1. Überlieferung
Frühdrucke:
Diſputatio ‖ excellentium.D.doorū Iohannis Eccij & ‖ Andreę Caroloſtadij q̄ cepta eſt Lipsię ‖ XXVII.Iunij.AN.M.XIX. ‖ Diſputatio ſecunda.D.Doorū Iohānis ‖ Eccij & Andreę Caroloſtadij q̄ cepit ‖ XV.Iulij. ‖
in:
Eck, Johannes; Karlstadt, Andreas Bodenstein von; Luther, Martin
Diſputatio ‖ excellentium.D.doorū Iohannis Eccij & ‖ Andreę Caroloſtadij q̄ cepta eſt Lipsię ‖ XXVII.Iunij.AN.M.XIX. ‖ Diſputatio ſecunda.D.Doorū Iohānis ‖ Eccij & Andreę Caroloſtadij q̄ cepit ‖ XV.Iulij. ‖ Diſputatio eiuſdem.D.Iohannis Eccij & ‖ D.Martini Lutheri Auguſtiani q̄ ǁ cepit.IIII.Iulij. ‖
[Erfurt]: [Matthes Maler], [1519], fol. A1v‒D4v und P3v‒P4r.
4°, 62 Bl., A6, B4‒P4.
Editionsvorlage:
BSB München, Rar. 1954, Digitalisat.Bibliographische Nachweise:
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 21.
- Benzing, Lutherbibliographie, Nr. 405.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 15.
- Hase, Bibliographie, 388.
- VD 16 E 321.
Diſputatio ‖ excellentium.D.doorū Iohannis Eccij & ‖ Andreę Caroloſtadij q̄ cepta eſt Lipsię ‖ XXVII.Iunij.AN.M.XIX. ‖ Diſputatio ſecunda.D.Doorū Iohānis ‖ Eccij & Andreę Caroloſtadij q̄ cepit ‖ XV.Iulij. ‖
in:
Eck, Johannes; Karlstadt, Andreas Bodenstein von; Luther, Martin
Diſputatio ‖ excellentium.D.doorū Iohannis Eccij & ‖ Andreę Caroloſtadij q̄ cepta eſt Lipsię ‖ XXVII.Iunij.AN.M.XIX. ‖ Diſputatio ſecunda.D.Doorū Iohānis ‖ Eccij & Andreę Caroloſtadij q̄ cepit ‖ XV.Iulij. ‖ Diſputatio eiuſdem.D.Iohannis Eccij & ‖ D.Martini Lutheri Auguſtiani q̄ ǁ cepit.IIII.Iulij. ‖
[Erfurt]: [Matthes Maler], [1519], fol. A1v‒D4v und P3v‒P4r.
4°, 62 Bl., A6, B4‒P4.
Editionsvorlage:
BSB München, W 4 Theol. 5457#14.Weitere Exemplare: Ev. Stift Tübingen, q 8 an 2.
Bibliographische Nachweise:
- Freys/Barge, Verzeichnis, b. 21.
- Benzing, Lutherbibliographie, Nr. 405.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 15.
- Hase, Bibliographie, 388.
- VD 16 ZV 4858.
Diſputatio ‖ excellentium.D.doorū Iohannis Eccij & ‖ Andreę Caroloſtadij q̄ cepta eſt Lipsię ‖ XXVII.Iunij.AN.M.XIX. ‖ Diſputatio ſecunda.D.Doorū Iohānis ‖ Eccij & Andreę Caroloſtadij q̄ cepit ‖ XV.Iulij. ‖
in:
Eck, Johannes; Karlstadt, Andreas Bodenstein von; Luther, Martin
Diſputatio ‖ excellentium.D.doorū Iohannis Eccij & ‖ Andreę Caroloſtadij q̄ cepta eſt Lipsię ‖ XXVII.Iunij.AN.M.XIX. ‖ Diſputatio ſecunda.D.Doorū Iohānis ‖ Eccij & Andreę Caroloſtadij q̄ cepit ‖ XV.Iulij. ‖ Diſputatio eiuſdem.D.Iohannis Eccij & ‖ D.Martini Lutheri Auguſtiani q̄ ǁ cepit.IIII.Iulij. ‖
[Erfurt]: [Matthes Maler], [1519], fol. A1v‒D4v und P3v‒P4r.
4°, 62 Bl., A6, B4‒P4.
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, A: 459 Theol. (2).Weitere Exemplare: HAB Wolfenbüttel, H: S 180.4° Helmst. (2). — ZB Zürich, III N 153, Nr. 3.
Bibliographische Nachweise:
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 22.
- Benzing, Lutherbibliographie, Nr. 406.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 15.
- Hase, Bibliographie, 389.
- VD 16 ZV 29362.
Diſputatio ‖ excellentium.D.doorū Iohannis Eccij & ‖ Andreę Caroloſtadij q̄ cepta eſt Lipsię ‖ XXVII.Iunij.AN.M.XIX. ‖ Diſputatio ſecunda.D.Doorū Iohānis ‖ Eccij & Andreę Caroloſtadij q̄ cepit ‖ XV.Iulij. ‖
in:
Eck, Johannes; Karlstadt, Andreas Bodenstein von; Luther, Martin
Diſputatio ‖ excellentium.D.doorū Iohannis Eccij & ‖ Andreę Caroloſtadij q̄ cepta eſt Lipsię ‖ XXVII.Iunij.AN.M.XIX. ‖ Diſputatio ſecunda.D.Doorū Iohānis ‖ Eccij & Andreę Caroloſtadij q̄ cepit ‖ XV.Iulij. ‖ Diſputatio eiuſdem.D.Iohannis Eccij & ‖ D.Martini Lutheri Auguſtiani q̄ ǁ cepit.IIII.Iulij. ‖
[Erfurt]: [Matthes Maler], [1519], fol. A1v‒D4v und P3v‒P4r.
4°, 62 Bl., A6, B4‒P4.
Editionsvorlage:
BSB München, 4 Hom. 1596 d, Digitalisat.Weitere Exemplare: UB Heidelberg, Salem 78,3/E RES.
Bibliographische Nachweise:
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 22.
- Benzing, Lutherbibliographie, Nr. 406.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 15.
- Hase, Bibliographie, 389.
- VD 16 ZV 29362.
Diſputatio ‖ excellentium.D.doctorū Iohannis Eccij & ‖ Andreę Caroloſtadij q̄ cepta eſt Lipsię ‖ XXVII.Iunij.AN.M.D.XIX. ‖ Diſputatio ſecunda.D.Doorū Iohānis ‖ Eccij & Andreę Caroloſtadij q̄ cepit ‖ XV.Iulij. ‖
in:
Eck, Johannes; Karlstadt, Andreas Bodenstein von; Luther, Martin
Diſputatio ‖ excellentium.D.doctorū Iohannis Eccij & ‖ Andreę Caroloſtadij q̄ cepta eſt Lipsię ‖ XXVII.Iunij.AN.M.D.XIX. ‖ Diſputatio ſecunda.D.Doorū Iohānis ‖ Eccij & Andreę Caroloſtadij q̄ cepit ‖ XV.Iulij. ‖ Diſputatio eiuſdem.D.Iohannis Eccij & ‖ D.Martini Lutheri Auguſtiniani q̄ ǁ cepit.IIII.Iulij. ‖
[Erfurt]: [Matthes Maler], [1519], fol. A1v‒D4v und P3v‒P4r.
4°, 62 Bl., A6, B4‒P4.
Editionsvorlage:
Wolfenbüttel, H: H 65.4° Helmst. (4), Digitalisat.Weitere Exemplare: [A₅Lp] UB Leipzig, Kirchg.948/5 (mit zahlreichen hsl. Notizien) — UB Leipzig, Libri.sep.2379 (auf dem Titelblatt Widmung an Georg Spalatin von der Hand Johannes Langs) — MKB Goslar, 349,4 (aus dem Besitz von Andreas Gronewalt) — BSB München, Res/4 H.ref. 258, Digitalisat — ULB Münster, COLL. ERH. 313, Digitalisat — UB Paderborn Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek, Th. 6116(19) (aus dem Besitz von Otto Beckmann), Digitalisat — ÖNB Wien, *35.R.200, Digitalisat — [A₅Zü] ZB Zürich, Gal III 48 Nr.4 (Mischform)
Bibliographische Nachweise:
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 23.
- Benzing, Lutherbibliographie, Nr. 407.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 15.
- Hase, Bibliographie, 390.
- VD 16 E 320.
Der aus der Werkstatt von Matthes Maler stammende Druck liegt in mindestens fünf Varianten vor, von denen die ersten vier (A₁ bis A₄) durch eine unterschiedliche Mischung der Druckfehlerkorrekturen in den Bogen A bis D auffallen. Demgegenüber wurden die hier edierten ersten vier Bogen von A₅ neu gesetzt; nur der letzte Bogen P ist identisch mit den Varianten A₁, A₃ und A₄. Die erste Auflage des letzten Bogens P bietet dagegen nur A₂, welche eine Reihe weiterer Besonderheiten enthält. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es noch weitere Exemplare mit einer anderen Zusammenstellung der Bogen geben könnte, wie im Fall von A₅Zü, wo Bogen A–D der letzten Druckvariante entsprechen, Bogen P dagegen mit A₂ identisch ist. Die aus der Kollation der hier betrachteten Exemplare gewonnenen Daten ermöglichen jedoch eine plausible Rekonstruktion der Abfolge der Drucklegung.
Keines der bisher gesichteten Exemplare bietet in ihrer ersten Auflage alle Bogen. Bei den Bogen A bis D ist A₁ die älteste Fassung und damit die Variante mit den meisten Druckfehlern: Sie enthält nicht nur den Tippfehler im Titel »Augustiani«, der nur in A₅ korrigiert wurde1, sondern auch eine Reihe von Ungenauigkeiten, die in allen nachfolgenden Auflagen verbessert wurden.2 Abgesehen von diesen Korrekturen und nur wenigen weiteren kleineren Abweichungen3 sind die Druckvarianten A₁, A₂ und A₃ in Bogen A bis C nahezu, im Bogen D dagegen vollkommen identisch. A₄ markiert eine Zwischenstufe zwischen den ersten drei und der letzten Ausgabe A₅: Sie stimmt im Bogen A mit A₁–₃ überein – abgesehen von einer Korrektur in einer Überschrift auf fol. A6r4; Bogen B weist stattdessen gegenüber den ersten drei Auflagen eine Reihe von typographischen Varianten (Zeilenumbrüche, Abkürzungen, Spatien, Interpunktion) auf, die anschließend in A₅ übernommen wurden, ohne dabei aber dieser letztgenannten Vorlage vollständig zu entsprechen.5 A₄ und A₅ stimmen dann in Bogen C und D weitgehend überein, abgesehen von einer kleinen Abweichung auf fol. C3r.6
Der Bogen P, auf dem die ConclusionesKarlstadts (KGK 117) abgedruckt sind, stellt eine Ausnahme bezüglich dieser Druckschritte dar: Dessen vermutlichen Erstdruck bietet die Variante A₂, die typographische Besonderheiten7 und – besonders auffällig – auf fol. P2r die Datierung »M.D.xx« aufweist, während alle anderen Druckvarianten (A₁ und A₃ bis A₅) neu gesetzt wurden und die Jahreszahl der Disputation (»M.D.xix.«) als Datierung tragen. Diese Abweichung läßt sich durch eine genaue Betrachtung des Bogens P klären. Er enthält auf den ersten beiden Blättern die letzten Passagen der Disputation zwischen Luther und Eck (P1r–P2r); auf den verbleibenden Blättern (P2v–P4r), die gefüllt werden mussten, sind die Conclusiones der drei Theologen nachgedruckt. Fol. P2r gibt also eine fiktive Abschlußerklärung der Disputation wieder, weil die tatsächliche Reihenfolge nach der ersten Disputation zwischen Eck und Karlstadt (27. Juni–3. Juli) und nach der Disputation zwischen Eck und Luther (4.–14. Juli) noch eine zweite Disputation zwischen Eck und Karlstadt (14.–15. Juli) vorsah, an deren Ende die ausgesprochene Schlusserklärung abgedruckt worden ist.8 Die Entscheidung des Herausgebers, die chronologische Abfolge nicht einzuhalten und stattdessen zunächst die hier edierten zwei Disputationen zwischen Eck und Karlstadt zusammenzustellen und die Auseinandersetzung zwischen Eck und Luther9 an den Schluss zu stellen, führte dazu, dass ein zusätzliches Explicit am Ende der gedruckten Disputation eingefügt werden musste. Hier hätte aber auch der Drucker sein Impressum setzen können.10 In ihrer Knappheit – »Soli Deo honor et gloria. Anno.M.D.xix.« – konnte diese abschließende Formel zu Missverständnissen führen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Drucker einfach das Jahr eingetragen hat, in dem der Text gedruckt und distribuiert wurde11, und dass die Schlussformel bei erster Überprüfung (womöglich von dem Herausgeber) wieder auf die ursprünglich beabsichtigte Form, d. h. auf das Explicit zur gesamten – 1519 abgeschlossenen – Disputation, zurückgesetzt wurde.12
Dass ein Revisions- und Korrekturprozess nicht nur dieses letzten Bogens, sondern auch der vorherigen innerhalb eines begrenzten Zeitraums abgeschlossen wurde, könnte auch erklären, warum die erhaltenen Exemplare von A₁ bis A₄ sehr selten,13 bzw. in deutlich geringerer Anzahl im Vergleich zur letzten und vollständig korrigierten Variante A₅ erhalten sind. Das Exemplar A₅Zü – eine Mischform von A₅ (Bogen A–D) und A₂ (Bogen P) – bezeugt darüber hinaus, dass zum Zeitpunkt der Zusammenstellung der Bogen alle Druckvarianten in der Druckerei höchstwahrscheinlich vorhanden waren.
Von den Exemplaren der letzten Auflage ist das in der UB Leipzig erhaltene Exemplar A₅Lp im textkritischen Apparat der vorliegenden Einheit berücksichtigt. Das Exemplar gehört zu einem Sammelband aus dem Besitz Arnold Wöstefeldes, Rektor der Leipziger Universität im Sommersemester 1519,14 der weitere 24 Drucke aus den Jahren 1518–1520 enthält. Gleich mehrere Drucke betreffen die Leipziger Disputation.15 A₅Lp weist einige Anmerkungen des Besitzers, Wöstefeldes, auf, vor allem aber finden sich hunderte Korrekturen und Eintragungen einer nicht näher identifizierbaren Person, die sich oft auf die notariellen Protokolle beziehen.16 Der unbekannte Schreiber konnte auf Grundlage der ihm vermutlich vorliegenden exemplaria notariorum nicht nur die Druckfehler korrigieren, sondern gleichermaßen sowohl die Ergänzungen (additiones) des Herausgebers17 als auch dessen Auslassungen anzeigen.18 Ob diese exemplaria oder acta der Notare (die Pluralform deutet darauf hin, dass dem Schreiber mehr als eine handschriftliche Vorlage zur Verfügung stand) die endgültigen, schon kollationierten Protokolle, oder doch eher vorbereitende, während der Disputation angefertige Niederschriften waren, ist nicht rekonstruierbar. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Korrekturen des unbekannten Schreibers von A₅Lp oft mit den Lesearten des Freiberger Manuskripts übereinstimmen.19
Ein zweites Exemplar der Variante A₅ aus der UB Leipzig (Libri.sep.2379) trägt eine Widmung von der Hand des berühmten Erfurter Gräzisten (und vermutlichen Initiators des Erfurter Druckes) Johannes Lang20: »Georgio Spalatinoτῷ φιλῳ τὠ καλλíστῳ«.21 Im Exemplar der Marktkirchen-Bibliothek Goslar notierte der Vorbesitzer Andreas Gronewalt22 selbst, dass er den Druck am 28. Januar 1520 in Halle vom Buchführer Wolfgang Juche23 erworben habe.24 Das ist ein wichtiger Hinweis auf das Erscheinungsdatum von A₅.25Gronewalt bezahlte fünf Groschen für das Buch, wie auch der Wittenberger Professor Otto Beckmann26, dessen Exemplar sich heute in Paderborn befindet.27
PROTESTATIO D.dooris Caroloſtadii per ‖ reſpondentem ſibi a latere.
in:
Eck, Johannes; Karlstadt, Andreas Bodenstein von; Luther, Martin
Diſputatio inter Egre‖gios & præclaros viros ac doores,Ioannem Ecciū & Mar‖tinum Lutherum in ſentia notariorum habita ‖
[Paris]: [Jodocus Badius], [1520], fol. a1r‒v.
4°, 92 Bl., a8‒l8, m4.
Editionsvorlage:
BNF Paris, D‒5832.Weitere Exemplare: BNF Paris, RES P‒R‒908 (2), Digitalisat
Bibliographische Nachweise:
- Claus/Pegg, Ergänzungen, Nr. 407a.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 15a.
Der ungefähr Anfang Januar 1520 von Jodocus Badius ohne Titelblatt gedruckte Text enthält nach einer kurzen Einleitung die Protestationes der drei Autoren; es folgen die – hier nicht edierte – Disputation von Eck und Luther und, am Schluss, die offiziellen Erklärungen der zwei Notare, Johannes Graumann28 und Franciscus Richter29, mit denen sie das herausgegebene Teilprotokoll beglaubigten.30 Aus dieser Vorlage wird in der vorliegenden Edition nur die ProtestatioKarlstadts und Ecks berücksichtigt.31
Handschrift:
Mitschrift/Protokoll von einer zeitgenössischen, unbekannten Hand
Eine getreue Niederschrift der Leipziger Disputation wird in dem bekannten Freiberger Manuskript überliefert,32 das sowohl Drucke als auch andere Handschriften enthält. Vermutlich kam der Sammelband in den Besitz der Freiberger Bibliothek33 dank seines Besitzers, dessen Name sich aus dem im vorderen Einbanddeckel eingeklebten Ex libris entnehmen lässt: »Ioannes Hornicaeus, Lipsiensis, Magister«.34Hornicaeus35 ist zwischen 1602 und 1604 als »Academiae Notarius« oder »Secretarius« belegt.36 Danach wurde er »zum Syndico und Stadtschreiber [in Freiberg] auffgenommen Anno 1603. stunde diesem Dienste für 13 Jahr/ und wohnete zugleich dem Rathstule bey/ von Anno 1605. biß Anno 1617. da er sich nach Dreßden begeben/ und allda OberStadtschreiber worden«37. Seine Ankunft in Freiberg fällt mit einer wichtigen Phase in der Geschichte der Stadtbibliothek zusammen: Tatsächlich »ist Anno 1604. der Anfang zu Vermehrung derselben gemacht worden/ und haben E.E. Rath und andere fürnehme Liebhaber der freyen Künste/ […] milde Contributiones zu Erkauffung newer Bücher gutwillig angeleget […]«38. Hornicaeus selbst verfasste im Jahr 1604 einen neuen Katalog der dortigen Bibliothek und verzeichnete 722 Bände39; allerdings ist der Sammelband mit dem hier besprochenen Manuskript der Leipziger Disputation in diesem Katalog nicht nachgewiesen.40 Die Stiftung des Sammelbandes ist deshalb höchstwahrscheinlich erst nach 1604 und vor 163041 erfolgt. Ob Hornicaeus diesen Sammelband und andere Bände42 zur Vermehrung der Freiberger Schulbibliothek spendete, oder ob er ihn im Zuge seines Abschieds aus Freiberg oder gar testamentarisch vermachte, lässt sich nicht näher belegen. Es ist jedoch ersichtlich (und für die vorliegende Edition relevant), dass das Freiberger Manuskript mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus dem offiziellen Kontext der Notare der Universität Leipzig stammt.
Dass das Manuskript der Leipziger Disputation (= a) nicht zufällig in diesen Sammelband eingebunden worden ist, bestätigt die Zusammensetzung desselben. Fast alle darin enthaltenen neun Druckexemplare – davon mehrere vom Schreiber des Manuskripts (= a) annotiert43 – betreffen die Leipziger Disputation, deren Protokoll die am 27. Juni zur Eröffnung des Treffens gehaltene Rede Mosellanus vorangeht und dem die am 16. Juni, am Ende der Auseinandersetzung, gehaltene OratioLanges folgt. Es ist daher zu vermuten, dass die Disputation der formale Grund für die Gestaltung des gesamten Sammelbandes war.44 Die Aufschrift auf dem Rücken des Sammelbandes, die heute kaum noch lesbar ist, kann mit Brieger folgendermaßen entziffert werden: »De Disputatione Lipsiensi inter Iohannem Eckium et Doctorem Martinum Lutherum. Oratio Mosellani de ratione disputandi«.45 Der Name Karlstadt wurde schlichtweg weggelassen.
Der Schreiber von a verfasste auch das zweite handschriftliches Stück des Sammelbandes, der sich unmittelbar nach dem an erster Stelle eingebundenen Druck befindet46 und das Protokoll einer an der Leipziger Universität im Jahr 1514 gehaltenen Quodlibet-Disputation enthält,47 auf dessem Titelblatt die – nachträglich durchgestrichene – Überschrift »Disputatio Doc. MartiniCarolostadii et Eckii«48 notiert ist. Dieses zweite Protokoll besteht in einer Wolfgang Schindler49 zugewiesenen vorbereitenden Quaestio50 und in der darauffolgenden eigentlichen Quodlibet-Disputation, die von »Kongishoffen«, nämlich Nikolaus Apel,51 eingeleitet wurde.52 Der Schreiber des Freiberger Manuskripts der Leipziger Disputation protokollierte also schon frühere Disputationen und hatte in dieser Tätigkeit offensichtlich in einer amtlichen Funktion gehandelt.
Mindestens drei Phasen des Redaktionsprozesses (a₁, a₂, a₃) dieses Protokolls der Leipziger Disputation, alle von derselben Hand, lassen sich unterscheiden.53 Dass der Schreiber derart sorgfältig und über einen langen Zeitraum immer wieder auf dieses Protokoll zurückgekommen ist, deutet auf sein großes Interesse hin, vielleicht auch geweckt durch die lange Phase polemischer Berichte über die Angriffe und Gegenangriffe bezüglich der Leipziger Disputation zwischen Sommer 1519 und Anfang des Jahres 152054. Das Protokollmanuskript besteht aus 21 Bogen mit einer Signatur auf dem jeweiligen ersten Blatt (A1, B1, C1, D1, E1, F1, G1, H1, I1, K1, L1, M1, N1, O1, Post O Ante P1, P1, R1, S1, T1, V1, X1) und aus insgesamt 171 Blättern.55 Die hier edierten Disputationen zwischen Karlstadt und Eck umfassen die Blätter 228r–256v (Bogen A bis fol. D5v) und 379r–398v (von fol. T5v bis Bogen X).
Die chronologische Reihenfolge der Korrekturgänge ist nicht immer eindeutig. Auch der Farbton der schwarzen Tinte, manchmal verblasst, manchmal intensiver, bietet keinen zuverlässigen Anhaltspunkt für eine verlässliche Unterscheidung zwischen der ersten Fassung und den späteren Korrekturen. Die drei Phasen des Redaktionsprozesses sind in der vorliegenden Einheit wie folgt unterschieden und im textkritischen Apparat berücksichtigt worden.56
Die erste Fassung auf Grundlage des Gehörten ist in schwarzer Tinte und in ziemlich regelmäßiger Schrift bezüglich der Form und den Abständen geschrieben. Dennoch gibt es an manchen Stellen erhebliche Formunterschiede, die von der Eile zeugen, mit der das Manuskript niedergeschrieben wurde.57 Der Schreiber hatte breite Blattränder vorgesehen, vielleicht in Vorausschau der Notwendigkeit, sie später für Korrekturen und Anmerkungen verwenden zu müssen,58 was ist in der Tat geschehen ist. Auf die Tatsache, dass diese erste Fassung eine in dictando gefertigte Niederschrift war, deutet zunächst die reiche Verwendung konventioneller und unkonventioneller Abkürzungen hin. Häufig sind sogar ganze Silbengruppen mit einfachen Überstrichen abgekürzt, deren Unklarheit in den darauffolgenden Korrekturgängen wiederholt aufgelöst worden sind.59 Dieser erste Entwurf ist durch mehrere Schreibfehler gekennzeichnet, die sowohl auf die Geschwindigkeit des Schreibens als auch auf Hörschwierigkeiten zurückzuführen sind, vor allem wenn es sich um für den Schreiber vermutlich unbekannte Wörter und Begriffe handelte.60 Auslassungen begegnen an jenen Stellen, an denen es dem Schreiber vermutlich nicht möglich war, das soeben Gesagte zu hören und/oder aufzuschreiben. Einzelne oder mehrere Wörter sind darüber hinaus durchgestrichen: Sie weisen nicht auf Hörschwierigkeiten hin, sondern vielmehr auf beim Diktieren vom Disputator selbst verbesserte, umformulierte oder widerrufene Aussagen.61
Dieser Korrekturdurchgang in roter Tinte beseitigte einige Fehler, zeichnete die im ersten Konzept schwer lesbaren Buchstaben nach und löste die unkonventionellen Abkürzungen auf, die zu Missverständnissen führen könnten.62 Neben dieser Verbesserung des Textes unterstrich der Schreiber mehrere Passagen in roter Tinte, listete die im Text erörterten Bibelstellen und Schriften der Kirchenväter mittels Marginalien auf und fügte kurze, zusammenfassende Kommentare oder einzelne Begriffe in Form von Randglossen ein, vermutlich um die inhaltlichen Hauptargumente der Diskussion hervorzuheben und damit eine erste Gliederung des Textes vorzubereiten.63
Ein zweiter Korrekturgang in schwarzer Tinte verbesserte weitere Textfehler und erläuterte einige Abkürzungen. Wahrscheinlich sind viele der Bibelstellen und patristischen Quellen am Rand zeitgleich hinzugefügt worden. Vor allem aber kollationierte a₃ das Freiberger Manuskript mit dem Erfurter Druck und wies auf markante Abweichungen in Randglossen hin.64 Dieser Korrekturdurchgang ist von a₁ an manchen Stellen schwer zu unterscheiden, da beide in schwarzer Tinte vorgenommen worden sind. Es ist trotzdem davon auszugehen, dass a₃ ein zusätzliches Blatt – fol. 240ar–v – ins Manuskript eingefügt hat. Als Eck am 30. Juni die Disputation unterbrach, weil er Karlstadt vorwarf, aus Büchern zu lesen,65 hatte der Schreiber das Protokoll eingestellt und sogar den Anfang der Antwort Karlstadts – die nach a₁ etwas länger gewesen war als in A angegeben66 – durchgestrichen. Der Schreiber protokollierte den folgenden Streit und die Verhandlungen nicht, sondern setzte seine Arbeit erst am darauffolgenden Tag fort67, sodass der im Erfurter Druck enthaltene Bericht in a₁ nicht enthalten ist und erst durch a₃ in Teilen am unteren Rand auf fol. 240r, in Teilen auf einem zusätzlichen Blatt, fol. 240ar–v, ergänzt wurde.68
Der Schreiber
dieses Manuskripts der Leipziger Disputation bleibt leider nach
aktuellem Stand der Forschung unbekannt. Von den vier in der
Vereinbarung vorgesehenen Notaren
sind nur zwei namentlich bekannt, weil ihre Erklärungen in der
Pariser Ausgabe der Disputation zwischen Luther und Eck vertreten sind: Johannes Graumann,
genannt Poliander, und Franz Richter von
Heinichen.69 Der Professor und Notar Johannes Graumann konnte anhand
mehrerer Schriftproben als möglicher Schreiber des Freiberger
Manuskripts ausgeschlossen werden.70 Für den zweiten Notar Franz Richter
von Hainichen lässt sich diesbezüglich keine Aussage treffen,
weil bisher von ihm noch kein Autograph zum Vergleich gefunden
wurde. Ob es noch zwei weitere Notare gab, die vielleicht für
die Disputation zwischen Eck und Karlstadt zuständig gewesen waren71, und ob die
Notare eventuell nicht eigenhändig nachschrieben, sondern ihre
Schreiber die Disputation protokollieren ließen, kann hier nicht
eindeutig belegt werden. Allerdings ergeben sich aus der
genaueren Auswertung der bisher weitgehend vernachlässigten
Leipziger Universitätsunterlagen einige weiterführende
Überlegungen. Am 8. April 1519 liest und genehmigt eine
Kommission einen Brief Herzog Georgs bezüglich
seiner neuen Pläne zur Reform der Universität. Anwesend sind
neben dem Rektor, Johannes
Lange von Löwenberg72, und dem Dekan der
Artistenfakultät73, Simon Eisenmann aus
Dillingen74, auch folgende Professoren: »mgr.
Gregorius
Konytz75, mgr. Arnoldus76, mgr.
Cubitensis77, mgr. Hennychen78, mgr.
Grawman79, mgr. Ioannes Fugius80, mgr.
Schmollis81«.82 Dieses Gremium umfasst
interessanterweise nicht nur die beiden in dem Pariser Druck B
erwähnten Notare Graumann und Richter, sondern auch jene
zwei Professoren, die der Fakultätsrat etwa zwanzig Tage später
ausdrücklich als für die bevorstehende Leipziger Disputation
verantwortlich ernannte:
Vermutlich hatte Gregor Breitkopf die Aufgabe abgelehnt, da die entsprechende Zahlung am 22. August nur an Wolfgang Schindler erging.84 Weitere Details bezüglich der Aktivitäten zur Leipziger Disputation innerhalb der Universität Leipzig könnten sicherlich durch eine eingehende Untersuchung dieser Quellen geklärt werden.
Zusammenfassend handelt es sich bei dem Freiberger Manuskript um eine in dictando gefertigte Niederschrift der Leipziger Disputation. Die Tatsache, dass die Herkunft des Sammelbandes, in dem das Manuskript überliefert ist, der notariellen Umgebung der Leipziger Universität zugeordnet werden kann, und dass der unbekannte Schreiber weitere Disputationen offiziell protokollierte85, legt die Vermutung nahe, dass er dienstlich an der Leipziger Universität tätig war, an der Disputation zwischen Eck und Karlstadt teilnahm und sie professionell protokollierte. Diese Erkenntnisse werden durch den Abgleich der vorhandenen Quellen untermauert. Auch wenn die hier berücksichtigte Handschrift des Protokolls nicht mit dem von den Notaren beglaubigten Text der Pariser Ausgabe verglichen werden kann86, können anhand der Marginalien in A₅Lp ähnliche Beobachtungen gemacht werden, wie sie Brieger und Seitz vorgenommen haben.87
Vergleicht man das Freiberger Manuskript mit den handschriftlichen Eintragungen in A₅Lp, die sich ausdrücklich und oft auf die acta notariorum beziehen, so ist festzustellen, dass beide Quellen in vielen Korrekturen und in den Abweichungen vom Erfurter Druck A übereinstimmen.88 Allerdings fehlen dem Freiberger Manuskript im Vergleich zu den handschriftlichen Eintragungen in A₅Lp fast alle Zeitangaben und weiteren Merkmale, die eigentlich für ein Protokoll charakteristisch wären.89 Daraus geht hervor, dass es sich bei dem Freiberger Manuskript nicht um ein offizielles, d. h. endgültiges und (wie in der Vereinbarung vorgesehen) kollationiertes Notariatsprotokoll handelt90 – wie es im Fall der Pariser Ausgabe B anzunehmen ist91 –, sondern um eine während der Disputation unter Diktat angefertigte Niederschrift.
Vergleicht man nun die aus den handschriftlichen Quellen (Freiberger Manuskript und handschriftliche Eintragungen in A₅Lp) gewonnenen Erkenntnisse mit dem Erfurter Druck, so erscheint es in der Tat naheliegend, dass A kaum das von den Notaren erstellte und kollationierte offizielle Protokoll zur Vorlage gehabt haben konnte. Dies ist nicht nur durch die vom Herausgeber des Druckes hinzugefügten, hauptsächlich in der dritten Person verfassten Zusammenfassungen und Berichte über die Geschehnisse während der Disputation zu begründen (im Manuskript fehlen diese, sie wurden in A₅Lp korrekt als Additio im Vergleich zu den notariellen Protokollen gekennzeichnet),92 sondern auch durch die fehlenden Textpassagen.93 Dennoch zeigt der Erfurter Druck eine substantielle Übereinstimmung mit den handschriftlichen Quellen, wie auch der ehemalige Notar Johannes Graumann in seinem Exemplar des Druckes notierte.94 Die Abweichungen sind nicht so relevant, dass man vermuten könnte, A greife auf eine Vorlage zurück, die von den während der Disputation angefertigten Niederschriften vollständig unabhängig sei. Es ist vielmehr anzunehmen, dass A auf einer während der Disputation in dictando angefertigten Niederschrift beruht, ähnlich wie das Freiberger Manuskript, das allerdings als Vorlage für A ausgeschlossen werden muss. Ob dem Herausgeber des Erfurter Druckes eines der noch nicht kollationierten Hörprotokolle oder – wie einige Marginalien mit teilweise spöttischen Kommentaren vermuten lassen könnten95 – eine private Niederschrift der Leipziger Disputation zur Verfügung stand, kann hier nicht belegt werden.
Editionen:
- Löscher, Reformations-Acta 3, 289‒330 und 479‒507.
- Seitz, Disputatio, 14–54 und 219–245.
Literatur:
- Barge, Karlstadt 1, 133‒180.
- WA 2, 250‒253.
- WA 59, 427‒432.
- Brecht, Luther 1, 285–311.
- Hein/Kohnle, Leipziger Disputation.
2. Inhalt und Entstehung
Nach der Ankunft aller Teilnehmer in Leipzig und der Unterzeichnung des ersten Teils der Vereinbarung96 begann am 27. Juni feierlich die erste Disputation zwischen Karlstadt und Eck. Wie zeitgenössische Quellen berichten, wurden die Disputanten und alle Zuschauer, die aus Wittenberg und Ingolstadt angereist waren, von Simon Pistorius, Professor für Zivilrecht,97»in das gros Collegium/ in die grossen Stuben […] von wegen der Universitet zu Leipzig« mit einer lateinischen Eröffnungsrede, einer »Oratio Latina«98 empfangen. Danach wurde in der Thomaskirche eine Messe abgehalten »De sancto spirito […] Und der Cantor Georgius Rhaw/ unser Buchdrucker hernach99/ sunge eine Messse mit zwölff stimmen/ die vorhin nie gehört war«.100 Schließlich versammelten sich alle Teilnehmer und Zuschauer in der Pleißenburg, in der der Herzog das Auditorium mit zwei Kathedern und Teppichen hatte richten lassen101 und der Gräzist Petrus Mosellanus102 seine Eröffnungsrede103 hielt.104 Unter den Anwesenden waren auch »ein vierteil den Bürgern/ die ware alda in irem Harnisch/ mit iren besten Wehren/ und mit irem Fenlin«105, um während der Disputation für Ordnung zu sorgen.106 Sie begaben sich zweimal täglich in das Schloss, wie Fröschel berichtet: »Zu morgens umb 7. Hora bis umb 9. Nach mittage/ Hora 2. bis uff 5.«107
Die erste Disputation zwischen Eck und Karlstadt begann bereits am Nachmittag desselben Tages, um 14.00 Uhr108, nachdem der Cantor das Veni sancte spiritus gesungen hatte.109 Am darauffolgenden Tag, den 28. Juni, wurde die Disputation um 7 Uhr morgens wiederaufgenommen und vermutlich bis 9 Uhr fortgesetzt.110 Ob Eck und Karlstadt sich auch am Nachmittag trafen, bleibt unklar111. Die Quellen – vor allem die Berichte Ecks und seiner Anhänger – berichten von einem ermatteten, im Gespräch sehr verwirrten Karlstadt.112Schulherr geht davon aus, die Ursache sei der Wagenunfall, der sich bei der Ankunft der Wittenberger in Leipzig ereignet hatte.113Eck berichtet davon, dass Karlstadt Schwierigkeiten gehabt habe, den am ersten Tag der Disputation – am 27. Juni – vorgetragenen Belegen und Argumenten zu folgen, weshalb er »aus Büchern zu lesen« begann.114 Um einen reibungslosen Ablauf der Disputation zu gewährleisten, übermittelte Eck am Vorabend dem Wittenberger Theologen darum diejenigen Thesen, die er am Tag darauf besprechen wollte.115 Nichtsdestotrotz erschien Karlstadt am 28. Juni mit vier Zetteln zur Disputation, aus denen er seine Argumente vorlas; des Weiteren stellte sich heraus, dass er ebenso eine Kopie der Protokolle vom Vortag von den Notaren erhalten hatte.116 Dies ist zumindest das Bild, das die Darstellung Ecks zeichnet. Der Ingolstädter behauptet, er habe nur darum nicht protestiert, weil er eine Unterbrechung der Disputation unbedingt vermeiden wollte – diese hätte Karlstadt nur noch mehr Zeit zur Vorbereitung gegeben.117 Jene Ereignisse, auf die die Quellen nur vereinzelt hinweisen, bilden den Ausgangspunkt für den Streit, der die Disputation zwei Tage später unterbrechen sollte.
Am 29. Juni, an dem das Fest Peter und Paul gefeiert wurde, konnten beide Gegner eine kurze Atempause einlegen; Luther predigte indes in der Schlosskapelle über das Matthäusevangelium.118 Die Disputation sollte am darauffolgenden Tag, am 30. Juni, um 14 Uhr119, wiederaufgenommen werden. Als Karlstadt, der die Debatte eröffnen sollte, allerdings erneut von einem Zettel vorzulesen begann, wurde er sofort von Eck unterbrochen, der laut zu protestieren anfing. Diese Episode wird sowohl durch den Erfurter Druck120 als auch durch die zeitgenössischen Berichte121 und indirekt auch durch das Freiburger Manuskript bestätigt: Der Schreiber hatte bereits begonnen, die Worte Karlstadts – eine Wiederholung der vorangehenden Antwort Ecks – niederzuschreiben. Sobald aber die Disputation unterbrochen wurde, setzte der Schreiber ab und strich dasjenige durch, was er zuvor geschrieben hatte. Erst am darauffolgenden Tag, als die Disputation fortgesetzt wurde, setzte auch die Protokollführung wieder ein. Was sich aber noch am selben Tag ereignete, wird nur im Erfurter Druck berichtet.122Eck beteuerte, dass entschieden worden war, auf italienische Weise (mos italicus)123, ohne Verwendung von Büchern, zu disputieren124 und sich nur auf das eigene Gedächtnis zu verlassen. Karlstadt bemühte sich, mäßigend auf diesen Protest – den der Herausgeber sofort als Beweis für Ecks Hochmut interpretiert125 – zu reagieren, doch ließ der Streit sich nicht beilegen und die Entscheidung wurde den anwesenden Behörden (principes und magistratus) überlassen: Sie bestätigten das Verbot der Verwendung von Büchern, wie Cäsar Pflug126, Amtmann Herzog Georgs, in einer kurzen deutschen Rede bekannt gab. Karlstadt jedoch wollte die Entscheidung nicht akzeptieren, auch wenn Eck»auß sonderlicher bitt nachgelassen dem doctori Carolostadio nach heint außm zedel zu pronunciren wollen«127 zugestanden hatte. Am darauffolgenden Tag aber sollte ohne Bücher disputiert werden.128 Weil diese Entscheidung von Karlstadt kategorisch abgelehnt wurde, wuchs die Furcht vor einem frühzeitigen Abbruch der Disputation. Da jedoch viele, unter anderem auch berühmte Zuhörer von weit hergekommen waren und man zudem verhindern wollte, dass eine derart wichtige Thematik von solchen Lächerlichkeiten überschattet würde, wurde die Disputation trotz allem am nächsten Tag fortgesetzt.129 In den Berichten der Wittenberger wird die Verwendung von Büchern durch Karlstadt nicht bestritten, sondern als legitim anerkannt: Mit Büchern sollte nachgewiesen werden, dass Kirchenväter und die Schrift korrekt und ohne Sinnverzerrung zitiert wurden. Ecks Weigerung, Bücher zu benutzen, und der damit verbundene Streit am 30. Juni zeigten, so die Wittenberger, einfach seine wahre hinterlistige Natur, seine Vorliebe für Ruhm und Ehre, die die Suche nach der Wahrheit überschattete.130
Am Freitag, den 1. Juli, kam es zu einem weiteren Treffen zwischen Eck und Karlstadt, allerdings nur am Vormittag zwischen 8 und 10 Uhr131, um noch einmal die Diskussion über den freien Willen aufzugreifen. Nach einem weiteren Tag der Unterbrechung – am Samstag, den 2. Juli, wurde Mariä Heimsuchung gefeiert132 – endete schließlich die erste Disputation zwischen Eck und Karlstadt am Sonntag, den 3. Juli.133 Am darauffolgenden Tag begannen sodann Luther und Eck zu disputieren. Ihre Auseinandersetzung endete am Donnerstag, den 14. Juli kurz vor 8 Uhr morgens.134 Direkt im Anschluss, noch am selben Tag, trafen sich Eck und Karlstadt für ihre zweite Disputation.
Beide waren bereits am frühen Morgen, noch vor Beginn der Disputation Ecks mit Luther, wahrscheinlich bezüglich der Unterzeichnung des dritten Teils der Vereinbarung135 und in Anwesenheit Johannes Langs in eine Auseinandersetzung geraten: Eck hatte zunächst eine angebliche Übereinstimmung zwischen seinen und Karlstadts Thesen angedeutet136 und danach sogar behauptet, es sei durchaus sinnvoll, während der Disputation in anderer Weise vor dem Volk zu reden, als während einer Predigt.137 Dieser kurze Wortwechsel in dem für die Disputation vorbereiteten auditorio versprach in den folgenden Monaten zu einem weiteren Streitpunkt zwischen den Wittenbergern und dem Ingolstädter Theologen zu werden.138 Die zweite und letzte Disputation zwischen Karlstadt und Eck begann kurz danach, am Vormittag des 14. Juli. Vor Beginn der Diskussion resümierte Karlstadt noch einmal die Grundzüge seiner Auseinandersetzung mit Eck: Die ersten Thesen über den freien Willen – seine Conclusiones 11, 12 und 14 – waren in der ersten Disputation bereits behandelt worden; jetzt bereiteten sich beide darauf vor, die dreizehnte conclusioKarlstadts139 zu diskutieren, die beweisen sollte, dass der Mensch immer sündige, wenn er tue, was in seinen eigenen Kräften steht.140 Tatsächlich griff Karlstadt noch einmal kurz den Streit auf, der sich am 30. Juni wegen seines Vorlesens aus Büchern, konkreter der jeweiligen Argumente der kirchlichen Autoritäten, ergeben hatte – eine Episode, die er offensichtlich noch immer als unangenehm empfand. Er betonte, dass er hatte zeigen wollen, wie ein negatives Urteil über seine Lehre einem Verstoß gegen kirchliche Autoritäten gleichgekommen wäre.141 Um kurz vor 8 schließlich beginnt die zweite Disputation zwischen Eck und Karlstadt; sie endet am Freitag, den 15. Juli142. Nach einer öffentlichen Schlussrede Johannes Langes aus Lemberg143, wurde am Nachmittag das Te Deum laudamus gesungen, wonach sich alle Anwesenden auf die Heimreise machten; während auch die Wittenberger zeitnah abreisten, blieb Eck dagegen noch elf Tage in Leipzig.144
In den Monaten unmittelbar nach dem Ende der Disputation wurde eine große Anzahl von Berichten der Anwesenden – teils in Form von Briefen, teils in Form von ausführlichen Schriften – gedruckt: Sie stellten ein Medium dar, mit dessen Hilfe jede Partei versuchte, ihre Sicht des Geschehens darzustellen und sich als Sieger zu brüsten.145 Dem Konflikt zwischen den Wittenbergern und Eck kam damit eine ganz neue öffentliche und publizistische Dimension zu. Er wurde – in Erwartung einer offiziellen Entscheidung der als Richter gewählten Universitäten Paris und Erfurt – im Verlauf der Zeit immer heftiger. Neben den von Eck oder von Luther und Karlstadt sowie von deren Unterstützern veröffentlichten Drucken kam es zudem zur handschriftlichen Verbreitung des Wortlauts der Disputation. Hierunter waren nicht nur die offiziellen kollationierten Protokolle, sondern auch die die Kollation vorbereitenden Protokollniederschriften146 sowie private Mitschriften, von denen der Herausgeber des Erfurter Druckes mehr als 30 Exemplare erwähnte.147
Einige Hinweise bezüglich der Verbreitung
der kollationierten notariellen Protokolle sind historisch gesichert. Kopien
der Protokolle, die auch beim Rentmeister hinterlegt worden148 und zumindest bis in
die 1530er Jahre noch an der Universität Leipzig verfügbar waren149, wurden an die Universitäten Erfurt und Paris
übermittelt. Gemäß der von den drei Disputanten unterzeichneten Vereinbarung hätten diese notariellen Protokolle
nicht veröffentlicht werden dürfen, bis nicht die dafür eigens ausgewählten
Schiedsrichter ihre Stellungnahmen abgegeben hätten150. Den von Jodocus Badius im Paris gedruckten Akten
lagen diese offiziellen Protokolle der Disputation zwischen Eck und Luther zugrunde151, samt den amtlichen Erklärungen der
Notare, in denen die offiziellen handschriftlichen Urkunden beschrieben
sind. So lautet Franz
Richters Erklärung:
Der Pariser Druck der Disputation zwischen Eck und Luther wird als inneruniversitäre Publikation dargestellt und verstößt darum nicht gegen die Vereinbarung.
Erst am 4. Oktober 1519 hatte Herzog Georg mit der Bitte um ein Urteil die Disputationsakten an die Pariser Universität gesandt155. Die Weiterleitung bestätigte der herzogliche Bankier und Prokurator bei der niederländischen Regierung in Antwerpen, Thomas Gramaye156, am 10. November.157Gramaye berichtet am 26. Dezember, die Universität Paris habe die Briefe Herzog Georgs und der Universität Leipzig am 22. November in einer Versammlung verlesen und eine Untersuchungskommission von 24 Professoren aus »alle faculteiten«158 eingesetzt.159 Der Rektor der Universität hatte Gramaye darüber hinaus mitgeteilt, dass der Druck des notariellen Protokolls bei dem Universitätsdrucker Jodocus Badius gegen Bezahlung von 20 Goldkronen veranlasst worden war, damit jedes Mitglied der Untersuchungskommission eine Kopie davon erhalten könne.160 Ferner wurde eine Geldentschädigung von 25 bis 30 Goldkronen »pro laboribus« für jeden der 24 Professoren gefordert.161 Doch die Universität Paris schob ihr Urteil auf, und obwohl Herzog Georg, weiterhin durch seinen Vermittler Gramaye, im November 1520 dringend eine offizielle Entscheidung verlangte162, wurde erst im April 1521 die Determinatio der Universität Paris über die Schriften Luthers – nicht aber spezifisch über die Leipziger Disputation – vorgelegt.163
Auch der Versuch, eine öffentliche Stellungnahme der Universität Erfurt zu erhalten, scheiterte, wie Mosellanus bereits Anfang August 1519 andeutete.164Zwar blieb zunächst noch alles ungewiss165, doch wurde Anfang/Mitte Dezember in Wittenberg immer deutlicher, dass die Erfurter sich einer klaren Positionierung entziehen wollten166 und – auch dank Langs Einsatz – die Schiedsrichterrolle im Nachhinein ablehnten. Die Disputationsakten wurden dem Herzog zurückgesandt.167 Am 29. Dezember 1519 formulierte die Erfurter Universität endlich eine offizielle Antwort an Herzog Georg: Die Aufforderung, die Akten »myt fleyße zu ubersehen, unser bedenken und declaration dorauf zu stellen etc.« könne nicht erfüllt werden, da die Universität nicht von allen Disputanten um ein Urteil ersucht worden war und darüber hinaus ihre Professoren aus den Dominikaner– und Augustineremitenorden nicht auszuschließen bereit war.168 Die am 9. Januar 1520 verfasste, neuerliche Aufforderung Herzog Georgs an die Universität Erfurt, die Schiedsrolle über die Leipziger Disputation zu übernehmen, blieb unbeantwortet.169
Es ist schwer einzuschätzen, ob diese Verweigerung einer Stellungnahme seitens der Universität Erfurt nicht den Ausfall derjenigen Klausel in der Vereinbarung zur Folge gehabt haben könnte, die eine Publikation der Protokolle verbot, wenn sie nicht mitsamt dem – aus Erfurt ohnehin nicht mehr zu erwartenden – Urteil der Schiedsrichter veröffentlicht würde.170 Nahezu gesichert ist, dass Kopien der Disputationsakten in Wittenberg und vielleicht auch in Ecks Umgebung kursierten171, während die kollationierten Protokolle erst nach Paris und Erfurt geschickt und von den zuständigen Universitäten eingesehen wurden (Sommer/Winter 1519), und dass eine – wahrscheinlich private – Niederschrift der Leipziger Disputation in Erfurt gedruckt wurde172, und zwar bereits zeitgleich mit der offiziellen Entscheidung der Universität Erfurt, die Schiedsrichterrolle nicht zu übernehmen (Mitte Dezember 1519).
Diese chronologische Abfolge wird durch wenige, aber doch deutliche Quellen bestätigt. Zwischen Juli (Ende der Disputation) und Dezember 1519 (Beginn der Publikation des Erfurter Druckes) kursierten Kopien der notariellen Protokolle und womöglich auch privater Niederschriften – so wird es zumindest vom Herausgeber des Erfurter Drucks im Widmungsschreiben an den Leser angegeben.173 Bereits im Verlauf der Disputation erwähnte Eck Kopien der notariellen Protokolle, die Karlstadt hatte anfertigen lassen, um sich besser auf die Widerlegung der Argumente Ecks vorzubereiten.174 Der Ingolstädter Theologe warf seinem Gegner darüber hinaus vor, er habe vor der Abreise nach Wittenberg eine Kopie der Disputationsakten erhalten und »heimlich« mitgenommen.175 Angeblich teilte Eck selbst jedoch seinem Korrespondenten Jacobus Hoogstraeten am 24. Juli 1519 mit, er habe die Dominikaner damit beauftragt, ein Exemplar der Disputation(sakten) abzuschreiben – solch ein Hinweis deutet darauf hin, dass er während seines Aufenthalts in Leipzig offenbar in der Lage war, eine Abschrift der Disputation in Auftrag zu geben.176
Obwohl in der Vereinbarung vorgesehen war, dass jede Streitpartei eine Kopie der notariellen Protokolle erhalten sollte177, blieb der Besitz solcher Disputationsakten sowie generell die Veröffentlichung jeder Art von Schriften bezüglich der Disputation im Sommer und Herbst 1519 ein Konfliktgrund. Auf Ecks Attacken178 reagierte Luther bereits Mitte August im Widmungsbrief an Spalatin zu seinen Resolutiones über die in Leipzig disputierten Thesen.179 Der Wittenberger zeigt sich durchaus der Tatsache bewusst, dass Eck in dieser veröffentlichten Stellungnahme zur Disputation einen Vertragsbruch wittern könnte, vor allem hinsichtlich des Publikationsverbots. Auch wenn Luther diese Klausel der Vereinbarung generell für unrechtens hielt,180 hatte er sich doch zu ihrer Einhaltung bereit erklärt und zugesichert, seine Kopie der notariellen Disputationsakten nicht zu veröffentlichen – was indirekt bedeuten könnte, dass er eine solche Kopie besaß.181Luther wollte darüber hinaus nicht einmal private Niederschriften der Disputation veröffentlichen, die jeder der Anwesenden hätte anfertigen können und die nicht dem in der Vereinbarung festgelegten Veröffentlichungsverbot unterlägen. Dies wiederum steht im Einklang mit dem Widmungsbrief an den Leser, der dem Erfurter Druck vorangestellt ist.182 Nichtsdestotrotz weigerte sich Luther vehement, bezüglich der Disputation zu schweigen, da er nie und nirgendwo einer solchen Auflage zugestimmt habe.183 Selbst wenn er dies zugesichert haben sollte, sei ohnehin Eck derjenige gewesen, der diese Vereinbarung als erster nicht eingehalten habe, als er bereits Ende Juli einen Bericht an Friedrich III. verfasst hatte.184
Es ist also davon auszugehen, dass Luther und Karlstadt bei ihrer Rückkehr nach Wittenberg über eine (einzige) Kopie der notariellen Protokolle, höchstwahrscheinlich eine private Abschrift,185 verfügten. Die Hinweise in der Korrespondenz unmittelbar nach der Disputation und vor der Veröffentlichung der ResolutionesLuthers belegen das Kursieren dieser privaten Abschrift in Wittenberg: Anfang August sandte Melanchthon»librum Disputationis Lipsicae«186 an Spalatin, den Luther kurz danach mit Nachdruck drängte, das »exemplar Lipsicae disputationis« zurückzugeben187. Die polemischen Schriften beider Parteien in den Monaten zwischen September und Ende Oktober 1519 deuten den Besitz einer Abschrift der notariellen Disputationsakten direkt und indirekt an188, jedoch immer nur am Rande eines sich weiterhin ausweitenden, radikaler werdenden Konflikts.189 Nachdem die Auseinandersetzung im Herbst eine neue Ebene erreicht und die Spannung mit Rom sich erneut verschärft hatte, rückte die Diskussion über den Besitz der notariellen Protokolle graduell in den Hintergrund.190Im Briefwechsel werden die Disputationsakten und ihre Veröffentlichung nicht mehr erwähnt, bis Luther am 18. Dezember in einem Schreiben an Lang, indem er sich darüber freut, dass die Universität Erfurt die Schiedsrichterrolle endgültigt abgelehnt habe, darum bittet, dass Lang ihm ein Exemplar des Drucks der Disputation – offensichtlich war er bereits über einen solchen informiert191 – sobald wie möglich zukommen lassen solle.192 Nur wenige Tage später, am 21. Dezember, sandte Lang ein Exemplar des Erfurter Druckes an Pirckheimer.193
Aus diesen beiden Briefpassagen haben zunächst Seidemann194, dann vor allem Enders195 und mit ihnen die gesamte nachfolgende Literatur gefolgert, dass Johannes Lang196 als der Herausgeber des Erfurter Druckes der Disputation zu gelten habe. Angesichts seiner engen freundschaftlichen Beziehung zu den Wittenbergern197, seiner Anwesenheit als Zuschauer während der Leipziger Disputation198 (in ähnlicher Weise beschreibt sich der Herausgeber des Erfurter Druckes in dem Widmungsbrief an den Leser199) und seiner aktiven Position innerhalb der Universität Erfurt200, die es ihm sogar ermöglicht haben könnte, Zugang zu den aus Leipzig gesandten notariellen Protokollen zu erhalten201, scheint diese Vermutung plausibel. Mit eindeutiger Sicherheit aber belegen die erwähnten Briefpassagen nur, dass es Lang möglich gewesen war, Exemplare des frisch erschienenen Erfurter Drucks zu beschaffen und zu versenden. Darüber hinaus verdienen noch einige weitere Aspekte Beachtung. Immerhin ließen die Wittenberger und insbesondere Melanchthon sowie die an der Seite Luthers stehenden Nürnberger Humanisten wie Oekolampad und Pirckheimer in jenen Monaten einige ihrer Werke bei Matthes Maler202 veröffentlichen oder nachdrucken.203 Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein breiter (humanistischer) Kreis in Erfurt sich für Luther und Karlstadt eingesetzt haben könnte und darum auch andere zur Veröffentlichung der Disputationsakten beigetragen haben. Vorausgesetzt die Annahme, dass der Erfurter Druck offenbar nicht auf die offiziellen kollationierten Notarprotokolle, sondern eher auf eine private Niederschrift der Disputation zurückgeht, bleibt zu vermuten, dass der Herausgeber die offiziellen Akten von der Universität Erfurt nicht unbedigt benötigte; vielmehr hatte er sich bereits dazu entschieden, ein Manuskript zu veröffentlichen, das dem Publikationsverbot in der Vereinbarungstricto sensu nicht unterworfen war. Damit folgte er ganz der von Luther im Oktober dargelegten Argumentation.204 Letztendlich ist aber dennoch anzunehmen, dass Johannes Lang eine zentrale Rolle bei der Veröffentlichung der Leipziger Disputation einnahm, da deren Drucklegung in Erfurt unbedingt von jemandem vor Ort betreut werden musste. Es ist allerdings keineswegs ausgeschlossen, dass er in Absprache und mit Unterstützung der Wittenberger, die eine private Abschrift der Protokolle besassen, oder anderer Personen in Erfurt agierte.
Mit dem Brief Langs vom 21. Dezember und die Zusendung eines Exemplars des Erfurter Druckes an Pirckheimer205 ist der terminum post quem der Fertigstellung des Druckes anzusetzen. Die ungenaue Jahresangabe auf fol. P2v – 1520 statt 1519206 – kann durch die Veröffentlichung zur Jahreswende erklärt werden. Dass Andreas Gronewalt, der sonst darauf bedacht gewesen war, einen Erstdruck der Schriften Luthers zu erhalten, nur noch ein Exemplar der gedruckten Disputationsakten in der letzten Version A₅ gegen Ende Januar 1520 erwerben konnte207, mag auf die schnell aufeinanderfolgende Vorbereitung und Verteilung der fünf Druckvarianten zwischen Dezember 1519 und Januar 1520 hinweisen. Schließlich ist die Verbreitung des Erfurter Druckes, der in den nachfolgenden polemischen Schriften Ecks und der Wittenberger, wie auch in der zeitgenössischen Korrespondenz nicht mehr als illegal angesehen wurde, auch von Karlstadt in seiner Confutatio im Februar 1520 bestätigt.208
Das vom Herausgeber im Widmungsschreiben an den Leser angegebene Ziel des Druckes ist es, die Konfliktsituation, die mit der Disputation entstanden sei, zu beseitigen: Die Streitparteien waren zwar darin übereingekommen, die notariellen Protokolle erst dann zu veröffentlichen, wenn die als Richter gewählten Universitäten ihr Urteil gefällt hätten; sie hatten aber nicht nur eine große Anzahl von Zuschauern bei der Disputation zugelassen, die ihre privaten Niederschriften verfassten, sondern auch die nachfolgende Verbreitung von parteiischen und trügerischen Berichten nicht verhindert. Mit der Herausgabe der notariellen Protokolle sollte nun die Wahrheit ans Licht kommen, damit jeder (christliche) Leser sein eigenes Urteil auf der Grundlage eines neutralen Berichtes fällen könne.209 Diese Absichtserklärung entspricht voll und ganz der Absicht der Wittenberger, die von Eck verbreiteten »Lügen« über den wahren Verlauf der Disputation endgültig zu demontieren, und sie erfüllt vor allem den Wunsch Luthers, sich nicht dem Urteil einiger weniger (wahrscheinlich ihm feindlich gesonnener) Theologen, sondern dem freien Urteil aller Christen zu unterwerfen.210
Die am 27. Juli begonnene erste Disputation zwischen Eck und Karlstadt behandelt das Thema des freien Willens. Nach der üblichen Versicherung der Disputanten, sich nicht gegen die Lehre der Kirche wenden zu wollen, legte Eck als erster seine Position dar: Der freie Wille, d. h. der menschliche Wille, besitze eine produktive Kraft zu den guten Werken. Die menschliche Fähigkeit, zwischen Gut und Böse frei zu entscheiden, werde durch Sir 15,14–19 untermauert. Die Auslegung dieser Bibelstelle – explizit die Frage, ob sie nur auf Adam vor der Sünde oder auch auf die ganze postlapsarische Menschheit anzuwenden sei – ist Gegenstand des ersten Disputationstages. Karlstadt betont in Abgrenzung zu Eck hingegen immer wieder die ausschließliche Freiheit des Menschen, zu sündigen, während bezüglich der guten Werke die Notwendigkeit göttlicher Wirkung und Regierung bestehe. Eck antwortet darauf, dass er die Gnadenmitteilung nie verworfen habe – was ja pelagianische Ketzerei wäre –, sondern lediglich ihre Wechselwirkung mit dem menschlichen Willen hervorzuheben gedachte: Durch die Unterstützung der Gnade wirke der menschliche Wille produktiv mittels seiner natürlichen Kraft, Gutes hervorzubringen. Mit diesem Argument wird die Verlagerung des Schwerpunktes der Debatte auf den folgenden Tag, den 28. Juni, vorbereitet, an dem Karlstadt als erster das Wort ergreift. Er argumentiert gegen die von Eck postulierte Zusammenarbeit von Gnade und freiem Willen und führt die Diskussion zurück zum Herzen der Theologie, zu Christus: Allein der Sohn Gottes sei in der Lage, den Menschen von seiner Schwäche, von seiner sündigen Natur zu befreien. Die einzige Gerechtigkeit, die der Mensch darum leisten könne, sei all jenes, was Christus selbst in ihm hervorbringt und wozu er ihn anleitet. Die Präposition mecum in 1. Kor 15,10 – am Vortag von Eck zur Unterstützung seiner These angeführt – wird sodann von Karlstadt im Kontext anderer Stellen der paulinischen Briefe interpretiert, aus denen klar hervorgeht, dass alles Gute ausschließlich von Gott und nicht vom Menschen komme. Den ganzen Tag über (gerahmt von ironischen Bemerkungen bezüglich der Argumentationsweise des Gegners und Kommentaren zur geeignetsten hermeneutischen Methode im Verständnis der Schriften) bemühen sich die Disputanten, ihre Thesen zu begründen, wobei sie hier auch auf die Kirchenväter zurückgreifen. Auf den Vorwurf Karlstadts, dass Eck eine semipelagianische Lehre vertrete, präzisiert letzterer mit Verweis auf das 3. Buch des pseudoaugustinischen Hypognosticon, dass der Wille in der Seele im Vergleich zu den niederen Kräften ein König sei, im Vergleich zur göttlichen Gnade aber lediglich ein Diener und Knecht. Gleichzeitig rückt Eck aber nicht von seiner These der Zusammenarbeit von Gnade und freiem menschlichen Willen ab. Stattdessen führt er eine Passage von Bernhard an, nach der Paulus nicht nur als Diener, sondern auch als socium cooperantem gratiae per consensum definiert werde, und aus der deutlich hervorgehe, dass Menschen gute Werke mit Gottes Hilfe tun könnten, insofern Gnade und freier Wille mixtim non singillatim wirkten. Diese Autoritäten, die über das Verhältnis von gratia und liberum arbitrium schreiben, stehen für den Rest des Tages im Mittelpunkt der Diskussion, in der Karlstadt darum bemüht ist, die Zitate in Bezug auf andere Bibelstellen und kirchenväterliche Zeugnisse zu interpretieren und damit seine Lehre zu untermauern: Die göttliche Gnade sei die einzige aktive Kraft am guten Werk, der menschliche Wille hingegen bleibe nur passiv; sogar der consensus zur Gnade werde von derselben erst gespendet.
Am 29. Juni (dem Feiertag Peter und Paul) ruhte die Disputation, am 30. Juni wurde sie kurz nach Beginn unterbrochen; erst am 1. Juli wurde sie wieder aufgenommen. Zunächst versucht Karlstadt, die Widersprüche aufzudecken, in die Eck sich an den Vortagen verstrickt hatte, als dieser das Wesen des freien Willens manchmal als natürliche und autonome Fähigkeit, manchmal als der Gnade untergeordnet beschrieben habe. Um seine Position gegenüber Karlstadts Kritik zu verteidigen, führt Eck eine weitere Unterscheidung ein, die Gegenstand heftiger Diskussionen werden sollte. Bezüglich der von Eck angeführten Passage Bernhards über die vermischte (mixtim) Wirkung von Gnade mit menschlichem Willen im guten Werk fragt Karlstadt zunächst, wie zwei Ursachen jeweils das ganze Werke verursachen könnten oder ob nicht doch die eine diesen, die andere jenen Teil der Werke bewirke. Eck antwortet, dass beim Zusammenwirken jede der beiden Ursachen das gute Werk ganz (totum), nicht aber gänzlich (totaliter) hervorbringe. Von Karlstadt als philosophische Antwort abgelehnt, wird diese Unterscheidung von Eck sogleich auf Gott angewendet, der die guten Werke totum, aber nicht totaliter vollbringe. Die Diskussion verschiebt sich damit an dieser zweiten Hälfte des Tages schnell in Richtung der scholastischen Autoren, die Eck, so Karlstadt, verdrehe. Nach einer eintägigen Pause setzen Eck und Karlstadt am 3. Juli die Disputation fort. Beide streben danach, ihre Positionen durch Hinzuziehung zahlreicher Bibelstellen und Kirchenvätrer-Zitate zu bekräftigen, die der jeweils andere wiederum Schritt für Schritt widerlegt. In dieser Phase wird vor allem der rhetorische Charakter des Konflikts offenbar: Gegenseitig werfen Eck und Karlstadt sich sowohl mangelnde Argumentationsfähgkeit, als auch Unkenntnis der heiligen Schriften; gegenseitig provozieren sie sich und deuten darauf hin, der Gegner stimme letztendlich mit der eigenen These überein.
Während der beiden Tage ihrer zweiten Disputation – am 14. und 15. Juli – sondierten Eck und Karlstadt zunächst die theologischen Voraussetzungen ihrer Lehren etwas kohärenter. Als erstes wurde die 13. These Karlstadts diskutiert: Wenn der Mensch bei seinen Taten dem folge, was in ihm liege, dann sündige er notwendigerweise. Ecks Widerlegung – er argumentiert mit einer Fülle von Zitaten und Belegen – mündet letzlich in der Feststellung, der freie menschliche Wille könne aus seiner natürlichen Kraft heraus ausschließlich zum Bösen gelangen, zum Guten aber nur durch die Unterstützung der Gnade – eine Behauptung, die von Karlstadt freudig als ein klares Zugeständnis Ecks anerkannt wird. Am letzten Tag bildet die Frage, ob nicht auch der Gerechte beim guten Werk sündige, den Kern der Debatte. Karlstadt beabsichtigt Ecks zweite These zu widerzulegen, um dem Menschen, sei es auch ein Heiliger, jeden Grund für Stolz und Vertrauen in seine eigenen Werke zu nehmen und allein die Gnade Gottes als für alles Gute verantwortlich hervorzuheben. Ins Zentrum ihrer Auseinandersetzung stellen beide Disputanten Pred 7,21 und führen zudem Belege aus den Werken der Kirchenväter an. Entgegen Ecks Bemühungen, den freien menschlichen Willen (schwach, aber immer noch zum Guten fähig) mit der Gnade zu verbinden, argumentiert Karlstadt vehement für den totalen Gegensatz zwischen postlapsarischer menschlicher Natur (die in den Gerechten, in den Heiligen und sogar in den Märtyrern sündhaft bleibe) und erlösender Wirkung der göttlichen Gnade. Nur sie, nicht die guten Werke, könne den Gläubigen das ewige Leben sichern.