Nr. 180
8 Conclusiones: De votis
[[Wittenberg]], 1521, 13. Mai

Einleitung
Bearbeitet von Stefania Salvadori

1. Überlieferung

Handschrift:

[a:]KBSG, Ms. 366, fol. 293r–v

Abschrift von Christoph Schappeler

Zur Beschreibung des Abschriftenbandes Ms. 366 und seiner Entstehung siehe die Einleitung zu KGK 179. Die dort bearbeiteten Thesen gehen den hier behandelten voran.

Edition:

Literatur:

2. Entstehung und Inhalt

Wie über die in KGK 179 edierte Thesenreihe wurde auch über die 8 Conclusiones de votis am 13. Mai 1521 unter Karlstadts Vorsitz disputiert. Mit dieser Disputation wurde Lorenz Adamheinrich aus Nauheim in Hessen zum baccalaureus biblicus promoviert.1 Über seine Person ist nichts weiter bekannt. Sicher ist aber, dass er am 21. November 1520 in Wittenberg immatrikuliert wurde.2

Die 8 Conclusiones de votis greifen die bereits in KGK 179 ausgeführte Argumentation auf und präzisieren sie, wobei die äußeren Gelübde von den inneren noch schärfer abgesetzt werden. Auch hier geht es nicht primär um Mönchsgelübde oder andere spezifische Formen, sondern um Stiftungen und Spenden von Gütern und genereller um die innere Haltung, mit der ein Christ Gelübde ablegen darf. In diesem Zusammenhang radikalisiert Karlstadt den bereits in den Schriften aus den Jahren 1519/20 thematisierten Gegensatz zwischen der inneren Glaubenshaltung und äußeren Handlungen.3

In den ersten beiden Thesen übt Karlstadt entschlossen Kritik sowohl an Theologen, die materielle Stiftungen und äußere Opfer preisen, als auch an Gläubigen, die überzeugt sind, dass die Gelübde der inneren Berufung etwas Verheißenes hinzufügen. Beide sündigen in Karlstadts Augen, da Gott Geist sei und nur geistlich angebetet und gepriesen werden könne. Wie Luther4 riet auch Karlstadt davon ab, Gelübde abzulegen (Th. 3). Allerdings räumt er unter Berufung auf die Schrift denen, die noch abergläubisch an Gelübden hängen, ein, diese nur Gott als Opfer darzubringen (Th. 4). Damit vertritt er noch einen Aspekt der Schonung der Schwachen. Heiligen, anderen Göttern oder Geschöpfen dürfen jedoch keine Gelübde geleistet werden (Th. 5). Die Schlussfolgerung aus diesen Prämissen wird in den darauffolgenden zwei Thesen gezogen: Ein Gelübde an einen Heiligen, wie z. B. an den heiligen Sebastian zum Schutz gegen die Pest, sei eine Todsünde, die der Schrift widerspreche.5 Die »Gelübde des Geistes« (vota spiritus), d. h. der geistliche Seufzer und Gebetsrufe an Gott, sind ausreichend, aber auch notwendig für das Geschehen der Sündenvergebung und der Rechtfertigung (Th. 8).

Wie in KGK 179 entreissen auch diese Thesen Gelübde letztendlich den traditionellen – in Karlstadts Augen menschlichen, materiellen und unchristlichen – Tauschverfahren von Gebeten, Spenden, Stiftungen, Wallfahrten usw. zum Schutz und zur Dispensation und überführen sie in eine vollkommen geistliche, heilbringende Dynamik zwischen mortificatio und vivificatio. In Übereinstimmung mit der zwischen 1519 und 1520 – in der Epitome (KGK II, Nr. 103) und in der Tugend Gelassenheit (KGK III, Nr. 166) – entwickelten Bußtheologie, entsprechen die hier thematisierten »Gelübde des Geistes« einer inneren Hinwendung zu Gott, welche durch das Sündenbekenntnis und den befreienden Glaubensschrei zu Gott geprägt ist. Nur Büßende können »Gelübde des Geistes« ablegen, d. h. durch ihre Trübsal und seine Verzweiflung, durch Seufzer und inneres Gebet das Geschehen der Rechtfertigung und der Erlösung erfahren.


1Vgl. Liber Decanorum, 25. Zum kirchenpolitischen Hintergrund jener Monate siehe die Einleitung zu KGK 179.
2 AAV 1, 100.
3So auch Hasse, Tauler, 145 f.
4Z. B. in De captivitate Babylonica, vgl. KGK 179 (Anmerkung) u. KGK 179 (Anmerkung).
5Ähnlich in KGK 190 u. KGK 203.

Downloads: XML · PDF (Druckausgabe)
image CC BY-SA licence
»