Nr. 264
Kurfürst Friedrich III. von Sachsen an Andreas Karlstadt
[1524, Anfang August]

Text
Bearbeitet von Stefanie Fraedrich-Nowag

Beilage: Georg Spalatin an Kurfürst Friedrich III. von Sachsen, ohne Ort, [1524, Anfang August]

Buchsymbol fehlt Meinem Gnedigsten Hern dem Churfursten zu Sachssen etc.

Buchsymbol fehlt Gottes Gnad und Frid Gnedigster Herrr. E'uer' C'hurfurstlich' G'naden'
bitt ich unterteniglich zu wissen, das mir
meister Lucas1 hieneben verwarte schrifften
von doctor Martinus schickt. Haben
seltzam ding wie mans zu Alstet
treibt. Und bitt dieselben E'uer' C'hurfurstlich' G'naden' zu ver-
melden, und folgend doctor Martinus
widerzuschicken.2

Doctor Martinus hat mir von wegen der
Annen Spieglyen3 nichts mer schreiben
wollen, sonder gesagt, E'uer' C'hurfurstlich' G'naden' haben
leut zu ir geschickt, die sie verhort
haben. So horen auch E'uer' C'hurfurstlich' G'naden' wol
was sie gesagt hab. Wer das keyn ee
so wust er nicht was ein Ee were,
auch weren E'uer' C'hurfurstlich' G'naden' der Obrist
vormundt. Zudem so durfft sich
Anna Spieglyen auf in nichts beruffen,
Dann er hett ir nichts unrechts geraten.
4

Weiter schreibt mir der Rector Zu
Wittemberg doctor Caspar Glatz, itzo
also,5 Mich dringt itzo die gemeyn
rat und die geistlickeit6 dir ferner zu
schreiben, du wellest ein gemeiner
vorbitter bey meinen Gnedigsten Hern
dem Churfursten zu Sachssen etc. sein
,7
Dann es ist die gemein red das der Karlstadt
teglich mit seiner verfurischen
gotlosen, Jha auch aufrurischen lere
weiter greiffe und einreisß, also
das wo man dem nicht zeitlich begegen
das ein grosser verderb darauß entsteen
wurd.

Buchsymbol fehlt Ich hab den Karlstadt in vergangen tagen
erinnert von seinen furnemen abzusteen,
sich des unrechten verstandts der gotlichen
schriftt zuenthaldn.8 Hab im gewunscht
Gottes geist und den rechten Christlichen
Verstandt. mit anhangender bedrauung9
wo er wider uns verfaren werd das es
im wie dem Jambri und Mambri
geen werd,10 und der gleichen vil. Darumb
bitt ich dich noch ein mal aufs vleissigst,
mein Gnedigsten Hern11 unterteniglich
zubitten, meinem Gnedigen Hern Her-
tzog Johanßen12 in kurtz zuschreiben,
zuschaffen das sich Karlstat von
Orlamund thue. Dann wo der Karlstadt nit
von Orlamund zeucht,13 so weisß
ich, das nyemant sicher neben und
bey im sein wirt. Ich versuchets
selbs mit Gotts hulff Gotts wort
doselbs zupredigen, wenn der haubtsacher
der emporung und aufrure nit zu
Orlamund were.14

Der Karlstat verleynt15 in seinen
predigen die Sacrament der tauff und
des heiligen Fronleichnams, jha er
thuts gar ab, und sagt: sie seind
nichts.

Buchsymbol fehltEr taufft die cleyne unmundige kinder nicht16
Gibt auch das Sacrament des heiligen
fronleichnams nyemants
,

und treibt teglich alles Gottlos leben,
Dovon ich dir ein ander mal mer
schreiben will. Dann ich musß
itzo in doctor Martinus leccion
geen, der den propheten Johel liseth.17

Es seind auch etliche Orlamunder be-
reyt Innen worden18, das der Karlstat
den geist Christi nicht hat, wie
mir denn neulich eyner in geheym
gesagt hat.19

Seyt er der prebend priviret ist,20 hat
er mer denn eyn peuersche cleydung
angezogen, und machets wild.
Es wer zceit, warlich es wer Zceit,
das man in dise sachen einsehung21
thet
.
22

Also schreibt der Rector.23 Derhalben
wunsch von Gott E'uer' C'hurfurstlich' G'naden' und
eurn brudern24 den geist Gottes solchen
unchristlichen furnemen allenthalben
christlich und statlich zu begegnen.

E'uer' C'hurfurstlich' G'naden'
Unterteniger Diener

G'eorg' Spalatinus


1Möglicherweise Lucas Cranach d. Ä.
2Wahrscheinlich handelte es sich hierbei um handschriftliche Berichte, die Luther über Vorgänge in Allstedt zugeschickt worden waren und die er über Spalatin dem Kurfürsten zur Kenntnis bringen wollte, nicht aber ohne Spalatin zu bitten, sie anschließend wieder an ihn zurückzuschicken. Zu den Vorgängen in Allstedt siehe KGK 261 und KGK 262.
3Hanna Spiegel, eine ehemalige Nonne, wollte eine Heirat eingehen und hatte Luther um Rat angesucht; vgl. Luther an eine adelige Jungfrau, 14. Dezember 1524 (WA.B 3, 203f. Nr. 695).
4Wahrscheinlich beruft Spalatin sich hier auf das Schreiben Luthers vom 31. August 1524, in dem es heißt: »De Hanna Spiegelynna nihil est, quod consulam, quod aula non soleat nec forte possit sequi concilium dei, sufficit illi ius et prudentia humana, quibus sine me satis abundat« (WA.B 3, 325,8–11 Nr. 763).
5Im Folgenden gibt SpalatinGlatz' Schreiben wörtlich wieder.
6Es ist nicht eindeutig, auf welche Gemeinde und Geistlichkeit Glatz sich bezieht. Da er aber im Anschluss auf Orlamünde und Karlstadt zu sprechen kommt, wo er kurze Zeit später als Konventor eingesetzt wurde, liegt es nahe, dass er die Gemeinden im Saaletal meint, zumal er zu diesem Zeitpunkt bereits Kontakt zu karlstadtkritischen Personen aus Orlamünde gehabt zu haben scheint; siehe auch KGK 264 (Anmerkung).
7Glatz erhoffte sich Unterstützung von Spalatin in Bezug auf sein Vorhaben, die Pfarrei Orlamünde als Konventor zu übernehmen, wofür gemäß den Statuten des Allerheiligenstifts die Zustimmung des Kurfürsten als Inhaber des Präsentationsrechts notwendig war; vgl. Bünger/Wentz, Brandenburg, 92. Glatz hatte mit seinem Vorhaben Erfolg – mit Schreiben vom 22. August 1524 unterrichtete die UniversitätKurfürst Friedrich III. von der Wahl Glatz' zum Konventor in Orlamünde und bat um seine Zustimmung: »Haben wir den erwirdigen Hochgelerthen Er'wurdige'n Casparn Glatz[…] dem volk und der kirchen nutzlich unßers versehens E'uer' k'ur'f'urstlich' g'naden' behaglich dozu als vicarium perpetuum erwelt. Undertheniglich und demutiglich bittend E'uer' k'ur'f'urstlich' g'naden' gerügen inen uff solch unßer erwehlung und nennung gnediglichen annehmen, weitter inen dem wirdigen Official zu unßer lieben frauen zcu Erfurdt, do mit er wie gewonlich darauff instituirt werd, presentirn« (LATh-HStA Weimar, EGA, Rep. N 264, fol. 9r = Hase, Orlamünda, 115f. Nr. XXIV). Diese Zustimmung erteilte Friedrich III. mit Schreiben vom 24. August 1524 (LATh-HStA Weimar, EGA, Rep. N 264, fol. 9r = Hase, Orlamünda, 116f. Nr. XXIV). Glatz trat wahrscheinlich im Oktober sein Amt in der Saalestadt an. Hierzu siehe auch KGK 271 (Anmerkung).
8Karlstadt hielt sich um den 22. Juli in Wittenberg auf, um dort auf Anweisung des Kurfürsten persönlich bei Universität und Stiftskapitel von seinem Archidiakonat zu resignieren; vgl. KGK 260. Bei dieser Gelegenheit wird Karlstadt auch den Rektor der Universität – zu diesem Zeitpunkt Kaspar Glatz – getroffen haben.
9Bedrohung.
10Vgl. 2. Tim 3,7–9 Vg »Numquam ad scientiam veritatis pervenientes quemadmodum autem Iannes et Iambres restiterunt Mosi.«Jannes und Jambres waren der jüdischen Tradition nach die Zauberer, die Mose vor dem Pharao zu widerlegen suchten (vgl. 2. Mose 7,11.22) und schließlich ebenfalls von der Strafe Gottes heimgesucht wurden (vgl. 2. Mose 9,11).
13zieht.
14Diese Aussage legt nahe, dass Glatz in Abwesenheit Karlstadts persönlich in Orlamünde war und vor Ort wohl wenig wohlwollend empfangen wurde. Wann dieser Besuch stattgefunden haben soll, bleibt offen – längere Abwesenheiten Karlstadts sind für Anfang April (vgl. KGK 256), Anfang Juni (vgl. KGK 259) und Ende Juli (Vgl. KGK 265) belegt. Da die Verbindung zwischen Orlamünde und Wittenberg Anfang Juni jedoch durch ein Hochwasser gestört war, ist dieser Termin auszuschließen. Auch der Zeitraum um den 22. Juli erscheint mit Blick auf Glatz' eigene Aussage (wie KGK 264 (Anmerkung)) unwahrscheinlich, was einen Aufenthalt im April – möglicherweise zur Bestätigung der in Wittenberg kursierenden Gerüchte – nahelegen würde.
15ablehnen.
16Auch im Januar des Folgejahres berichtete Glatz noch von einer ablehnenden Haltung der Orlamünder Gemeinde zu Taufe und Abendmahl; vgl. Glatz an Luther, 18. Januar 1525: »[…] allein vom Sacrament und Tauf mögen sie nicht hören […]« (WA.B 3, 242,8 Nr. 818). Auch weigerte sich Karlstadts Frau, Anna von Mochau, den im Januar geborenen Sohn taufen zu lassen; vgl. Barge, Karlstadt 2, 219. Noch 1527 berichtet ein Visitationsprotokoll von ungetauften Kindern, deren Taufe im Einverständnis mit dem Rat nachgeholt worden sei; vgl. Barge, Karlstadt 2, 142 mit Anm. 127.
17Im Sommersemester las Luther die Praelectiones in prophetas minores. Zur Vorlesung In Iohelem siehe WA 13, 68–122.
18sich bewusst werden, erkennen. Vgl. FWB s.v. innenwerden.
19Diese Aussage legt nahe, dass Glatz Kontakte zu karlstadtkritischen Personen in Orlamünde unterhielt.
20eines Amtes entheben. Vgl. FWB s.v. privieren. Karlstadt hatte zum Zeitpunkt des Glatzschen Schreibens bereits von seinem Archidiakonat, dem die Pfarrei Orlamünde als Präbende inkorporiert war, resigniert; vgl. KGK 264 (Anmerkung).
21obrigkeitliche Maßnahme des Überprüfens, Eingreifens. Vgl. DWb2 7, 1006. Glatz mahnte hier – wie zuvor auch schon Luther in seinem Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist – ein Eingreifen der Obrigkeit an.
22Hier endet die wörtliche Wiedergabe des Briefs.

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