Nr. 293
Andreas Karlstadt an den Gemeindeausschuss der Stadt Rothenburg
Rothenburg ob der Tauber, 1524, 7. April

Einleitung
Bearbeitet von Stefanie Fraedrich-Nowag

1. Überlieferung

[a:] StA Nürnberg, Fst. Ansbach, Geheimes Archiv: Religionsakten 47, Suppl. 3, 13a, fol. 27r–28v

Es handelt sich um eine Abschrift von Kanzleihand.

[b:] StA Rothenburg, B 17, fol. 160–163

(Reinschrift von Zweifels Bauernkriegschronik von der Hand Thomas Zweifels)

Edition:

Beilage: Supplikation von Rothenburger Bürgern gegen die Messreformen und gegen Karlstadt, [Rothenburg ob der Tauber, 1525, 18. Mai].

[a:] StA Nürnberg, Reichsstadt Rothenburg, Bauernkriegsakten, 331, fol. 386r–391r

Es handelt sich um ein Konzept von unbekannter Hand; am linken, oberen Rand befindet sich von anderer Hand die Ziffer »29«.

[b:] StA Rothenburg, B 17, fol. 401v–405r

Eine Reinschrift von Zweifels Bauernkriegschronik von der Hand Thomas Zweifels.

Edition:

Literatur:

2. Entstehung und Inhalt

Nachdem der Rat der Stadt Rothenburg am 27. Januar 1524 ein Edikt erlassen hatte, das analog zu dem in den markgräflichen Landen geltenden Dekret die Beherbergung und Verköstigung Karlstadts sowie den Verkauf seiner Bücher und die Verbreitung seiner Lehre verbot,1 hielt sich Karlstadt mit der Unterstützung seiner Anhänger – unter ihnen der Ratsherr Ehrenfried Kumpf2, der Schulmeister Valentin Ickelsamer3, der Prediger Johannes Teuschlein4 sowie der blinde Franziskanermönch Hans Schmid5 – etwa acht Wochen heimlich in der Stadt auf.6 Während dieser Zeit entstanden wohl die drei Traktate Anzeige etlicher Hauptartikel christlicher Lehre (KGK 288), Erklärung von 1. Kor 10,16 (KGK 289) und Vom dem neuen und alten Testament (KGK 290), mit denen er auf Luthers zweiteilige Schmähschrift Wider die himmlischen Propheten antwortete.7 Insgesamt ist der Aufenthalt Karlstadts in Rothenburg für diesen Zeitraum, aber auch für die folgenden knapp zwei Monate seines öffentlichen Wirkens in der Stadt anhand der bekannten Quellen nur schwer greifbar. Neben den Chroniken des Stadtschreibers Thomas Zweifel und des Franziskanermönchs Michael Eisenhart8 geben lediglich die nach der Niederschlagung des bäuerlichen und städtischen Aufruhrs im Angesicht der drohenden Todesstrafe entstandenen Verhörprotokolle und Bekenntnisse der Beteiligten Aufschluss.9

Demnach fand Karlstadt wohl zunächst bei Ehrenfried Kumpf Unterschlupf10, der ihm zugleich als »Türöffner in die Rothenburger Gesellschaft«11 diente, die meiste Zeit verbrachte er jedoch im Hause des ebenfalls zum engeren Kreis der reformatorischen Bewegung in der Stadt gehörenden Tuchscherers Philipp Schleyt.12 Dieser gab in seiner Rechtfertigungsschrift nach dem Ende des Aufruhrs an, von Kumpf dazu überredet worden zu sein, der auch die Verantwortung dafür übernommen habe.13 Ehrenfried Kumpf war es dann auch, der die Anwesenheit Karlstadts in der Stadt am 26. März, zwei Tage nach der Usurpation der Stadtregierung durch Stephan von Menzingen durch die weitgehende Entmachtung des Rates und die Einsetzung eines Bürgerausschusses,14 vor dem Rat öffentlich machte15 – zu einem Zeitpunkt, an dem für alle Beteiligten aufgrund der geänderten politischen Rahmenbedingungen keine Konsequenzen wegen des Verstoßes gegen das städtische Edikt mehr zu erwarten waren.16 Damit konnte Karlstadt sich fortan nicht nur frei in der Stadt bewegen, ab Anfang April war es ihm auch erlaubt, zu predigen und seine Lehre zu verbreiten. Im Gefolge einer Predigt des blinden Mönchs Hans Schmid am 2. April 1525, die er »uff die karlstattischen opinion und meynung, gleych als uff den ausschuß getan«, war diesem zwar untersagt worden, im Namen des Ausschusses zu predigen, ihm und Karlstadt aber gleichzeitig erlaubt worden, ihre Lehren in der Pfarrkirche und im Barfüßerkloster zu predigen, was sie in der Folge mit großem Zulauf durch das »gemain volck und anderen so derselben materi anhengig« taten.17

Diese neue Entwicklung nutze Karlstadt nun, um sich mit der hier edierten Supplikation am 7. April an den Bürgerausschuss zu wenden und darum zu bitten, sich beim Rat für ihn einzusetzen, bei dem er aufgrund ungerechtfertigter Vorwürfe in Missgunst geraten sei. In diesem Zusammenhang verwies er auf das ohne vorherige Anhörung am 27. Januar erlassene Edikt18 und bot an, zu den gegen ihn und seine Lehre vorgebrachten Vorwürfen Stellung zu nehmen und diese aus dem Evangelium heraus zu entkräften. Obgleich das gegen ihn geübte Vorgehen des Rates selbst, wenn es gegenüber Türken bzw. Heiden geübt worden wäre, zu hart gewesen sei, betont er, keinen Groll gegen den Rat zu hegen und hofft, man werde ihm den Aufenthalt in der Stadt erlauben. Karlstadt strebte offenbar eine offizielle Aufhebung des vom Rat erlassenen Edikts an, um sich unabhängig vom Gemeindeausschuss und den politischen Rahmenbedingungen in der Stadt aufhalten und sich dort gegebenenfalls auch niederlassen zu dürfen, zumal seine Frau inzwischen in Rothenburg eingetroffen war.19

Die Supplikation Karlstadts wurde am 10. April auf dem Rathaus durch den Bürgerausschuss verlesen und anschließend dem Rat vorgelegt.20 Dieser ließ daraufhin verlauten, Karlstadt habe der Stadt durch seinen Aufenthalt bei den benachbarten Fürsten und im Reich Schaden zugefügt, da er aufgrund seiner Lehre und der damit verbundenen Tendenz zum Aufruhr dort nicht gelitten gewesen sei. Der Rat habe sich daher genötigt gesehen, das genannte Edikt zu erlassen,21 stelle es aber nun dem Bürgerausschuss als neuem städtischen Regiment anheim, Karlstadt den Aufenthalt und die Predigt seiner Lehren in Rothenburg zu erlauben. Der Bürgerausschuss beschloss daraufhin, »den Karlstatt also hie umbgeen und sein abentewer, dieweyl er sich zu recht but, besteen« zu lassen.22

In den folgenden Wochen widmete sich Karlstadt in erster Linie der Verbreitung seiner Lehre. So predigte er nach Aussage Hans Schmids eine ganze Woche in oder vor der Barfüßerkirche,23 wo ihn auch der Weber Jakob Beckel hörte, der in seinem Verhör angab, mit Karlstadts Ansichten zum Sakrament übereinzustimmen.24 Inhaltlich scheint es also – analog zum Inhalt der seit Herbst 1524 erschienenen Traktate25 – in den Predigten vornehmlich um die Abendmahlsfrage und die Reform der Messe gegangen zu sein. Kern seiner Ausführungen bildete wohl die Auslegung von Joh 6, die auch in den Predigten Schmids und wahrscheinlich auch Teuschleins und Ickelsamers zur Begründung der Ablehnung der Realpräsenz thematisiert wurde.26 Schmid distanzierte sich später von diesen Predigten und behauptete, von den »karlstadtischen materien« nur gepredigt zu haben, weil er von Kumpf, Ickelsamer und anderen Karlstadtanhängern dazu gedrängt und ihm Benefizien versprochen worden seien.27 Ob die Bilderfrage in den Predigten thematisiert wurde, geht aus den bekannten Quellen dagegen nicht hervor, auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Karlstadt seine Ansichten hierzu in seine Predigten einfließen ließ.28 Michael Eisenhart berichtet in seiner Chronik, Karlstadt habe am 17. und 19. April – in der Woche nach Ostern – »wider das hochwirdig sacrament« gepredigt, aber auch die römische Messe und ihre Zeremonien angegriffen. Vor diesem Hintergrund sah sich der Bürgerausschuss bemüßigt, ordnend einzugreifen und Karlstadt per Mandat anzuweisen, sich in seinen Auslegungen auf die vier Kirchenväter29 zu beschränken. Dieser antwortete nach Aussage Eisenharts, keine älteren Kirchenväter als Moses und die Propheten zu kennen,30 stellte also das biblische über das patristische Auslegungsprinzip.31

Parallel zu seiner Predigttätigkeit scheint Karlstadt in Rothenburg auch die bereits aus Orlamünde bekannte Praxis der collationes, der gemeinsamen und gleichberechtigten Bibelauslegung mit Laien,32 fortgesetzt zu haben. Bereits während seiner ersten Aufenthalte in Rothenburg vor dem Erlass des Ediktes hatte er mit seinen Anhängern an verschiedenen Orten in der Stadt, u.a. in den Häusern Kumpfs und Teuschleins, aber auch im Deutschordenshaus theologische Themen diskutiert.33 Darüber hinaus scheinen sich auch noch an anderen Orten und in anderen Zusammensetzungen im Anschluss an Karlstadts Predigten, aber wohl ohne seine Beteiligung, theologische Diskussionen ergeben zu haben: So berichtet Jakob Beckel, mit dem Leinenweber Engelhart Goppolt Gottes Wort diskutiert zu haben, ebenso mit Valentin Ickelsamer34, und auch im Haus des Kürschners Claus Frey sei von »gemelten dingen« geredet worden.35 Auch wenn diese Treffen nicht allein auf Karlstadts Einfluss zurückzuführen sein dürften – bereits vor der Ankunft Karlstadts in Rothenburg waren in den reformatorischen Kreisen der Reichsstadt politische und religiöse Themen diskutiert worden – dürfte Karlstadts Anwesenheit den theologischen Austausch unter den Laien dennoch befördert haben. Insgesamt scheinen Karlstadts Lehren gerade bei den einfachen Leuten verfangen zu haben – auch wenn diese den zu milden Umgang mit der Obrigkeit kritisierten.36 Insgesamt scheint Karlstadt sich gegenüber der bäuerlichen, aber auch der städtischen Rebellion zurückhaltend verhalten zu haben.37 Dies entspricht auch seiner grundsätzlichen Haltung gegen die Anwendung von Gewalt und für die Erhaltung der Ordnung, die lediglich Reformen auf biblischer Grundlage, aber keinen Umsturz vorsah.38

Wie groß Karlstadts Einfluss auf die städtischen und religiösen Entwicklungen während seines Aufenthalts in Rothenburg tatsächlich war, lässt sich anhand der Quellen nicht eindeutig beantworten. Bereits im September / Oktober 1524 – also vor Karlstadts erstem Aufenthalt in der Stadt39 – hatte die der Reformation zugewandte Partei in der Reichsstadt als Reaktion auf die im Auftrag Markgraf Kasimir im Sommer 1524 erarbeiteten 23 Artikel zur Reform der Kirche eine »Protstation und Schutzrede auf die 23 Artikel« verfasst, die zwar durchaus von Karlstadts Lehren beeinflusst zu sein scheint, seine direkte Beteiligung an der Abfassung ist jedoch auszuschließen.40 In insgesamt 20 Artikeln forderten sie hier u.a. eine stärkere Beteiligung der Laien in religiösen Fragen, die Reichung des Abendmahls in beiderlei Gestalt (Art. 5), die Abhaltung der Messe in deutscher Sprache (Art. 8 und 9) sowie das Recht der Laien zu predigen (Art. 13). Vor diesem Hintergrund dürfte es nicht allein dem Einfluss Karlstadts zuzuschreiben sein, dass nach der Entmachtung des Rates das althergebrachte religiöse Leben nahezu zum Erliegen kam.41 Obgleich Karlstadt sich nunmehr offen bewegen und seine Lehren verbreiten konnte und sicherlich auch über einen gewissen Einfluss verfügte, war und blieb er gleichzeitig doch abhängig von der Unterstützung einflussreicher Anhänger wie Kumpf oder Ickelsamer, die die Stadtregierung in seinem Sinne beeinflussen konnten, aber auch von der politischen Entwicklungen. Wie schnell die Situation sich auch wieder wenden konnte, zeigte sich bereits Mitte Mai bei der Rückkehr Karlstadts vom Bauernlager in Heidingsfeld, wo man ihn – obgleich Mitglied der städtischen Delegation unter Führung Ehrenfried Kumpfs – nicht hatte empfangen wollen:42 Bei seiner Rückkehr nach Rothenburg wurde ihm am Stadttor zunächst der Zutritt verweigert und es bedurfte der Fürsprache Menzingens, um ihm Einlass zu verschaffen.43 In seiner apologetischen Schrift Entschuldigung des falschen Namens des Aufruhrs (KGK 297) weist Karlstadt die Schuld für diese Wendung dem Bauernhauptmann Florian Geyer zu, der während seiner Abwesenheit Stimmung gegen ihn gemacht habe.44

Am 18. Mai, also wenige Tage nach seiner Rückkehr, reichten etliche Bürger45 eine gegen Karlstadt und seine Abendmahlslehre gerichtete Supplikation bei Rat und Bürgerausschuss ein, in der sie die Ausweisung Karlstadts und der ihm verbundenen Prediger sowie die Wiedereinführung der Messe forderten.46 Der rechte Gebrauch des Abendmahls sei in Rothenburg durch das Wirken Karlstadts und seiner Anhänger abhandengekommen. Diese hätten gegen den alten Brauch gepredigt und damit Schwierigkeiten verursacht.47 In diesem Zusammenhang kritisierten die Unterzeichner Karlstadt mit Verweis auf seine Predigten und jüngsten Schriften auch für seine grammatikalische Begründung seiner Sakramentenlehre,48 die für die meisten Zuhörer nicht nachzuvollziehen sei und sie im Vertrauen auf Karlstadts gepredigtes Wort vom wahren Wort Christi im Evangelium, abfielen.49 In der Folge gehen sie theologisch fundiert auf die Frage der Realpräsenz Christi im Abendmahl ein. Diese stelle ein Geheimnis Gottes dar, das für den Menschen nicht zu ergründen sei. Durch das Evangelium habe Gott den Menschen aber geboten, das Abendmahl in der von Christus vorgegebenen Form zu feiern, wonach sie sich zu richten hätten.50 Vor diesem Hintergrund forderten die unterzeichnenden Bürger Rat und Bürgerausschuss schließlich auf, Karlstadt und die Anhänger seiner Lehre der Stadt zu verweisen und die Bürger stattdessen mit wahrhaft christlichen Predigern zu versorgen und anzuordnen, die Messe und andere Gottesdienste fortan in lateinischer und deutscher Sprache zu halten.

Nach Verlesung dieser Supplikation im Rat traten erneut die unterschiedlichen Positionen zu Tage, die sich auch in der Stadt bemerkbar machten – so gingen die Befürworter dieses Vorstoßes von Haus zu Haus, um weitere Unterschriften für die Unterstützung ihres Anliegens zu sammeln, während die Anhänger Karlstadts begannen, es ihnen gleich zu tun und ihrerseits Unterschriften für eine Gegensupplik zu sammeln. Um die damit angelegte Bildung zweier Lager zu vermeiden, entschied der Rat daraufhin, die Supplikation zurückzuhalten und im Bürgerausschuss nicht verlesen zu lassen, so dass eine Entscheidung hierüber ausblieb.51 Dennoch hatte sich Karlstadts Position in der Stadt deutlich verschlechtert, so dass er befürchten musste, auf absehbare Zeit erneut der Stadt verwiesen oder sogar bestraft zu werden. Anfang Juni kehrte er nach der Reise zum Bauernlandtag nach Schweinfurt nicht nach Rothenburg zurück, sondern begab sich mit seiner Familie zu seiner Mutter nach Karlstadt am Main, wo er nach eigener Aussage eine Stelle erlangt oder zumindest in Aussicht hatte.52


1Hierzu siehe KGK 285 nebst Beilage 1.
2Zu ihm siehe Vice, Kumpf.
3Zu ihm siehe Vice, Ickelsamer.
4Zu ihm siehe Bollbuck, Teuschlein.
5Zur Anhängergruppe Karlstadts in Rothenburg siehe auch Rupp, Teuschlein, 185f.
6Diese Zeitspanne ergibt sich aus der Aussage Ehrenfried Kumpfs, der am 26. März als er die Anwesenheit Karlstadts in der Stadt vor dem Rat öffentlich machte (vgl. Baumann, Quellen, 92f.), angab, Karlstadt habe sich seit dem Erlass des Ediktes gegen ihn – also seit dem 27. Januar – heimlich in der Stadt aufgehalten; vgl. Baumann, Quellen, 92f. Hierzu siehe auch die Aussage Stefan von Menzingens im peilichen Verhör nach dem Ende des Aufruhrs in Rothenburg: »Karlstats halben wiß er nit wo er enthalten sey worden/ dann biß sich die auffrur begeben hett Kumpff den uffs haus gefurt/ und im mentzinger gesagt er wer wol vi wochen hie gewest.« (StA Nürnberg, Rst. Rothenburg, Bauernkriegsakten, 338, fol. 67r). Die falsche Angabe des Zeitraums – sechs statt acht Wochen – dürfte dem zeitlichen Abstand und der Verhörsituation geschuldet sein.
7Zur Entstehung und Drucklegung dieser Schriften siehe die Einleitung zu den jeweiligen Einheiten, insbesondere zu KGK 290.
8Vgl. Baumann, Quellen. Zu Chronik Zweifels siehe auch Quester, Rad, 21–109.
9Hierbei handelt es sich in erster Linie um die Aussagen Hans Schmids, Johannes Teuschleins, Stefan von Menzingens und Jakob Beckels, die sich heute im StA Nürnberg befinden.
10Vgl. hierzu die Aussage Kumpfs vor dem Rat am 26. März, wonach Karlstadt »haimlich enthalten worden were durch ine und ander christlich bruder« (Baumann, Quellen, 92). Kurzfristig – möglicherweise bei seinem ersten Aufenthalt in Rothenburg, der für den November 1524 anzunehmen ist (hierzu siehe KGK 285), in jedem Fall aber vor Erlass des Ediktes am 27. Januar 1525 hielt sich Karlstadt auch im Hause Teuschleins auf, der angab, ihn »vor dem es es [sic!] im verpoten sein worden behausiget und beherbergt hat im essen und trincken geben/ dann er hat es im zu wittemberg auch gethan« (StA Nürnberg, Rst. Rothenburg, Bauernkriegsakten, 338, fol. 71r) – Teuschlein war 1508 in Wittenberg immatrikuliert worden; zu seiner akademischen Karriere siehe Bollbuck, Teuschlein.
12Hier traf ihn auch der Buchführer Lienhardt Götz: »Item Philips Duchscherer der het ine uf insmals heim erfordert, het er gar nit gewist, ob Karlstat in seinem haus sei oder nit, dann allein, do er in sein haus komen, het er ein man in einem swartzen bart aldo gesehen, het ime der duchscherer gesogt, es were der Karlstatt (Franz, Götz, 268). Zu Götz' Aufenthalt in Rothenburg siehe auch die Einleitung zu KGK 290.
13Philipp Schleyd an den Rat der Stadt Rothenburg, 17. November 1525: »[…] und in sunderhait mit dem andreas karlstat des mir doch von herzen entgegen unnd wider ist auch mein gemut gott sey mein gezeug nie gestanden den jhenen so ob gemelt wirde EEFW zu halten/ hab auch solches auß kainem frevel noch aygen mutwillen sunder auß lautterm unverstandt gethan auch nit gewist das solchs EEFW entgegen ist gewest. Hab denn jhenen so obgemelt von mir selbs nit angenumen sunder wie EW gut wissens ist der Erefridt Kumpff mir den jhenen so obgemelt in meinem hauß erhalten [= unterhalten, ernähren] wie auch fur all schaden gesprochen [bürgen] der gleychen offenlich on mein wissen und willen auß meinem hauß gefurt das mir dochs gantz zu wider ist gewesen sunder haimlich vermaindt außgefurth worden« (StA Nürnberg, Rst. Rothenburg, Bauernkriegsakten, 333.1, fol. 189r). Zum Aufenthalt Karlstadts bei Schleyd vgl. auch das Verhör Hans Schmids: Nach dessen Aussage berichtete ihm der Apotheker der Stadt nicht nur von einer Predigt Karlstadts in der Pfarrkirche am 4. April, sondern wusste zugleich auch vom Aufenthalt Karlstadts im Hause des Tuchscherers Philipp Schleyd: »am dinstag in der palm wochen hat im der apodeker gesagt wie der karlstat hie verporgen gewest wer in philips duchscherers haus und der apodeker het den karlstat schon[?] in der pfarrkirchen gen[?] und gehort das im philips duchscherern sollt gehalden haben.« (StA Nürnberg, Rst. Rothenburg, Bauernkriegsakten, 338, fol 78v).
14Ab Anfang März war es im Rothenburger Weichbild vermehrt zu Unruhen in der Bauernschaft gekommen, deren Forderungen auch in die Stadt getragen wurden, wo sich in der Folge verschiedene Parteien bildeten. Am 24. März kam es schließlich unter der Führung Stephan von Menzingens zur Entmachung des vom Patriziat bestimmten Rates und zur Bildung eines Bürgerausschusses, in dem auch der äußere Rat aufging. Dieser sympathisierte mit den Ideen der aufständischen Bauern und Handwerker. Der innere Rat blieb zwar formal im Amt, war aber praktisch machtlos. Dieser Gegensatz sollte in der Folgezeit die politischen Vorgänge in der Stadt prägen. Vgl. Baumann, Quellen, 55f. und 596; Schattenmann, Einführung der Reformation, 56f.; Quester, Rad, 236.
16Vgl. hierzu auch die Aussage des Rates nach der Bekanntgabe von Karlstadts Anwesenheit in der Stadt: »Aber dabey muste es ain rat beleyben lassen, dann nachdem yetz ain gemaind herr was und regirten durch iren ausschuß wie und was sie wöllten, könnten sie darwider nichtz handeln, sondern musten es geschehen lassen, stunden dazumal uff und giengen ab.« (Baumann, Quellen, 92f.). Zum Verhältnis von Ausschuss und Rat siehe auch Schattenmann, Einführung der Reformation, 56f.
17Vgl. Baumann, Quellen, 146. Zur Predigttätigkeit Karlstadts und seiner Anhänger siehe auch unten KGK 293 (Anmerkung) und KGK 293 (Anmerkung).
18Beilage 2 zu KGK 285.
19Anna von Mochau war nach der Geburt des zweiten Kindes Anfang des Jahres ebenfalls aus Sachsen verwiesen worden; vgl. KGK VII, Nr. 282 Anm. 4. Wann sie in Rothenburg eintraf, ist nicht bekannt. Dass sie sich dort aufhielt, geht aus dem Verhör Hans Schmids hervor, der von einem Treffen berichtet, zu dem auch Karlstadt und seine Frau geladen waren: »Darnach sein [Schmids] schweger melcher sein haußfrauen auch karlstat und sein haußfrauen auch darzu geladen.« (StA Nürnberg, Rst. Rothenburg, Bauernkriegsakten, 338, fol. 79r). Darüber hinaus befand sich Karlstadt auf seinem Weg zum Bauernlandtag nach Schweinfurt am 1. Juni und der anschließenden Odyssee durch Franken in Begleitung seiner Frau. Hierzu siehe auch KGK 295 sowie KGK 297.
20Vgl. Baumann, Quellen, 161–163.
21Damit wiederholte der Rat seine bereits bei Erlass vorgetragene Argumentation; vgl. Beilage 1 zu KGK 285.
23Vgl. das Verhör Hans Schmids »[…] die [einige Anhänger der neuen Lehre] heten gewollt er sollt den karlstat predigen lassen in seiner kirchen […] daruber er [= Schmid] zornig gewest wer hett karlstat darnach die gantz wochen gepredigt […] wern allerley gesinds das zugeloffen wer wiß nit wer sie all gewest sein dan er hett es nit konden sehen.« (StA Nürnberg, Rst. Rothenburg, Bauernkriegsakten, 338, fol. 79v–80r).
24Vgl. das Verhör Jakob Beckels: »[…] er sey ain mal beym Karlstat under der kirchthur im Barfussen […] gestanden und sunst nye es hett ime auch das predigen und das ding(?) alles wol gefallen wer auch sein will und maynung gewest« (StA Nürnberg, Reichsstadt Rothenburg, Bauernkriegsakten, 338, fol. 186v–187r).
25KGK VII, Nr. 272–279.
26Vgl. das Verhörprotokoll des Hans Schmid: »Als ain rat in und die andern prediger ersucht hab von karlstats materii zupredigen hab er gesagt er hab karlstats materii kain wissen auch nit gelesen geheren aber wann er kam uffs sechst capitel johannis so wird er predigen was dieselbe materii geeb.« (StA Nürnberg, Reichsstadt Rothenburg, Bauernkriegsakten, 338, fol. 79r–v) sowie das Verhörprotokoll des Jakob Beckel: »Item er habs vom plinden munch Johannis Im sechsten gehort. Item vom doctor [= Teuschlein] das es ketzerei mit dem sacrament.« (StA Nürnberg, Reichsstadt Rothenburg, Bauernkriegsakten, 338, fol. 186v). Letztere Aussage scheint sich allerdings eher auf Joh 13,34 zu beziehen; vgl. das Verhör Johannes Teuschleins: »Es sey war das er gepredigt hab auß dem evangelion johanns von der sonderlichen lieb das ainer mit leyden mit dem andern [[…]] soll.« (StA Nürnberg, Reichsstadt Rothenburg, Bauernkriegsakten, 338, fol. 72r–v).
27Vgl. das Verhör Hans Schmids: »und hett er danach davon predigt mer aus reizung Kumpff veltin yckelßhammers Knaplins und ander die ime derhalben hessig brief zugeschriben und under augen gesagt hetten er wer ain heuchler und predigt was die heren gern hören er lieg und holwang darff der warheit nit sagen. Ine dadurch dahin bewegt das er nach carlstats materi und iren maynung predigt hett wollt er hett es nit gethan.« und weiter »In zeyt der ufrur wern ehrfried kumpff, claus frey veltin und ander zu im kommen hetten in angericht kecklich zupredigen und die warheit sagen dann die sach word noch gut werden wollten im ain pfund geben.« (StA Nürnberg, Reichsstadt Rothenburg, Bauernkriegsakten, 338, fol. 82r und 84v)
28Vgl. Vice, Iconoclasm, 57–69. Ob die für Rothenburg belegten Störungen der Messe sowie die Entfernung der Bilder, Kelche und prunkvollen Gewänder aus den Kirchen dem direkten Einfluss Karlstadts zuzuschreiben sind, muss vor diesem Hintergrund offen bleiben.
30Vgl. Baumann, Quellen, 599f.
32Hierzu siehe u.a. die Traktate Was Bann und Acht sei (KGK VII, Nr. 250) sowie Wie sich Glaube und Unglaube halten (KGK VII, Nr. 274).
33Vgl. z.B. das Verhör Hans Schmids: »Erstlich sey ja war das der karlstadt er der komtur und doctor Dewsch [= Teuschlein] in doctors haus im Dewtschen haus und Kumpffen haus mermals beyeinander gewest hetten nit allein von dem artikel dess sacraments sonder auch von tauff sich underredt und tractirt.« (StA Nürnberg, Rst. Rothenburg Bauernkriegsakten, 338, fol. 82r). Hierzu siehe auch das Verhör Menzingens: »Item mit dem Karlstat sey er zum ostermal bey dem doctor und dem komtur im teutschenhaus gewest haben mit ime geratschlagt seine büchlin und argument wider das sacrament zu predigen.« (StA Nürnberg, Rst. Rothenburg, Bauernkriegsakten, 338, fol. 63r). Schmid berichtete in seinem Verhör noch von weiteren Treffen; vgl. StA Nürnberg, Rst. Rothenburg Bauernkriegsakten, 338, fol. 77r–78r, hierzu siehe auch Vice, Kumpf, 155 sowie Vice, Ickelsamer, 78.
34Vgl. das Verhör Jakob Beckels: »Er sey am maisten mit Engelhart webern umbgangen hett mit ime von dem wort gots geredt und gehandelt/ Item bey Valentin Yckelßhaim sey er auch geweset hab ain mal mit im zecht.« (StA Nürnberg, Rst. Rothenburg Bauernkriegsakten, 338, fol. 184r).
35Vgl. das Verhör Jakob Beckels: »Item er wer ainsmals in claus freyen haus an ainer zech gewest darinnen wer geredt worden vom gemelten dingen.« (StA Nürnberg, Rst. Rothenburg Bauernkriegsakten, 338, fol. 184r).
36Vgl. das Verhör Hans Schmids: »so sey das gemain pofel zu Im komen haben In darumb angeredt und gesagt er sollt die obern und gewalltigen auch anregen und nit also heuchelen.« (StA Nürnberg, Rothenburg Bauernkriegsakten, RA 338, fol. 86r).
37Hierzu siehe auch KGK 294.
38Vgl. KGK 294 (Anmerkung). Hierzu siehe auch Von dem Sabbat (KGK VII, Nr. 252) sowie die Wittenberger Stadt- und Kirchenordnung (Beilage zu KGK V, Nr. 219), an deren Abfassung Karlstadt beteiligt gewesen war.
39Hierzu siehe KGK 285 (Anmerkung).
40Sowohl Schattenmann, Einführung, 47 als auch Barge, Karlstadt 2, 306 mit Anm. 14 gehen von Teuschlein als Verfasser aus. Zum Text siehe Schattenmann, Einführung, 159–177.
41Zweifel und Eisenhart berichten von der Einstellung der Messen und Gottesdienste, Weihehandlungen, Taufen und Austeilung des Sakraments; vgl. Baumann, Quellen, 258 und 598f.
42Hierzu siehe KGK 294.
45Über die Unterzeichner der Supplikation ist nichts Näheres bekannt. Auch über ihre Anzahl gibt es nur ungenaue Angaben – der Stadtschreiber Thomas Zweifel beziffert sie mit »ob oder bey 200 person« (Baumann, Quellen, 373).
46Vgl. die Beilage zu dieser Einheit. Karlstadt vermutete den Bauernhauptmann Florian Geyer als Drahtzieher hinter diesem Vorstoß; vgl. Entschuldigung des falschen Namens das Aufruhrs (KGK 297 (Textstelle)). Der gesamte Duktus der Schrift lässt zudem darauf schließen, dass der oder die Verfasser theologisch gebildet waren und Kenntnis der Schriften Karlstadts hatten.
47Hiermit verwiesen sie auf die seit Mittfasten (27. März), also der Übernahme des Stadtregiments durch den reformfreundlichen Bürgerausschuss, vorgenommene Einstellung der Messen und Gottesdienste, Weihehandlungen, Taufen und Austeilung des Sakraments. Überdies hatten die Predigten Karlstadts, Teuschleins und des Deutschordenskomturs Kaspar Christian – so der Bericht des Stadtschreibers Thomas Zweifel – bei den einfachen Leuten zu einer großen Abneigung gegen das Sakrament geführt, was sich auch in tätlichen Angriffen geäußert hatte; vgl. Baumann, Quellen, 258.
48Karlstadt begründete beispielsweise, dass der Satz »hoc est corpus meum« sich allein auf Christi Leib beziehe und nicht auf eine Zeigegeste auf das Brot damit, dass hoc grammatisch nicht zu panis passe; vgl. Dialogus von dem Missbrauch des Sakraments (KGK VII, Nr. 277, S. 456, Z. 9–11; S. 457, Z. 1–10 u. S. 458, Z. 8–16 mit Bezug auf griechische Interpunktion). Auch in Von dem neuen und alten Testament hatte er grammatikalisch argumentiert; vgl. KGK 290 (Textstelle).
51Vgl. Baumann, Quellen, 373f. Die Mitglieder des Bürgerausschusses dürften jedoch aufgrund der Unterschriftensammlung dennoch Kenntnis von der Supplikation gehabt haben.
52Vgl. das Verhör Hans Schmids: »Desgleychen hett er Veltin [Ickelsamer] auch geschriben und dabey wie er prediger zu Karlstat worden wer.« (StA Nürnberg, Reichsstadt Rothenburg, Bauernkriegsakten, 338, fol. 87v). Zum Schreiben an Ickelsamer siehe KGK 295. Ob es sich hierbei um eine spontane Entscheidung handelte oder ob Karlstadt die Reise zum Bauernlandtag bewusst nutzte, um Rothenburg unbemerkt zu verlassen, muss letztlich offen bleiben, die Tatsache, dass er sich in Begleitung seiner Familie befand, lässt jedoch darauf schließen, dass er nicht vorhatte, nach Rothenburg zurückzukehren.

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