Nr. 181
7 Conclusiones: De coelibatu
[Wittenberg] , 1521, 20. Juni

Einleitung
Bearbeitet von Stefania Salvadori

1. Überlieferung

Handschriften:

[a:]HAB Wolfenbüttel, M:Li5530 Slg.Hardt (35,585), fol. 76v
[b:]RSB Zwickau, Cod. XXXV, fol. 28r
[c1:]KBSG, Ms 366, fol. 280v
[c2:]KBSG, Ms 366, fol. 297r
[d:]SB-PK Berlin, Cod. Ms. theol. lat. Oct. 91, fol. 76v
[e:]Landeskirchliche ZB Stuttgart, A 4901 85
[f:]ThHStA Weimar, EGA, Reg. O 157b, fol. 455r

Nachlass Spalatins.

Frühdrucke:

Frühdrucke:

[A:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
[7 Conclusiones de coelibatu]
in:
Karlstadt, Andreas Bodenstein von
SVPER COELIBA∥TV MONACHATV ET VIDVI-∥TATE AXIOMATA PER∥PENSA VVITTEM-∥BERGAE. ∥ AND. BO. CAROLOSTADII. ∥ VVITTEMBERGAE ∥ M.D.XXI. ∥ [Am Ende:] Impreſſus vuittembergæ a Nicolao Schirlenco,in ædibus Caro∥loſtadii M.D.XXI. ∥
Wittenberg: Nickel Schirlentz, 1521, fol. a4r, c1v, c2v, c3v, c4r–v.
4°, 12 Bl., A4–C4.
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, H: H 67.4° Helmst. (6).
Weitere Exemplare: SUB Göttingen, 8° H.E.E. 378/5:2. — HAB Wolfenbüttel, 90.5 Theol. 4° (21). — EAB Paderborn, Th 6117 (17). — SB-PK, Ft 11376.
Bibliographische Nachweise:

[B:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
CONCLVSIONES.
in:
Karlstadt, Andreas Bodenstein von
DE COELIBATV, MONACHA⸗∥TV, ET VIDVITATE. ∥ D. ANDREA CAROLOSTADIO ∥ AVTORE. ∥ ANNO M. D. XXI. ∥ [TE]
[Basel]: [Andreas Cratander], 1521, fol. a1v, b1r, c3v, d1r, d2r, d3r–d4r.
4°, 16 Bl., A4–D4 (fol. d4v leer) –- TE.
Editionsvorlage:
UB Basel, FM1 IX 21.
Weitere Exemplare: BSB München, 4 J.can.p. 181. — ÖNB Wien, 20.Dd.1357 ALT PRUNK. — ThULB, Ki 389.
Bibliographische Nachweise:

[C:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
[7 Conclusiones de coelibatu]
in:
Karlstadt, Andreas Bodenstein von
SVPER COELIBA∥TV MONACHATV ET VIDVITATE AXIOMATA ∥ PERPENSA VVITTENBERGAE. ∥ AND. BO. CAROLSTADII. ∥ VVITTENBERGAE. M.D.XXI. ∥
[Wien]: [Johann Singriener], 1521, fol. A4v, C4v, D2r, D3v, D4r–E1r.
4°, 18 Bl., A4–E2 (fol. E2v leer).
Editionsvorlage:
ÖNB Wien, Sign. 20.Dd.1095.
Bibliographische Nachweise:

[D:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
[7 Conclusiones de coelibatu]
in:
Karlstadt, Andreas Bodenstein von
SVPER COELIBATV ∥ MONACHATV ET VI⸗∥duitate Axiomata per/∥penſa Vuittem/∥bergæ. ∥ AND. BO. CAROLOSTADII. ∥ Recognitus & ab Autore opibus ∥ haud pœnitendis adauctus. ∥ Suſqʒ deqʒ fero riſum, cor meum ∥ dominus vnus iudicat. ∥ VVITTEMBERGAE ∥ M. D. XXI. ∥ [Am Ende:] VVittembergę ex officina Iohannis Grunenb: Anno M.D. XXI. ∥ [TE]
Wittenberg: Johann Rhau-Grunenberg, 1521, fol. A4r, D3r, D4r, D5r–D6r.
4°. 18 Bl., A4–C4, D6 (fol. D6v leer) –- TE.
Editionsvorlage:
ÖNB Wien, Sign. 77.Dd.388.
Weitere Exemplare: ThULB Jena, 4 Op.theol.V,2. — ULB Halle, 66 A 4251(3).
Bibliographische Nachweise:

[E:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
Alia A.B.C.D.
in:
Luther, Martin; Karlstadt, Andreas Bodenstein von; Melanchthon, Philipp; u. a.
CHRISTIANISSI∥MI VVITTENBERGENSIS GYMNA∥ſij, multarum Diſputationū paradoxa & plane enigmata in ∥ Papiſtica illa mendacijs confuſiſſima Eccleſia:uulgaria ∥ uero ueræ Chriſti Eccleſiæ pronūciata. Atqʒ ex his ∥ lector iudicabis, quid agatur in uere Chriſtia/∥na ſchola, quāqʒ hæretica ſit Lutecia, & ∥ omnes filiæ eius. ∥ AVCTORES SVNT, ∥ Martinus Lutherus. ∥ Andreas Caroloſtadius. ∥ Philippus Melanchthon. &c. ∥ [Am Ende:] EXCVSAE ANNO DOMINI ∥ M. D. XXI. MENSE ∥ SEPTEMBRI. ∥
[Basel]: [Adam Petri], 1521, fol. b1v–b2r.
4°, 8 Bl., A4–B4 (fol. a1v und b4v leer).
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, M: Li 5330 Slg. Hardt. (38,656).
Weitere Exemplare: UB Basel, FM1 XI 9:7.
Bibliographische Nachweise:

[F:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
DE COELIBATV
in:
Luther, Martin; Melanchthon, Philipp; Karlstadt, Andreas Bodenstein von
LVTHERI , ∥ MELANCH. CAROLOSTADII &c. ∥ PROPOSITIONES, VVITTEM⸗∥BERGAE uiua uoce tractatæ, in hocq́; ple∥ræq; æditæ ab auctorıbus,ut uel nos abſentes ∥ cum ipſis agamus,uel certe ut ueri⸗∥tatis, & ſeductionum ad∥moneātur boni. ∥ Sunt autem id genus, ∥ De ∥ Miſſa & celebratione eius. ∥ Sacramento panis & uini. ∥ Promißione & præcepto. ∥ Fıde & operibus. ∥ Cantu Gregorıano. ∥ Coniuratıone ſpirituum. ∥ Cœlıbatu preſbyterorum. ∥ Decımis ac uotis. &c. ∥ BASILEAE. M. D. XXII. ∥ [Am Ende:] BASILEAE ANNO ∥ M. D. XXII. ∥
Basel: [Adam Petri], 1522, fol. D6r.
8°, [56] Bl., A8–G8 (fol. A1v und G8v leer).
Editionsvorlage:
ÖNB Wien, 77.Cc.281.
Weitere Exemplare: BSB München, Polem. 3020,13.
Bibliographische Nachweise:

Die 7 Conclusiones de coelibatu sind in sieben Handschriften und sechs Druckwerken erhalten, die sich in zwei Überlieferungslinien einteilen lassen.

Karlstadt selbst veröffentlichte die hier edierten Thesen einige Wochen nach ihrer Disputation in der bei Nickel Schirlentz herausgegebenen Schrift Super coelibatu (KGK 190).1 Dort sind die 7 Conclusiones de coelibatu nicht in einer Liste, sondern einzeln jeweils gefolgt von einem ausführlichen Kommentar bzw. Exkurs aufgeführt. In ähnlicher Weise sind die Thesen in den Nachdrucken des Traktats Super coelibatu in der Basler Ausgabe (wo sie allerdings zusätzlich in einer Liste auf fol. A1v wiedergegeben sind), in der Wiener und in der zweiten Wittenberger Ausgabe, diesmal bei Rhau-Grunenberg, zu finden. Sowohl eine der St. Galler Handschriften (c2) von Christoph Schappeler2 als auch die Wolfenbütteler Handschrift (a) von Heino Gottschalk3 entsprechen der in den Frühdrucken von Super coelibatu dargestellten Fassung. Es ist nicht klar, ob es sich bei diesen beiden Handschriften um Kopien des Drucks handelt oder ob sie auf einer parallelen handschriftlichen Überlieferung der Thesen beruhen.4 Als Editionsgrundlage für die vorliegende Ausgabe wurde die Wolfenbütteler Handschrift gewählt, weil sie die ursprüngliche Anordnung des verschollenen Thesenblattes – also nur die conclusiones, ohne probationes oder Kommentare – beibehält und zugleich die sicherlich von Karlstadt autorisierte Fassung in der editio princeps von Super coelibatu wiedergibt.

Eine zweite Überlieferungslinie – die sich von der vorherigen nur durch geringe syntaktische Abweichungen unterscheidet – geben die beiden von Adam Petri herausgegebenen Wittenberger Thesensammlungen (Basel, 1521 und 1522) wieder. Hinzu kommen die Abschriften von Johannes Hess in der Berliner Handschrift5 (d), eine von Johannes Mantel aus Stuttgart6 (e), die sich auf der letzten Leerseite eines Lutherdruckes befindet,7 und eine zweite Abschrift der Basler Druckfassung von 1522 aus der Hand Christoph Schappelers (c1).8 Schließlich gibt es eine Abschrift von Stephan Roth aus Zwickau (b)9 und eine aus dem Nachlass Spalatins von der Hand Johannes Schwertfegers (f),10 die eine wörtlich übereinstimmende Angabe des Tages der Disputation im Präskript bieten. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Handschriften – vor allem die von der Hand des Wittenberger Juristen Schwertfeger – eine Kopie des heute verschollenen, für die Disputation angefertigten Thesenblattes bieten.

Die Anzahl von handschriftlichen Abschriften dieser Thesenreihe, wie auch anderer Karlstadts,11 zeugt von der weiten Verbreitung der Wittenberger Thesen in den Jahren 1521–1522 durch ein weit verzweigtes Korrespondenznetz und dem Interesse und Echo, das sie hervorriefen.12

Editionen:

Literatur:

2. Entstehung und Inhalt

Karlstadt verfasste diese 7 Conclusiones de coelibatu, die den Auftakt zu einer umfangreichen Reihe von Schriften über das Zölibat und die Priesterehe bildeten unmittelbar nach der Ankunft in Wittenberg nach seiner Dänemarkreise – die zwischen Mitte Mai und Mitte Juni 1521 stattfand.13 Die Diskussion um diese Themen hatte sich in Wittenberg bereits Mitte des Jahres 1520 entwickelt und eine erste kompakte, aber maßgebliche Formulierung in LuthersAdelsschrift gefunden.14 Zwischen Herbst/Winter 1520 und dem Frühjahr des Folgejahres fand vermutlich ein intensiver Austausch zwischen Luther und seinen Kollegen und Schülern statt. Agricola und Melanchthon heirateten noch im Laienstand am 10. September und 26. November 1520.15 Im Frühjahr 1521 setzten dann aber auch einige Geistliche ihre Überlegungen der vergangenen Monate in die Tat um: In rascher Abfolge vermählten sich Bartholomäus Bernhardi, damals Propst in Kemberg bei Wittenberg im Kurfürstentum Sachsen,16Jakob Seidler aus Glashütte im albertinischen Sachsen17 und Balthasar Zeiger in Vatterode in der Grafschaft Mansfeld.18 Wann genau diese Eheschließungen erfolgten, ist nicht bekannt, aber am 26. Mai schrieb Luther von der Wartburg aus an Melanchthon, dass er von der Entscheidung Bernhardis, dessen Zukunft ihm große Sorgen bereitete, und von der Hochzeit eines weiteren Pfarrers erfahren hatte.19

Da sich Karlstadt nach der Dänemarkreise nachgewiesenermaßen zu der Thematik geäußert hat, ist nicht auszuschließen, dass er bereits vor seiner Abreise an der Zölibatsdebatte teilgenommen und mindestens partielle Nachrichten von den ersten Eheschließungen der sich an Wittenberg orientierenden Priester erhalten hatte.20 Dies würde weitere Argumente für die These seines Einflusses auf die Abfassung des dänischen Landgesetzes, das genau in die Wochen des Aufenthalts Karlstadts am Hofe Christians II. fällt, aufzeigen. Im ersten Entwurf dieses Landesgesetzes wurde u. a. bestimmt, dass Mönche und Nonnen die Weihe nicht in zu jungen Jahren empfangen sollen und Prälaten, Priester und Geistliche Landgüter nicht kaufen dürften, »wofern sie nicht St. Pauli Lehre nachfolgen wollen, welcher 1. Tim. 3 schreibt, daß sie Eheweiber nehmen und im heiligen Ehestande leben sollen, wie ihre alten Vorväter getan haben.«21 Dies sind alles Themen, Argumente und Bibelstellen, die Karlstadt in seinen späteren Schriften noch ausführlich entwickeln und neuformulieren wird.22 Sie stehen nicht nur mit den Debatten, die Wittenberg in diesen Monaten umtrieben, sondern auch mit den beiden vorangegangenen, am 13. Mai diskutierten Thesenreihen (KGK 179 u. KGK 180) vollkommen im Zusammenhang.23

Karlstadt schreibt in seinem Widmungsbrief zu Super coelibatu (KGK 190), dass die 7 Conclusiones de coelibatu am 20. Juni 1521 disputiert wurden.24 Die Notizen in der Zwickauer und Weimarer (»6ta feria post Viti«, d. h. nach dem Vitustag am 15. Juni) sowie der Stuttgarter Handschrift (»11. Kalendas Julii«) datieren dagegen die Disputation auf den darauffolgenden Tag, Freitag, den 21. Juni.25 Weder Roth noch Mantel waren damals in Wittenberg anwesend, so dass sie das Datum nur über das Thesenblatt, wo die Disputation höchstwahrscheinlich für den Freitag angekündigt wurde, erfahren haben konnten.26 Falls die Disputation auf den vorangehenden Tag verlegt wurde, mussten sie daher nicht zwingend von einer Terminverschiebung wissen. Schwertfeger hätte dagegen über eine etwaige Terminverschiebung informiert sein können, da er in dieser Zeit in Wittenberg tätig war; doch schrieb er scheinbar das Thesenblatt kurzerhand ab, da die Datierung der Disputation in seiner Kopie wörtlich mit der Zwickauer Abschrift übereinstimmt. Zugleich, auch wenn es wenig wahrscheinlich ist, kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass Karlstadt in Super coelibatu versehentlich ein falsches Datum angegeben hat. Die Diskrepanz in der Datierung der Disputation kann daher nicht mit Sicherheit zugunsten der einen oder anderen Version gelöst werden. Da eindeutigere Quellen nicht vorliegen, gilt Karlstadts Angabe in Super coelibatu als maßgeblich.

Angesichts der Brisanz des Themas – nicht zuletzt wegen der kurz zuvor erfolgten Eheschließungen von den Wittenberg nahestehenden Priestern wie Bernhardi und Seidler27 – begannen die Thesen vermutlich sofort handschriftlich zu kursieren. In einem Brief vom 1. August 1521 lässt Luther selbst erkennen, dass er ein Exemplar der Thesen erhalten hatte. Er lobt zwar Karlstadts Engagement und Gelehrsamkeit, doch erklärt er sich in einzelnen Punkten nicht mit dessen Thesen einverstanden.28 Eine massive Verbreitung der Thesen erfolgte allerdings erst mit ihrem gedruckten lateinischen Kommentar Super coelibatu (KGK 190).

In seinen Thesen hob Karlstadt als erster in Wittenberg29 die Unterscheidung zwischen Weltklerus und Mönchen auf und verwarf die Verpflichtung zum Zölibat für alle Geweihten.30 Schon in der ersten These stellt Karlstadt mit direktem Bezug auf 1. Tim 5,11 eine Parallelität zwischen jungen (d. h. noch nicht sechzigjährigen) Witwen und jungen Männern, die ein Leben als Geweihte anstreben, her: So wie erstere nach dem Apostel nicht als Witwen eingetragen werden, sondern wieder heiraten sollen, so dürfen auch letztere nicht zum Zölibat zugelassen werden. Diese Schriftauslegung einer alttestamentlichen Bibelstelle zur spezifischen und zeitbedingten Zölibatsfrage hatte Luther als unzutreffend und riskant empfunden;31 sie spiegelt jedoch Karlstadts hermeneutische Methode wider, die in Super coelibatu (KGK 190) ausführlich dargestellt wird. In der anschließenden These wird die Ehe sogar als Voraussetzung für die Ordination genannt. Die dritte These macht Karlstadts Position noch deutlicher und fordert, jeder Geistliche (Mönche und Priester) dürfe heiraten, wenn er »heftig brennt«, wie Paulus in 1. Kor 7,9 lehrt.32 In den nächsten beiden Thesen ist zwar der Treuebruch als eine Sünde anerkannt, aber wer in Unkeuschheit lebe, um das Gelübde nicht zu brechen, sündige nach Karlstadt mehr als der, der das Zölibatsgelübde breche, heirate und nicht mehr brenne. Es geht also darum, das geringere Übel wahrzunehmen und zu akzeptieren.33 Wie Luther in der Adelsschrift, so beruft sich auch Karlstadt in der 6. These auf die Vorbehalts-Klausel »quatenus fragilitas humana permittit«, mit der man ein Keuschheitsgelübde ablegt, und interpretiert sie ähnlich wie Luther als »frey-negativ«, also als Nicht-Bekenntnis zur Reinheit, d. h. als Anerkennung der eigenen unabdinglichen Neigung zur Sünde.34Karlstadt kommt daher zu dem Schluss, dass diejenigen, die ihr früheres Gelübde brechen und heiraten wollen, nicht sündigen. Vielmehr müssen die Bischöfe – so legt die letzte These fest – ihre Priester, die im Konkubinat leben, zur Ehe zwingen.

Der Darlegung dieser Thesen sollte kurz danach die Veröffentlichung ihrer ausführlichen Kommentierung (KGK 190) folgen. Diese 7 Conclusiones de coelibatu liefern nicht nur eine erste theologische Rechtfertigung für die Entscheidungen der Priester, die in jenen Monaten geheiratet hatten (Seidler lebte z. B. im Konkubinat und hatte sich gemäß These 7 zur Heirat entschlossen, ohne auf die Aufforderung seines Bischofs zu warten); sie stellen auch die Formulierung jener theoretischen Grundsätze dar, durch die Karlstadt die Frage des Zölibats, der Ordensgelübde und der Priesterehe im Sommer/Herbst 1521 umformulieren sollte.


1Zu Schirlentz siehe die Einleitung zu KGK 190.
2Zu Schappeler und seiner handschriftlichen Sammlung der Wittenberger Thesen, siehe KGK 179.
3Zu Gottschalks Handschrift, siehe KGK I.1, Nr. 26, S. 365 f.
4Auf eine parallele handschriftliche Überlieferung von Thesen könnte vielleicht auch das einzige erhaltene handschriftliche Exemplar von KGK 179 und KGK 180 zurückgeführt werden. Die beiden letztgenannten Thesen umfassen fol. 292v–293v im St. Gallener Ms 66 von der Hand Schappelers. Unser Exemplar c2 der 7 Conclusiones de coelibatu befindet sich auf fol. 297r. Diese drei Thesen unterbrechen Schappelers Abschrift vom Basler Druck der Wittenberger Thesen (1522). Diese Abschrift enthält auch eine zweite Kopie der 7 Conclusiones de coelibatu, unser Exemplar c1.
5Zu Hess und seiner Thesensammlung siehe KGK I.1, Nr. 58, S. 485–487.
6Der Augustinereremit Johannes Mantel war um 1470 in Miltenberg am Main geboren, studierte ab 1487 in Ingolstadt und wurde danach Augustinereremit in Nürnberg. 1495 immatrikulierte er sich in Tübingen, wo er den baccalaureus artium erwarb. 1496 ist er unter den Magistri artium jener theologischen Fakultät erwähnt. Dort knüpfte er Kontakte u. a. mit Johannes Staupitz. Zwischen 1500 und 1503 war er Augustinerprior in Nürnberg, im SoSe immatrikulierte er sich in Wittenberg, wo er am 26. April 1506 Doktor der Theologie wurde. 1511 siedelte er nach Stuttgart über. Im Herbst 1515 ging er nach Straßburg, wo er später für die Reformation gewonnen wurde: Als Mantel 1520 nach Stuttgart zurückkehrte, wurde er wegen seiner Predigten verhaftet und kam erst Ende April 1525 infolge der Bauernunruhen frei. Er erhielt kurz danach eine Pfarrei bei Baden-Baden, wo er die Reformation einführte. 1525 heiratete er Margarete, worauf sich eine Notiz in seiner Abschrift (vgl. Anm. KGK 181 (Textstelle) zur Transkription dieser Editionseinheit) bezieht; vgl. auch Kohnle/Kusche, Professorenbuch, 139 f. In den folgenden Jahren wanderte er zwischen Straßburg, Kassel und der Schweiz, wo er durch Zwingli nach Elgg kam und dort bis zu seinem Tod 1530 blieb. Zu ihm siehe ADB 20, 250.
7Ich verdanke die Identifizierung dieser Handschrift Ulrich Bubenheimer (Reutlingen).
9Vgl. zu dieser Handschrift KGK II, Nr. 113, hier S. 139 Anm. 4.
10Zur Rolle Spalatins und Schwertfegers in der Auseinandersetzung zwischen den Wittenbergern und der bischöflichen Autorität in der Frage der Priesterehe im Sommer 1521, siehe KGK 185 und KGK 211.
11Vgl. z. B. KGK 179 (Textstelle).
12Zum Kursieren der Wittenberger Thesen, siehe Bühmann, Wittenberg's Disputation Culture, hier vor allem 79–82.
13Zur Dänemarkreise Karlstadts, siehe KGK 182.
14Hierzu und insbesondere zu Luthers ersten Zweifeln am Keuschheitsgelübde und seiner Bitte an Hieronymus Schurff, ihm Auskunft über die kirchenrechtlichen Grundlagen des Zölibats zu geben, siehe Bubenheimer, Bischofsamt, 122, danach auch in Buckwalter, Priesterehe 79. Zur radikalen Infragestellung des Zölibats in der Adelsschrift, der Kritik am Kirchenrecht und der damit verbundenen Hoffnung auf ein christliches Konzil zur Klärung der Frage sowie zu praktischen Ratschlägen an Priester, die im Konkubinat lebten, siehe WA 6, 440,15–443,24 und vor allem den umfangreichen Kommentar zum 14. Artikel der Adelsschrift in Kaufmann, Adel, 296–323.
15Agricola war damals baccalaureus biblicus und hatte noch keine Priesterweihe erhalten. Vgl. Bubenheimer, Bischofsamt, 164 Anm. 29.
16Zu Bernhardi, siehe ausführlicher KGK 211 u. Beschützrede für Bernhardi, KGK V.
17Zu Seidler, siehe KGK 185.
18Zu Zeiger, siehe Bubenheimer, Bischofsamt, 190–198 und auch KGK 193. Auch Spalatin berichtet über die Hochzeiten in seiner Chronik, veröffentlicht bei Mencke, Scriptores 2, 607 f. Die Passage ist auch zitiert in Bubenheimer, Bischofsamt, 165 Anm. 31, wo darauf hingewiesen wird, dass nicht klar ist, in welcher zeitlichen Reihenfolge die drei Eheschließungen gefeiert wurden, eine Abstimmung zwischen den drei Priestern sei jedoch wahrscheinlich.
19Vgl. WA.B 2, 346–352 Nr. 413, wo auch die Heirat von Heinrich Fuchs, Priester in Hersfeld, erwähnt ist. Auch in MBW 1, 289 u. 291 Nr. 141. Luther schreibt in seinem Brief an Melanchthon vom 1. August, dass er die Heirat Bernhardis gutheißen würde, WA.B 2, 371,13 f. Nr. 424.
20Seidler wurde am 17. Mai 152 inhaftiert und dem Bischof Johann von Meißen ausgeliefert. Seine Heirat muss also vor diesem Datum stattgefunden haben und liege damit nahe an Karlstadts Abreise nach Kopenhagen, die nach dem 13. Mai stattfand, dem Datum der hier in KGK 179 und KGK 180 edierten Disputationsthesen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass Karlstadt vor seiner Abreise zumindest von der Heirat Seidlers erfahren hatte.
22Vgl. KGK 190 und KGK 203. Die These, Karlstadt habe während seines kurzen Aufenthalts in Kopenhagen an der neuen Gesetzgebung Christians II. mitgewirkt, wird zunächst in Barge, Karlstadt 1, 257–259 und 471, dann in Bubenheimer, Consonantia, 235–237 formuliert; schließlich auch in Buckwalter, Priesterehe, 81 f. Zur Rechtsberatung Karlstadts am Hofe Christians II. siehe wiederum KGK 182.
23Siehe insbesondere KGK 203, wo die 7 Conclusiones de coelibatu mit der breiteren Diskussion der in KGK 179 und KGK 180 erörterten Thesen und damit vor dem Hintergrund einer breiteren theologischen Neuinterpretation von Gelübde, Opfergaben und Gebeten in Verbindung gesetzt werden.
24Vgl. KGK 190 (Textstelle). Bubenheimer datiert die Disputation der Thesen entsprechend auf den 20. Juni; siehe nochmals KGK II, Nr. 113, hier S. 139, Anm. 4 e Bubenheimer, Bischofsamt, 199.
25Freitag war der Tag der Zirkularsdisputationen in Wittenberg. Vgl. Anm. KGK 181 (Textstelle) in der Transkription dieser Editionseinheit, worauf das Wolfenbütteler Exemplar hinweist, diese Thesen seien in einer Zirkulardisputation, also freitags, diskutiert worden. Auf diese Datierung bezieht sich auch Barge, Karlstadt 1, 265 u. 475, zitiert auch in Buckwalter, Priesterehe, 82. Die von Albert Burer an Beatus Rhenanus am 30. Juni 1521 gesendeten Thesen, die Karlstadt»pridie sanctorum Petri et Pauli« d. h. am 28. Juni disputierte (Rhenanus, Briefwechsel, 281), sind ohne weitere historische Belege nicht mit den hier edierten Thesen zu identifizieren. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die von Burer gesendeten Thesen den hier edierten 66 Conclusiones de coelibatu (KGK 189) entsprechen.
26Die Thesenreihen mussten nach den Statuten einige Zeit im Voraus den Universitätsangehörigen durch Anschlag zur Kenntnis gebracht werden. Im Präskript des Thesenblattes musste auch das Datum der Disputation angegeben werden.
27S. o. Anm. KGK 181 (Anmerkung) f.
28In seinem Brief an Melanchthon vom 1. August 1521 (WA.B 2, 371,35–50, Nr. 424 = MBW 1, 322–326 Nr. 157) bezieht sich Luther höchstwahrscheinlich auf eine handschriftliche Fassung dieser Thesen, denn erst am 3. August schreibt er, er habe gerade die ersten zwei Bögen ihres gedruckten Kommentares (KGK 190) erhalten (WA.B 2, 373,5–375,90 Nr. 425); siehe dazu KGK 190. Obwohl klar ist, dass sich Luthers Kritik in diesem Brief explizit auf die hier edierten 7 Conclusiones de coelibatu bezog, ist nicht völlig auszuschließen, dass auch Abschriften der späteren 66 Conclusiones de coelibatu (KGK 189) zu ihm auf die Wartburg gelangt waren; vgl. KGK 149. Möglicherweise hatte Luther auch eine Kopie der hier in KGK 184 edierten Thesen bekommen, wo im zweiten Block nochmals die Frage um Mönchsgelübde thematisiert wurde; siehe zum thematischen Zusammenhang zwischen KGK 184 und der Schrift Von Gelübden Unterrichtung, KGK 203.
29In der Adelsschrift (1520) lehnte Luther nur die Zölibatspflicht des Weltklerus, nicht der Mönche ab; vgl. z. B. WA 6, 442,25–443,24 und Kaufmann, Adel, 315–323. Erst im Herbst 1521 in Themata de votis und in De votis (WA 8, 313–336; 564–670) gab Luther den Unterschied auf.
30Gegen diese Auffassung Karlstadts äußerte sich Luther in seinem Brief an Melanchthon vom 1. August 1521 deutlich; vgl. WA.B 2, 370,1–7 u. 371,29,34 Nr. 424.
31In seinem Brief vom 1. August an Melanchthon hält Luther die von Karlstadt angeführte Auslegung von 1. Tim 5,11 über junge Witwen zum Thema Zölibat für nicht überzeugend; vgl. WA.B 2, 371,35–40 Nr. 424. Diese Bibelstelle wird auch in Th. 23, 24 und 25 der am darauffolgenden 12. Juli disputierten Thesen erörtert, siehe KGK 184.
32Der lateinische Text des ersten Korintherbriefes wurde von Melanchthon im Mai 1521 neu herausgegeben, siehe den Widmungsbrief an den Leser in MBW 1, 279 f. Nr. 138 und Melanchthon, Ad Corinthios prior (1521). Über denselben Korintherbrief und wahrscheinlich über dessen siebtes Kapitel hielt Melanchthon im SoSe 1521 seine Vorlesung. Sein Kommentar zum Korintherbrief wurde auf Betreiben Luthers im folgenden Jahr 1522 unter Verwendung der Notizen der Schüler seiner Vorlesung veröffentlicht; vgl. insbesondere den Kommentar zu 1. Kor 7 in MWA 4, 44–46.
33Auch von diesen Thesen ist Luther nicht überzeugt: Die von Karlstadt darin entwickelte Argumentation erscheint ihm als bloße Vernunftübung; stattdessen sollte allein die Schrift als sicheres Fundament herangezogen werden; vgl. WA.B 2, 371,40–43 Nr. 424. Für Luther reicht die Notwendigkeit, Begierden zu meiden, nicht aus, um das frei abgelegte Keuschheitsgelübde zu brechen; letzteres kann vielmehr gebrochen werden, weil Paulus das Eheverbot nicht nur für nichtig, sondern zu einer irrigen und dämonische Lehre erklärt; siehe nochmals WA.B 2, 371,44–47 Nr. 424. Siehe hier auch die Einleitung zu KGK 203.

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