1. Überlieferung
Handschrift:
Text und Unterschriften von der Hand des Wittenberger Universitätsnotars Nikolaus Sybeth; mit Siegel der Universität.
Frühdrucke:
Frühdrucke:
⁌ Volget vnderricht vnd ∥ Ratſchlag des Außſchuß von der Vniuerſitet ∥ vff das bedencken meins gnedi⸗∥gen herrn/die Meß be⸗∥langende.
in:
Friedrich III. von Sachsen; Universität Wittenberg
Ernſtlich ∥ Handlung der ∥ Vniuerſitet zů Wittenberg ∥ an den Durchleüchtigſten/ ∥ Hochgeboꝛnē Churfür⸗∥ſtē vnd herren Herr ∥ Friderich von ∥ Sachſen/ ∥ Die Meſz be-∥treffendt. ∥
[Basel]: [Adam Petri], [1522], fol. b3r–c3v.
4°, 11 Bl., a4–c4 (a1v u. c4 leer). – TE.
Editionsvorlage:
BSB München, Res/4 Polem. 3341,12 (mit handschriftlichen Annotationen von unbekannter Hand).Weitere Exemplare: BSB München, 4 Polem. 1473 g.
Bibliographische Nachweise:
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 45aC.
- MBW 1, 362 f. Nr. 174; 391 Nr. 185.
- VD 16 ZV 15565.
Volget vnderricht vn̄ ratſchagl ∥ des Außſchluß von der Vniuerſitet auff ∥ das bedencken meines gnaͤdigē ∥ Herꝛen/die Meß ∥ belangend. ∥
in:
Friedrich III. von Sachsen; Universität Wittenberg
Ernſtlich Handlung der Uniuer∥ſitet zů Wittenberg / an den durchleüch∥tigiſten/Hochgeboꝛnen Churfürſten ∥ vn̄ herꝛen Herꝛ Friderich ∥ von Sachsen. ∥ Die Meſz betreffend. ∥
[Augsburg]: [Sigmund GrimmMarx Wirsung], [1522], fol. b3r–c3v.
4°, 12 Bl., a4–c4 (a1v u. c4 leer).
Editionsvorlage:
BSB München, 4 Polem. 1473 f.Weitere Exemplare: ÖNB Wien, 20.Dd.103. — HAB Wolfenbüttel, A: 103.1 Theol. (15). — HAB Wolfenbüttel, A: 151.35 Theol. (30). — HAB Wolfenbüttel, A: 240.83.6 Quod. — HAB Wolfenbüttel, A: 289.4 Quod. (25).
Bibliographische Nachweise:
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 45aA.
- MBW 1, 362 f. Nr. 174; 391 Nr. 185.
- VD 16 ZV 15564.
Volget vnderricht vnd ratſchlag ∥ des Außſchuß von der Vniuerſitet vff ∥ das bedeucken meyns genedigen ∥ herrendie Meß be⸗∥langendt. ∥
in:
Friedrich III. von Sachsen; Universität Wittenberg
Ernſtlich handlung der ∥ Vniuerſitet zů Wittenberg an den ∥ Durchleüchtigſten Hochgeboꝛ⸗∥nen Churfürſten vnd herren. ∥ Hertzůg Friderich von ∥ Sachſen/ ∥ Die Meſz be∥treffendt. ∥
[Straßburg]: [Johann Knobloch d. Ä.], [1522], fol. b3r–c3v.
4°, 12 Bl., a4–c4 (a1v u. c4 leer). – TE.
Editionsvorlage:
FB Gotha, Druck 1226 R.Bibliographische Nachweise:
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 45aB.
- MBW 1, 362 f. Nr. 174; 391 Nr. 185.
- VD 16 ZV 20121.
Variante A ist vermutlich prioritär. Sie folgt orthographisch am dichtesten der handschriftlichen Überlieferung, an der sie verdeutlichende Ergänzungen und Wortänderungen vornimmt; dabei unterlaufen ihr jedoch auch Auslassungen und sinnentstellende Änderungen. Allerdings scheint eine andere handschriftliche Vorlage vorgelegen zu haben bzw. zu Rate gezogen worden zu sein, da die gesamte Drucküberlieferung einen Satz überliefert, der in Handschrift a fehlt.1 C ist unmittelbar von A abhängig (identisch in Auslassungen, Ergänzungen und veränderten Lesungen), weist aber auf der ersten Seite einen eigenen Zeilenfall und Satz auf und zeigt zudem einige verschlechternde Lesarten. B hat ebenfalls auf der ersten Seite und im ersten Artikel einen abweichenden Satz, folgt ansonsten A bis in den Zeilenfall. Diese Druckvariante besitzt eine abweichende Orthographie und ist daher eigenständig.2
Editionen:
- CR 1, 493–510 Nr. 162.
- Walch2 15, 1959–1965, Nr. 626.
- Müller, Wittenberger Bewegung, 84–90 Nr. 43.
- MBW 1, 392–398 Nr. 185.
Literatur:
- Barge, Karlstadt 1, 344 f. mit Anm. 82.
- Bubenheimer, Aufruhr, 182–187 mit Anm. 208 u. 210 f.
- Krentz, Ritualwandel, 182–184.
2. Entstehung und Inhalt
Das Kollektivschreiben des Universitätsausschusses ist die – um sechs Wochen verschleppte – Antwort auf die gemäß kfstl. Instruktion erfolgte Anfrage Christian Beyers von Ende Oktober 1521 zur Messfrage in Wittenberg und auf die am 25. Oktober folgende Aufforderung des Kurfürsten Friedrich III. an den Universitätsausschuss, ein einmütiges Gutachten der Gesamtheit von Universität und Allerheiligenstift anzufertigen.3 Das endlich erstellte Gutachten wurde am 12. Dezember 1521 an den Kurfürsten abgeschickt, soll aber »jedoch schon spätestens am 7. Dezember fertig«4 vorgelegen haben. Dass die Fertigstellung einen Vorlauf vor der Absendung gehabt haben muss, ergibt sich aus den inhaltlichen Bezugnahmen der Stellungnahmen der reformfeindlichen Stiftsherren. Die Datierung der Editionseinheit beruht auf ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit mit dem Tag ihrer Versendung.
Seit den kfstl. Anfragen war die Situation in Wittenberg weiter vorangetrieben worden. Der Augustinereremit Gabriel Zwilling hatte in seinen Predigten Ende Oktober und Anfang November dazu aufgerufen, das Mönchtum ganz abzuschaffen, indem den Klöstern kein Unterhalt gezahlt und über die Mönche und Nonnen in der Öffentlichkeit gespottet werden solle; zudem seien die Klostergebäude abzubrechen. Mitte November waren bereits 13 von 40 Mönchen aus dem Augustinerkloster in Wittenberg ausgetreten,5 am 30. November legte auch Zwilling mit einer Abschiedspredigt seinen Mönchshabit ab.6 Der Propst Justus Jonas wiederum predigte im Allerheiligenstift gegen die Stiftung von Opfermessen, die eine Lästerung Gottes seien, und riet am 1. November 1521 generell von der Abhaltung von Messen ab.7 Am 4. November berichtete die Gruppe der Reformgegner unter den Stiftsherren um Schlamau, Dinstedt und Beckmann, dass der Kaplan in der städtischen Pfarrkirche das Abendmahl sub utraque an Studenten und Kirchenvolk ausgegeben habe.8 Schließlich störten am 3. und 4. Dezember einige Studenten die Messen in der Pfarrkirche und in der Franziskanerkirche,9 woraufhin Kfst. Friedrich III. am 15. Dezember drei seiner Räte mit einer Untersuchung beauftragte und die Stadtgemeinde aufs Schloss lud unter der Aufforderung, die Ruhe wiederherzustellen.10
In dieser Situation verfasste ein Ausschuss reformfreundlicher Mitglieder von Universität und Allerheiligenstift endlich das Gutachten für den Kurfürsten, das hier neu ediert wird. Im Wesentlichen schlossen sie sich an den ersten Bericht des Ausschusses vom 20. Oktober an. Spalatin, der stets eine gute Verbindung zur Universität pflegte, hatte dem Kurfürsten schon am 20. November mitgeteilt, dass die alten Missbräuche der Messe nicht überhastet beendet würden, sondern mit der Zeit und ohne Aufruhr.11 Allerdings sorgte diese Ausrichtung für heftige Kontroversen innerhalb von Universitäts- und Stiftskollegium, sodass die Fraktion der reformunwilligen Stiftsherren sich strikt gegen jede Form der Neuerung aussprach und zwei Kollektivgutachten sowie zwei weitere Bedenken von Stiftsherren und eines des Mediziners Thomas Eschaus12 entstanden.
Das hier edierte Gutachten knüpft nicht nur an den Ausschussbericht vom 20. Oktober an, sondern nimmt auch die Ergebnisse der Diskussion im Anschluss an die Disputationen von Gottschalk Crop und Gottschalk Cruse vom 17. Oktober auf.13 Daher zeigt es sich, Karlstadts Position in der Diskussion abbildend, hinsichtlich der Abschaffung der Privatmessen weiterhin zurückhaltend.14 Zu den Unterzeichnern des Gutachtens gehörten, neben Karlstadt, der Rektor Johannes Eisermann, Hieronymus und Augustinus Schurff, Stephan Wild, Philipp Melanchthon, Nikolaus von Amsdorf und Johannes Reuber;15 der Vizerektor Tileman Plettner16 fehlt nun. Stiftspropst Justus Jonas und Johannes Dölsch sind im Druck mitaufgeführt, fehlen aber im Original; Jonas, weil er seit 2. Dezember verreist war; Dölsch wohl, weil er eine andere Haltung vertrat.17Karlstadt wird bei der Abfassung eine zentrale Rolle gespielt haben, worauf nicht nur die Angabe seines Namens an zweiter Stelle unter den Unterschriften verweist; die historischen Andeutungen zur Geschichte der Liturgie und des Kanons sowie Parallelen zum Locus De scandalo in den Loci zeigen jedoch eine ebenso starke Beteiligung Melanchthons an.18
Die Schlussforderungen der Diskussion am 17. Oktober aufnehmend, versucht das Gutachten, die kfstl. Bedenken gegenüber einer Erneuerung auszuräumen. Sei endlich ein Wille zur Reform da, könnte sie ohne Beschwerung und Empörung durchgeführt werden. Sicherlich seien die Wittenberger Reformer nur ein kleines Häuflein der Christenheit, doch sollten sie sich deswegen nicht abhalten lassen, Gottes Willen zu erfüllen, habe doch in der Geschichte der Christenheit oft der kleinste und verachtetste Haufe die Wahrheit gepredigt. Schließlich sandte Christus solcherart Menschen in die Welt, um die Wahrheit zu verkünden.19
Die gegenwärtige Ordnung der Kirche entstelle ihren Zustand aus apostolischer Zeit. Klöster und Domstifte seien von den Zeiten Augustins bis zur Zeit Bernhards von Clairvaux Schulen gewesen.20 Erst in den letzten vier- bis fünfhundert Jahren hätte sich die Praxis der Stiftungen und Seelenmessen eingeschlichen. Auf Grund ihrer fehlenden biblischen Kanonizität seien sie kurzerhand abzuschaffen. Ein Nachteil für die Stifter entstehe nicht, da die Fundationen nicht zum Seelenheil gereichten und nur aus Habgier der Priester erfunden worden seien.
Das Abendmahl sei bis zur Zeit Cyprians unter beiderlei Gestalt erteilt worden, wie es heute noch in den Kirchen des Orients geschehe. Der Messkanon in Mailand sei anders als der römische – ein Beweis, dass diesem weder Vorrang noch historisch begründete Legitimität gebühre. Durch das Vergehen einiger Päpste (Damasus, Gelasius, Cölestin, Gregor d. Große) sei der Missbrauch sub una specie entstanden. Nutzlos für die Besserung der Kirche und das Seelenheil seien Stundengebete und [gregorianischer] Gesang, der als Heulen diffamiert wird.21
Führe die Beseitigung der im Widerspruch zum Evangelium stehenden Missbräuche zu Beschwerungen (dem scandalum), sollten diese nicht hochgeachtet werden, da andernfalls Christus und die Apostel ihr Predigen hätten sein lassen müssen. Heinrich von Zütphen hatte in seinen Sätzen zur Erklärung der Haltung der Augustinermönche die berechtigte Rücksicht auf die im Glauben Schwachen (scandalum pusillorum, nach Mt 18,4) mit dem Ärgernis der Verstockten, dem Erneuerungswiderstand der Pharisäer (scandalum pharisaeorum, nach Mt 15,12–14), kontrastiert.22 Vermutlich hatte eine daraufhin angestoßene Debatte die Bedenken, die Karlstadt in der Diskussion am 17. Oktober angeführt hatte, nämlich Rücksicht auf das Ärgernis zu nehmen und die Abschaffung der Missbräuche im Konsens von Kirchenvolk und Stadtrat zu moderieren,23 abgeschwächt. Schlussfolgerung war, das die Interessen der Stifter und Fundatoren einer Erneuerung der Messe auf biblischer Grundlage im Glauben an Christus entgegenstanden.
Wie eng sich die Debatten aufeinander bezogen, zeigt das Gutachten der altgläubigen Stiftsherren vom 14. Dezember,24 unterzeichnet von Dekan Lorenz Schlamau25, Scholaster Matthaeus Beskau26, Otto Beckmann27, Sebastian Küchenmeister28, Georg Elner29, Johannes Rachals30, Johannes Volmar31. Es zeigt direkte Bezugnahmen auf das obige Gutachten der Gegenseite und ist eine reine Apologie der bestehenden Gottesdienstpraxis, die der Autorität der Kirche und der Konzilien unterstellt wird. Schon Papst Gregor der Große habe gesagt, dass den vier großen ökumenischen Konzilen der alten Kirche nicht weniger Glauben zu schenken sei als den vier Evangelisten.32Daher könne sich der – im eigenen Gutachten sich selbst so bezeichnende – kleine Haufe zu Wittenberg wohl kaum erdreisten, die Sitte und Ordnung der gesamten Christenheit abschaffen zu wollen. Planung und Vorgehen führe augenscheinlich zu Tumulten, was gegen die Heilige Schrift (in Referenz auf Röm 13,1 f.) verstoße.33 Im Folgenden werden einzelne Punkte des Gutachtens des erweiterten Ausschusses abgehandelt. Messgesang und Stundengebete seien kein Heulen, sondern ein einträchtiges Singen, das die Seelen der Gemeinde erhebe.34 Es solle stattdessen mehr Wert auf den Klang als auf das Verständnis der Worte gelegt werden, da dieser die Seele zu erschüttern vermag, verstünden doch viele selbst eine deutsche Predigt nicht.35
Falsch sei die These, dass Klöster und Stifte einst nur Schulen gewesen seien. Stattdessen pflegten sie Frömmigkeit und Gottesdienst bereits nach biblischem Zeugnis (Bezug auf 1. Kor 9,27). Vielen Priestern sei das Gebet nicht lästig, sondern angenehm, auf Grund dessen Gott den Stiftern der Messen einen Nachlass der Sündenstrafen gewähre. Der Idee einer Abschaffung der Opfermessen setzt dieses Gutachten das paulinische Bild entgegen, dass alle Mitglieder der christlichen Gemeinde wie die Gliedmaßen zu einem Körper gehörten (1. Kor 12,12–28). Wenn demnach ein Christ den Heiland mittels Gebeten der Opfermesse empfange, dann sei dies eine Freude für die gesamte christliche Gemeinde.36 Und selbstverständlich wird auch die Kommunion sub una specie verteidigt: Der Kelch sei den Laien zu entziehen, um die Gefahr der Verunreinigung des Sakraments (durch ungeweihte Laien) zu vermeiden.37 Schließlich habe Christus laut Heiliger Schrift den Aposteln auch erst den Kelch gegeben, nachdem er sie zu Priestern geweiht habe.38
Es liegen noch drei weitere Sondergutachten von Otto Beckmann (der sich bereits an dem eben besprochenen Kollektivgutachten der Stiftsherren beteiligt hatte), Johannes Dölsch und Thomas Eschaus vor. Das Bedenken des Mediziners Thomas Eschaus ist sehr knapp gehalten und betont allein, dass die Messordnung an der Heiligen Schrift geprüft werden müsse und dem Urteil entsprechend von der Obrigkeit eingerichtet werden solle.39 Radikal kritisch und pointiert polemisch äußerte sich Beckmann zum Gutachten des reformfreudigen erweiterten Ausschusses.40Der selbstbeschworene kleine Haufe der Reformer in Wittenberg sei in keiner Weise mit der Gemeinde Christi oder gar dem Haufen der Berufenen identisch. Die Ausschussmitglieder wirkten eher mit dem Mund als mit der Tat und könnten daher keinen Eckstein der Gemeinde Christi bilden.41 Die von ihnen angeführte christliche Freiheit, unter deren Fahne sie wirkten, sei leicht zum Bösen und zur Leichtfertigkeit zu missbrauchen. Die Messe sei apostolisch und damit biblisch; die im Allerheiligenstift gesungenen und gelesenen Seelenmessen beruhten auf kfstl. Satzung und Stiftung42 und kämen den Verstorbenen zu Gute. Gottesdienst, nicht Studium sei der Zweck der Stifte und Klöster, an denen in der Folge ihrer Gründung auch unterrichtet wurde. Abweichungen vom Lehrkonsens und Missbräuche habe es immer wieder gegeben; sie seien ebenso oft durch Reformen gebessert worden. Die nun in Wittenberg angepeilten Reformen aber seien übereilt, in ihrer Folge störten Laien die Gottesdienste und würde der Ruf des Kurfürsten und der Universität beschädigt. Beckmann bittet daher Friedrich III. um Schutz für die Priester bei ihren Amtshandlungen. Sollte der Kurfürst sich aber für Reformen aussprechen, sei darüber das Urteil anderer Universitäten einzuholen.
Johannes Dölsch stimmt zum Anfang seines am 13. Dezember verfassten Bedenkens43 mit den Ausschussmitgliedern hinsichtlich Privatmessen und Missbräuchen der Messe überein. Doch solle häufig (eine gereinigte) Messe gehalten werden; zum Verbot der Privatmessen fehle es an einer biblischen Grundlage. Dölsch ist dagegen, die Realpräsenz Christi im Abendmahl und die Anbetung des Sakraments abzulehnen, wie es Zwilling tue. Er spricht sich gegen eine communio sub utraque aus, da die Praxis in einerlei Gestalt schon sehr alt und damit beglaubigt sei. Dölsch erkennt an, dass die Messe theologisch kein Opfer sei, doch könne sie so genannt werden in Erinnerung an Christi Opfer. Seelenmessen seien schon den Kirchenvätern bekannt gewesen; einen Unterschied zwischen römischem und Mailänder Ritus könne er nicht erkennen.
In Reaktion auf die Gutachten Beckmanns und der altgläubigen Stiftsherren ließ Karlstadt die 53 Conclusiones de cantu Gregoriano (KGK 209) in die Diskussion einfließen, um auf biblischer Grundlage die Frage des Gesangs in den Kirchen wissenschaftlich zu klären. Kurfürst Friedrich III. dagegen ließ im Schreiben an seinen ausführenden Rat Beyer am 19. Dezember 1521 verlauten, dass er den Mitgliedern der Universität und des Stifts nicht erlaubte, den herkömmlichen Brauch der Messe abzuändern.44 Alles, was zur Ehre Gottes und Stärkung des Glaubens diene, wolle er gerne fördern, und es sei auch gestattet, über strittige Fragen zu disputieren, zu schreiben, zu lesen und zu predigen unter Beachtung christlicher Rücksichtnahme und den Grenzen der Vernunft. Letztlich befahl er aber eine Wiederherstellung der alten Gottesdienstordnung. Die am 22. Dezember verlautbarte Ankündigung Karlstadts, am Neujahrstag ein Abendmahl sub utraque specie zu feiern, lief dem kfstl. Gebot zuwider.45