Nr. 268
Andreas Karlstadt an Konrad Grebel und seinen Kreis in Zürich
[Orlamünde], [1524, nach 24. August]

Text
Bearbeitet von Wolfgang Huber

Beilage 1: Räte Herzog Johanns von Sachsen an Gerhard Westerburg, [Weimar], 1524, 1. Oktober

Buchsymbol fehltDem hochgelartenn unnserm guten freundt
Gerhardenn Westerburg doctorn1

Buchsymbol fehlt Unnser freuntlich diennst zuvorn, hochgelarter
guter freundt der Durchlauchtige Hochgebornn furst
unnd her Her Johanns hertzog zu Sachssenn etc. unnser
gnediger her hat uns bevolenn euch diese seiner
f. g.2 meynung3 anzuzeigenn, das sein f. gn. ernstlich
beger4 ausa ursachenn sein f. g. darzu
bewegennd5 Ir wollet euch von Jhene6 unnd aus
seiner f. g. brudern unnd seiner f. g. furstenthum7
wenden, unnd wes Ir zu Jhene oder in Irer kurf.
unnd f. g. landen eigenns8 habt dasselb furderlich9
verkauffen, euch dieses seiner f. g. bevelichs unnd
nit annders haltenn. Daran geschiet seiner f. g.
gentzliche meinung. Datum am sonnabent
nach Michaelis Anno etc. xxiiij.10

Unnser gnedigst unnd gnedigen hernn
zu Sachssenn etc. rethe itzo zu Weimar


Beilage 2: Protestschreiben Gerhard Westerburgs an Herzog Johann, [Jena], 1524, 26. November

Buchsymbol fehltDem durchlauchten hochgebornen Fürsten und
Herren, Herren Joannsen Hertzogen zu Sachsen,
Landtgraffen ihn Thüringen unnd Margraffen
zu Meysen meynen Gnedigen herrenn.b

Buchsymbol fehlt Durchleuchtiger hochgeborener fürst, gnediger herr. Es hatt
Andres Brewnig, Burgermeyster tzu Jhen,11ihn meynem
abwesenn (denn ich ihn drey monat nitt inheymischs
)12
von E F G Redt eynen schrifftlichenn bevelch, mich
belangen,13 entpfanngen, unnd itzundt ßo ich heym kumen
mir uberantwort, ihnn welchem ich E F G Ernnstlich
dysse meynung14 vernumen hab, Nemblich das ich mich
unnd das meyn auffs furderlichst15 auß E F G fursten-
thumb abwenden sollt. Nun wiewoll ichs vormutte, das
ich so hoch unnd schwerlich16 (weyß nicht durch welche)
fur17 E F G angegeben18 unnd beclagt sey, das ich meynes
entschuldigens oder schreybens wol hett mugen lassen ann-
stehen,19 so dringet mich doch E F G Richtigs unnd
Christlichs gemutt, darneben meynne nott unnd unschuldt
dysse meynne bitte unnd erbiethung E F G antzutzeigen,
und bith Erstlich, E F G wollet meyn wanndel unnd
leben, so ich ytzundt anderthalb jhar in der Stadt Jhenn
gehabt,20 gruntlich unnd woll erforschenn, jha durch meyn
herrn unnd mitbruder Radt unnd gemeyn der obgenannten
Stadt Jhenn erkundigen, ob yrgentz eyniger wehr, der mich
für E F G vormeyndt antzuclagen oder mich yrgent eyniger
unnredlicher tadt oder furnemens zu beschuldigen, mich dar-
neben tzo verhörung kumen lasset, will ich mich alletzeitt
Bey E F G gegenwertigk dar stellen21 das recht dulden unnd
leydenn. Das sey von meynem eusserlichen wanndl geredt,
Was aber denn glauben unnd das wort Gottis antrifft, soll
E F G wissen das ich wider22 geprediget noch etwas offentlich
Buchsymbol fehlt gelernnt23 hab, Bynn auch nitt byß hyher von Gott noch von
dem menschen dartzu beruffenn. War ist es, das ich ihnn
dyssen leufften gernn gesehen unnd dartzu geholffen heth,
das die sach, so doctor Martinum und Carolstadt betreffent,
Erstlich durch offentliche verhörung oder disputation wehr
ahnn tag gebracht, unnd also gerichtiget und geslicht,24
unnd wollt Gott das es noch dartzu kumen mocht, wollt ich
mühe arbait und das meyn nicht drann sparen, sonnder
dartzu helffen, sovil alß myr gelegen, uff das warheytt
und lügen ahnn25 tag gebracht wurden, Auch das doctor Car-
rolstat, entweder offentlich tzu schannden, so ehr
unnrecht, oder fur ydermeniglich26 durch die warheit befreyet
wurde,27 so ehr der warheyt anhieng.28 Das möcht auch
meynnes bedunckens tzu eynem grossen taill des frides ihn
E F G furstenthumb geratten. Es wurt auch E F G
ihn diesem fall mehr mitt verhörung der personen unnd
sachenn dann mit landtverpiethung auß richten.29 Unnd
wilß E F G itzunder, die weyll myr Gott ursach gibt, ge-
sagt unnd treulich gewarnnet haben, das E F G sich
woll fürsehe, wie sie ihn sachen so Gott angehen, hanndl,
auff das sie nitt alls dann am meystenn denn tzorn Gottis
anlauffen,30 wenn sie Gottes hulde, durch das schwert und
weltliche gewalt am höchsten vermeynt, zuverdiennen,31
ich will E F G nicht heuchlen kan auch nicht heuchlen,
Gott unnd seynn wort ist mir lieber dann Alle Fürsten
und herrn, jha lieber dann dye ganntze wellt,32 unnd alles
was drynnen ist. Was aber meyn eygne person unnd
glaubenn angehet, Bynn ich willig unnd bereyt ßo es
von nötten ist, fur E F G unnd ydermeniglich meynnes Buchsymbol fehlt
glaubens rechenschafft, unnd sovill mir Gott vorleyhet, der
warheyt zeugnis dartzugeben.33 Zum Anndern bith ich, E F G
wollen myr gnediglich, die ursachen, warumb ich mich
E F G fürstenthumb eusern34 soll, zu erkennen gebenn,
auff das den gotzlesternn und widerstrebern des wort Gottes,
pfaffen und münnchen und yren anhengern, Besunderlich
denen so ihn meinem heymadt zu Cöllen,35 der untzellich
viell seindt, nicht ursach gegeben,c mich alß eynenn ver-
tribnen mörder, diep, verretter, oder sunst alß eynen ubell-
thetter lügenhafftig auß tzuschreyhenn und schellten, dadurch
dann Gott und sein wort geschmecht und gelestert wurdt,
welcher meynet halben gepreysset unnd wollgesagt36 seyn solt.
Zum Letztenn Bith ich E F G wollen doch dye gele-
genheyth der tzeitt ansehenn, ihn welcher ich ohn uhnüber-
windtlichen schaden meynes weybs,37 kinds, leyber und gutter
nicht reyssen vermag, Myr der halben als eynen frembligen38
ihn E F G furstenthumb dysse schwere winther zeyth mich
zu erhallten Gnediglich vergunnen. So aber dyß alles Bey
E F G nicht helffen mag und E F G alßo beslossen, das
ich yhe39 das landt reumen soll, des ich mich doch nitt gegen
E F G zuthun vorsehe,40 wyll ich die sach zuvor Got be-
vehlen, seinen willen ihn dysem allen ansehen, Darnach
E F G Bevelch und gepott, allen frost, kellt, schne unnd
anndere widerwertigkeyten des winters unangesehenn, williglich
gehorchen, All stundt unnd augenblick E F G
willen nach vormügen volbrengen, deren ich mich und
das meyn hiemit will bevollen haben. Bith E F G
Gnedige antwort. Datum tzu Jhenn Sonnabendes nach
Katherine Anno 1524.41
E F G

Unntherteniger
Gerhart westerburg
genanter42 doctor
von Cöllen.


Beilage 3: Räte Herzog Johanns von Sachsen an Gerhard Westerburg, [Weimar], 1524, 28. November

Buchsymbol fehlt Dem hochgelarten unserm guten freund
Gerharden westerburg doctor.

Buchsymbol fehlt Hochgelarter guter frund. Als ir itzund auff
das schreiben, so wir euch hievor aus bevelch
des durchlauchten hochgebornen fursten unnd
herrn, hern Johansen hertzogen zu sachssenn etc.,
unnsers genedigen herrn, getan,43 seiner f. g.
widergeschriben,44 solchs haben dieselbn Inhalts
hören lesen. Und als ir unter anderm gebeten,
euch ursachen zuvormelden, warumb ir euch
seiner f. g. furstenthumb eussern sold. So
haben sein f. g. bevolhen euch darauf anzuzaigen
das ir aus berurtem unserm nechsten schreiben45
sonder zweivel verstanden, das solichs aus
ursachen, so sein f. g. darzu bewogen, beschehen.

Unnd wiewol sein f. g. alsd ein mensche
irren können, so
sey doch seiner f. g. gemuet und syn,f das
sein f. g. in irer regirungg
und verwaltung des empfahenen schwerts46 aus vorsorge yhe ungern anders dannh zu der gotlichen ere handeln wolteni.
Und derhalben ist seiner f. g.
beger, ir wollet derselbigen bevelchs, so ir aus
obberurten unserm nechsten schreiben47
verstanden, unwegerlich halten und deroselbigen unvorzuglich mit enteusserung seiner
f. g. furstenthumbs volge thun.
Buchsymbol fehlt Daran thuet ir seiner f. g. gefellige maynung.48
Datum montags nach Catherine Anno etc xxiiij.

Unnser gnedigst und gnedigen Herren
von Sachsen etc Rethe itzo zu Weymar.


adanach gestrichen treffenlichen
bdarunter Dorsalvermerk von Kanzlei-Hand Doctor gerhard westerburg zu Jhene belangend, nemlichen das Fürstenthumb zu reuhmen, verbotten werden wegen seiner Parteiligkeit zwischen doctor Luthern und Carlstadten
cdanach gestrichen und
ddanach gestrichen ein sundlicher
edanach gestrichen dafur sich sein f. g. erkennen
fdanach gestrichen und vorsatz
gdanach gestrichen des schwerts unnd entpfahenen gewalts nit gern anders dann got dem almechtigen zu lob und zu liebe des nechsten
hdanach gestrichen (viereinhalb Zeilen, schwer leserlich) dies 〈[…]〉die wir 〈[…]〉und liebe gegen den negsten geruffen gute ursachen
iam Rand eingewiesen

2fürstliche(r/n) Gnade(n). – Im Folgenden wird auf die Expansion dieser geläufigen Abkürzung verzichtet.
3Hier: Haltung, Entscheidung.
4begehre. – Hier: fordere.
5Gemeint etwa (vgl. die Formulierung im Schreiben der Räte vom 28. November 1524, KGK 268 (Textstelle)): aus Gründen, die seine fürstlichen Gnaden (Herzog Johann von Sachsen) dazu bewegen. – Anlass des hzgl. Befehls zum Verlassen des Landes, der Karlstadt bereits am 18. September 1524 getroffen hatte, war vermutlich die Veröffentlichung der Acta Jenensia (KGK 267). Diese erschienen gegen Ende September 1524; am 3. Oktober befand sich ein Druckexemplar bei Luther in Wittenberg, der Martin Reinhart für die Publikation verantwortlich machte (WA.B 3, 361,8f.: »edidit«). Die kursächsische Regierung wusste um die engagierte Unterstützung Karlstadts durch Westerburg und Reinhart in seiner Auseinandersetzung mit Luther und dem kirchenpolitischen Kurs der Regenten. Reinhart wurde wohl gleichzeitig mit Westerburg ausgewiesen, also ebenfalls Anfang Oktober 1524. Für die Zeit danach ist nur bezeugt, dass Reinhart in der Reichsstadt Nürnberg unterkam. Von dort aus appellierte er offenbar an Kurfürst Friedrich, wieder nach Sachsen zurückkehren zu dürfen; vgl. WA.B 3, 409f. mit Anm. 2. Im Zuge des Vorgehens des Nürnberger Rates gegen die Verbreitung der Schriften Müntzers und Karlstadts wurde Reinhart am 17. Dezember 1524 auch aus Nürnberg»mit weyb und kindern« ausgewiesen; siehe KGK 276 (Textstelle); vgl. Vogler, Nürnberg 1524/25, 232 u. 245f. Während sich Westerburg nach seiner Ausweisung aus Kursachsen in die Reichsstadt Frankfurt wandte, verliert sich Reinharts Spur; vgl. Vogler, Nürnberg 1524/25, 248f.Zu Reinharts Wirken in Jena vgl. auch Leppin, Kloster, 142–151; Bauer, Reformation, 21–28.
7Gemeint ist das von der ernestinischen Linie der Wettiner regierte Kurfürstentum Sachsen mit den Herzögen Friedrich III. (1463–1525), dem Inhaber der Kurfürstenwürde, und seinem Bruder Johann (1468–1532), mit ihren beiden Hauptresidenzen in Torgau und Weimar.
8Eigentum.
9alsbald, umgehend.
10Michaelis (29. September) fiel im Jahr 1524 auf einen Donnerstag; der Samstag danach war der 1. Oktober 1524.
11Zu Andreas Breuning, Bürgermeister in Jena, siehe Apel, Jenas Einwohner, 30. Breuning war auch Zeuge des Jenaer Gesprächs (KGK 267 (Textstelle)).
12Westerburg wurde nach den Streitgesprächen von Jena und Orlamünde gegen Ende August 1524 von Karlstadt als »Bote« nach Zürich gesandt; siehe KGK 268.
13Schreiben der hzgl. Räte vom 1. Oktober 1524 an Gerhard Westerburg mit dem Landesverweis, Beilage 1.
14Absicht.
15unverzüglich.
16hoch(-bedeutend) und schwerwiegend.
17vor.
18angezeigt.
19unterbleiben (weil die Schuld offensichtlich ist).
20Westerburg hat sich also ungefähr im Mai 1523 in Jena niedergelassen, etwa gleichzeitig mit Karlstadts Übersiedlung nach Orlamünde.
21Gemeint: persönlich zu erscheinen und sich zu verantworten.
22weder.
23gelehrt habe. – Westerburg war also in Jena nicht als Rechtsgelehrter oder Prediger öffentlich in Erscheinung getreten.
24richtiggestellt und geschlichtet. – Tatsächlich forderte Karlstadt im August und September 1524 wiederholt, in einer öffentlichen Disputation seine Lehre verantworten zu dürfen (siehe KGK 263; KGK 264; KGK 265).
25an den.
26vor jedermann.
28Vgl. mit ähnlichem Pathos die Formulierung zum Abschluss der Acta Jenensia (KGK 267): »Mich kümmert dyse speltung gar nicht/ denn ich will mich nach Gottis warheyt halten/ und nit achten waß der mensch saget« (KGK 267 (Textstelle)).
29Zur Ausweisung Karlstadts aus dem Land Sachsen siehe KGK 271.
30Gemeint: in den Zorn Gottes hineinlaufen.
31Vgl. als Hintergrund Röm 13,4.
32Vgl. als Hintergrund Mt 16,26.
33Vgl. als Hintergrund 1. Petr 3,15.
34äußern. – Gemeint: verlassen.
35Der aus einer durch Eisenhandel und Fährbetrieb über den Rhein sehr wohlhabenden Kölner Ratsfamilie stammende Jurist Gerhard Westerburg, der 1517 in Bologna den Dr. jur. utr. erworben hatte, widmete 1523, um in Köln für die Reformation zu werben, seine beiden Abhandlungen über das Fegefeuer dem Erzbischof, der Universität, den Theologen und dem Rat der Stadt. Bei einem Besuch in Köln Ende Oktober 1523 verteidigte er diese Schriften, ohne Erfolg; siehe KGK V, Nr. 233, S. 335f. mit Anm. 70.
36wohlgesagt (»benedictus«), gelobt.
37Gerhard Westerburg (1486–1558) war wahrscheinlich seit Jahresbeginn 1524 mit einer Schwester von Karlstadts Ehefrau Anna von Mochau (geb. um 1507) verheiratet, war also Karlstadts Schwager; siehe KGK 268 (Anmerkung); KGK 280 (Anmerkung).
38Fremden. – Vgl. DWb 4, 125 s.v. fremb.
39doch.
40das ich doch keinesfalls von Euer fürstlichen Gnaden erwarte.
41Der Katherinentag (25. November) fiel 1524 auf einen Freitag. Westerburg, der mit Karlstadt aus Basel über Straßburg und Heidelberg nach Schweinfurt gekommen war, hatte diesen dort zurückgelassen und war über Weimar, wo er Karlstadts Bitte um Einreise nach Kursachsen (KGK 282) ablieferte, kurz vorher zuhause in Jena eingetroffen.
42Westerburg nennt seinen Titel, distanziert sich aber zugleich von diesem; denn wie Karlstadt vertritt er offenbar die Überzeugung, dass unter Christen als »Brüdern« keine Rangunterschiede gelten.
43Gemeint ist das Schreiben der hzgl. Räte an Westerburg mit dem Befehl zum Verlassen des Landes vom 1. Oktober 1524, Beilage 1 (KGK 268 (Textstelle)).
44Gemeint ist das Schreiben Westerburgs vom 26. November 1524, Beilage 2 (KGK 268 (Textstelle)).
46Vgl. als Hintergrund Röm 13,1–7.
48Gemeint: handelt ihr der Entscheidung seiner fürstlichen Gnaden gefällig, entsprechend.

Downloads: XML · PDF (Druckausgabe)
image CC BY-SA licence
»