Nr. 90
Defensio adversus eximii D. Joannis Eckii Monomachiam
1518, [Anfang Oktober]

Einleitung
Bearbeitet von Alejandro Zorzin

1. Überlieferung

Frühdrucke:

[A:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
DEFENSIO ‖ Andreę Carolostadii ‖ aduersus ‖ Eximii .D. Ioannis Eckii theologię ‖ doctoris & ordinarii Ing: ‖ Monomachiā ‖ Patitur Carolostadius non modo Se: ‖ Ap: studiiqꝫ Ro: in Italia/ ‖ Parisie. in Gallia/ aut ‖ Coloniensis in Ger⸝‖mania iudiciū/ ‖ sed etiā sin⸝‖gulorū ‖ & ‖ omniū ‖ Qui dialogos, aduersus Pelagi: Hieronymi, atqꝫ Augusti: de ‖ peccatoꝶ meritis, de Spi: & Lit: de perfectione iusti: & cōtra ‖ Iulia: &c, libros, cęterorumqꝫ ecclesiasticoꝶ, Chrysostomi, ‖ Cypriani, Cyrilli, Hilarij, Ambro: Cassiani, Grego: Bernhar: ‖ Bedę volumina, non ex cauda, sed ab exordio, ad finē vsqꝫ, ‖ assumptę materię, & legerunt & intellexerunt, ‖
Wittenberg: Johann Rhau-Grunenberg, 1518.
4˚, 30 Bl., A4–F4, G6.
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, H 55.4 4° Helmst. (4), DigitalisatLinksymbol.
Weitere Exemplare: UB Würzburg, 2an Th.dp.q. 557 (= Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 10; auf fol. [G6]v andere hebräische Type und Vokalisierung als Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 11) — SUB Göttingen, H.E.E. 378/5:1 Rara. — BSB München, 4° Polem. 3340 (17) (= Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 11. Das Münchener Exemplar entstammt einer Sammelbindung Ecks [»Nr. 8«; Blattzählung: »262«»292«] mit durchgehenden Randbemerkungen von ihm1. Auf dem Titelblatt eine handschriftliche Dedizierung von Otto Beckmann2 an Christoph Scheurl (»domi'no' Christofero Schewrlo Nurbergen'si' v'triusque' J'uris' doctori«), DigitalisatLinksymbol
Bibliographische Nachweise:

Der Drucker setzte die Thesen Ecks in einer etwas größeren Drucktype als die jeweils darauf folgenden Entgegnungen Karlstadts. Ab Bogen »E« begann der Drucker (wohl um Papier zu sparen) Ecks Thesen in eine kleinere Type als auf den vorhergehenden Bögen A–D zu setzen. Um in dem so entstehenden komprimierteren Druckbild den Beginn von Karlstadts Entgegnungen kenntlich zu machen, fügte er auf den Bögen E–G in den Schlusszeilen von Ecks Thesen etwas abgesetzt »Carol'ostadi'« ein.

[B:]Andreas Bodenstein von Karlstadt
o. T.
in:
Karlstadt, Andreas Bodenstein von
DO‣ AN‖DREAE CAROLOSTA‖dij & Archidiaconi VVitten=‖burgeñ. ccclxx & Apologeti=‖cæ conclusiones pro sacris ‖ literis & VVittenbur=‖geñ. compositæ. ‖ Eiusdem defensio aduersus Mo=‖nomachiam D. Ioannis Eckij ‖ Theologiæ doctoris. ‖ Inuenies deinde Epithome eius=‖dē de Impij iustificatione, quā ‖ non male ad inferos dedu=‖ctū reductūque uocaueris. ‖ [TE]
[Straßburg oder Schlettstadt]: [Schürer-Offizin], [1519], D3r–I5r.
4°, 58 Bl., A4–D4, E8, F4, G8, H4, I8, K6.
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, 459 Theol 4° (8).
Weitere Exemplare: BSB München, 4° Polem. 540 (17), DigitalisatLinksymbol — UB Marburg, XIXc B 719 (11).
Bibliographische Nachweise:

Zu Druck B vgl. KGK 085. Der Schürersche Nachdruck der Defensio verzichtet auf eine Wiedergabe der Marginalien, die dem Wittenberger Erstdruck beigegeben sind. Nur in der Originalausgabe A finden sich die Angaben zu den etwa 200 in den laufenden Text eingeflochtenen Bibelstellen.

Editionen:

2. Inhalt und Entstehung

Auf die Thesen Karlstadts gegen ihn (vgl. KGK 088) hatte Johannes Eck mittels Gegenthesen eine Verteidigung seiner theologischen Position verfasst.3 Den drei Thesengruppen Karlstadts (insgesamt 109 Thesen), die Eck wiederum in seiner Schrift abdruckte4, stellte der Ingolstädter 43, 42 und 26 (insgesamt 111) Thesen entgegen. Außerdem forderte Eck auf dem Titelblatt seiner Entgegnung Karlstadt heraus, ihre theologischen Differenzen durch ein Urteil des Apostolischen Stuhls, bzw. Expertengremien der Universitäten in Rom, Paris oder Köln entscheiden zu lassen.5 Auf dem Titelblatt seiner Defensio akzeptiert Karlstadt diese Herausforderung6, vertraut sich aber ebenso »jedem einzelnen und allen« Lesern als urteilsbefugt an, welche die Werke einer Reihe dort angeführter Theologen der alten Kirche komplett »gelesen und verstanden« haben. Auch in der Schrift selbst wendet er sich an die Leser als kompetente Richter in seiner Auseinandersetzung mit Eck.7

Die Defensio gegen EcksMonomachia verfasste Karlstadt zwischen dem 28. August8 und dem 14. September 1518.9 Am 26. September teilte er Spalatin eine Verzögerung der Fertigstellung des Druckes mit.10 Auf die Defensio scheint sich Karlstadts Bemerkung in einem weiteren Brief an Spalatin vom 20. Oktober 1518 zu beziehen, er habe »apologeticam nostram« schon am 13. Oktober einem Boten zur Überbringung an Spalatin mitgegeben.11 Demzufolge wird der Druck der Defensio Anfang Oktober 1518 fertig gewesen sein.

Den griechischen Begriff des Einzelkämpferstreites (monomachia) verwendete Eck in einem Brief an den Wittenberger vom 28. Mai 1518 für desssen Kritik an ihm.12 Karlstadt bevorzugte für seine Thesen gegen Eck zu diesem Zeitpunkt die Bezeichnung apologia.13 Nach Erhalt von Ecks Verteidigung gegen ihn (am 28. August 1518) benutzte auch Karlstadt den Begriff monomachia für seinen literarischen Kampf mit Eck.14

In dieser zweiten Auseinandersetzung mit Eck widmet Karlstadt der Widerlegung dessen erster Gruppe von 43 Gegenthesen 38 Seiten, Ecks zweiter Gruppe von 42 Gegenthesen nur noch 17 Seiten. Ecks letzte Gruppe von 26 Gegenthesen will Karlstadt in den Erläuterungen seines Augustinkommentars widerlegen.15 Im Vordergrund der Debatte zwischen Karlstadt und Eck stehen die Themen rechter Bußpraxis, Vermögens bzw. Unvermögens menschlicher Willenskraft zu gutem Handeln und die Verbindlichkeit kirchlicher Bußstrafen. Karlstadt ändert seinen bisher von knappen Thesen geprägten Stil der literarischen Auseinandersetzung. In seiner Verteidigung gibt er Ecks beide ersten Gegenthesen-Gruppen wieder, versucht sie aber nun mit einer auf jede einzelne der Eckthesen folgenden Kommentierung zu widerlegen. An einer Stelle entwickelt sich Karlstadts Kommentierung sogar zu einer längeren, traktatartigen Darstellung seiner vornehmlich von Augustin und Bernhard von Clairvaux her entwickelten Kreuzestheologie.16 Damit fließen in diese im Kontext akademischer Disputationspraxis konzipierte Streitschrift Elemente aus Karlstadts zeitgleicher Predigttätigkeit ein. Als primären Leserkreis hat Karlstadt besonders seine Studenten im Blick.17 Für sie fügt er weiterführende, seine Position stärkende Belegstellen aus den Kirchenvätern und der Heiligen Schrift an.18 Mehrmals verweist er Eck auch auf seine »Erstlinge«, die 151 Conclusiones vom April 1517 (KGK 058) und dazu verfasster Explicationes.19 Karlstadts Argumentation in seinen Apologeticae Conclusiones (Mai/Juni 1518) mittels Belegen aus den liturgischen Gebeten der Kirche verteidigt er jetzt ausdrücklich.20 Den Rückgriff auf die Kollekten begründet Karlstadt damit, dass in ihnen eine 800 Jahre zurückreichende kirchlich geprägte Theologie zum Ausdruck kommt; sie stehe der Heiligen Schrift näher und sei bewährter als die knapp 400-jährige scholastische Theologie, auf die sich Eck berufe.21 Karlstadts argumentative Zusammenfügung von Kirchengebeten, einer Vielzahl biblischer Beweisstellen und Aussagen der Kirchenväter soll Ecks gegen die Wittenberger erhobenen Vorwurf, sie würden häretische Positionen vertreten, von Grund auf widerlegen.22

In seinen siebzehn für die Disputation mit Eck in Leipzig zusammengestellten Thesen greift Karlstadt auf die Defensio zurück; ausdrücklich verweist er die Leser am Ende derselben darauf.23


1Vgl. Eck, Defensio (Greving), 15 Anm. 3.
2Ulrich Bubenheimer identifizierte diese Zueignung als Handschrift Otto Beckmanns. Auch Karlstadts Reich Gottes (Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 63) wurde Scheurl von Beckmann handschriftlich auf dem Titelblatt dediziert; vgl. Bubenheimer, Consonantia, 120 Anm. 200.
3Defensio contra amarulentas D'omini' Andreae Bodenstein Carolostatini invectiones (E 307) mit Druckimpressum 14. August 1518; ediert von Greving (vgl. Eck, Defensio (Greving), 35–83).
4Eck, Defensio (Greving), 38–45; 53–62 und 73–75.
5Eck bittet, dass »Herr Andreas« – zur Vermeidung von Ärgernis – entweder das Urteil vom apostolischen Stuhl, oder der Studien[-Zentren] in Rom, Paris bzw. Köln annimmt. vgl. Eck, Defensio (Greving), [33 (= Titelblatt)]. Auch gefiele es Eck sehr, wenn sie über die Darlegungen, Thesen, Aussagen und Schriften, um die es in ihrem Streit geht, beide einwilligten, beim apostolischen Stuhl, dem Studien[-Zentrum] in Rom, bzw. den in Paris oder Köln, öffentlich oder im kleinen Kreis vor wirklich gelehrten Vätern zu verhandeln, und deren Meinung und Entscheidung anerkennen; denn – so Eck – was bringe es, wenn er lange in Ingolstadt gegen Karlstadt schreit, und sich der wiederum in Wittenberg verteidige (ebd., 81,11–82,3); vgl. auch Barge, Karlstadt 1, 127.
6Karlstadt werde nicht nur das Urteil des apostolischen Stuhls und der Studien[-Zentren] zu Rom, Paris oder Köln erdulden, sondern auch das jedes Einzelnen und aller, die eine Reihe angegebener Kirchenväterwerke sowohl gelesen wie auch verstanden haben (vgl. KGK 090 (Textstelle)). Zur Option einer öffentlichen Disputation schreibt er, dass Eck ein (schreierischer) Disputator sei, der sich sowohl blind wie auch scharfsichtiger als ein Luchs stellen könne, und (da er leicht seine Meinungen ändert) veränderlicher als eine Empusa ist. Deshalb trage Karlstadt Bedenken, sich mündlich mit ihm zu messen; wenn jedoch die Kosten erstattet würden und Karlstadt ein sicheres Geleit bekomme, dann werde er mit Eck in die Kampfarena treten, unter der Bedingung, dass Argumente und Lösungen zuverlässigen Notaren diktiert werden; vgl. Th. [II:]18 (KGK 090 (Textstelle)).
7Vgl. zu Th. [I:]7 (»omnes vos qui legitis, iudices constituo«KGK 090 (Textstelle)); Th. [II:]3 (»[…] es ne reveritus lectorum iudicium?«KGK 090 (Textstelle)), Th. [II:]23 (»Videant nodum cordati lectores […] et demum pilam alteri nostram dent.«KGK 090 (Textstelle)).
8Datum von Karlstadts Widmungsbrief an Hennig Göde und Lorenz Schlamau (KGK 090 (Textstelle)).
9Datum seines die Schrift abschließenden Briefs an Johann Wortwein (KGK 090 (Textstelle)).
10Vgl. KGK 089.
11Karlstadt schickte am 13. Oktober (»pridie Burchardi«) Spalatin eine Postsendung zu (vgl. KGK 089), die (wie Karlstadt am 20. Oktober feststellte; vgl. KGK 096) diesen nicht erreicht hatte; vgl. Barge, Karlstadt 1, 128 Anm. 181.
12»Caeterum aiunt, te monomachiam contra Eckium instruere. Ego id vix credam.« (vgl. KGK 084).
13»[…] monomachiam seu potius apologiam contra aliquas tuarum conclusionum ediderim[…]« (vgl. KGK 086).
14Der biblische Bezug dieses Begriffs für den Zweikampf zwischen David und Goliath, könnte Karlstadt aus der öfters von ihm zitierten Schrift Augustins gegen Julian bekannt gewesen sein. Aug. c. Iul. lib. 3: »[…] videlicet ut pelagianis tu videaris david, ego autem golias. […] Ego autem absit ut ad monomachiam vos provocem, […].« (PL 703, 25f.).
15»Conclusiones tercii ordinis, propter chalcographi nostri impedimenta [wohl bei Drucklegung der Defensio], adnotaciunculis in librum de spiritu et litera reservo […].« (KGK 64). Vielleicht plante Karlstadt die Widerlegung in der noch ausstehenden vierten [Druck-]Lieferung (vom I. Teil) seines Augustinkommentars unterzubringen, die Anfang 1519 erschien. Darin fehlt aber die explizite Auseinandersetzung mit Ecks letzter Gegenthesengruppe. Karlstadt spricht am Schluss seines letzten Scholions »magistri nostri« an, die er mit seinen Belegen [= Chrysostomus und Cyrillus] zu verdrießen meint. Er will diese Belege (allegationes) jenen aufdrängen, die ihn »zwischen Opfermesser und Opfer« stellten und Ketzer nennen (vgl. KGK 064). Da Eck in seiner Gegenthese [II:]25 – unter Verweis auf Augustin – Karlstadt in Gefahr wähnt, zwischen »Opfermesser und Opfer« zu geraten, gilt dieser Schlusspassus vor allem ihm (so schon Kähler, Karlstadt, Anm. 3).
17Vgl. z. B. zu Th. [I:]2 (»Vos qui lectionis et eruditionis vel ieiuni, vel avidi estis, […]«KGK 090 (Textstelle)), Th. [II:]12 (»At ut studiosis obsequar, dico […]«KGK 090 (Textstelle)).
18Vgl. z. B. Th. [I:]33 (»Augustinum videant studiosi […]«KGK 090 (Textstelle)).
19Vgl. KGK 062.
20Eck hatte ihm vorgeworfen (Th. [I:]7, KGK 090 (Textstelle)), vergeblich so viele Zitate aus liturgischen Gebeten angeführt und sein Papier unnütz für 25 solcher Kollektenbelege vergeudet zu haben.
21Vgl. Karlstadts Ausführungen zu Ecks Th. [I:]7 (KGK 090 (Textstelle)); Th. [I:]40 (KGK 090 (Textstelle)).
22Vgl. Karlstadts Aussage zu Ecks Th. [II:] 36 (KGK 090 (Textstelle)): »[…] ich schone deiner wegen der vorhergehenden These, sonst würde ich den allerheiligsten Vater in Christo, unseren Herrn, den Herrn Leo, durch göttliche Vorsehung Papst X., anrufen und dich verklagen, dass du seine allerheiligsten Gebete für nichts achtest etc. Die Kollekten oder Gebete der Kirche gebrauche ich deshalb, weil du und deinesgleichen denen, die von diesen Meinungen abweichen, sofort mit Feuer drohen; und damit die römische Kirche wisse, dass ich weder neue noch ungewöhnliche, sondern sehr alte und alltägliche Lehren behandele, und sie nun gar mich nicht nur nicht verbrenne, sondern mit mütterlicher Güte gegen unsere Bekämpfer der Kirchengebete beschütze. […]«.
23Vgl. Karlstadt, Conclusiones Lipsiae (1519), fol. A4r: »Originem tam iustae pugnae in Defensione nostra, adversus D'ominum' Ioannem, edita spectare licet«.

Downloads: XML · PDF (Druckausgabe)
image CC BY-SA licence
»