Martin Frecht an Wolfgang Reichart, 10. November 1524 (Beilage zu KGK 279): »[Carolostadius] Scripsit enim suppliciter Fridenricho Saxonum duci ut coram sua illustri dominatione et Luthero ea de re disputaret. Aut […]princeps rescripsit, ut si hoc ulcus tangere velit: statim e ditione sua abeat, […].«1
Beilage: Georg Spalatin an Kurfürst Friedrich III. von Sachsen, ohne Ort, [1524, Anfang August]
Handschrift:
1. Inhaltliche Hinweise
Auf Karlstadts heute verschollenes Angebot, zu den gegen ihn und seine Lehre vorgebrachten Kritikpunkten im Beisein Luthers und Friedrichs III. öffentlich Stellung zu beziehen (KGK 263), ließ der Kurfürst nach Ausweis des zitierten Briefes antworten, dass Karlstadt, so er dieses »Geschwür« antasten wolle, umgehend den kurfürstlichen Herrschaftsbereich verlassen müsse. Die Datierung dieser Korrespondenz ergibt sich aus dem Brief Karlstadts an Herzog Johann vom 14. August (KGK 265), in dem er auf ein Disputationsangebot an Friedrich verweist.2 Der zitierte Heidelberger Dekan Martin Frecht hatte seine Information von Simon Grynäus, den Karlstadt am 7. November in Heidelberg kurz getroffen hatte.3 Möglicherweise bezog sich Friedrich III. mit seiner Formulierung (»Geschwür«) auf die von Luther in seinem Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist aber auch in zahlreichen Predigten gegen Müntzer und Allstedter ins Feld geführten Kritikpunkte an Karlstadts Lehre – die Entfernung der Bilder, die Ablehnung der Kindertaufe und das Abendmahl in beiderlei Gestalt –, die er nicht öffentlich diskutiert haben wollte.4 Auch wenn LutherKarlstadt in seinem Brief nicht explizit genannt hatte, richteten sich seine Vorwürfe und Forderungen eindeutig auch gegen Karlstadt und seine Reformen, hatte dieser doch in Orlamünde die Bilder aus der Kirche entfernen lassen, das Abendmahl ohne Opfercharakter unter beiderlei Gestalt gereicht und die Kindertaufe eingestellt.5
Entsprechende Berichte kursierten in Wittenberg schon seit Beginn des Jahres und hatten dort zu einigem Missfallen geführt, was dem kurfürstlichen Hof sicherlich nicht verborgen geblieben sein dürfte. Informationen dieser Art erreichten den Kurfürsten u.a. über seinen Geheimsekretär Georg Spalatin, der in regem Briefkontakt mit den Wittenbergern stand. Wohl Anfang August verfasste dieser ein Schreiben an Kurfürst Friedrich III., das möglicherweise ebenfalls Einfluss auf die Reaktion des Kurfürsten hatte und hier als Beilage abgedruckt ist.6 Darin gibt Spalatin ein Schreiben des Kaspar Glatz7, Rektor der Universität Wittenberg, wieder, in dem dieser ein negatives Bild von Karlstadts Tätigkeit in Orlamünde zeichnet. Dieses Schreiben, wenn auch tendenziös, da Glatz nicht nur Anhänger Luthers war, sondern auch das Amt des Konventors in Orlamünde anstrebte und sich von Spalatin in dieser Sache Unterstützung erhoffte,8 bietet einen der wenigen Hinweise auf die Tätigkeit Karlstadts in Orlamünde überhaupt.9 Demnach – so Glatz – wurde unter Karlstadt die Kindertaufe eingestellt und das Abendmahl, wenn überhaupt, ohne Opfercharakter unter beiderlei Gestalt gereicht.10 Ähnlich wie Luther im Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist in Bezug auf Thomas Müntzer und seine Anhänger fordert GlatzSpalatin in seinem Schreiben abschließend dazu auf, bei den Fürsten auf eine Entfernung Karlstadts aus Orlamünde hinzuwirken.11 Die Heftigkeit der kurfürstlichen Reaktion könnte vor dem Hintergrund der Ereignisse in Allstedt auf eine zunehmende Sorge Friedrichs III. um den sächsischen Landfrieden hindeuten, die durch die Berichte au Orlamünde, aber auch durch den eindringlichen Appell Luthers zum Eingreifen noch verstärkt wurde.12