Nr. 58
Centum Quinquagintaunum Conclusiones de natura, lege et gratia
1517, 26. April

Einleitung
Bearbeitet von Ulrich Bubenheimer
unter Verwendung der Vorarbeiten von Martin Keßler und Christian Speer

1. Überlieferung

Handschrift:

[a:]SB Berlin, Ms. theol. lat. oct. 91, fol. 56r–60r

Der mit einem späteren Einband restaurierte Hybridband enthält1 am Anfang ungezählte, darauf sieben von I bis VII durchgezählte Blätter, wobei sich die ursprüngliche Zusammengehörigkeit der gezählten und ungezählten Blätter durch dasselbe Ochsenkopf-Wasserzeichen ergibt. Auf Blatt Iv–IIIv findet sich ein von der Hand des aus Nürnberg stammenden Humanisten und späteren Breslauer Reformators Johannes Hess2 vorbereitetes alphabetisches Register, wobei für jeden Buchstaben eine Spalte vorgesehen ist. Ähnliche Register findet man wiederholt auch in Bänden anderer Zeitgenossen. Sie dienten dem Zweck, aus den eingebundenen Texten Belegstellen, sogenannte Loci, zu bestimmten Stichwörtern zu sammeln. Ein derartiges Register hat z. B. auch Karlstadt am Anfang seines Exemplars der Predigten Johannes Taulers angelegt.3Hess hat allerdings den Plan, in den Spalten Belegstellen aus dem folgenden Druck und der beigebundenen Handschrift zu sammeln, nicht ausgeführt. Die Spalten sind leer geblieben.

Es folgt dann die zweite in Basel gedruckte Sammlung Wittenberger Thesenreihen mit dem Druckdatum 1522.4 Auf dem Titelblatt5 finden sich zwei Notizen von Hess’ Hand: Oben der Besitzvermerk »Joannis HessiNurmbergensis, unten »Donante Hanero«. Der hier von Hess festgehaltene Schenker des Druckes ist der Nürnberger Theologe und Humanist Johann Haner6, der auf die unbedruckte Rückseite des Titelblatts handschriftlich folgenden undatierten Widmungsbrief an Hess eingetragen hat: »S'alutem'Hesso. Cogita Mi Hesse, quidquid hic est Axiomatum, ea humani esse diei, probe lege, expende, adhibe Iuditium, confer scripturam, et non facile Impinges, multa sunt quae speciem habent, veritatem non habent, omnibus igitur adhibe spiritus limam, et ad verbi regulam, tamquam Lydium lapidem omnia7 probato, sicque aurum e stercoribus erues, et quod syncerum ac Bonum est, tenebis, Vale, ac meminere me non ociosum tibi esse monitorem, id quod depraehendes. T'uus'Jo'annes' Hanerus8

Haner, der später nach vorübergehender Zuneigung zur Reformation in irenischem Geist Glied der römischen Kirche blieb, forderte in diesem Brief Hess auf, die Wittenberger Thesen kritisch an der Heiligen Schrift zu prüfen und so das Gold vom Schmutz zu trennen, denn viele Thesen böten einen schönen Schein, jedoch nicht die Wahrheit. Haner hat ansonsten nur noch am Schluss der Thesensammlung notiert, dass die Thesensammlung insgesamt 1084 Thesen enthält.9 Diese Zahl bezieht sich nur auf die im Druck enthaltenen Thesen, nicht auf die im Anschluss an den Druck folgende handschriftliche Sammlung Wittenberger Thesenreihen, die die gedruckte Sammlung um weitere Thesenreihen ergänzt. Diese Sammlung ist von einem unbekannten Schreiber geschrieben, der auch in dem Baseler Thesendruck einen Druckfehler korrigiert hat.10

Wahrscheinlich hat Hess die gedruckte Thesensammlung zusammen mit zusätzlichen Papierlagen vor und hinter dem Druck binden lassen. Ob die handschriftliche Thesensammlung vor oder nach dem Binden niedergeschrieben wurde, ist unklar.11Hess stand seit seiner Wittenberger Studienzeit und Lehrtätigkeit (1510–1513) von Schlesien aus durch Briefwechsel und gelegentliche Reisen nach Wittenberg12 mit den dortigen Freunden in Kontakt und konnte auf diesem Weg die jeweils aktuellen Wittenberger Thesen bezogen und gesammelt haben. Ein anderer Schreiber hat sie in der vorliegenden Handschrift zusammengestellt.13 Dass Hess die Handschrift als Ergänzung der vorgebundenen gedruckten Thesensammlung benutzt hat, zeigen Notizen von Hess auf dem Titelblatt des Druckes: Er hat das auf dem Titelblatt des Thesendrucks abgedruckte Inhaltsverzeichnis durch Titel aus der handschriftlichen Thesensammlung erweitert. Ferner hat er zwei Thesenreihen in der handschriftlichen Sammlung durchgestrichen, da diese bereits im Thesendruck enthalten waren.14 Zur Datierung der Niederschrift der handschriftlichen Sammlung lassen sich folgende Gesichtspunkte anführen: Die handschriftliche Sammlung enthält Thesenreihen, deren Entstehungszeiten bis etwa Ende 1522 gehen.15Hess hielt sich im Mai 1523 in seiner Heimatstadt Nürnberg auf.16 Vermutlich hat ihm sein Freund Haner damals die gedruckte Basler Thesensammlung verehrt. Am 21. Oktober 1523 wurde Hess als Prediger in Breslau eingesetzt.17 Da das für die Thesenhandschrift verwendete Papier ein Wasserzeichen enthält, das 1524 in Breslau18 belegt ist, dürfte die Sammlung 1523/24 in Breslau geschrieben worden sein.

Die insgesamt 23 Thesenreihen enthaltende Sammlung lässt sich in drei Teile untergliedern. Sie beginnt in einem ersten Teil mit drei chronologisch geordneten, gegen die scholastische Theologie und Philosophie gerichtete Thesenreihen der Jahre 1517/1819: Karlstadts vorliegende Thesen vom 26. April 1517, Luthers Thesen Contra scholasticam theologiam vom 4. September 1517 sowie Luthers Thesen zur Heidelberger Disputation vom 25. und 26. April 1518.20 Der zweite Teil besteht aus neun Thesenreihen, über die zwischen September 1519 und November 1522 aus Anlass von akademischen Promotionen disputiert wurde.21 Schließlich folgen in einem dritten Teil elf Thesenreihen, die für die wöchentlich stattfindenden Zirkulardisputationen aufgestellt worden waren.22 In den letzten beiden Teilen lässt die Reihenfolge, in der die Thesenreihen angeordnet sind, keine systematischen Gliederungsgesichtspunkte erkennen.

9 + 56 (Druck) + 94 Bl

zeitgenössische Abschrift unbekannter Hand23

Frühdrucke:

[A:]Andreas Bodenstein von Karlstadt
Centum quinquagintavnū concluones de ‖ natura/lege  gr̄a/cōtra ſcolaſticos et vſum cōeȝ.D.A. Carolostadij.
in:
Martin Luther, Andreas Karlstadt, Philipp Melanchthon u.a.
Inſ‌ignium theologoꝛū ‖ Domini Martini Luthe⸗‖ri/domini Andꝛee Caroloſtadij/ ‖ Philippi Melanthonis et ‖ aliorū/cōcluōes ‖ varie/ꝓ diui‖ne gratie ‖ defenone ac cōmendatione: contra ſcola‖ſticos  pelagianos:diſ‌putate ‖ in preclara academia ‖ Vvittenbergen. ‖ ✠ ‖ ⁌Lege lector  aff‌icieris/verſa facie ‖ catalogum inuenies. ‖ [TE]
[Leiden]: [Jan Seversz], [1521], pag. 12–18 (= B2v–C1v).
4˚, 12 paginierte Bl., A4–C4.24
Editionsvorlage:
Biblioteca valdese, Torre Pellice, A.III.12.64.
Weitere Exemplare: Bodleian Library, Oxford, Tr. Luth. 39 (195). — Det Kongelige Bibliotek, Kopenhagen, 24,35.
Bibliographische Nachweise:

Diese erste gedruckte Sammlung Wittenberger Thesen enthält insgesamt 17 nach Verfassern geordnete Thesenreihen aus den Jahren 1517 bis 1520. Nach sieben Luther zugeschriebenen Thesenreihen25 folgen drei von Karlstadt, eine von Melanchthon sowie sechs von »gewissen anderen Doktoren«26, von denen eine den Namen des Johannes Dölsch27 trägt. Da über die späteste datierbare Thesenreihe um Oktober 152028 disputiert wurde, wird der Druck im Jahr 1521 erschienen sein. Eine Spur der Wittenberger Disputationsthemen und Ereignisse des Jahres 1521 findet sich in dem Druck nicht.

Der ungenannte Herausgeber der Thesensammlung hat allen Thesenreihen neue Überschriften gegeben: Neben dem Verfassernamen und der Anzahl der Thesen hat er thematische Überschriften formuliert, die wesentliche Inhalte der Thesenreihen stichwortartig zusammenfassen. Diese Überschriften stellte er in einem der Ausgabe vorangestellten Inhaltsverzeichnis (S. 2) so zusammen, dass man die Thesensammlung als Handbüchlein reformatorischer Loci verwenden konnte. Die gegen die scholastischen Theologen der via moderna gerichtete Thesenreihe Luthers vom 4. September 1517 betitelte er: De gratia et natura/ contra scholasticos et pelagianos. Die Thesen Karlstadts erhielten die inhaltlich ähnliche Überschrift: De natura/ lege et gratia/ contra scolasticos et usum communem. Der Herausgeber bringt zutreffend zum Ausdruck, dass Karlstadt sich expliziter als Luther gegen die theologische Scholastik insgesamt wandte. Richtig hat er auch wahrgenommen, dass die Erfüllung und das Verstehen der lex dei bei Karlstadt breiten Raum einnehmen. Andere Themen wiederum hat der Herausgeber mit seinen Stichworten nicht erfasst. Die Überschriften, in denen der Herausgeber seine eigenen Akzente setzte, sind als eine Quelle der Rezeption der Wittenberger Theologie der Frühreformation zu lesen.

[B:]Andreas Bodenstein von Karlstadt
Centum quinquaginta vnum concluſ iones de na ‖ tura,lege & gratia:contra ſcholaſticos & vſum cō ‖ munem.D.A.Caroloſtadij.
in:
Andreas Bodenstein von Karlstadt
INSIGNIVM THEOLOGORVM ‖ Domini MartiniLutheri,dominiAndree ‖ Baroloſtadij , Philippi melan ‖ thonis & aliorum ‖ conclu⸗‖ſ‌iones varię, pro diuinæ gratiæ defenſ‌ione ‖ ac commendatione,contra ſco‖laſticos & pelagianos ‖ diſ‌putate in præ⸗‖clara academia. ‖ Vvittembergenſ‌i. ‖ Lege leor & aff‌icieris verſafacie catalogum ‖ inuenies.
[Paris]: [Pierre Vidoué], [1521?], C1r–D1v.
4°, 18 Bl., A–C4, D6.
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, M: Li 5530 Slg. Hardt (38, 662).
Bibliographische Nachweise:

Die Pariser Ausgabe stellt einen Nachdruck des Druckes A dar. Es wird daher angenommen, dass er im Jahr 1521 erschienen ist. Der Text wurde insofern bearbeitet, als einige erkennbare Druckfehler des Druckes A in B behoben wurden. Andererseits sind in B wiederum neue Druckfehler in den Text geraten. Die in dem Wolfenbütteler Exemplar des Druckes B enthaltenen Notizen des Abtes Heino Gottschalk, der über mehr als zwei Jahrzehnte Wittenberger Thesenreihen gesammelt30 und abgeschrieben hat31, bringen für die Edition insofern einen Gewinn, als Gottschalk nicht nur Druckfehler korrigiert, sondern an einer Stelle einen in allen drei Überlieferungen fehlerhaften Text korrigiert hat32.

Edition:

Literatur:

Riederer, Disputationen, 63–66: Identifizierung der bis dahin als verloren geltenden Thesen nach dem heute in Torre Pellice befindlichen Exemplar von Druck A.

2. Inhalt und Entstehung

Nach den Statuten der Universität Wittenberg aus dem Jahr 1508 war der Heilige Augustin der Schutzpatron der Universität.33 Dieser wird auch im Eingang der Statuten der theologischen Fakultät34, die deren Dekanatsbuch vorgebunden sind und vor der Dekanwahl vorgelesen wurden35, genannt36. Karlstadt hat, als er im Sommersemester 1512 erstmals Dekan der theologischen Fakultät war37, Augustin als Universitätspatron ausdrücklich gewürdigt. Als er im Dekanatsbuch die Promotion des Johann Dölsch zum Baccalaureus formatus eintrug, die am Vortag des Festes des Heiligen Augustin (27. 8. 1512) stattfand, fügte er zum Namen Augustins – über das übliche Formular der Promotionseinträge hinausgehend – hinzu: »der besondere Patron dieser nährenden Universität«38. Hier spiegelt sich ein Element der Augustinverehrung Karlstadts in seiner scholastischen Phase wieder. Augustinzitate waren ihm in dieser Zeit aus der Literatur bekannt, mindestens aus den Sentenzen des Petrus Lombardus und aus dem Decretum Gratiani. In seinen beiden scholastischen Schriften De intentionibus und Distinctiones zitiert Karlstadt viermal Augustin, entnommen aus Thomas von Aquin.39 In den im Sommer 1516 von Karlstadt aus Giovanni PicosApologia übernommenen 13 Thesen wird Augustin einmal zitiert, wobei dieses Zitat von Pico aus Heinrich von Gent übernommen wurde.40

In diesem Licht kann man davon ausgehen, dass bei Karlstadt schon eine gewisse Offenheit und ein Interesse für Augustin vorhanden war, als Luther in seiner Disputation vom 25. September 1516 »de viribus et voluntate hominis sine gratia«41 insbesondere Gabriel Biel und dessen Vorläufern (Duns Scotus, Pierre d’Ailly) widersprach und sich hierfür durchgehend auf Bibelstellen sowie auf antipelagianische Schriften Augustins bezog. Luther erfuhr in dieser Disputation Widerspruch von Fakultätsmitgliedern, darunter auch von Karlstadt42, den Luther nach Karlstadts Bericht aufforderte, selbst die Kirchenväter zu lesen und dann zu urteilen43. Karlstadt beschloss daraufhin, Kirchenväterausgaben zu kaufen, da er bis dahin keine einzige besaß.44 Am 13. Januar 1517 erwarb Karlstadt in Leipzig die Werke Augustins.45 Die Wirkung der nun folgenden intensiven Lektüre Augustins beschreibt Karlstadt in der an Staupitz gerichteten Widmungsvorrede zu seinem Augustinkommentar nach Art eines Bekehrungserlebnisses, das ihn zum Bruch mit seiner eigenen scholastischen Vergangenheit führte. Die noch vor Beginn der Vorlesung über AugustinsDe spiritu et littera publizierten 151 Thesen, die zum größeren Teil aus Augustinzitaten bestehen oder aus solchen entwickelt sind, stellen den ersten literarischen Ertrag von Karlstadts Augustinlektüre dar.

Karlstadts Wende ist innerhalb der auf den Kauf der Augustinausgabe folgendenen beiden Monate erfolgt. Luther schreibt in einem fragmentarisch erhaltenen Brief am 28. März [1517] an einen unbekannten Ordensbruder: »Karlstadt ist bereit, auch als einzelner mit Freude allen derartigen Sophisten und Juristen entgegenzutreten. Er wird es ausführen und damit Erfolg haben. Gepriesen sei Gott. Amen.«46Luther hatte zu jenem Zeitpunkt schon Kenntnis von Karlstadts Plan eines Frontalangriffs auf »alle, die man scholastische Doktoren nennt«47. Einen Monat später nutzte Karlstadt das Ablassfest des Allerheiligenstifts als Gelegenheit für eine medienwirksame Verbreitung seiner Thesen: Am Sonntag Misericordia Domini (26. April) sowie am darauf folgenden Tag der Reliquienweisung in der Schlosskirche (27. April) hängte Karlstadt seine Thesen öffentlich in Wittenberg aus und übersandte sie am 28. April an Georg Spalatin in der Annahme, dass dieser sie auch Kurfürst Friedrich zur Kenntnis bringen werde.48 Das Fest der Reliquienweisung49 war mit einem Jahrmarkt, der auf dem Markt in der Nähe der Stadtkirche stattfand, verknüpft, auf dem auch auswärtige Buchführer vertreten waren. Am 26. April hat Karlstadt bei einem der Buchhändler die Augsburger Ausgabe der Predigten Taulers von 1508 gekauft.50Karlstadt hatte also einen Publikationstermin gewählt, der für die rasche Verbreitung seiner Thesen besonders günstig war.

Nach den Statuten der theologischen Fakultät in Wittenberg aus dem Jahr 1508 hatte der Dekan die Aufgabe, die Disputationen mit Namen des Präses und des Respondenten sowie gegebenenfalls weiteren Daten an den Türen der Wittenberger Kirchen bekannt zu machen. Dies erfolgte durch den vom Pedell der Fakultät auszuführenden Aushang der Thesenblätter, die im Kopf die entsprechenden Daten aufwiesen.51 Als Anschlagsort kamen die Schlosskirche, die Stadtkirche St. Marien sowie die Kirchen des Augustiner- und des Franziskanerklosters in Frage. Als Dekan für das Wintersemester 1516/17 war zwar der Augustiner Johann Hergot gewählt worden, dessen letztes Lebenszeichen jedoch vom 19. November 1516 stammt; an diesem Tag führte er den Vorsitz bei der Promotion des Dominikaners Johannes Heinrici zum Baccalaureus formatus.52 Am 23. März 1517 vermerkte Karlstadt anlässlich des Eintrags der Promotion Heinricis zum Lizentiaten im Dekanatsbuch, dass er als Vizedekan amtierte53, wozu statutengemäß bei Verhinderung des Dekans der Dekan des vorhergehenden Semesters (Prodekan), verpflichtet war54. Als Karlstadt seine Thesenreihe anschlug, tat er dies zumindest auch in seiner Rolle als Vizedekan.

Wir können davon ausgehen, dass Karlstadt seine Thesenreihe in Form eines Einblattdrucks veröffentlichte. Dafür sprechen die vorliegenden Daten über deren Verbreitung. Neben dem am 28. April von Karlstadt an Spalatin geschickten Exemplar, wissen wir von mindestens fünf Exemplaren, die Luther am 6. Mai an Christoph Scheurl in Nürnberg geschickt hat. Eines dieser Exemplare sollte Scheurl an Wenzeslaus Linck weitergeben.55 Weitere Exemplare leitete Scheurl an Johannes Eck, Erhard Truchsess, Dekan des Domstifts in Eichstätt, sowie an Kilian Leib, Prior des Augustinchorherrenstifts in Rebdorf weiter.56

Karlstadt publizierte ursprünglich insgesamt 152 Thesen (»conclusiones centum quinquaginta duas«), wie er am 28. April 1517 an Spalatin schrieb.57 Während in den Drucken A und B nur 151 Thesen abgedruckt sind, bietet die Berliner Handschrift a eine in den Drucken fehlende These, nämlich die 109. These der Handschrift: »Lex evangelii scripta est vetus«. Damit sind zwar bei genauer Zählung insgesamt 152 Thesen überliefert. Da in der Handschrift jedoch nach der 111. These58 eine These ungezählt geblieben ist59, sind in der Handschrift im Endergebnis auch nur 151 Thesen gezählt worden.

Der anzunehmende Einblattdruck der Thesen ist verschollen. Wie er formal gestaltet war, lässt sich rekonstruieren mit Hilfe des Einblattdrucks von Luthers später unter dem Titel Contra scholasticam theologiam tradierten Thesen, über die am 4. September 1517 Franz Günther unter dem Vorsitz Luthers für die Promotion zum Baccalaureus biblicus respondierte.60 Ein Exemplar dieses Einblattdrucks ist in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel erhalten.61 Die Überschrift bietet die formalen Daten: Respondens, Disputationsanlass und Präses. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung stand der Termin noch nicht fest, weshalb ersatzweise gesagt wird: »loco et tempore statuendis«.62 Der Disputationstermin konnte also gegebenenfalls nach der Veröffentlichung der Thesen zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben werden. Die Thesen sind in vier Blöcke zu je 25 Thesen eingeteilt, wobei jeder Block gesondert von »i« bis »xxv« durchgezählt ist.63 Der Grund für die auch anderweitig begegnende Einteilung von Thesenreihen in mehrere jeweils gesondert durchgezählte Blöcke, ist nicht erforscht. Sie dürfte mit dem Disputationsverfahren zusammenhängen. Neben dem Thesentext enthält ein Teil der Thesen Luthers eine jeweils mit »Contra« beginnende Abgrenzung gegen die Scholastiker allgemein oder auch gegen namentlich genannte Lehrer, zum Beispiel: »Contra communem«, »Co'ntra' Sco'lasticos'. Gab'rielem'« usw. Diese Contra-Bemerkungen stehen nicht am Blattrand, sondern noch in der letzten Zeile der jeweiligen These, allerdings räumlich vom Thesentext dadurch abgehoben, dass sie vom Thesentext mit einem großen Spatium zum rechten Rand hin abgerückt sind.

Ein Blick auf die Wiedergabe der Thesenreihe Karlstadts im Leidener Druck A zeigt, dass der verlorene Einblattdruck dieser Thesenreihe eine dem beschriebenen Thesenblatt Luthers vergleichbare formale Gestaltung aufgewiesen haben dürfte. Auch hier sind die zahlreichen Contra-Bemerkungen vom Thesentext nach rechts augenfällig abgerückt, stehen aber nicht am Rand. Ferner sind hier die Thesen in Blöcke von sieben mal 20 Thesen und einen Block zu 10 Thesen untergliedert, der eine abschließende ungezählte Schlussthese folgt.64 Angesichts der formalen Parallele zu dem Lutherschen Thesenblatt legt sich der Schluss nahe, dass der Herausgeber des Drucks A der Thesensammlung die Zählung und Gliederung der Thesenreihe Karlstadts aus dem angenommenen Einblattdruck übernommen hat. Die Handschrift a allerdings bietet abweichend von den Drucken eine fortlaufende Durchzählung der Thesenreihe.65 Auch diese Art der fortlaufenden Zählung geht auf Karlstadt selbst zurück. Denn in seinem Augustinkommentar (KGK 064), in dem er häufig auf einzelne Thesen bzw. die von ihm dazu verfassten Explicationes (KGK 062) verweist66, hat er eine fortlaufende Zählung verwendet, und seine Zählung stimmt mit der Zählung der Berliner Handschrift weitgehend überein67. Dieser Befund lässt sich folgendermaßen erklären: Karlstadt hat für die ursprünglich geplante große Disputation über die 151 Thesen zunächst eine Fassung veröffentlicht, in der die Thesenreihe in Blöcke untergliedert war, jedoch für die Kommentierung der Thesen und deren weitere Verwendung im akademischen Lehrbetrieb eine leichter zitierbare Fassung mit fortlaufender Zählung erstellt oder erstellen lassen.

Der unbekannte Kompilator und Herausgeber der Leidener Thesensammlung hat seinerseits bei allen Thesenreihen im Kopf die formalen Daten (Respondens, Praeses, Termin etc.) gestrichen und durch die oben beschriebenen Überschriften ersetzt. Den ursprünglichen Kopftext der Thesenreihe bietet in unserer Thesenreihe die Berliner handschriftliche Thesensammlung a: »Bartholome'us' BernhartFeltkyrchen'sis' theologie baccalau'reus' sub d'omino'Andree Carolstaten'si' theologie docto're'«, vermutlich in einer stilistisch gekürzten Form. In anderer Hinsicht hat jedoch der Schreiber der Handschrift in die Textgestalt verändernd eingegriffen, insofern er alle Contra-Bemerkungen in seiner Abschrift weggelassen hat. Doch waren diese Contra-Bemerkungen in der von ihm verwendeten Vorlage erkennbar noch vorhanden: An einer Stelle hatte der Schreiber nämlich begonnen, eine Contra-Bemerkung seiner Vorlage abzuschreiben, diese jedoch wieder getilgt, als ihm sein Versehen bewusst wurde.68

Die Handschrift a bietet gegenüber den Drucken A und B eine Reihe besserer Lesarten, enthält aber andererseits auch einige Abschreibfehler, die durch die Drucke korrigiert werden können. Die Drucke wiederum enthalten Druckfehler, die in unserer Edition nach der Handschrift korrigiert werden. Die beschriebenen Befunde zeigen, dass weder die Drucküberlieferung noch die handschriftliche Überlieferung den originalen Text des verschollenen Einblattdrucks bieten. Jedoch ist es möglich, aus beiden Überlieferungssträngen den usprünglichen Text des Einblattdrucks annähernd zu rekonstruieren. Die nicht in den rekonstruierten Text aufgenommenen Lesarten werden im textkritischen Apparat mitgeteilt.

Am Anfang jeder These bieten wir zunächst die fortlaufende Zählung nach der Berliner Handschrift69, nach der die Forschung seit Theodor Koldes Edition (1890)70 zitiert, daneben die Zählung nach dem Druck A, die in Druck B übernommen wurde. Obwohl Karlstadt ursprünglich 152 Thesen zählte, verzichten wir darauf, unsererseits eine weitere Zählung von 1 bis 152 hinzuzufügen, sondern drucken die Befunde der Überlieferung unverändert ab.

In Verbindung mit der Übersendung der Thesen an Spalatin teilte Karlstadt am 28. April sein Vorhaben mit, über diese Thesen mehrere Tage disputieren zu wollen. Er regt an, der Kurfürst möge Theologen aus seinem Herrschaftsbereich zur Teilnahme an diesem »theologischen Wettstreit« abordnen.71Karlstadt plante also angesichts der Grundsätzlichlichkeit der in den Thesen formulierten Verwerfung der hergebrachten theologischen Scholastik und deren Ersatz durch eine neue Theologie ohne Aristoteles, gegründet auf die Schrift und die Kirchenväter, eine große Disputation unter Teilnahme auswärtiger Gäste. Dafür hatte er die Fakultätsstatuten hinter sich, die den Professoren neben den Promotionsdisputationen und den wöchentlichen Zirkulardisputationen je eine öffentliche und feierliche Disputation jährlich nahelegten.72 Diese Regelung scheint im vorgesehenen Umfang nicht praktiziert worden zu sein, da die Quellen über derartige Disputationsakte in vorreformatorischer Zeit schweigen. Karlstadt hatte allerdings schon 1509, damals Baccalaureus theologiae formatus73, in einer außerordentlichen Disputation, die er in Halberstadt unter Beteiligung des dortigen Klerus abhielt, nach einer am 12. Februar 1510 von seinem Kollegen Otto Beckmann in Wittenberg gehaltenen Rede Anerkennung gefunden. Dort habe er »in sacris litteris«, also über theologische Fragen, scharfsinnig disputiert, obwohl er dort keine Bücher habe konsultieren können.74

Wenn Luther mit der Veröffentlichung seiner 95 Thesen gegen den Ablass eine Disputation in Wittenberg ohne Nennung eines Termins ankündigte, so geschah auch dies in der Absicht, auswärtigen Gästen die Beteiligung an dieser außerhalb des laufenden Lehr- und Prüfungsbetriebs liegenden Disputation zu ermöglichen. Im Kopftext bittet Luther, »dass die, die nicht in Anwesenheit mündlich mit uns debattieren können, dies in Abwesenheit schriftlich tun«75. Ebenso wie es in den Quellen keinen Hinweis gibt, dass die von Luther angestrebte große Disputation über Ablassfragen stattgefunden hätte, so scheint sich auch Karlstadts Hoffnung auf eine mehrtägige Disputation der 151 Thesen mit auswärtigen Gästen nicht erfüllt zu haben. Als Respondenten hatte er im Kopftext Bartholomäus Bernhardi genannt. Damit wurde in diesem Fall keine Prüfungsdisputation angekündigt, denn Bernhardi hat im Sommersemester 1517 keinen akademischen Grad erworben. Jedoch hatte am 25. September 1516 unter Luthers Vorsitz Bartholomäus Bernhardi für die Promotion zum Sententiar über die Quaestio de viribus et voluntate hominis sine gratia disputiert, in der Bernhardi und Luther antipelagianische Positionen Augustins thematisierten76. Daher dürfte sich Bernhardi für die Diskussion von Karlstadts ähnlich ausgerichteten Thesen als ein einschlägig erfahrener Disputationspartner angeboten haben. Auch könnte Bernhardi vielleicht derjenige Anonymus gewesen sein, der bei Thomas von Aquin Zitate aus AugustinsDe spiritu et littera fand, diese bei Augustin nicht verifizieren konnte und sich deswegen um Hilfe an Karlstadt wandte: »Er bat, ich möge die Lektüre jenes Büchleins vorziehen, damit wir in der Disputation nicht überwunden würden.«77

Karlstadt scheint die Thesen im Rahmen der wöchentlichen Zirkulardisputationen mit Studenten disputiert und/oder im Rahmen eines diesen Thesen gewidmeten Kollegs kommentiert zu haben. Denn er hat zu diesen Thesen Explicationes bzw. Probationes78 verfasst. Am 5. Februar 1518 schreibt er an Spalatin, er wolle die Explicationes gerne drucken lassen und sie dem Kurfürsten widmen, wenn dieser ihm eine Beihilfe von 30 Gulden für die Papierkosten gewähren könnte. Dabei hebt Karlstadt hervor, dass er in den Erklärungen der Thesen zugleich Regeln zur Interpretation der Heiligen Schrift erläutert habe.79 Zur Drucklegung der Explicationes ist es offenbar nicht gekommen, jedoch hat Karlstadt diese, wie er im Augustinkommentar mehrfach sagt, den Studenten diktiert.80 Daher kann er in der Vorlesung die Hörer häufig auf jene Explicationes verweisen.

Inhaltlich ist Karlstadts Thesenreihe von hermeneutischen Regeln gerahmt. In den Thesen 1 bis 7 formuliert er Grundsätze, die insbesondere das Problem reflektieren, wie bei Widersprüchen innerhalb der Schriften eines Kirchenvaters oder zwischen den Kirchenvätern zu verfahren sei. Dabei steht allerdings letztlich die Autorität der Schrift über der der Kirchenväter. Denn bei Widersprüchen zwischen dicta der Kirchenväter gelten diejenigen, die sich auf die eindeutigeren Schriftbeweise stützen.81 In Fragen der Ethik (»in moralibus«) stehe allerdings die Autorität Augustins an erster Stelle vor anderen Kirchenvätern (Th. 7). Karlstadt zeigt das Bewusstsein, mit seinen Regeln Neuland zu betreten, indem er sich sowohl gegen viele Scholastiker als auch gegen die Kanonisten abgrenzt. Die letzte These (151) bietet eine Metareflexion über die Funktion des Disputierens in der Theologie: »Die unerschöpfliche Autorität der Wahrheit82 wird besser verstanden, wenn sie häufiger diskutiert wird, und führt so zu einem übereinstimmenden Verständnis, das sie hinter den sichtbaren Reden83 verbirgt.« Dieses in Anlehnung an einen pseudoaugustinischen Text84 formulierte Schlusswort impliziert zugleich eine Einladung des Lesers zur Disputation.

Die folgenden anthropologischen Thesen über das Verhältnis des inneren und des äußeren Menschen (Th. 8–12) werden in einer Paradoxie zugespitzt: »Um den Scharfsinn zu üben wird behauptet werden, dass der innere Mensch der äußere ist, jedoch nicht umgekehrt« (Th. 12). Karlstadt hat das hier aufgestellte Paradox zum Gegenstand in einer anderen undatierten kurzen Thesenreihe gemacht85, die chronologisch zwischen die 151 Thesen und die Apologeticae Conclusiones gehört86.

In Th. 13–20 wird die bleibende Neigung des Menschen zur Sünde trotz der Tilgung der Erbsündenschuld (Th. 13f.) und der »vollkommenen Vergebung der Sünden« im Taufsakrament (Th. 15) betont. Geschickt wählt Karlstadt als Beispiel für die wieder auflebende Sünde das »vermeintlich gute Werk«, an dem sich der Mensch selbstsicher erfreut (Th. 20). Dieses Beispiel ist insofern eine Zuspitzung, als es implizit auch Aspekte der herrschenden Ablassfrömmigkeit in Frage stellt und Karlstadt als Kanoniker des Allerheiligenstifts diesen Sitz im Leben seiner Thesen, die er am Vortag und am Tag des mit Reliquienzeigung verbundenen Wittenberger Ablassfestes aushängte, nicht übersehen haben kann. Denn an diesen Tagen waren in Wittenberg die Beichtväter aktiv, die den Beichtkindern die volle Vergebung ihrer Sünden zusprachen als Voraussetzung dafür, dass sie anschließend durch das gute Werk ihrer andächtigen Betrachtung der Reliquien, der vorgeschriebenen Gebete und ihrer Almosen nun auch auf den Erlass von Fegfeuerstrafen für ihre Sünden vertrauen konnten. Wir müssen uns vor Augen führen, dass Karlstadts an den Kirchentüren ausgehängte Thesenblätter zumindest an der Allerheiligenkirche in räumlicher Nähe zu den in jener Zeit üblichen Werbeplakaten für die Ablässe des Allerheiligenstiftes hingen.87

Die Thesen 21–59 behandeln das Thema, das Karlstadt bis zur Leipziger Disputation und dem sich anschließenden literarischen Schlagabtausch mit Eck am meisten beschäftigt hat, das Verhältnis von göttlicher Gnade und dem natürlichen Willen des Menschen, von der Unfähigeit des Menschen zu sittlich gutem Handeln, das nicht von Gott selbst gewirkt ist. In These 39f. erhebt Karlstadt erstmals explizit den Häresievorwurf gegen eine herrschende scholastische Meinung: »39. Bei keinem guten Werk beginnen wir. Gegen dieselbe [näml. herrschende Meinung]. 40. Es ist häretisch, zu behaupten, dass Gott bei seinen Gaben der spätere und wir die früheren sind.« Die Scholastik hat die letztere Behauptung zwar in dieser Form nicht aufgestellt. Nach Karlstadt ist jedoch das gute Werk allein dem Wirken Gottes zu verdanken; wer dem Menschen einen Anfangsbeitrag zum guten Werk zugestehe, müsse logischerweise die als häretisch bezeichnete Schlussfolgerung ziehen.88 Durch die Einführung des Häresie-Begriffs macht Karlstadt deutlich, dass für ihn die erwartete Disputation mehr als ein intellektuelles akademisches Turnier ist, sondern dass er ihr auch eine kirchenrechtlich relevante Verbindlichkeit zuschreiben möchte.

Mit dem Satz »Es stürzt zusammen, dass Augustin gegen die Häretiker übertrieben (›excessive‹) geredet habe« (Th. 60) grenzt sich Karlstadt von nominalistischen Theologen wie Gabriel Biel ab, denen bestimmte Aussagen Augustins in dessen antipelagianischen Schriften zu extrem erschienen. Karlstadt spielt auf das in diesem Zusammenhang geläufige Beispiel der ungetauft verstorbenen Säuglinge an, die weder Gutes noch Böses getan haben und dennoch auf Grund der Erbsünde verdammt werden (Th. 61–64). Luther hat die in Th. 60 von Karlstadt formulierte Zurückweisung der Augustinkritik der via moderna in der 1. These der Disputatio contra scholasticam theologiam am 4. September 1517 als Einstieg gewählt, und Karlstadt ging in Th. 264–287 der Apologeticae Conclusiones ausführlicher auf die angeblich »exzessive« Redeweise Augustins und das Schicksal der ungetauft verstorbenen Kinder ein.

Das Thema »Gesetz und Gnade« nimmt in der Thesenreihe breiten Raum ein (Th. 65–110). Das biblische Gesetz führt zur Sündenerkenntnis (Th. 68f.) und ermahnt durch das äußere Wort, Gott zu suchen (Th. 70–72); letzteres aber wirklich zu wollen, ist ein Werk der inneren »verborgenen Inspiration« Gottes. Die Rechtfertigung folgt nicht der Erfüllung des Gesetzes, sondern geht ihr voraus (Th. 83). Derselbe Gedankengang wird mit Hilfe der Dialektik von littera (Gesetz ohne die Gnade) und spiritus (Gesetz in der Gnade) ausgeführt (Th. 84), worin sich die Lektüre von Augustins Schrift De spiritu et littera wiederspiegelt, über die Karlstadt im Anschluss an die Thesenreihe bis etwa Ende 1518 seine Vorlesung hielt. Der Geist ermöglicht die Erfüllung des Gesetzes, die das Gesetz fordert (Th. 85–90). Nachdem Karlstadt sowohl die Distinktionen des Duns Scotus als auch die des Thomisten Johannes Capreolus, mit denen diese die Fähigkeit des Menschen zu einer wenigstens unvollkommenen Gesetzeserfüllung auch ohne die göttliche Gnade begründen, zurückgewiesen hat (Th. 91–100), legt er die Grundlage für seine Bibelhermeneutik (Th. 101–110). Mit den Begriffen »Gesetz« und »Evangelium« bezeichnet er nicht das Alte bzw. Neue Testament, vielmehr sind sowohl das Alte als auch das Neue Testament »alt« bzw. »Buchstabe«, wenn sie ohne den von Gott geschenkten Glauben gelesen werden: »Das geschriebene Gesetz des Evangeliums ist alt.« (Th. 109) Und umgekehrt ist im Alten Testament, mit dem ins Herz gegossenen Geist als lex fidei gelesen, das Evangelium enthalten: »Dieselbe Gnade, die im Evangelium Christi mitgeteilt ist, lag auch im Alten Testament verborgen« (Th. 107). Eben diese Hermeneutik wird Karlstadt 1521 in seiner Schrift De legis littera weiter entfalten und differenzieren.

Das im Rahmen der Augustinrezeption bedeutsame Thema der Prädestination wird in den Thesen 111–133 erörtert, wobei auffällt, dass in diesem Teil relativ viele eigene Formulierungen Karlstadts neben den aus Augustin geschöpften stehen. Karlstadt übernimmt von Augustin die Lehre von der doppelten Prädestination (Th. 111, 121). Der detaillierte Vergleich mit dem zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der 151 Thesen in Wittenberg bekannten Libellus de exsecutione aeternae praedestinationis des Johannes von Staupitz bleibt eine Aufgabe der Forschung. Im Herbst 1520 wird Karlstadt das Thema Prädestination in einer weiteren Thesenreihe De tribulationis et praedestinationis materia89 erneut aufgreifen und mit einem 1517 noch nicht vorhandenen Aspekt verbinden, nämlich mit der Bewährung des Auserwählten im Leiden. Damit reagiert er auf das in der veränderten kirchenpolitischen Situation aufkommende Bedürfnis nach einer Märtyrererziehung.

Die bleibende Sünde im Gerechtfertigten (Th. 134–150) bringt Karlstadt in freier Anlehnung an Augustin auf die Formel: »Iustus ergo simul est bonus et malus: filius dei et filius seculi« (Th. 138). Im Rahmen von Reflexionen über das Wesen der Sünde stellt Karlstadt die Verwendung der aristotelischen Philosophie in der Theologie erstmals grundsätzlich in Frage: »Die Lehre des Aristoteles führt in den Schulen der Theologen zu einer üblen Mischung« (Th. 143). Damit weist er auch auf die Notwendigkeit einer Studienreform hin, die die Wittenbergertheologische Fakultät in den kommenden Semestern beschäftigen sollte und für die die Disputationen an der Fakultät die Funktion eines Schrittmachers hatten.


1Hier werden nur die für die vorliegende Edition relevanten Teile des Bandes vorgestellt. Zu den weiteren Inhalten siehe die Beschreibung ebd..
2* 23. 9. 1490 Nürnberg, † 5. 1. 1547 Breslau, BBKL 2, 784–786.
3Tauler, Sermones (1508), Exemplar der BEPS Wittenberg: fol. HTh 891.
4LUTHERI, ‖ MELANCH. CAROLOSTADII &c. ‖ PROPOSITIONES, VVITTEM=‖BERGAE uiua uoce tractatae, […]. Basel: [Adam Petri], 1522. Das vorliegende Exemplar dieses Druckes ist nicht, wie bislang angenommen, mit L 7642 identisch. Vielmehr handelt es sich um eine Variante mit Druckfehler: Auf fol. G 7r des Druckes fehlt oben die 1. Zeile (»xix. Porro uelamen per solam Christi fide'm' tol=«). Diese ausgefallene Zeile hat derselbe Schreiber, der auch die beigebundene handschriftliche Thesensammlung geschrieben hat, im Druck auf fol. G 6v unten handschriftlich nachgetragen.
5Das Titelblatt ist in dem Sammelband handschriftlich mit VIII gezählt, die folgenden Blätter des Druckes mit 1–55.
6* um 1480 Nürnberg, † 1549 Bamberg, BBKL 2, 513f.
7»omnia« am Rand nachgetragen.
8SB Berlin: Ms. theol. lat. oct. 91.
9»Positionum omnium Summa. MLXXXIIII:« (fol. G 8r).
11Der ursprüngliche Einband ist nicht erhalten; der Band erhielt zu einem unbekannten Zeitpunkt einen neuen Einband. Auf fol. 75v–77v sind von Hess’ Hand geschriebene Notizen am Rand beschnitten worden, was bei der zweiten Bindung erfolgt sein könnte.
12Hess ist in Wittenberg im April 1516 (Bubenheimer, Müntzer und Wittenberg, 13, Anm. 43), im Sommer 1517 (Seils, Heß, 260, 18) und Ende 1519/Anfang 1520 (BBKL 2, 784) nachgewiesen.
13Der Schreiber verwendet eine typische, sehr regelmäßige Buchschrift. Hess könnte einen Berufsschreiber beauftragt haben, die Sammlung nach von ihm gelieferten Vorlagen fortlaufend abzuschreiben.
14Fol. 71r und 76v. Siehe Kolde, Disputationsthesen, 464, Anm. 3 und 471, Anm. 1.
15Die späteste exakt datierbare Thesenreihe bietet 34 Thesen, über die Gottschalk Crop unter dem Vorsitz Karlstadts am 28. 11. 1522 pro licentia disputiert hat: Vgl. fol. 67v (»Gotschalcus Crop sub Andree [!] Carolostadio: doctore:«) mit Liber Decanorum (Faks.), fol. 34v; Kolde, Disputationsthesen, 460 Anm. 1.
16BBKL 2, 785.
17Seils, Heß, 260, 37f.
19Fol. 56r–65r, Kolde, Disputationsthesen, Nr. I–III.
20Die in der Forschung bislang alternativ auf »25. oder 26. April 1518« datierte Disputation (Leppin, Disputation, 168), fand an beiden Tagen statt. In der zweiten Wittenberger Sammelausgabe von Luthers Thesen (1531) hat Johannes Lang in seinem Exemplar (Luther, Propositiones (1531), BEPS Wittenberg: 8° LC 590/5) zu den Thesen Ex theologia notiert: »Disputatio haec habita est Heidelbergae in capitulo an'no' 1518. nobis praesentib'us'« (fol. B 3v). Das Kapitel fand am 25. April statt. Zu den Thesen Ex philosophia bietet Lang eine gesonderte Datierung: »hae propositiones disputatae sunt Heidelbergae an'no' 1518. sex'to' Kal'endarum' Ma'ii' [= 26. April] nobis praesentib'us'« (fol. B 5r). Zu den unterschiedlichen Überlieferungen über die Disputation vgl. Scheible, Universität Heidelberg, 309–313 und 316–323.
21Fol. 65v–72v; Kolde, Disputationsthesen, Nr. IV–XII. Eine Ausnahme bildet in diesem Block eine Zirkulardisputation Melanchthons vom 3. August 1520 (MStA 1, 54f.). Unsere Handschrift bietet hier jedoch nur die Überschrift Philippus Melan:. Für den Kompilator der Sammlung dürfte daher nicht erkennbar gewesen sein, dass es sich um eine Zirkulardisputation handelte.
22Fol. 72v–77r; Kolde, Disputationsthesen, Nr. XIII–XXIII.
23Vgl. die Handschriftenbeschreibung von Braun-Niehr, Handschriften, 159–164.
24Bogenkustoden: A ij, B, b ij [!], C, C ij.
25Der Verfasser der dritten Thesenreihe mit der Überschrift Tredecim conclusiones de christi incarnatione/ et humani generis reparatione (S. 8–10, abgedruckt in WA 6, 26f.) hat jedoch Karlstadt zum Verfasser. In dem hier verwendeten Exemplar der Waldenserbibliothek in Torre Pellice ist am Rand von der Hand Karlstadts notiert: »Anno 19 Andreas Carol'ostadius' praesedit respondente Nycasiohertzbergensi«. Diese Disputation fand am 26. August 1519 statt (Liber Decanorum (Faks.), fol. 29v). Vgl. Kähler, Nicht Luther, 351–360.
26»Quorundam aliorum doctorum conclusiones.« S. 2.
27Die vorletzte Thesenreihe Questio theologica cum quatuor conclusionibus de sacramentis noue legis (S. 23–24) endet mit der Subscriptio »M. J. D. Viltkerchen'sis'«.
28Zur Datierung der trigintatres conclusiones: de tribulationis et predestinationis Materia (S. 18–20) in die Zeit um Oktober 1520 siehe Bubenheimer, Reliquienfest, 98 und 100 Anm. 200.
29Zu Gottschalk siehe die Einleitung zu Pici conclusiones (KGK 026).
30Gottschalk hat die Anzahl sämtlicher in vorliegendem Druck enthaltenen Thesen nach den Angaben im Inhaltsverzeichnis zusammengezählt und auf dem Titelblatt notiert: »numero ccccxxx«.
31Diese Erkenntnis ist das Ergebnis der Durchsicht zahlreicher Sammelbände und Einzeldrucke aus dem Besitz Heino Gottschalks bzw. des Benediktinerklosters Oldenstadts bei Uelzen, die sich heute in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel befinden. Sie sind von Gottschalk oft reich glossiert und teilweise mit handschriftlichen Beibänden ergänzt. Auch die in Druck B vorliegende Thesensammlung hat Gottschalk am Schluss durch Hinzufügung weiterer Thesenreihen Luthers erweitert.
32In These 114 hat er »vacatio« richtig in »vocatio« verbessert.
33UUW, 20, Nr. 22.
34Ebd. 32, Nr. 23.
35Vgl. den Eintrag des Petrus Fontanus über seine Wahl zum Dekan am 22. 5. 1519: »[…] Post statutorum Vniuersitatis lectionem/ […] Decanus Theologice facultatis electus est Ex diui Francisci familia Venerabilis et Religiosus Pater Petrus Fontanus[…].«Liber Decanorum (Faks.), fol. 29v.
36Ebd. fol. 1v: »[…]Aurelius Augustinus Gymnasii nostri tutelaris deus«.
37Ebd. fol. 21v.
38Ebd. fol. 22r: »[…] in vigilia S. Augustini huius alme universitatis peculiaris patroni«. Karlstadt vermeidet als Bezeichnung für den Patron die in den Universitäts- und Fakultätsstatuten gebrauchte Formulierung: »tutelaris deus« (UUW, 20, Nr. 22; 32, Nr. 23). Karlstadt glossierte diese Bezeichnung im Dekanatsbuch am Rand kritisch: »blasphemia contra deum« (Liber Decanorum (Faks.), fol. 1v). Wann er diese Glosse geschrieben hat, ist unbekannt.
39Harald Bollbuck konnte in De intentionibus (siehe KGK 001) drei derartige Augustin-Zitate und in Distinctiones (KGK 002) ein Augustin-Zitat nachweisen.
40Siehe Pici conclusiones, These 13 (KGK 026 (Textstelle)).
41WA 1, 145–151.
42Luther an Johannes Lang, [Mitte Oktober 1516]; WA.B 1, 65, 24–66, 35.
43»Ego te, ait [scil. Martinus Luther], arbitrum diligenter monumenta ecclesiasticorum rimantem seligo constituoque.« Siehe KGK 064 (Textstelle).
44»Destinabam mecum mihi emendos esse ecclesiasticos, quorum tunc habebam nullum.« Siehe KGK 064 (Textstelle). Demnach hat Karlstadt in jener Zeit neben Augustin auch andere Kirchenväter gekauft.
46WA.B 18, 143, Nr. 4341, 8f. Vgl. Kähler, Karlstadt, 4*, Anm. 6.
47WA.B 18, 143, Nr. 4341, 2f.Luther hatte in dem Brief offenbar einige Scholastiker namentlich genannt, doch ist wegen Textverlust nur der Name des Scotus überliefert. Erkennbar ist aus dem Fragment, dass sich Johannes Dölsch damals Luthers Auffassung noch nicht angeschlossen hatte (ebd. Zeile 6). Luther hatte Dölsch – wie Karlstadt – zur Lektüre der Kirchenväter aufgefordert (ebd. 144, Anm. 2).
48Karlstadt an Spalatin, 28. 4. 1517: »Quas nuper Dominica Misericordia Domini, dieque sancta ostensionis venerabilium reliquiarum conclusiones centum quinquaginta duas publice affixi, tuae quoque R'everendae' D'ominationis' mittere pollicebar, iam hilari transmitto mente, humiliter deprecans, quatinus tua Dominatio me apud illustrissimum nostrum Principem commendare referreque dignetur, ob eius honorem id esse factum […].« Siehe KGK 059 (Textstelle).
49Zur Reliquienweisung in Wittenberg vgl. Kühne, Ostensio, 400–423.
50Auf dem Titelblatt seines Exemplars notierte Karlstadt: »Emi anno MDXVII Misericordia domini«; auf fol. e 8v (letzte, leere Seite des Drucks): »Emi 9 g'rossis' iii g'rossis' pindgeldt.« BEPS Wittenberg: fol. HTh 891.
51»Decanus promovendis assignet questiones disputendas[!], assignatas una cum die, hora et loco […]. promociones similiter et disputaciones intimet [scil. decanus] valvis ecclesiarum feria precedenti, specivocando nomina promotoris, promovendi, presidentis et respondentis […].«UUW, 33, Nr. 23. Ferner s. UUW, 30, Nr. 22.
52Den Eintrag im Dekanatsbuch schrieb Hergot noch eigenhändig. Der nächste Eintrag vom 27. Januar 1517 ist von der Hand des Petrus Lupinus geschrieben, der nach diesem Eintrag am 17. Januar den Vorsitz bei der Disputation Simon Caesars für dessen Promotion zum Sententiar geführt hatte. Es folgt darauf ein Eintrag von der Hand Karlstadts (siehe nächste Anm.). Liber Decanorum (Faks.), fol. 27r.
53»Reverendus pater D'ominus'Ioannes Heinrici ordinis predicatorum frater die lune xxiii Marcii in lectorio nove domus est publice licentiatus/ vices decanatus gerente D'omino'Andrea Carolstatensi etc'etera' anno MDXVII.«Ebd..
54UUW, 33, Nr. 23. Dass vor KarlstadtPetrus Lupinus anstelle des verhinderten Dekans Hergot einen Eintrag ins Dekanatsbuch geschrieben hatte, erklärt sich ebenfalls aus den Statuten: Falls auch der Prodekan (hier Karlstadt) verhindert war, hatte diesen wiederum dessen Amtsvorgänger zu vertreten (ebd.). Karlstadts Amtsvorgänger im Amt des Dekans war im Wintersemester 1515/16 Petrus Lupinus gewesen (Liber Decanorum (Faks.), fol. 26r).
55WA.B 1, 94, Nr. 38, 15ff.
56Scheurl an Karlstadt, 3. November 1517; siehe KGK 063 = Scheurl, Briefbuch 2, 37, Nr. 152.
57Zitiert oben KGK 058 (Anmerkung).
58»Voluntati dei nemo resistit.«
59Der Satz »Deus ex misericordia quibusdam donat penam peccati, a quibusdam iuste exigit penam.« ist nicht gezählt. Er bildet jedoch wie alle anderen Thesen einen eigenen Absatz und ist dadurch formal noch als eigene These erkennbar. In den Drucken A und B weist dieser Satz eine Zählung auf. Kolde, Disputationsthesen, 455 gibt die Zählung der Handschrift genau wieder und lässt die genannte ungezählte These ebenfalls ungezählt. Kähler, Karlstadt, 29* hat seinen Text zwar aus Kolde übernommen, jedoch die 111. These mit der folgenden ungezählten These zu einer These zusammengezogen.
60WA 1, 221–228.
61HAB Wolfenbüttel: 434.11 Theol. 2o. Zuerst abgebildet bei Katte, Kiste 143, 45. Ferner bei Kaufmann, Reformation, 140/141.
62»AD Subscriptas conclusiones Respondebit Magister Franciscus GuntherusNordhusensis pro Biblia. Presidente Reuerendo patre Martino Luder Augustinen'si' Sacrae Theologiae Vuittenburgen'si' decano loco et tempore statuendis.«Katte, Kiste 143, 45. Vgl. WA 1, 224, 1–3.
63Da im ersten Block die Nummer »xviii« versehentlich fehlt (Text der These 18 mit These 17 zusammengezogen), zählt dieser Originaldruck de facto nur 99 Thesen. WA zählt 97 Thesen, LStA 1, 165–172 zählt 100 Thesen, bietet zusätzlich jedoch auch die anderen Zählweisen.
64Die Drucke zählen mit römischen Zahlen, wobei sieben Blöcke je gesondert von »i« bis »xx« durchgezählt sind. Darauf folgt ein Block mit zehn Thesen, durchgezählt von »i« bis »x«. Die Zahlen sind ohne Punkt, jedoch mit größerem Spatium jeweils vor den Thesentext gestellt. Der letzten These ist statt einer Zahl das Wort »Ultima« vorangestellt, das in der Handschrift fehlt.
65Dabei zählt die Handschrift mit arabischen Zahlen zunächst von »1« bis »100«, dann von »1« bis »51«. Der letzten These ist dementsprechend die Zahl »51.« vorangestellt. Die Zahlen sind teilweise mit abschließendem Punkt geschrieben, größtenteils jedoch ohne Punkt.
66Insgesamt verweist Karlstadt im Augustinkommentar auf die Explicationes von 24 verschiedenen Thesen, die sich zwischen der 5. und der 148. These bewegen.
67Im Unterschied zur Handschrift (Zählung: 1 bis 100 und 1 bis 51) zählt Karlstadt in einem Zähldurchgang von 1 bis 150 durch. Die letzte These (151) scheint er nicht gezählt zu haben, da im Augustinkommentar (KGK 064 (Textstelle) = Kähler, Karlstadt, 84, 25f.) die 150. These als »conclusio terminalis« bezeichnet wird. Den abschließenden Satz scheint er nicht gezählt zu haben. Das entspricht der Drucküberlieferung, in der dieser Satz nicht gezählt ist, sondern mit »Ultima [scil. conclusio]« eingeführt wird.
68In These 44 ist durchgestrichen »contra omnes quasi: [scil. scolasticos]«. Nach den Drucken gehört diese Bemerkung zu These 43.
69Dabei setzten wir nach der Zahl einen Punkt. In der Handschrift sind die Zahlen teils ohne, teils mit Punkt geschrieben.
71»[…] atque eas [scil. conclusiones] certo imposterum per nonnullos dies tempore discutiendas. Mihi neque adversari immo placere, si sua illustriss'ima' gratia certos ex sua provincia Saxonica ad futurum certamen Theologicum destinare vellet.« Siehe KGK 059 (Textstelle).
72UUW, 27, Nr. 23.
74»Non multi menses lapsi sunt quod quidam e nostratibus philosophis cuius taceo nomen [am Rand: M'agister'Andreas Karlstadt] […] cum apud Saxones in famigeratissima urbe Halberstaden'si' paucis diebus ageret […] ita argute ita subtiliter ita acriter demum apud exteros ubi libros consulere non potuit in sacris litteris disputando philosophatus dicitur ut nomen illius philosophi hodierno die Halberstadensis clerus suspiret: amet: admireturque«. Beckmann, Oratio (1510), fol. a 4r–v.
75WA 1, 233, 5–7.
76Nach Luther hat Bernhardi die Thesen verfasst auf Grund dessen, was er von Luther gehört hatte (an Lang, [Mitte Oktober 1516]. WA.B 1, 65, Nr. 26, 18; 66, 36f. und 55–57).
78»[…] abunde in explicationibus probationibusve conclusionum mearum deduxi.« Siehe KGK 064 (Textstelle).
79Siehe KGK 069.
81Da Kähler, Karlstadt, 11*f. die 5. These missverstanden hat, sei sie übersetzt: »Unter den mit Zeugnissen Gestützten [näml. dicta] werden diejenigen vorgezogen, die sich auf die eindeutigeren [Schrift-]Autoritäten gründen.«
82Gemeint ist die Heilige Schrift.
83Gemeint ist der im Buchstaben sichtbare Literalsinn.
84Siehe die Anm. zum Text der Th. 151.
85Conclusiones decem et sex de diuine gratie cooperatione, überliefert in unserem Druck A, S. 20, beginnend mit der Frage (Th. 1): »An homo interior in vetustate ex parte permanens possit exterior censeri.« Siehe KGK 061.
86Näheres siehe in der Einleitung zu den 16 Conclusiones (KGK 061).
87Ein solcher für den am 22./23. April 1520 anstehenden Ablass des Allerheiligenstifts werbender Einblattdruck, datiert am 18. März 1520, ist in sieben Exemplaren erhalten, beginnend mit der Überschrift »Verkundung des grossen Aplas der weysung des hochwirdigen heiligthumbs jn Aller Heiligen stifftkirchen zu Wittenberg«, abgebildet in: Kühne, Alltag, 210, Nr. 4.9.3 mit Beschreibung durch Hartmut Kühne (210f.). Da der Umfang der durch den Ablass zu tilgenden Fegfeuerstrafe in dem Druck versehentlich unvollständig angegeben war, hat ein Schreiber den Umfang des Ablasses auf dem Blatt in korrekter Form nachgetragen. Nicht erkannt war bislang, dass dieser Schreiber Georg Spalatin war, der die Exemplare persönlich durchkorrigierte. Die sieben im ThHStA Weimar erhaltenen Exemplare dieses Druckes sind wohl bei der Verteilung bzw. Verschickung des Werbeplakats übrig geblieben und daher ins Ernestinische Archiv gewandert.
88Vgl. die Interpretation von Kähler, Karlstadt, 18*.

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