Nr. 277
Dialogus oder ein Gesprächbüchlein von dem greulichen Missbrauch des hochwürdigsten Sakraments Jesu Christi
1524, [Anfang Oktober] (Entstehung: [1524, um Juli / vor Ende August] )

Einleitung
Bearbeitet von Wolfgang Huber

1. Überlieferung

Frühdruck:

[A:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von:
❧ Dialogus oder ein ge ☙∥ſpꝛechbüchlin ∥ Von dem greꝛvlichen ∥ vnnd abgoͤttiſchen mißbꝛauch/ des ∥ hochwirdigſten ſacraments ∥ Jeſu Chꝛiſti. ∥ Andꝛes Carolſtat. ∥ 1524 ∥
[Basel]: [Johannes Bebel], 1524.
4°, 28 Bl., a4–g4.
Editionsvorlage:
BSB München, 4° Polem. 541.
Weitere Exemplare: UB Bern, MUE AD 178:1. — UB Erlangen, 095 XIXc B 717 ng. — UB Würzburg, Th.dp.o. 1998.
Bibliographische Nachweise:

Frühdruck:

[B:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von:
Dyalogus/ oder eyn ∥ Geſpꝛech buͤchlein. ∥ Von dem greꝛvlichē ab⸗∥goͤttiſchen mißpꝛauch/ des ∥ hochwirdigſten Sa⸗∥craments Jeſu ∥ Chꝛiſti. ∥ Andreas Carolſtat. ∥ [TE]
[Nürnberg]: [Hieronymus Höltzel], [1524].
[Wertheim]: [Georg Erlinger], [1524].
4°, 24 Bl. (letzte Seite leer), A4–F4, TE (Renaissance-Ornamentik).
Editionsvorlage:
UB Leipzig, Libri.sep. A. 2007/13.
Weitere Exemplare: HAB Wolfenbüttel, Yv 2178.8\Circ{} Helmst. (Abb. bei \BiblKS{S}{burnett_pamphlets_2011}{Burnett}{, Eucharistic Pamphlets}{}{, 164\BiblKSe}). — HAB Wolfenbüttel, A: 156 Theol. (10). — HAB Wolfenbüttel, A: 184.21 Theol. (2). — StB Nürnberg, Theol. 911.4\Circ{}. — UB Würzburg, Th.dp.q. 936. — SUB Göttingen, 8 H E ECCL 378/5:2 (23) RARA.
Bibliographische Nachweise:

Der Druck (Bogen A) wurde von Hieronymus Höltzel in Nürnberg begonnen, die Fortsetzung (Bogen B bis F auf Papier mit demselben Wasserzeichen; vgl. Schottenloher, Erlinger, 93) von Georg Erlinger vermutlich in Wertheim besorgt.

Frühdruck:

[C:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von:
Dialogus oder ∥ ein geſpꝛech büchlin. ∥ Uon dem grewlichen ∥ vnd abgoͤttiſchen mißbꝛauch/ ∥ des hochwirdigſten Sacra∥ments Jeſu Chꝛiſti. ∥ Andꝛes Carolſtatt ∥ M. D. XXV.
[Straßburg]: [Johann Prüss d. J.], 1525.
4°, 28 Bl., a4–g4.
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, 231.174 Theol.(2).
Weitere Exemplare: UB Würzburg, Th.dp.q. 471.
Bibliographische Nachweise:

Editionen:

Hertzschs Edition (S. 40,33–41,25) gibt irrtümlich fol. a4v nach fol. f3r wieder (Blattvertauschung). Furcha, Essential Carlstadt, und Lindberg, Karlstadt's Dialogue, deren Übersetzungen auf Hertzschs Edition basieren, bieten ebenfalls diesen fehlerhaften Text.1

Literatur:

Die in Basel erschienene Erstausgabe (A) des Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments2 ging, wie ihr Drucker Johann Bebel3 bekundete, als zweite in der Reihe der von ihm hergestellten Karlstadt-Flugschriften, kurz nach dem Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276), in einer Auflage von 1000 Exemplaren aus der Presse.4 Sie fand – wie auch die anderen in Basel gedruckten Schriften Karlstadts – umgehend Verbreitung5 und gelangte so auch rasch nach Nürnberg. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass der Nürnberger Maler und Flugschriftenautor Hans Greiffenberger in seinem »Bekenntnis«, das er vor dem 11. November 1524 abgegeben hat, sich von KarlstadtsDialogus von dem Missbrauch des Sakraments beeinflusst zeigte. Die zahlreichen, fast zitathaften Anklänge lassen sich nur durch intensive Lektüre der Basler Ausgabe erklären.6 Rechnet man einen Transportweg von etwa drei Wochen von Basel nach Nürnberg ein, so muss KarlstadtsDialogus von dem Missbrauch des Sakraments bereits Anfang Oktober 1524 erschienen sein.7Das Vorhandensein der Basler Ausgabe (A) wird erstmals bezeugt im Brief des Heidelberger Universitätslehrers Martin Frecht vom 10. November 1524.8

Die Basler Erstausgabe (A) diente der vermutlich bereits früh im Jahr 1525 in Straßburg erschienenen Ausgabe (C), gedruckt von Johann Prüss,9 als Vorlage. Die Straßburger Ausgabe zeigt sich bis fol. f4v weitgehend zeilen- und seitenidentisch mit der Basler Ausgabe und folgt ihr insgesamt eng in den Schreibungen.

Die Basler Erstausgabe (A) bildete auch die Vorlage für die Ausgabe (B), die in Nürnberg in der Werkstatt von Hieronymus Höltzel mit dem Druck von Bogen A begonnen und dann ab Bogen B durch Georg Erlinger gegen Jahresende 1524 vermutlich in Wertheim fertiggestellt wurde.10 Wenn diese Nürnberger Ausgabe (B) auch manche Abweichungen gegenüber der Basler Ausgabe aufweist, so sind sie doch von geringem Gewicht und lassen sich als Verbesserungen im Zuge des Satzes erklären.11 Manche Fehler und schwierige Schreibungen der Basler Erstausgabe blieben allerdings in der Nürnberger Ausgabe unverändert erhalten.12 Auch die Verwendung sehr ähnlicher Initialen bei den beiden Drucken aus Basel und Nürnberg fällt auf und bestätigt den Befund ihrer unmittelbaren Abhängigkeit voneinander. Die Nürnberger Ausgabe des Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments basierte also nicht auf eigenen Manuskripten, die der vormalige Jenaer Prediger und Karlstadt-Vertraute Martin Reinhart aus dessen Umkreis in die fränkische Reichsstadt gebracht habe.13 Auf deren Vorhandensein gibt es tatsächlich keinen Hinweis. Ebensowenig lässt sich belegen, dass Reinhart den Nachdruck des Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments durch Höltzel vermutlich Anfang Dezember 1524 in Nürnberg betreut habe.14 Auszuschließen ist dies allerdings nicht.

Wegen ihrer starken, die Öffentlichkeit erregenden Wirkung beschloss der Nürnberger Rat am 16. Dezember 1524, gegen die Verbreitung ungenehmigter Drucke, namentlich von Karlstadt-Schriften, in der Reichsstadt vorzugehen. In der Werkstatt Höltzels wurde man fündig. Die Behörden beschlagnahmten den hier noch vorhandenen Bestand von Druckexemplaren von Karlstadts Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276) sowie, unerwartet, der Hochverursachten SchutzredeThomas Müntzers.15 Der ebenfalls von Höltzel begonnene Druck von KarlstadtsDialogus von dem Missbrauch des Sakraments blieb jedoch anscheinend unentdeckt. Die Exemplare des bereits hergestellten Bogens A der Nürnberger Ausgabe des »Dialogus« konnten zu Georg Erlinger, dem Drucker der Acta Jenensia (KGK 267), gebracht werden. Erlinger führte die in der Reichsstadt begonnene Ausgabe auf Papier mit demselben Wasserzeichen gegen Ende 1524 vermutlich in Wertheim zu Ende (Bogen B–F).16 Dass Reinhart nach seiner Ausweisung am 17. Dezember 1524 aus Nürnberg die Fertigstellung dieses Drucks des »Dialogus« bei Erlinger besorgte – so wie er dies möglicherweise Mitte September 1524 bereits, wie Luther vermutete, für die Acta Jenensia tat –, ist aber durchaus vorstellbar.17

2. Entstehung und Inhalt

Entstehung

Karlstadt verfasste den Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments im Hochsommer 1524, und zwar vor den Streitgesprächen mit Luther, die am 22. und am 24. August 1524 in Jena und Orlamünde stattfanden (KGK 267).18 Wie das Vorwort zum »Dialogus« zeigt, war es Karlstadt noch nicht möglich, sich publizistisch frei zu äußern – die Abmachung von Jena war eben noch nicht erreicht. Gleichwohl wollte Karlstadt in der Öffentlichkeit deutlich machen, wie tief die theologischen und persönlichen Differenzen waren und dass er sich als Gegner und Konkurrent Luthers verstand. Da der »Gemeine Mann« den Wittenberger Theologen nachlaufe, nahm Karlstadt mit seinem Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments gerade das allgemeine Publikum besonders in den Blick, um Luther auch auf der populären Ebene Paroli zu bieten. Dazu wählte er als erster – und neben Johann Agricola (1494–1566) einziger19 – der Wittenberger Theologen die Gattung der Dialogflugschrift,20 die im Jahr 1524 den Höhepunkt ihrer medialen Bedeutung im Rahmen des breit und vielfältig strömenden Kommunikationsprozesses der Reformation erlebte. Auch der Dialogus von der Kindertaufe (KGK 280), dessen Abfassung Karlstadt wohl nur wenige Wochen später in Angriff nahm, ist dieser Gattung zuzuordnen.

Den Anstoß zur Gestaltung seiner Flugschrift als Dialog erhielt Karlstadt aber möglicherweise von dem Dresdner Hoftheologen Hieronymus Emser. Im Vorwort zu seiner Canonis missae contra Huldricum Zuinglium defensio erwähnte Emser in einem Atemzug mit Martin Luther auch Karlstadt als einen seiner Todfeinde, derer er sich erwehren musste.21 Bei dieser Verteidigungsschrift gibt Emser abwechselnd jeweils unter dem Namen Zwinglis wörtliche Zitate aus dessen De canone missae epichiresis22 wieder und unter seinem eigenen Namen, darauf antwortend, Gegenargumente, Fragen und Erläuterungen. Durch diese Weise der Präsentation konträrer Positionen entsteht der Eindruck eines Dialogs zwischen beiden Kontrahenten – der jedoch auf akademischem Niveau und in lateinischer Sprache verbleibt. Emser hatte diese Darstellungsmethode bereits zuvor in Auseinandersetzung mit LuthersFormula missae et communionis (1523) angewandt.23 Eine an die allgemeine Öffentlichkeit gerichtete deutschsprachige Dialogflugschrift hat Emser allerdings nicht veröffentlicht.24 Für eine Verbindung zu EmsersCanonis missae contra Huldricum Zuinglium defensio spricht auch, dass einzelne Motive aus ihr in KarlstadtsDialogus von dem Missbrauch des Sakraments auftauchen: beide erwähnen das Beispiel des Quintus Scaevola.25Karlstadt leitete auch wie Emser das Wort »Messe« mit dem Hebraisten Johannes Reuchlin von dem hebräischen Wort für Opfer ab.26 Am nachdrücklichsten weist das Auftreten des papistischen Theologen Gemser im »Dialogus« auf Hieronymus Emser hin, dessen Namen offensichtlich literarisch verfremdet wurde.

In Form einer populären Dialogflugschrift versuchte Karlstadt seine schwierigen theologischen Überlegungen so verständlich und kurzweilig auszubreiten, dass auch wenig gebildete Laien sie fassen konnten.27 Wie im Briefgutachten Wider die alte und neue papistische Messe (KGK 275) sprach Karlstadt im Vorwort seine Adressaten bzw. seine Leserschaft als »liebe Brüder« an. Den Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments kann man mit Recht als das humorvollste Werk bezeichnen, das Karlstadt je veröffentlicht hat.28 Es handelt es sich aber um einen satirischen Humor, der seine Leser- und Zuhörerschaft mit komischen Wortwechseln, sarkastischen Wortspielen, karikierenden Bezeichnungen und Übertreibungen effektvoll für seine theologischen Argumente gewinnen möchte und die Autorität des Geistlichen in Frage stellt. Bei allem Bemühen um Komik zeigt sich der Text geprägt von der in der dialogischen Beweis- und Überzeugungsarbeit zu Werke gehenden Polemik gegen scheinbar übermächtige Kontrahenten.29

Wahrscheinlich begann Karlstadt die Abfassung der umfangreichen Dialogflugschrift im Juni oder Juli 1524. Spätestens bei Westerburgs Abreise nach Zürich gegen Ende August 1524 war sie abgeschlossen. Von seinem Inhalt her scheint der Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments anzuknüpfen an das wahrscheinlich um den 26. Mai 1524 verfasste Briefgutachten Wider die alte und neue papistische Messe (KGK 275) und die vermutlich erst bei der Drucklegung in Basel zum Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276) zusammengefassten drei »Büchlein«.30 In diesen Texten geht es Karlstadt um die strikt der Heiligen Schrift folgende Auffassung und Praxis des Abendmahls. Und wie im Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch wandte sich Karlstadts Polemik dezidiert gegen die von Luther und den Wittenbergern propagierte Abendmahlslehre, welche die zeichenhafte Vergewisserung der zugesprochenen Sündenvergebung in den Mittelpunkt stellte. Mit der neuen »materien« (KGK 277 (Textstelle)) spielte Karlstadt offenbar auf das bisher in der Öffentlichkeit nicht diskutierte Thema der leiblichen Realpräsenz Christi im Abendmahl an. Bei dieser »Materie« ging es gleichwohl um die Wahrheit, um die Ehre Gottes und die Seligkeit der Menschen. In der Abhandlung Von dem Priestertum und Opfer Christi (KGK VI, Nr. 212), im Sendbrief Wider die alte und neue papistische Messe (KGK 275) und im Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276) trat das Problem der Realpräsenz, wenn überhaupt, nur am Rande in Erscheinung. Im Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments nahm es den größten Raum ein, während das für Luther zentrale Thema der Sündenvergebung – von Karlstadt in den Schriften Wider die alte und neue papistische Messe (KGK 275) und Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276) scharfer Kritik unterzogen – zwar erneut vorkommt, aber nicht (mehr) allein im Mittelpunkt steht. Auch präsentierte Karlstadt bei seiner Argumentation gegen die leibliche Realpräsenz in den Zeichen des Abendmahls (ab KGK 277 (Textstelle)) (erstmals) christologische Überlegungen, die sich in den genannten – daher vermutlich früher entstandenen Schriften – (noch) nicht finden. Mit dieser erkennbaren thematischen Schwerpunktverlagerung scheint der Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments innerhalb der relativen Chronologie der Entstehung der einzelnen Abendmahlsschriften des Sommers 1524 einen gedanklichen Fortschritt zu markieren. Der »Dialogus« wurde darum wahrscheinlich nach den beiden genannten Karlstadt-Schriften verfasst. Zugleich entstand der Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments im Wesentlichen vor der Erörterung Ob man mit Hl. Schrift zu erweisen vermag, dass Christus im Sakrament sei (KGK 278), die ebenfalls noch vor Ende August 1524 fertiggestellt, von Westerburg in die Schweiz mitgenommen werden konnte, und vor der sicher erst gegen Ende September 1524 abgeschlossenen Auslegung der Abendmahlsworte Christi (KGK 279). Diese beiden letztgenannten Schriften thematisierten ebenfalls zentral die Frage der Realpräsenz, trugen aber mit der Auseinandersetzung über den Begriff der Eucharistie und dem Motiv der Leidensankündigung bzw. des Passionsgedächtnisses neue Aspekte vor.

Dass sich am Ende des Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments eine Notiz (KGK 277 (Textstelle)) findet, welche die Titel der anderen Abendmahlsschriften Karlstadts des Jahres 1524 auflistete und zur Lektüre empfahl, widerspricht dieser Einschätzung nicht. Dieser Lesehinweis wurde erst nachträglich, wohl kurz vor der Abreise Westerburgs nach Zürich, dem Manuskript hinzugefügt, denn er verzeichnet auch die zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellte und darum von Karlstadt selbst, ein paar Wochen später, nach Basel zum Druck gebrachte Auslegung der Abendmahlsworte Christi (KGK 279). Zugleich kennt der Lesehinweis noch nicht den Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276) in seiner Endgestalt, sondern verzeichnet die Titel der drei separaten »büchlin«, aus denen der Traktat offenbar erst kurz vor der Drucklegung zusammengestellt wurde.

Eng verwandt mit dem Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments ist KarlstadtsDialogus von der Kindertaufe (KGK 280). Auch dieser bietet eine intensive theologische Auseinandersetzung in Form eines Streitgesprächs zweier fiktiver Personen. Beide Schriften sind vermutlich in zeitlicher Nähe zueinander verfasst worden, wobei der Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments wohl das konzeptionelle Vorbild für den Dialogus von der Kindertaufe abgab.31

Inhalt

Die Flugschrift weist zwei Teile auf: das Vorwort des Verfassers (KGK 277 (Textstelle)) und den eigentlichen »Dialog« (KGK 277 (Textstelle)), das fingierte Gespräch zwischen drei Figuren. Dabei tritt bei dem zunächst die römisch-päpstliche Theologie vertretenden Kleriker Gemser32 im Verlauf des Gesprächs immer wieder und deutlicher die Position Luthers hervor. Gemser, der in seinen Äußerungen klerikalen Hochmut und seine der Bibel zuwiderlaufenden theologischen Überzeugungen selbst entlarvt, stellt also tatsächlich die schillernde Figur eines »alten und neuen Papisten« dar.33 Dieses polemische Bild eines Gegners zeichnete Karlstadt in mehreren Schriften. Als Kontrahent Gemsers erscheint zunächst der evangelisch gesinnte, akademisch gebildete Laienchrist Victus,34 der sich – wie sein sprechender Name unterstreicht – von der evangelischen Wahrheit als »besiegt« versteht. Weil Victus wiederholt darauf drängt, das Gespräch auf Deutsch, also in der Volkssprache und allgemeinverständlich und eben nicht akademisch, auf Lateinisch, zu führen (KGK 277 (Textstelle)), ermöglicht er es dem »einfältigen« Laien Peter, die anspruchsvolle theologische Auseinandersetzung zunächst schweigend als Augen- und Ohrenzeuge mitzuverfolgen. Peter kann sich so bereits nach etwa einem Drittel des Gesprächs einschalten und Victus als Widerpart Gemsers rasch und vollständig ablösen (KGK 277 (Textstelle)). In Gemsers Augen ist Peter nur ein ungebildeter Bauer (»rusticus ille«; KGK 277 (Textstelle)), beherrscht aber wundersamerweise die biblischen Sprachen. Nach eigener Auskunft befindet er sich bereits 20 Jahre »im päpstlichen Bann« (KGK 277 (Textstelle)), ist also exkommuniziert. Gegen Ende beweist der offenkundig durch den Heiligen Geist gelehrte Peter seine argumentative Überlegenheit und dominiert die theologische Auseinandersetzung.35 Der Doxologie, die das Gespräch abschließt, ist ein knapper Hinweis auf andere Schriften Karlstadts zur Abendmahlsthematik angehängt (KGK 277 (Textstelle)).

Detaillierter Überblick über Karlstadts Dialogflugschrift

In seinem Vorwort (KGK 277 (Textstelle)) zum Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments spricht Karlstadt nach dem Gruß an »alle Christgläubigen« sogleich direkt die »lieben Brüder« unter seiner Leserschaft an. Polemisch wendet er sich gegen die »Fürsten der Hochgelehrten und Schriftweisen«, womit er unverkennbar vor allem Luther und die anderen Wittenberger Theologen meint. Statt die »lautere Wahrheit« aus der Heiligen Schrift zu schöpfen, richteten sich die Wittenberger nach den Menschen. Sie bewahrten den »alten papistischen Missbrauch« (KGK 277 (Textstelle)) und brachen, was die kirchliche Lehre und Praxis anging, nicht radikal genug mit der überkommenen Form der gottesdienstlichen Messfeier. So seien sie dafür verantwortlich, dass »Glaube, Hoffnung und Vertrauen« auf Gott verloren gingen und die Gewissen der Menschen gebunden blieben. Gleichwohl – das gesteht Karlstadt im »Dialogus« ein – laufe der »Gemeine Mann« den Wittenbergern nach und sage zu ihren Lehren kritiklos »Ja und Amen«. Gegen den Vorwurf, aus Vorwitz und Übermut mit Veröffentlichungen in Sachen des Sakraments »Neuerung und Seltsamkeit« zu suchen, verwahrt sich Karlstadt. Obwohl er sich, wie ihm bewusst ist, mit seiner Auffassung »wider so viel tausend Schriftgelehrten« setzt, will er dazu beitragen, dass die »gebundenen Gewissen sich etlicher Stricken entledigten« und sich an die »lautere Wahrheit« der Heiligen Schrift halten. Viele Menschen würden so das Sakrament »würdiglicher« empfangen als bisher (KGK 277 (Textstelle)). Eine besondere Gefahr stelle freilich, wie Beispiele aus der ganzen Bibel zeigten, der Missbrauch aller äußerlicher wohlgemeinter Zeichen dar, deren Einsetzung dann Gott selbst gelegentlich wieder zurückgenommen habe. Durch den »falschen Brauch des Sakraments« gelangten aber die »elenden und blinden Christen« in den irrigen und falschen Glauben, dass »Christus in der Hostien für unsere Sünd« gelitten habe oder Sünde abwasche und vergebe oder dass er im Sakrament »ewiglich bei uns bleibe« (KGK 277 (Textstelle)). Tatsächlich gebe es ja mehr Feste, die das Sakrament feierten, als den Tod Jesu Christi selbst.

Das Gespräch zwischen Gemser und Victus dreht sich zunächst um den Begriff Sakrament (KGK 277 (Textstelle)). Dieser habe keine biblische Begründung (KGK 277 (Textstelle)), zumal auch Christus selbst das Abendmahl nicht so bezeichnet hat. Gleichwohl bleibt der Begriff im »Dialogus« weiter in Gebrauch. Sodann geht es Victus um die Frage, ob Christus nach der Menschheit im Sakrament gegenwärtig sei (KGK 277 (Textstelle)), und es wird deutlich: Obwohl Christus nach seiner Gottheit in aller Kreatur verborgen sei, könne man nicht von Christi leiblicher Gegenwart nach seiner menschlichen Natur in Brot und Wein des Abendmahls sprechen. Gemsers Argumentation mit der Kraft der Konsekrationsworte, durch die angeblich der Leib Christi und damit Christus selbst »vom Himmel herab« geholt werde (KGK 277 (Textstelle)), überzeugt Victus nicht. Dieser erklärt es für unmöglich, etwas so Großes wie den Leib Christi in die Hostie zu bringen, und fordert von Gemser biblische Belege für seine Behauptungen (KGK 277 (Textstelle)). In der Auseinandersetzung weist Gemser beiläufig auf die Gefahr hin, dass die Laien »in ihre christliche Freiheit kommen« und dann nicht mehr bereit seien, die Priester für die Spendung der Sakramente zu bezahlen (KGK 277 (Textstelle)). Bezüglich der Einsetzungsworte des Abendmahls stellt sich, nach der grammatikalischen Klärung, die Frage, worauf sich das »hoc« in der Aussage »hoc est corpus meum« beziehe. An dieser Stelle wendet sich das Gespräch.

Der einfache Laie Peter, vermeintlich ein Bauer, schaltet sich ein und erklärt sein philologisch begründetes Verständnis der Einsetzungsworte: als Christus sie beim Abendmahl sprach, habe er auf seinen Leib gedeutet (KGK 277 (Textstelle)). Für diese Auffassung beruft sich Peter auf den Heiligen Geist selbst (KGK 277 (Textstelle)). Bei der Frage nach dem würdigen Essen des Brotes Christi (KGK 277 (Textstelle)) führt Peter im »Dialogus« die für Karlstadts neue Abendmahlslehre zentrale Bibelstelle Joh 6,63 an (KGK 277 (Textstelle)). Die von diesem johanneischen Christuswort abgeleitete strenge Unterscheidung von Geist und Materie bestimmt die weiteren Ausführungen des »Dialogus«. Peter hält fest, dass die bloße Sakramentsteilnahme den Gläubigen keineswegs nütze, vielmehr sei es notwendig, Christum »hertzlich und brünstiglich« zu »erkennen« (KGK 277 (Textstelle)). Es sei die »Erkenntnis« des Gekreuzigten, die den Gläubigen »rechtfertigt« (KGK 277 (Textstelle)). Das Abendmahlsbrot sei geistlich zu essen, d.h. zum Zweck des Gedächtnisses des Leidens und Sterbens Jesu Christi. Dieser zentrale »Artikel« wird von Peter, indem er die Bedeutung des Apostelwortes von der »Verkündigung des Todes des Herrn« (1. Kor 11,26) erklärt, breit entfaltet (KGK 277 (Textstelle)). Die Verkündigung des Todes Christi sei darum wichtiger als die seiner Auferstehung und Geburt (KGK 277 (Textstelle)). Gemser will nicht auf den Begriff Sakrament verzichten und hebt, ebenfalls mit dem Hinweis auf Luther, hervor, dass das Sakrament die Vergebung der Sünden mitteile. Dem tritt Peter entschieden entgegen (KGK 277 (Textstelle)). Nicht der Empfang des Sakraments wirke die Vergebung der Sünden, sondern das (geistliche) Essen »zum Gedächtnis« verschaffe die »Erkenntnis Christi« (KGK 277 (Textstelle)). Peter bestreitet die leibliche Gegenwart Christi im Sakrament nach seiner menschlichen Natur (KGK 277 (Textstelle)) sowie die angeblich vollmächtige Wirkung der weihepriesterlichen Konsekrationsworte (KGK 277 (Textstelle)). Bei der Frage der Würdigkeit beim Abendmahlsempfang unterstreicht er mit Blick auf Christi Hingabe am Kreuz die Bedeutung der Reue über die eigene Sünde (KGK 277 (Textstelle)).

Die Bezeichnung Eucharistie lehnt Peter zugunsten des Begriffs »Gedächtnis« ab (KGK 277 (Textstelle)). Bei den liturgischen Akten des Danksagens und des Segnens von Brot und Wein im Rahmen der Abendmahlsfeier gehe es nicht um eine Wandlung in Christi Leib (KGK 277 (Textstelle)). Peter erklärt, Jesus habe nicht vom Brot als seinem Leib und nicht vom Wein als seinem Blut gesprochen. Der Befehl Jesu zur Wiederholung der Abendmahlsfeier (»Das tut zu meinem Gedächtnis«) verleihe den Priestern nicht eine besondere Fähigkeit, sondern bezeichne schlicht das Tun des Verkündigens des Todes Christi (KGK 277 (Textstelle)). Die verschiedenen Wundertaten Jesu auf Erden seien immer wieder mit Akten des Dankens und der Segnens verbunden gewesen (KGK 277 (Textstelle)). Es gebe außerdem keinen Befehl Christi an die Jünger, seinen Leib ins Brot und sein Blut in den Kelch zu bringen (KGK 277 (Textstelle)). Christus komme nicht auf verborgene, »heimliche« Weise ins Sakrament. Tatsächlich sei er allein »in der Form des Kreuzes und Leidens allhie auf Erden« gekommen – und komme dereinst »in herrlicher Form« (KGK 277 (Textstelle)). Christus lasse sich nicht in Ziborien und Tabernakeln einsperren.

Nach Peters Überzeugung geht es beim Abendmahl wesentlich um das Gedächtnis und die Verkündigung des Todes Christi (KGK 277 (Textstelle)). Nur derjenige dürfe des Herrn Kelch trinken, der recht verstehe, warum Christus sein Blut vergossen hat (KGK 277 (Textstelle)). Peter bestreitet eine besondere Kraft der weihepriesterlichen Konsekrationsworte und kritisiert scharf Gebaren und Zustand der Messpriesterschaft (KGK 277 (Textstelle)). Bildliche Darstellungen auf den Brothostien lehnt Peter ab (KGK 277 (Textstelle)). Die Konsekrationsworte würden durch die Priester willkürlich ausgelegt (KGK 277 (Textstelle)), denn Christus habe bei den Einsetzungsworten in Wahrheit von seiner Lebenshingabe und seinem Leiden im Gehorsam gesprochen. Nehmen die Gläubigen dieses Leiden innerlich an, so wird ihnen die »Gerechtigkeit unsers (menschlichen) Absterbens durch den Tod Christi« zuteil; die »Gerechtigkeit der Auferstehung des Geistes« beginne hier und werde erst nach dem endgültigen Abgang des Todes vollendet (KGK 277 (Textstelle)). Peter verurteilt entschieden die Lehre vom Messopfer und auch die von der leiblichen Realpräsenz Christi im Abendmahl (KGK 277 (Textstelle)). Er fordert in dieser Sache zum Bekenntnis dazu auf: »Christi Leib ist nicht im Brot, auch sein Blut nicht im Kelch« (KGK 277 (Textstelle)). Beim Abendmahl handle es sich um ein Essen zum Gedächtnis, in der »hitzigen«, innerlich nachvollziehenden und annehmenden Erkenntnis des Todes Christi. Es gehe um das Mit-Sterben – so lange, bis dereinst Christus wiederkomme, um mit den Seinen ein neues Abendmahl zu feiern.

Am Ende des breit, mitunter redundant argumentierenden, ohne äußere Gliederungssignale im Wechselgespräch dahinfließenden »Dialogus« findet sich ein offensichtlich sekundär hinzugefügter knapper Lesehinweis (KGK 277 (Textstelle)) auf die aktuell im Druck erschienenen, aber »in gestrackter rede« verfassten, also direkt theologisch argumentierenden, eben nicht erst in Dialogform gebrachten Schriften Karlstadts zum Thema des Abendmahls.

Um der besseren Lesbarkeit willen wurde der alle Sprechertexte aneinanderhängende Blocksatz der Editionsvorlage, dem modernen Dramensatz ähnlich, aufgelöst. Der Sprecherwechsel erscheint also durch neue Absätze markiert.


1Vgl. den Text, KGK 277 (Anmerkung).
2Das als Editionsvorlage dienende Exemplar stammt ursprünglich aus der Flugschriftensammlung des Ulmer Reformators Konrad Sam (um 1483–1533). Das unter VD 16 B 6142 verzeichnete Erfurter Exemplar, das Burnett, Eucharistic Pamphlets, 163, sogar als Erstdruck in Betracht zieht, hat tatsächlich nie existiert. Die irrtümliche Verzeichnung erklärt sich durch die Wiedergabe einer falschen Notierung von Druck A bei Weller, Repertorium Typographicum Nr. 2819; vgl. auch Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 67D.
3Zu Johann Bebel vgl. Reske², BuchdruckerReske\textsp{2\spe}, Buchdrucker, 74.
4Zu der von Gerhard Westerburg besorgten Drucklegung der Karlstadt-Manuskripte in Basel siehe die Verhöraussagen der Basler Drucker Johann Bebel und Thomas Wolff, Beilage zu KGK 280. Bebel schildert die erforderliche vorhergehende Begutachtung eines Manuskripts durch den zuständigen Theologen Johannes Oekolampad so, als habe dieser den Druck aller von Westerburg mitgebrachten Karlstadt-Schriften generell genehmigt.
5Anfang November 1524 äußerte sich Melanchthon in Wittenberg ablehnend über eine Karlstadt-Schrift, vermutlich einen Basler Abendmahlsdruck, der ihm zugetragen worden war; siehe KGK 276 (Anmerkung).
6Vgl. den Nachweis bei Osiander, Gesamtausgabe 1, 270–273. Zu Greiffenberger vgl. auch Vogler, Nürnberg, 176–194.
7Vgl. Einleitung zum Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276 (Textstelle)) und KGK 277 (Textstelle) zur Entstehung. Dafür spricht auch, dass der evangelische Prediger Urbanus Rhegius (1489–1541) in Augsburg noch im Jahr 1524 eine Gegenschrift zu KarlstadtsDialogus von dem Missbrauch des Sakraments und dem Traktat Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276) veröffentlichen konnte: Wider den neuen Irrsal Dr. Andreas von Karlstadts des Sakraments halb Warnung (VD 16 R 2014); vgl. KGK 276 (Anmerkung).
8Edition als Beilage zu KGK 279.
9Zu Johann Prüss vgl. Reske², BuchdruckerReske\textsp{2\spe}, Buchdrucker, 955.
10Vgl. Schottenloher, Erlinger, 31–34. 91–93 Nr. 27 (Druckbeschreibung); die Angaben bei Freys/Barge, Verzeichnis, 306 Nr. 127, sind hinfällig. Zuletzt zu Georg Erlinger vgl. Kaufmann, Mitte der Reformation, 404–414. Zum vermutlichen Druckort Wertheim siehe KGK 277 (Anmerkung); KGK 277 (Anmerkung).
11Die Verbesserung von »herbarum« in »verborum« (KGK 277 (Textstelle)) hat offenkundig ein lateinkundiger Setzer oder Lektor vorgenommen.
12Beispiele: »verkreich« (statt »verkriech«), vgl. KGK 277 (Textstelle) (Druck A, B); KGK 277 (Textstelle); »so [wir] inen annemen« (Druck A, B, C), vgl. KGK 277 (Textstelle) mit KGK 277 (Textstelle). Zur Abhängigkeit vgl. auch den Befund bei Kaufmann, Mitte der Reformation, 414 Anm. 676: »Bemerkenswerterweise reproduzierte [Erlinger] [Bebels] Fehler bei griechischen Wörtern aufs Genaueste (vgl. VD 16 B 6140, B1v, Z. 19; B2r, Z. 32 mit VD 16 B 6141, B2v, Z. 22 und B3v, Z. 11).«
13Der Befund entspricht also genau dem Fall der Nürnberger Ausgabe des Traktats Von dem Missbrauch des Herren Brot und Kelch (KGK 276). Vgl. dagegen Burnett, Eucharistic controversy, 146, die eigene von Reinhart nach Nürnberg zum Druck mitgebrachte Karlstadt-Manuskripte annimmt.
14Die Nürnberger Ratsakten dokumentieren lediglich, dass Martin Reinhart aus Nürnberg am 17. Dezember 1524 »mit weyb und kindern« ausgewiesen wurde, weil er im Verdacht stand, ein Anhänger von Müntzer und Karlstadt zu sein, ohne dass ihm ein konkret greifbares Engagement nachgewiesen werden musste; ein solches ist auch nicht belegt; vgl. Vogler, Nürnberg, 246–249; siehe auch KGK 276.
15Vgl. Vogler, Nürnberg, 232f. und 246–248; Kaufmann, Mitte der Reformation, 412.
16Vgl. Schottenloher, Erlinger, 93, Nr. 27. Nach Schottenloher, Erlinger, 31–34, hat Erlinger seine Werkstatt im Laufe des Jahres 1524 von Bamberg nach Wertheim verlegt und ist nach dem Bauernkrieg 1525 wieder nach Bamberg zurückgekehrt. Wahrscheinlich erfolgte der Umzug nach Wertheim nach einem das Wormser Edikt neu einschärfenden antievangelischen Mandat des Fürstbischofs, das am 11. Juni 1524 erging und auch den Abzug des evangelischen Predigers Johann Schwanhausers (um 1485–1528) aus Bamberg zur Folge hatte; vgl. Rublack, Gescheiterte Reformation, 82.
17Reinhart ließ bei Erlinger, offenbar in Wertheim, seine Übersetzung von Heinrich von Zütphens (um 1488–1524) Sendschreiben »Ermahnung an die Versammlung der Augustiner zu Grimma« (VD 16 H 1888) drucken, versehen mit einer in Nürnberg auf den 8. November 1524 datierten Widmungsvorrede an Graf Georg II. von Wertheim (1487–1530), den Reinhart um »Schutz« für seine Publikation bat. Dies untermauert die Annahme, dass der Druckort der von Höltzel begonnenen Ausgabe des »Dialogus«, die eine »typographische Merkwürdigkeit ersten Ranges« darstellt (Schottenloher, Erlinger, 92), Wertheim war. Nach Schottenloher, Erlinger, 34, wurden auch die Acta Jenensia (KGK 267) in Wertheim gedruckt.
18Da der »Dialogus« zu den Manuskripten gehörte, die Gerhard Westerburg gegen Ende August 1524 in die Schweiz brachte, muss er vorher verfasst worden sein; vgl. KGK 276 (Textstelle); vgl. dagegen Barge, Chronologie, 331, der die Entstehung in die zweite Septemberhälfte terminierte.
19Siehe Agricola, Dialogus oder Gesprächbüchlein (1525).
20Schuster, Dialogflugschriften, 197; vgl. auch den prägnanten Überblick bei Zorzin, Dialogflugschriften.
21Emser, Verteidigung, 38–93; hier 42,9f.: »[…] qui me hactenus eripuit de ore Leonis et Ursi, hoc est Corolostadii et Luteri, et de manu viginti.« Die Schrift erschien 1524 in Dresden und fand in Straßburg (1524) und in Köln (1532) Nachdrucke.
22Edition: Zwingli, Werke 2, 552–608. Die Schrift erschien Ende August 1523; vgl. Locher, Zwinglische Reformation, 129 mit Anm. 61.
23Vgl. seine dem Zwickauer Pfarrer Nikolaus Hausmann gewidmete Missae Christianorum contra Lutheranam missandi formulam Assertio (1524); Edition: Emser, Verteidigung, 1–37; sowie die Schriften der Bilderdebatte, s. KGK V, Nr. 228, S. 273f. mit Anm. 3.
24Schuster, Dialogflugschriften, 188–196, übergeht im Kapitel »Dialogflugschriften altgläubiger Autoren« diese Schriften Emsers.
26Emser, Verteidigung, 48; vgl. Karlstadts Briefgutachten Wider die alte und neue papistische Messe (KGK 275 (Textstelle) mit KGK 275 (Anmerkung)).
27Vgl. Schuster, Dialogflugschriften, 199, mit dem Hinweis, dass »der Gedanke des Priestertums aller Getauften und Glaubenden«, wie ihn Luthers Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation (1520) programmatisch entfaltet hatte, die »theologische Basis« der Gattung der Dialogflugschriften darstellte.
29Zwingli und auch andere oberdeutsche Reformatoren zeigten sich entsetzt über Karlstadts Polemik; vgl. Kaufmann, Abendmahlstheologie, 187; Burnett, Eucharistic Controversy, 91 mit Anm. 2.
30Diese drei Büchlein sind zusammen mit der ihnen als Einleitung vorangestellten »Protestatio« vermutlich früher entstanden; siehe KGK 276 (Textstelle).
31Die Drucklegung des Dialogus von der Kindertaufe (KGK 280) Ende Oktober / Anfang November 1524 scheiterte; er erschien erst 1527 in Worms als anonyme Flugschrift im Druck.
32Dessen fiktiver Name spielt offensichtlich auf den bekannten romtreuen Theologen Hieronymus Emser (1478–1527) an, der im Übrigen von Luther, angeregt von Emsers Wappen, polemisch als »Bock Emser« tituliert wurde. Vgl. auch die Bezeichnung »Du bist ein hoffman« (KGK 277 (Textstelle)), die sich auf Emsers Stellung als herzoglich-sächsischer Hoftheologe in Dresden beziehen könnte. Emser hatte im April 1524 in seiner Canonis missae contra Huldricum Zuinglium Defensio (VD 16 E 1104) Karlstadt öffentlich angegriffen; vgl. Barge, Karlstadt 2, 253 mit Anm. 264. Zu Karlstadts Auseinandersetzungen mit Emser nach der Leipziger Disputation siehe Epistola (KGK II, Nr. 140, S. 526, Z. 17 – S. 536, Z. 2; S. 553, Z. 13 – S. 555, Z. 6) und Gegen Heiligenverehrung (KGK V, Nr. 228, S. 273f.).
33Vgl. Barge, Karlstadt 2, 151, der die drei für die Dialogflugschriften der frühen Reformationszeit typischen Protagonisten prägnant so charakterisiert: »der schlaue Pfaffe Gemser, der schwankende Victus und der fromme Laie Petrus, der den zähen Gegner mit der Stärke göttlichen Wortes und Geistes überwindet«. Burnett, Eucharistic Controversy, 172 Anm. 55, beobachtet genauer, dass Gemser zunächst mit dem Festhalten an der Siebenzahl der Sakramente, der Anrufung der Heiligen sowie seinem Gebrauch scholastischer Argumente für die Realpräsenz papsttreu zu sein scheint, dann aber mehrmals Luther als Autorität anspricht und sich schließlich im Sinne Luthers über den Gebrauch des Abendmahlssakraments zur Sündenvergebung äußert.
34Vgl. die Aussage Gemsers gegenüber Victus: »Du bist keyn priester gewest«, KGK 277 (Textstelle). Zur Charakterisierung der Figur des Victus vgl. auch Zorzin, Flugschriftenautor, 213f.
35Peter, »lay« genannt, repräsentiert den »neuen Laien«, wie ihn Karlstadt seit 1523 lehrte und selbst lebte, während Victus die Figur eines akademisch gebildeten weltlichen Rates, der evangelisch gesinnt ist, verkörpert. Zur Charakterisierung der Figur des Peter, der sozusagen ein neues Petrusamt ausübt, vgl. auch Zorzin, Flugschriftenautor, 214–216. Möglicherweise hatte Karlstadt auch von Diepold Peringer (zu ihm vgl. BBKL 48) gehört, der 1523/24 in Nürnberg mit seinen eindrucksvollen, biblisch fundierten Predigten größtes Aufsehen erregte, weil er sich zugleich als »Bauer« gab, der »weder lesen noch schreiben« konnte.

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