Nr. 265
Andreas Karlstadt an Herzog Johann von Sachsen
Orlamünde, 1524, 14. August

Text
Bearbeitet von Stefanie Fraedrich-Nowag
Buchsymbol fehlt

Durchleuchtiger hochgeborener f'urst' g'nädiger' h'err'euren f'urstlich' g'naden' seind meine untherdenige
dinste nach meinem besten vermogen alleczeit zuvorana bereitt
g'nädiger' f'urst' und h'err'〈.〉An den durchleuchtigsten hochgebornen fursten und hern
H'err' Fridrichen/ des h'eiligen' Ro'mischen' reichs Erczmarschalk und Curf'urst'en Herzo-
gen zu Sachsen etc. E'uer' f'ürstlich' g'naden' bruder hab ich untherdeniglich geschrie-
ben/ und mich in ubergebung meines archidiaconats demut-
tiglich erbotten/ das ich Christliche rechenschafft aller meyner
lere und tetlicher handelung/ geforddert1 gern wil geben/ und
ßo mir gegrundterb schrifft mangeln wurd2/ alle die straffen/
ßo got uff diec uberschreider seiner gepotten gestellet/ willi-
glich leiden und tragen.
3Dermaßen kegen E'uer' f'urstlich' g'naden' ichd
hirmite erboten haben will/ mit untherdeniger bit/ wo
E'uer' f'urstlich' g'naden' mich ym glauben oder mißhandelung der schrifften
vertechtig hielten/ das E'uer' f'urstlich' g'naden' mir solichen vertacht/ artic-
kels weiß/ begreiffen/ czukommen/ undf ßo die artickell
meyn/ und widder got sein/ nach christlicher und aposte-
lischer leere weysen/ und auß vermeinten irthumb/ in gottiß
warheit brengen lassen.4 Dann e'uer' f'urstlich' g'naden' ye die menig5 der
schrifftverstendigen haben. Wo aber E'uer' f'urstlich' g'naden' solicher
muhe beschwert6/ erbiet ich mich czu offentlicher disputacion
deuczsch und lateinisch/ allen leuthen jung und alt/ ggroß
kleing/ die mich verdencken7/ mit guten grunden czu ant-
worten. Oder woh ich (das8 ich nit glaub) in irthumb
erfunden9/ Christliche weisung anczunemen/ welche ich beger
undi forder
.
Und hoff E'uer' f'urstlich' g'naden' werden disse bit und
erbietung10/ für redlich/ gnugsam/ und gotlich halten/
verdachts artickel zu komen11/ und mir in keinen weeg
schympf oder schaden daruber czu fugen lassen. Dann
wiewol12 ich icztj czu Wittemberg13/ wunder14 hab kmussen horen.k
wie seer E'uer' f'urstlich' g'naden' auff mich ergrymmet und erbittert
/ bin
ich dannest der untherdenigen zuversicht E'uer' f'urstlich' g'naden' werden
nichts tyrannisch noch gewaldes kegen mir/ ehe dann
Buchsymbol fehlt ich verhört und uberwunden15 furnemen. Denn es je gotlich/
menschlich/ und naturlich/ vor allem verhor halten/ darnach
urteilen/ des e'uer' f'ürstlich' g'naden' ane disse erinnderung gut wissen
tragen.l Das wil ich umb E'uer' f'urstlich' g'naden' in aller untherdenikeit
mund vermoglickeitm16 czu verdienen alleczeit bereitt seyn.
und das alte lob und preiß e'uer' f'urstlich' g'naden' mit fleissigen
bekentniß außbreiten/ dem lebentigen got bevolhen.
Datum Orlamünde Sontags nach Laurentii anno 〈15〉24.n17

oE'uer' f'ürstlich' g'naden'
untherdeniger
diener
Andres Carolstadt.o


azů vorn A
bgegrundte A
cfehlt A
dfolgt mich A
efolgt erbiet unnd A
ffolgt mich A
g-gklein und groß A
hso A
ifehlt A
jyetzund A
k-khoͤren muͤssen. A
lhaben A
m-mfehlt A
nam Rand von anderer Hand notiert 14. Aug'ust'a
o-oA. B. C. A

1sofern es gefordert wird.
2für den Fall, dass er seine Lehre nicht anhand der Schrift begründen kann.
3Dieses Schreiben ist ebenso wie die Antwort des Kurfürsten verschollen. Aus einem Schreiben Martin Frechts geht jedoch hervor, dass der Kurfürst diesem Angebot ablehnend gegenüberstand; vgl. KGK 264. Schon vor seinem offiziellen Verzicht auf das Amt des Archidiakons am Allerheiligenstift in Wittenberg am 8. Juni 1524 (KGK 259) hatte Karlstadt dem Kurfürsten am 22. Mai eine schriftliche Stellungnahme zu den strittigen Punkten seiner Lehre angeboten; vgl. KGK 257 (Textstelle).
4Zu Karlstadts Angebot an Herzog Johann siehe die KGK 265 zu dieser Einheit.
5große Anzahl, Menge. Vgl. DWb 12, 2007 s.v. Menge Nr. 4.
6Die Mühe, Karlstadt die verdächtigten Lehrinhalte, aufgegliedert in Artikel, zukommen zu lassen.
7verdächtigen. Vgl. DWb 25, 208 s.v. verdenken Nr. 3.
8was.
9befinden. Vgl. DWb 3, 798 s.v. erfinden Nr. 3.
10Angebot. Vgl. DWb2 8, 1606 s.v. Erbietung Nr. 2.
11und mir die verdächtigen Artikel zukommen zu lassen. Gemeint ist hier die erbetene Zusammenstellung der gegen Karlstadt vorgebrachten Kritikpunkte (wie KGK 265 (Anmerkung)).
12obwohl.
14verwundert.
15im Redekampf besiegen. Vgl. DWb 23, 656 s.v. überwinden II A 1d.
16Kraft, Vermögen. Vgl. DWb 25, 894.
1714. August 1524.

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