1. Überlieferung
Frühdrucke:
Predig Andreſen Boden. ∥ von Carolſtatt tzu ∥ Wittenberg/ ∥ Von emphahung des hei∥ligen Sacraments. ∥ Wittenberg ∥ [am Ende:] Gedruckt tzu Wittenberg Nickell Schyr⸗∥lentz im Jar M.D.xxii. ∥
Wittenberg: Nickel Schirlentz, 1522.
4°, 8 Bl., A4–B4, TE.
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, 146.12 Theol. (12).Weitere Exemplare: SUB Göttingen, 8 HEEccl 378/5:2 RARA. — SUB Göttingen, 8 Th.Thet. II. 127c. — HAB Wolfenbüttel, 146.12 Theol. (12). — UB Heidelberg, Salem 83. — UB Würzburg, Th.dp.q.940.
Bibliographische Nachweise:
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 76.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 44A.
- Köhler, Bibliographie, Nr. 1903.
- VD 16 B 6185.
Andꝛee Bo∥densſtains von Ca⸗∥rolſtat Predig zů Wittenberg. ∥ Von empfahung des haili⸗∥gen Sacraments. ∥ M.D.XXII. ∥ [am Ende:] Got ſey lob. ∥
[Augsburg]: [Silvan Otmar], 1522.
4°, 8 Bl., A4–B4 (letzte Seite leer), TE.
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, 513.9 Theol.(19).Weitere Exemplare: ÖNB Wien, 20.Dd.352. — SB-PK Berlin, Cu 1279 R. — UB Würzburg, Th.dp.q. 937.
Bibliographische Nachweise:
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 77.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 44 B.
- Köhler, Bibliographie, Nr. 1901.
- VD 16 B 6182.
Predíg And⸗∥reſen Boden.Von Ca⸗∥rolſtat Zü Wittem⸗∥berg Von Em⸗∥phahung des ∥ Hailigen Sacraments ∥ Wittemberg ∥ [TE, HS]
[Augsburg]: [Melchior Ramminger], [1522].
4°, [8] Bl., A4–B4, TE, HS.
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, 104.3 Theol.(10).Weitere Exemplare: BSB München, 4 Hom. 330. — ÖNB Wien, *35.R.107.
Bibliographische Nachweise:
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 78.
- Köhler, Bibliographie, 1902.
- Zorzin, Flugschriftenautor, 44 D.
- VD 16 B 6183.
Pꝛedig Andꝛeſen Bodenſtein ∥ von Carolſtat tzu Wittenberg. ∥ Von empfahung des hey⸗∥ligen Sacraments. ∥ Wittenberg. ∥ [Am Ende] Jm Jar M. D. xxii. ∥
[Wien]: [Johann Singriener], 1522.
4°, 8 Bl., A4–B4 (letzte Seite leer).
Editionsvorlage:
SB-PK Berlin, Cu 1278 R.Bibliographische Nachweise:
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 79.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 44 C.
- VD 16 B 6184.
M D XXIIII ∥ Ayn Sermon/ ob dye ∥ Orennbeicht/ oꝺ der Glaub al-∥lain/ oder was den menſchen ∥ zů wirdiger empfahūg des ∥ hailigenn Sacraments ∥ geſchickt mach/ gepꝛe-∥diget durch An-∥dꝛeas Carol-∥ſtadt &c. ∥ [am Ende:] Got ſey lob. ∥
[Augsburg]: [Melchior Ramminger], [1524].
4°, [8] Bl., A4–B4 (letzte Seite leer) – TE.
Editionsvorlage:
LB Stuttgart, Theol 4°. 900.Weitere Exemplare: BSB München, 4° Hom. 334. — UB Leipzig, Pred.111 Hom. — ÖNB Wien, *35.R.130. — RFB Wittenberg, Kn A 152/860. — HAB Wolfenbüttel, H 73.4° Helmst. (5). — HAB Wolfenbüttel, A: 522.8 Theol. (10). — HAB Wolfenbüttel, A: 127.6 Theol. (7).
Bibliographische Nachweise:
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 80.
- Köhler, Bibliographie, 1909.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 44 C.
- VD 16 B 6195.
Die Ausgabe E ist ein etwa zwei Jahre später aus der Augsburger Presse Rammingers1 stammender Wiederabdruck des Augsburger Nachdrucks B durch Otmar. In der 1524 veröffentlichten Ausgabe E hat RammingerKarlstadts ursprüngliche Anrede an das »Christliche Häuflein zu Wittenberg« ebenso weggelassen wie den (datierten) einleitenden Widmungsabsatz der Erstausgabe. Der geänderte Titel dieser zweiten Ausgabe Rammingers wurde der reformatorischen Debatte im Augsburger Kontext der Jahreswende 1523/1524 angepasst.2
Edition:
- Burnett, Eucharistic Pamphlets, 78–88 (englische Übertragung).
Literatur:
- Jäger, Carlstadt, 419–424.
- Fischer, Beichte 2, 228–230.
- Barge, Karlstadt 1, 358–361 mit Anm. 103 u. 105.
- Douglas, Coherence, 129–136.
- Bubenheimer, Bischofsamt, bes. 170–190.
- Zorzin, Flugschriftenautor, 93–96 u. 116–119.
- Burnett, Eucharistic Controversy, 27–29.
- Leroux, Christag Predig.
- Kruse, Universitätstheologie, 349–357.
- Joestel, Auswirkungen, 134–136.
2. Entstehung und Inhalt
Am 4. Dezember 1521 hatte der Kurfürst den Juristen und Wittenberger Dozenten Dr. Christian Beyer3 beauftragt, von den verschiedenen Parteiungen in Wittenberg eine schon länger angemahnte »einhellige« Position der Stiftskanoniker und Universitätsdozenten zur angestrebten Reform der Messe umgehend einzufordern.4 Da dieser Forderung nicht Genüge geleistet wurde, befahl der Kurfürst daraufhin am 19. Dezember, Beyer sollte »[…] begeren, das sie sich von ungebreuchlicher einfhurung der Messe enthalten, auch den yrn zu tun nit gestaten und es bey dem alten gebrauch wolten bleiben lassen, biß das es von andern5 auch bewogen werdt.«6 An diese Anordnung des Kurfürsten, in der Messfeier bis auf weiteres keine Neuerungen vorzunehmen, hielt Karlstadt sich nicht. Am Sonntag den 22. Dezember 1521 gab er in der Wittenberger Schlosskirche bekannt, »[…] das er uf das kunftig fest Circumcisionis domini [= 1. Januar]7[…] offenberlichen communiciren jderman, wer do welle, sub utraque specie panis et vini und davor ein kurtz sermon thun, und welle slechts8 sprechen verba consecracionis und die anderen schirymslege9 alle aussen lassen. Solle auch nit willens sein, kasel10, almen11 oder korrock zu genanter meß anzutziehen.«12
Als Archidiakon des Wittenberger Allerheiligenstifts stand Karlstadt turnusgemäß der Hauptgottesdienst am Neujahrstag (1. Januar) in der zum Wittenberger Allerheiligenstift gehörenden Schlosskirche zu. Er hielt dort jedoch schon am Christtag (= Mittwoch, 25. Dezember) Gottesdienst mit einer Abendmahlsfeier in neuer Form.13 Für diesen Tag hatte Karlstadt die Vertretung des von Wittenberg abwesenden Propstes des AllerheiligenstiftsJustus Jonas14 übernommen, dem dieser Weihnachtsgottesdienst15 turnusgemäß zustand.
Die Widmung der Druckfassung von Karlstadts Predigt »an das christliche Häuflein16 zu Wittenberg« datierte er auf den Tag dieser ersten17, allen Einwohnern zugänglichen Feier einer (Weihnachts-)Messe mit Reichung von Brot und Kelch an die Teilnehmenden.
Am 1. Januar 1522 predigte Karlstadt (turnusgemäß) in der Schlosskirche und zusätzlich in der Wittenberger Stadtkirche.18Wohl mit Einwilligung des dort amtierenden Pfarrers,19 wurde auch in der Stadtkirche eine allen Anwesenden zugängliche Abendmahlfeier mit Reichung von Brot und Kelch durchgeführt.20
Am Neujahrstag hielt auch der Augustinermönch Gabriel Zwilling21 in der Eilenburger Stadtkirche eine Abendmahlspredigt und feierte danach in der »kirche die vor dem Schloß auf dem Berg liegt« Abendmahl für ca. 150 Teilnehmende, die Brot und Weinkelch selbst in die Hände nehmen durften.22 In kurzem Abstand fanden nach dieser – möglicherweise abgesprochenen – Aktion weitere evangeliumsgemäße Abendmahlsfeiern in Lochau, Herzberg, Schmiedeberg und Jessen statt.23
Die Drucklegung von Karlstadts Weihnachtspredigt könnte Nickel Schirlentz bis Mitte Januar 1522 zügig fertiggestellt haben; der Predigttext ist in 25 Abschnitte unterteilt.
Abschnitte 1–15: Karlstadt weist als Erstes darauf hin, dass er mit dem im Anschluss an die Predigt zu feiernden gemeinsamen Abendmahl einem dringlichen Begehren der Wittenberger Gemeinde entgegenkomme. Die Frage, was zum Sakramentsempfang würdig mache, sei auschließlich unter Rückgriff auf göttliches Gesetz (d. h. die Heilige Schrift) zu beantworten. Der fehlende Glaube der aus Ägypten befreiten Israeliten und ihr Zweifel daran, ob Gott seine ihnen gemachte Verheißung erfüllen werde, habe sie ihrer Erfüllung unwürdig gemacht. Auch die »Fürsten und Obersten« (Mose und Aaron) hätten vor dem Wasserwunder am Felsen Horeb (2. Mose 17) »im Glauben abgenommen« und wurden dafür von Gott bestraft. Die kirchenübliche Vorbereitung zum Sakramentsempfang mittels Gebet, Fasten, Beichte und Selbstkasteiung sei unnötig; es genüge allein fester Glauben an die Erfüllung von Gottes Verheißungen. Angst vor eigener Sündhaftigkeit sei falsch, da Christus ja keine Gerechten berufen habe, sondern Sünder. Mit drei Aussagen Jesu im Johannesevangelium (Joh 3,18; Joh 5,24 und Joh 8,51) und zwei Belegstellen aus dem Alten Testament (2. Mose 14,13; 2. Chr 20,15) bekräftigt Karlstadt, dass Würdigkeit und Befähigung zum Empfang der Sakramente ausschließlich im Glauben liege.
Abschnitt 16: Was im Sakrament (der Messe) geglaubt werden soll, sind die zwei Zusagen Christi an seine Tischgesellen. »Mein Leib wird für euch zerbrochen oder gegeben« (vgl. Lk 22,19) und »Mein Blut wird für euch in Vergebung der Sünden vergossen« (vgl. Mt 26,28). Wer sie nicht im Glauben ergreife, sei des Sakraments unwürdig, denn er schneide Christus die Ehre ab, wenn er an dessen Tisch sitze.
Abschnitte 17–21: Die Brot-Zusage verheißt allen Menschen einen sie nicht in Verdammnis führenden Tod und fröhliche Auferstehung. Wenn wir glauben, dass Christus unsern Tod getötet hat, führe uns der Tod nicht mehr in die Hölle oder Verdamnis, sondern zum Leben. Christus selbst sage: »Wer an mich glaubt, hat das ewige Leben und ich werde in auferwecken im jüngsten Tag« (Joh 6,40). Ebenso: »Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben« (Joh 6,55). Deshalb sollen wir denken und sprechen: »Ich weiß, dass ich in Christo gesegnet bin und mich das Gesetz nicht mehr töten kann. Denn Christus macht mich aller seiner Gerechtigkeit und Erfüllung des Gesetzes teilhaftig.«
Abschnitte 22–23: Die Kelchzusage Christi verheißt Vergebung der Sünden und reinigt jeden, der an sie glaubt (wie es Joh 15,3; Joh 17,17; Joh 3,14–16 belegen). Den Einwand eines Gegners, der behauptet, den Kelch ohne vorausgegangene Beichte zu empfangen, sei »frevlich und säuisch«, widerlegt Karlstadt eingehend und fordert, der kirchlichen Pflicht zur Ohrenbeichte abzusagen. Auch glaubt Karlstadt nicht, dass Privatbeichte unbewusst begangene (»heimliche«) Sünden vergebe. Kein Priester könne allein »on ein Christlichen hauffen/ […] binden« (Mt 18,18). Christus habe Petrus die Schlüssel gegeben, als dieser für den »gantzen hauffen« antwortete (Mt 16,13–19). Wer die Privatbeichte bevorzugt, müsse dennoch zugestehen, dass er nicht weniger Vergebung »im Kelch« erlangt. Soviel einer der Privatbeichte zugestehe, so wenig traue er den »Worten des kelchs« zu, und sein Gott sei der Papst. Die Apostel waren Sünder (wie wir), haben aber [vor dem Mahl] nicht gebeichtet.
Abschnitte 24–25: Das im Glauben angenomme Gotteswort reinigt (Joh 15,3). Wer keinen Glauben aufbringt, soll sich vor diesem Sakrament hüten, da er Christus suche wie Judas, der den Herr verriet. Die Jesusaussage Joh 8,37 (»Ihr sucht mich zu töten, darum kann mein Wort kein Raum in euch haben«) und noch weitere wolle Karlstadt zeitnah auslegen.