
Inhalt
Die Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei leitet Karlstadt mit der Erklärung ein, in dieser Publikation nicht seine eigene Auffassung darlegen zu wollen, vielmehr gehe es ihm um die Argumente, die »unsere Feinde« und »Widersprecher« gegen die leibliche Gegenwart Christi im Heiligen Abendmahl anführen könnten. Karlstadt nimmt also zum Schein die Position der Wittenberger ein. Tatsächlich aber zeigen Sprachgestalt und Argumentation durchgehend, dass der Autor selbst überzeugt auf der Seite der »Widersprecher« gegen die Realpräsenz-Auffassung steht. Insgesamt erörtert die Schrift sieben Themenbereiche: 1. Die Bedeutung der Segnung von Kelch und Brot sowie der Konsekrationsworte (KGK 278 (Textstelle)). – 2. Der Testamentscharakter des Abendmahls (KGK 278 (Textstelle)). – 3. Die Bedeutung des Begriffs Eucharistie (KGK 278 (Textstelle)). – 4. Das Abendmahl als Ankündigung des Leidens und Sterbens Christi (KGK 278 (Textstelle)). – 5. Glaube und Sakramentsauffassung (KGK 278 (Textstelle)). – 6. Die Rede von Christi angeblicher Verborgenheit im Abendmahl (KGK 278 (Textstelle)). – 7. Der Leib Christi im Sakrament (KGK 278 (Textstelle)).
Detaillierter Überblick über die sieben Argumentationsgänge der Erörterung
Erstens dienen zur Begründung der realen leiblichen Präsenz Christi im Abendmahl (KGK 278 (Textstelle)) die Worte des Paulus von dem gesegneten Kelch und dem gebrochenen Brot (1. Kor 10,16) sowie von der vollmächtigen Kraft der Worte Christi, die in den Konsekrationsworten wirke. Auch die Rede von der »Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi« setze die Vereinigung von Brot und Leib sowie Wein und Blut voraus (KGK 278 (Textstelle)). – Die »Antwort« (KGK 278 (Textstelle)) der Gegenseite auf diese Behauptungen gesteht zu, dass es sich tatsächlich um einen besonderen Kelch handle. Allerdings enthalte er nicht das Blut Christi. Vielmehr gehe es beim Trinken um »ein brünstig Gedächtnis«, nämlich der eigenen Sünde sowie der großen, gehorsamen, weisen Liebe Christi und seines unschuldigen Leidens. Aus diesem Gedächtnis erwachse die Liebe zu Christus, die Hingabe des Lebens und ein »Abwaschen der Sünden« (KGK 278 (Textstelle)). Darin bestehe der Sinn des Auftrags zur Verkündigung des Todes des Herrn und zeige sich die wahre Hochschätzung und »Unterscheidung« des Kelchs und des Brots. Christus selbst habe Speise und Trank mit Dank gesegnet (Eucharistie), aber nicht (im Sinne der Transsubstantiationslehre bzw. der Lehre von der Realpräsenz) »konsekriert«. Aus der Hl. Schrift lasse sich nicht beweisen, dass das Sprechen der Worte Christi die Macht verleihe, schon gar nicht ungläubigen »pfaffen«, den Leib Christi in die Elemente zu bringen und diese so zu verwandeln (KGK 278 (Textstelle)). Die von den Verfechtern der Realpräsenz anhand von 1. Kor 10,16 berufene Gemeinschaft des Leibes und Bluts Christi habe nichts mit einer Präsenz Christi in den Zeichen des Abendmahls zu tun. Das Apostelwort bezeichne vielmehr die konkrete »Gesellschaft«, die aus der Gemeinschaft derer entstehe, die Brot und Wein zu Gedächtnis, Erkenntnis und Bekenntnis von Christi Tod am Kreuz teilten (KGK 278 (Textstelle)).
Ein zweites Argument für die Realpräsenz (KGK 278 (Textstelle)) bestehe darin, dass (mit Lk 22,20) das Abendmahl als »neues Testament« aufgefasst werde. Dieses halte den Willen Christi fest, sein im Kelch dargegebenes Blut für die Gläubigen zu vergießen. – Dieses Argument wird zunächst mit dem Hinweis erwidert (KGK 278 (Textstelle)), dass Christus die Worte über den Kelch erst sprach, nachdem die Jünger aus ihm getrunken hatten. Beim letzten Abendmahl hat Christus nur von seinem Blut gesprochen, das in seinem bevorstehenden Leiden vergossen werden soll, hat also mit den Jüngern bloß den Wein geteilt (KGK 278 (Textstelle)). Obwohl die Apostel überhaupt viel über das Leben, die Lehren, den Tod, die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi geschrieben haben, habe keiner von ihnen behauptet, dass Leib und Blut Christi in Brot und Wein gegenwärtig seien. Tatsächlich vergoss Christus sein Blut am Kreuz, nicht in den Kelch. Vom Kelch soll darum im Gedächtnis des Blutes getrunken werden (KGK 278 (Textstelle)). Darin bestehe das Testament Christi. Auch die Kultopfer des Alten Testaments dürfen nicht als vorausweisende typologische »Figuren« verstanden werden, die das Abendmahl als Handlung mit Leib und Blut Christi bestätigten. Diese Überlegungen sind bereits im Traktat Von dem Priestertum und Opfer Christi enthalten. Eine »Schlußrede« (KGK 278 (Textstelle)) zu diesem Argumentationsgang hält noch einmal mehrere Punkte fest: Christus habe das Abendmahl zum Gedächtnis seines Todes eingesetzt, nicht um seinen Leib und sein Blut in die Elemente zu bringen. Das Abendmahl sei nach Christi Anordnung als Testament zu gebrauchen, um nämlich daraus seinen »inneren letzten Willen« zur Erlösung der Menschen zu verstehen. Es gelte, das Sakrament der Bedeutung des äußerlich und öffentlich im Leiden hingegebenen Leibes unterzuordnen und zwischen diesem und den seinem Gedächtnis dienenden äußeren Zeichen Kelch und Brot streng zu unterscheiden. Das Sakrament zu nehmen, sei keineswegs geboten und heilsnotwendig – im Gegensatz zur Erkenntnis des »neuen Testaments Christi« (KGK 278 (Textstelle)).
Zum dritten wird der Argumentation mit dem Begriff und dem Akt der Eucharistie entgegnet (KGK 278 (Textstelle)), dass dieses griechische Wort nicht im Sinne einer Verwandlung der Elemente verstanden werden könne. Auch Jesus brachte bei den Akten des Segnens oder des Danksagens nicht seinen eigenen Leib in die Speise, sonst hätte er etwa bei der Speisung der Fünftausend die Brote und die Fische in seinen Leib verwandelt, oder der geheilte Aussätzige hätte auch, weil er »danksagte«, den Leib und das Blut Christi hervorgebracht. Das seien absurde Vorstellungen!
Viertens wird als Argument für die Realpräsenz angeführt (KGK 278 (Textstelle)), dass Paulus mit der Weitergabe der »vom Herrn empfangenen« Einsetzungsworte des Abendmahls (1. Kor 11,23f.) die Korinther von ihren Missbräuchen abbringen wollte. Wenn nämlich Christus mit seinen vollmächtigen Worten damals Brot und Wein mit seinem Leib und Blut identifizierte, dann gelte das auch heute. Diese Überlegung findet die Erwiderung, dass das Insistieren des Apostels auf einen würdigen Abendmahlsempfang von seinem Interesse an einem andächtigen und dankbaren Gedenken des Leidens Christi herrühre. Christus habe nicht gesagt: »Das Brot ist der Leib«, sondern er befahl, das Brot zu seinem Gedächtnis zu essen, und wies damit zugleich auf die Hingabe seines Leibes »für euch« hin (KGK 278 (Textstelle)). Das griechische Demonstrativpronomen »tuto« beziehe sich, wie viele Schriftstellen erkennen ließen, auf den Leib Christi, auf seinen »höchsten Gehorsam im Leiden« (KGK 278 (Textstelle)). Darum sei es der rechte Gebrauch, das Abendmahl zu Christi Gedächtnis zu essen. Allerdings könne Essen an sich »weder heiligen noch gut machen« (KGK 278 (Textstelle)), und die Einsetzungsworte seien keine magischen Zauberworte.
Fünftens wird als Argument für die Realpräsenz angeführt (KGK 278 (Textstelle)), dass sich die Selbstbezeichnung Jesu als »Brot des Lebens« (Joh 6) auf das Abendmahl beziehe. – Dieser Behauptung sei zu widersprechen, denn sie bedeutete, dass alle, die das Sakrament essen, ewig leben würden. Auch weitere entsprechend aufgezeigte logische Absurditäten legten die Schlussfolgerung nahe, dass der Leib Christi sich eben nicht im Sakrament befinde. Das Christuswort Joh 6,63 behaupte dagegen, dass es nichts nütze, das Sakrament zu essen. Entscheidend sei vielmehr der Glaube an den gekreuzigten Christus. Dafür spreche auch der Hl. Augustin: »Crede et manducasti« (KGK 278 (Textstelle)).
Sechstens wird das Argument der verborgenen Präsenz Christi im Altarsakrament als notwendiges Mittel zwischen den beiden Existenzweisen Christi, der Niedrigkeit und der Herrlichkeit, dargestellt (KGK 278 (Textstelle)). – Dieser Behauptung der angeblichen Verborgenheit Christi im Sakrament ist entgegenzuhalten, dass das ganze Leben Christi, sein Wirken, sein Tod und seine Auferstehung, wie die Propheten vorhersagten, in der Öffentlichkeit geschahen und Christi Vollmacht bezeugten. Christus, der Gekreuzigte, sei im Himmel zu suchen, nicht im Sakrament.
Das siebte Argument für die Realpräsenz Christi im Sakrament besteht darin (KGK 278 (Textstelle)), dass der Glaube an die Zusage Christi das Kommen Christi selbst herbeiführe, da der Glaube ja »alle Dinge« vermöge. – Dagegen spricht das Fehlen einer Verheißung, dass Christus seinen Leib in das Brot bringen würde. Das an die Aussage »Das ist mein Leib« verknüpfte Versprechen »der für euch gegeben wird« ist bereits im Kreuzestod Jesu zur Erfüllung gekommen und liegt damit in der Vergangenheit. Die Hingabe Jesu kann daher nur Gegenstand des sich erinnernden Gedächtnisses sein. Die Abendmahlsworte Jesu bedeuten also kein Versprechen und bieten keine Verheißung an die Gläubigen. Sie können nach Christi Tod nicht als Beweis dafür dienen, dass Christus nochmals leiblich ins Sakrament komme. Ein Glaube, der nochmals mit dem Kommen eines leidenden Messias rechnete, wäre ein jüdischer Glaube.
Die Erörterung schließt mit der für Karlstadt typischen Beteuerung, sich eines Besseren belehren zu lassen, und der entsprechenden Mahnung an die Leserschaft, ihrerseits dazu bereit zu sein (KGK 278 (Textstelle)).