1. Überlieferung
Frühdruck:
❧ Auſʒlegung dieſer woꝛt ∥ Chꝛiſti. Das iſt meyn leyb/ welcher für euch ∥ gegeben würt. Das iſt mein blůth/ ∥ welches für euch vergoſſen würt. ∥ Luce am. 22. ∥ Wider die einfeltige vnnd ∥ ʒwyfeltige papiſten/ welche ſoliche woꝛt/ ∥ ʒů einem abbꝛuch des kreützes ∥ Chꝛiſti bꝛauchen. ∥ Andꝛes Carolſtat. ∥ 1524 ∥
[Basel]: [Johannes Bebel], 1524.
4°, 18 Bl. (letzte Seite leer), a4–c4, d6.
Editionsvorlage:
BSB München, 4° Polem. 537.Weitere Exemplare: UB Bern, MUE AD 178:3.
Bibliographische Nachweise:
- VD 16 B 6111.
- Freys/Barge, VerzeichnisFreys/Barge, Verzeichnis, Nr. 129.
- Zorzin, FlugschriftenautorZorzin, Flugschriftenautor, Nr. 69A.
- Köhler, BibliographieKöhler, Bibliographie, Nr. 1853.
- Pegg, Great BritainPegg, Great Britain, Nr. 207.
- Georgii/Schnizlein, Rothenburger BibliothekGeorgii/Schnizlein, Rothenburger Bibliothek, Nr. 673.
Frühdruck:
Auslegung dieſer ∥ woꝛt Chꝛiſti. Das iſt mein ∥ leyb/ welcher für euch gegebē würt. Das ∥ iſt mein blůt/ welches für euch ver⸗∥goſſen würt. Luce am . 22. ∥ Wider die einfeltige vnd ʒwy-∥feltige papiſten/ welche ſoliche woꝛt/ ∥ ʒů einē abbꝛuch des kreützes ∥ Chꝛiſti bꝛauchen. ∥ Andꝛes Carolſtatt ∥ M. D. XXV. ∥
[Straßburg]: [Johann Prüss d. J.], 1525.
4°, 18 Bl. (letzte Seite leer), a4–c4, d6.
Editionsvorlage:
SB-PK Berlin, Cu 1400 R.Weitere Exemplare: HAB Wolfenbüttel, 87.4 Theol.(6). — HAB Wolfenbüttel, 231.174 Theol.(3).
Bibliographische Nachweise:
- VD 16 B 6112.
- Freys/Barge, VerzeichnisFreys/Barge, Verzeichnis, Nr. 130.
- Zorzin, FlugschriftenautorZorzin, Flugschriftenautor, Nr. 69B.
Der Vergleich der Drucke bestätigt den Befund, den die Jahresangaben der Titelblätter ohnehin nahelegen: Der von Johann Bebel in Basel1 hergestellte Erstdruck2 (A) diente der vermutlich bereits früh im Jahr 1525 von Johann Prüss in Straßburg3 gedruckten Ausgabe (B) als Vorlage. Nicht nur die Titelseiten zeigen sich gleich strukturiert, beide Ausgaben sind auch weitgehend zeilen- und seitenidentisch.
Johann Bebel in Basel druckte mit der Auslegung der Abendmahlsworte Christi eine dritte Schrift Karlstadts – nachdem bereits Anfang Oktober 1524 der Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276) und der Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments (KGK 277) bei ihm erschienen waren. Die Auslegung der Abendmahlsworte Christi kann erst gegen Ende Oktober 1524 zum Druck gekommen sein, denn Karlstadt schrieb noch an ihrem Manuskript, als ihn der am 18. September 1524 ergangene Befehl zum Verlassen Kursachsens erreichte.4Gerhard Westerburg, der sich vermutlich bald nach den Gesprächen mit Luther in Jena und Orlamünde, ausgestattet mit Karlstadt-Manuskripten gegen Ende August 1524 auf die Reise in Richtung Zürich begab, um diese in der Schweiz drucken zu lassen, konnte die Auslegung der Abendmahlsworte Christi also noch nicht mit sich genommen haben.5 Vielmehr war es Karlstadt selbst, der ihr Manuskript zusammen mit weiteren zu druckenden Büchlein,6 nämlich dem Dialogus von der Kindertaufe (KGK 280), über Zürich gegen Ende Oktober 1524 nach Basel brachte.7
In seiner Verhöraussage Anfang Dezember 1524 versuchte Bebel die Drucklegung des Traktats Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276), des Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments (KGK 277) und der Auslegung der Abendmahlsworte Christi so zu schildern, als sei deren Veröffentlichung insgesamt durch den Theologen Johannes Oekoloampad gegen Ende September 1524 gestattet worden. Tatsächlich wurde Oekolampad aber wohl nur ein Teilmanuskript des Traktats Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276) vorgelegt.8 Dass die Drucklegung der drei Karlstadt-Schriften in zwei fast einen Monat auseinander liegenden Etappen stattfand, verschleierte Bebel in seiner Aussage. Zugleich lässt der Wortlaut der Verhöraussage von Thomas Wolff, des anderen Druckers der Karlstadt-Publikationen in Basel, die Datierung der Drucklegung der Auslegung der Abendmahlsworte Christi bei Johann Bebel gegen Ende Oktober 1524 durchaus zu.9 Möglicherweise fand sich Bebel Ende Oktober 1524 zum Druck der Auslegung der Abendmahlsworte Christi bereit, weil diese – trotz der in ihr gesteigerten Polemik gegen Luther – sich inhaltlich anscheinend doch auf der Linie der beiden anderen von ihm bereits gedruckten Abendmahlsschriften Karlstadts bewegte. Deren Veröffentlichung im Druck konnte er als durch Oekolampad genehmigt darstellen. Beim Dialogus von der Kindertaufe (KGK 280), der anderen Karlstadt-Schrift, die er drucken sollte, weigerte sich Bebel, angeblich weil diese Schrift gegen Luther polemisierte und eine neu eingeholte gutachtliche Stellungnahme Oekolampads eine Drucklegung untersagte.10
Der Basler Erstdruck der Auslegung der Abendmahlsworte Christi kam in einer Auflage von 1000 Exemplaren heraus, vermutlich gegen Ende Oktober 1524, spätestens in der ersten November-Woche.11 Dies belegt die Erwähnung der »Auslegung« in der Aufzählung der von Karlstadt selbst am 7. November 1524 nach Heidelberg mitgebrachten Drucke seiner Schriften, welche der Universitätslehrer Martin Frecht in seinem Brief vom 10. November 1524 präsentierte. Dieser Brief Frechts an den Ulmer Stadtarzt Wolfgang Rychard, ein aufschlussreiches Dokument der ersten Rezeption von Karlstadts einschlägigen Abendmahlsschriften, mit ihrem exegetischen Skopus, dass Christus beim letzten Abendmahl seine Passion angekündigt und eben keine sakramentale Präsenz in Brot und Wein eingesetzt habe, wird im Anschluss an die Edition der Auslegung der Abendmahlsworte Christi als Beilage geboten (KGK 279 (Textstelle). )
Edition:
- Burnett, Eucharistic PamphletsBurnett, Eucharistic Pamphlets, 144–162 Nr. 8 (engl. Übersetzung).
Literatur:
- Jäger, CarlstadtJäger, Carlstadt, 449–455.
- Barge, ChronologieBarge, Chronologie, 323–331, bes. 325 u. 329.
- Barge, KarlstadtBarge, Karlstadt 2, 144–176, bes. 151f. mit Anm. 9.
- Burnett, Eucharistic ControversyBurnett, Eucharistic Controversy, 62–64; 171f.
Beilage: Martin Frecht an Wolfgang Rychard (Reichart), Heidelberg, 1524, 10. November
Handschrift:
Abschrift von Schreiberhand, Mitte 16. Jh., vermutl. nach dem Autograph.
Aus der Sammlung: Briefwechsel Wolfgang Reichart. Aliquot Epistulae ac Epigrammata doctoris Vuolfgangi Rychardi medici et ad hunc aliorum / Johann von Wouwer; Gisbert Cuper; 16. Jh.
Zur Beschreibung der Handschrift vgl. Reichart, BriefwechselReichart, Briefwechsel, 1–33, bes. 1f.; 5; 32.
Editionen:
- Veesenmeyer, SammlungVeesenmeyer, Sammlung, 182–185.
- Reichart, BriefwechselReichart, Briefwechsel, 286f.
Literatur:
- Burnett, Eucharistic ControversyBurnett, Eucharistic Controversy, 145f.
2. Entstehung und Inhalt
Entstehung
AlsKarlstadt gerade den Hauptteil der Auslegung der Abendmahlsworte Christi mit einem Segenswunsch und »Amen« beendet hatte (KGK 279 (Textstelle)) und den »Beschließ«-Teil niederschrieb (KGK 279 (Textstelle)), erreichte ihn – so lässt es der Text selbst erkennen (KGK 279 (Textstelle)) – der am 18. September 1524 ergangene Befehl zum Verlassen des Landes.12 In seiner Bestürzung fügte Karlstadt der prägnanten Zusammenfassung des Inhalts der Auslegung der Abendmahlsworte Christi in drei Punkten offenbar noch eine Schlusspassage an (KGK 279 (Textstelle)), die sich zu einem vehementen Angriff auf Luther steigerte. Karlstadt machte Luther persönlich für das harte Vorgehen der herzoglichen Regierung gegen ihn verantwortlich. Er warf ihm vor, einerseits zu beteuern, das Ringen um die Wahrheit sei frei auszutragen, andererseits lasse er aber ihn, Karlstadt, aus dem Land jagen und in seiner Existenz vernichten (KGK 279 (Textstelle)). Tatsächlich hatte Luther noch beim Streitgespräch am 22. August 1524 in JenaKarlstadt dazu aufgefordert, öffentlich gegen ihn zu schreiben.13Karlstadt hob erneut hervor, dass ihm als theologischem Lehrer bisher eine öffentliche Disputation oder Anhörung verweigert und ihm auch kein Irrtum nachgewiesen wurde.
Begonnen, zumindest mit konzeptionellen Überlegungen, hatte Karlstadt mit seiner Auslegung der Abendmahlsworte Christi, wie es scheint, bereits vor Ende August 1524. Ihr Titel ist nämlich bereits auf dem Lesehinweis verzeichnet,14 der dem Manuskript des Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments (KGK 277) nachträglich angefügt wurde. Dieses und die Manuskripte zu sechs weiteren Karlstadt-Publikationen (KGK 273; KGK 274; KGK 275; KGK 276; KGK 277; KGK 278) wurden gegen Ende August 1524 von Gerhard Westerburg zur Drucklegung nach Zürich und dann nach Basel gebracht. Den Hauptteil der Auslegung der Abendmahlsworte Christi schrieb Karlstadt also anscheinend in den Wochen vor seiner Ausweisung aus Kursachsen am 18. September 1524. Den Schlussteil ergänzte er danach, vermutlich in den letzten Tagen seines Aufenthalts in Orlamünde.15 Im Unterschied zur thematisch eng verwandten, insgesamt aber sachlicher angelegten Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei (KGK 278), die möglicherweise die von Karlstadt gewünschte öffentliche Disputation mit Luther im Blick hatte und früher, im wesentlichen vor dem Streitgespräch mit Luther in Jena (22. August 1524) entstand, fällt die polemische Grundausrichtung der Auslegung der Abendmahlsworte Christi auf. In ihr wandte sich Karlstadt noch aggressiver gegen seine theologischen Kontrahenten, die er immer wieder als »alte und neue« sowie »einfältige und zweifältige«»Papisten«, »Sophisten«, »sophistische Papisten« oder sogar als »Doppelpapisten« bezeichnete. Sie seien nichts geringeres als »subtile Feinde des Kreuzes Christi« (KGK 279 (Textstelle)), wie Karlstadt im Titel und zum Abschluss des Manuskripts formulierte. Damit subsumierte er die römisch-päpstlichen Theologen und die an Luthers Lehre orientierten Theologen, die er vor allem mit seiner Polemik im Blick hatte, unter einer Kategorie. Möglicherweise reagierte Karlstadt damit auch – zwei klare Bezugnahmen belegen dies – auf LuthersBrief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist (1524), der gegen Ende Juli 1524 im Druck erschien.16Karlstadts Polemik reagierte möglicherweise aber auch auf die Ablehnung der von ihm an einem prominenten Ort wie Erfurt oder Wittenberg angestrebten Disputation mit Luther. Mit einer solchen Veranstaltung verband Karlstadt anscheinend die Hoffnung, die für alle Seiten schwer erträglichen theologischen Konflikte in der Öffentlichkeit zu klären und einer Entscheidung zu seinen Gunsten zuzuführen. Die Genehmigung einer solchen Disputation, bei der Karlstadt sich auf Augenhöhe mit Luther sah und eine Anerkennung seiner theologisch-kirchlichen Überzeugungen im Land erhoffte, hatte er am 14. August 1524 bei Herzog Johann von Sachsen beantragt.17 Das Zusammentreffen in Jena am 22. August erbrachte die Erkenntnis, dass die sachlichen Differenzen und persönlichen Aversionen nicht mehr zu überbrücken und auch nicht mehr zu verbergen waren. So kam es zur Absprache zwischen und Karlstadt, niedergelegt in den Acta Jenensia (KGK 267), die theologischen Auseinandersetzungen – so das Ansinnen Luthers – künftig »offentlich und nicht heimlich«, also publizistisch als Flugschriftenkrieg gegeneinander zu führen. Karlstadts Außenseiter-Situation in Kursachsen wurde noch schwieriger. Um sich von den Pflichten der Professur zu lösen, hatte er bereits vom Wittenberger Archidiakonat resigniert, damit aber auch seine Versorgung aufgegeben.18 Zugleich bestand keine realistische Aussicht, die Pfarrei Orlamünde übertragen zu bekommen.
Die Polemik gegen Luther, der ihm zum Hauptgegner geworden war, und gegen seine Unterstützer, die Karlstadt scharf als »neue Papisten« angriff, ist wohl Ausdruck dieser Position im Abseits.19 Auf die Wiederholung seiner Bitte, öffentlich disputieren zu dürfen, am 11. September 1524 reagierten die Weimarer Räte mit Karlstadts persönlicher Vorladung und am 18. September mit dessen Ausweisung aus Kursachsen (KGK 271). Um den 26. September verließ KarlstadtKursachsen und reiste durch Franken und Oberschwaben nach Zürich20 – mit den nun offenbar fertiggestellten Manuskripten des Dialogus von der Kindertaufe (KGK 280) und der Auslegung der Abendmahlsworte Christi im Gepäck. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Karlstadt an beiden Texten unterwegs, auf der mindestens dreiwöchigen Reise nach Zürich, noch geschrieben hat.
Inhalt
In der Auslegung der Abendmahlsworte Christi unternimmt es Karlstadt, die Worte Jesu bei der letzten Mahlfeier im Kreis der Jünger konsequent als Ankündigung seines unmittelbar bevorstehenden Todes am Kreuz aufzufassen. Diese weitere Pointe seines im Jahr 1524 neu entwickelten Abendmahlsverständnisses hatte Karlstadt bereits in der Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei (KGK 278) abschließend artikuliert. In der »Auslegung« entfaltete er diesen Gedanken weiter: Jesus habe am Vorabend seiner Passion mit den Abendmahlsworten nicht Brot und Wein, sondern seinen Leib bezeichnet und damit die Hingabe seines Lebens in Liebe und Gehorsam (am folgenden Tag) angekündigt. Am Kreuz habe er die Erlösung vollbracht, an die die Mahlfeier später immer wieder erinnere. Das »Gedächtnis« daran werde eben nicht erst durch das Sakrament wirksam oder den Gläubigen vermittelt.
KarlstadtsAuslegung der Abendmahlsworte Christi bietet fünf durch Zählung markierte Argumentationsgänge, die jeweils sachlich gebündelte Einwände gegen die leibliche Realpräsenz Christi in Brot und Wein und für das rechte Verständnis des Abendmahls vortragen, nämlich als Verkündigung seines Leidens, also seiner Lebenshingabe in vollkommenem Gehorsam und Liebe. Ein »Beschließ« (KGK 279 (Textstelle)), fasst nochmals die wichtigsten Einsichten zusammen, bevor ein Anhang (KGK 279 (Textstelle)) gegen Luther und die herrschende Wittenberger Theologie erbittert polemisiert.
Detaillierter Überblick über Karlstadts Auslegung der Abendmahlsworte Christi
In einem ersten Argumentationsgang (KGK 279 (Textstelle)) wirft Karlstadt den »Papisten« vor, den wörtlichen Sinn der Einsetzungsworte mit Zusätzen zu verfälschen. Es sei widersprüchlich, wenn diese erklärten, der Leib Christi sei in oder unter der Gestalt des Brotes, und zugleich behaupteten, Christi Leib sei das Brot.
Zum zweiten (KGK 279 (Textstelle)) weist Karlstadt darauf hin, dass Christus beim letzten Abendmahl eben nicht sagte, Brot und Wein seien sein Leib und Blut. Vielmehr hob Christus bei der Abendmahlsfeier (am Gründonnerstag) die bevorstehende Hingabe seines Leibes am Kreuz (am folgenden Karfreitag) als entscheidendes Heilsereignis hervor: Diese Hingabe war das Opfer des leidenden Gottesknechts, das Mose und die Propheten angekündigt hatten.
Der dritte Argumentationsgang (KGK 279 (Textstelle)) bekräftigt, es sei nicht nur verkehrt, sondern sogar ketzerisch, Jesu Worte von seiner Hingabe auf das (sakramentale) Brot und nicht auf seinen Leib selbst anzuwenden. Wäre der Leib Christi (am Vorabend seines Todes) tatsächlich Brot geworden, dann hätte doch – eine absurde Vorstellung – das Brot selbst am Kreuz gelitten und sei für die Sünde hingegeben worden. Karlstadt betont: Jesus Christus hat sich keinesfalls in Brot und Wein hingegeben.
Der vierte Argumentationsgang (KGK 279 (Textstelle)) legt ausführlich dar: Als Jesus vom Brot als seinem Fleisch sprach, das er »geben werde für das Leben der Welt« (Joh 6,51), meinte er die künftige Hingabe seines Leibes und Lebens am Kreuz und eben nicht das Abendmahl. Dieses könne nicht Erlösung und Heil geben, die »allein an dem kreütz geschehen« seien (KGK 279 (Textstelle)). Die Gabe seines Leib und Bluts im Sakrament sei nur »erdichtet« und »erträumt« (KGK 279 (Textstelle)). Christi Worte beim letzten Mahl seien vielmehr als Ankündigung seines Leidens zu verstehen. Sie bedeuteten ein Versprechen, das sich in der Hingabe seines Lebens in den Tod erfüllte.
Der umfangreiche fünfte Argumentationsgang (KGK 279 (Textstelle)), den man in drei Teile ordnen kann, behandelt zunächst das Thema der Speise: Christus habe seinen Leib keineswegs als sakramentale Speise gegeben. Vielmehr sprechen die Aussagen des Johannesevangeliums von dem in gehorsamer Hingabe geschehenen Kreuzestod Christi als dem entscheidenden und einzigen Heilsereignis (KGK 279 (Textstelle)). Wird der Kreuzestod recht erkannt, dann lassen sich alle biblischen Worte, die vom Leib Christi sprechen, verstehen. Vom Kreuzestod her sei auch die ihm vorangehende Feier des Abendmahls als »Gedächtnis seiner Wunderwerke« (Ps 110(111),4f.) aufzufassen. Sodann weist Karlstadt in ganz eigentümlicher Auseinandersetzung mit dem alttestamentlichen Begriff »teraph« ein Verständnis des Abendmahls zurück, bei dem das äußere Geschehen zentral sei. Christus ging es beim Abendmahl vielmehr um ein »Gedenken« oder »Erkennen«, das den »Glauben« an Christus in die Seele gieße und das Leben zum Guten verwandle (KGK 279 (Textstelle)). Da Christus im Sakrament ohnehin keine Speise darstelle (KGK 279 (Textstelle)), könnten gottlose Menschen das »Fleisch Christi weder einnehmen noch essen«. Thomas von Aquin, der anderes behauptete, irrte hier. Tatsächlich handelt es sich beim Abendmahl, wie beim Manna der Israeliten, um eine irdische Speise. Nur Christus selbst, als das »Brot vom Himmel« (Joh 6), kann das Leben geben, nicht das Sakrament, in dem Christi Leib und Blut auch keineswegs gegenwärtig seien. Dies vertreten nur die »subtilen Feinde des Kreuzes Christi«, die »alten und neuen Papisten« (KGK 279 (Textstelle)). Schließlich macht Karlstadt geltend, dass die Worte des Paulus von der Würdigkeit und der Unterscheidung des Leibes des Herrn (1. Kor 11,27–29) nicht, wie traditionell gelehrt, den Glauben an die leibliche Gegenwart Christi im Sakrament erforderten (KGK 279 (Textstelle)). Entscheidend sei vielmehr das Erkennen bzw. das Gedächtnis des Todes Christi sowie die Selbstprüfung der Kommunikanten, um zu gewährleisten, dass sich dann auch die Gemeinschaft des Leibes in der Liebe untereinander zeigt (KGK 279 (Textstelle)).
Zum »Beschließ« (KGK 279 (Textstelle)) rekapituliert die Auslegung der Abendmahlsworte Christi noch einmal die wesentlichen Einsichten: Recht verstanden widersprächen die Abendmahlsworte grundsätzlich der Vorstellung der leiblichen Realpräsenz Christi in den Elementen. Christus habe sich mit ihnen tatsächlich auf seine unmittelbar bevorstehende Passion bezogen. Er habe hingewiesen auf die Hingabe seines Leibes am Kreuz, die am Folgetag geschehen ist. Beim Abendmahl feiern die Gläubigen das Gedächtnis dieser (in der Vergangenheit) geschehenen Hingabe.
Dieser Schlussteil, der rahmend an den Eröffnungsteil der Auslegung der Abendmahlsworte Christi anklingt, wendet sich dann freilich in eine polemische Auseinandersetzung mit den »alten und neuen Papisten« (KGK 279 (Textstelle)). Mit ihren Missbräuchen führten diese die Christenheit mutwillig in die »Gruben der Abgötterei« (KGK 279 (Textstelle)) und stießen das Kreuz Christi um (KGK 279 (Textstelle)). Mit ihrer Sakramentslehre missachteten sie das Leiden Christi, in dem dieser seine Liebe und Gottes Gnade offenbarte (KGK 279 (Textstelle)), und verkehrten das Evangelium (KGK 279 (Textstelle)).
Am Ende der Auslegung der Abendmahlsworte Christi greift Karlstadt, den der herzogliche Befehl zum Verlassen des Landes erreicht hat, überaus scharf Martin Luther an, den »neuen sophistischen Papisten« und »Freund des Antichristen« (KGK 279 (Textstelle)), der seine Ausweisung aus Sachsen betrieben habe. Karlstadt beteuert abschließend, um der Wahrheit willen den Tod nicht zu fürchten – trotz aller Verfolgungen, mit denen ihn »D.M.L.« überziehe.
Unterhalb des Textes (KGK 279 (Textstelle)) finden sich, ohne erkennbare Verbindung zu den vorhergehenden Ausführungen, unter der Überschrift »Gleichnüß der schrifft« zwei Bibelworte: Mt 16,18 und Lk 22,19.21
Karlstadt knüpfte in seiner Auslegung der Abendmahlsworte Christi erkennbar an Gedanken an, die er auch in seinen beiden anderen Abendmahlsschriften, im Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments (KGK 277) und in der Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei (KGK 278), formulierte, wiederholte diese, setzte aber auch neue theologische Akzente. Die Bestreitung der Realpräsenz Christi in den Abendmahlselementen als Hauptthema rückte etwas in den Hintergrund, blieb aber weiter wesentlich. Karlstadt ging es um den Nachweis – sich dabei keineswegs auf die Auslegung der Abendmahlsworte nach Lk 22 beschränkend –, dass sich das letzte Mahl Jesu vor seinem Tod mit seinen Jüngern auf den folgenden Karfreitag bezog: Jesus kündigte mit seinen Worten sein bevorstehendes Leiden an. Die Abendmahlsfeier der Gemeinde nach dem Kreuzestod reiche darum auch nicht Christus als Speise und vermittle nicht das Heil, sondern diene, dem Befehl Christi entsprechend, der Erinnerung, eben dem Gedächtnis der in Gehorsam und Liebe vollkommenen Hingabe Jesu am Kreuz.