Nr. 86
Andreas Karlstadt an Johannes Eck
Wittenberg, 1518, 11. Juni

Einleitung
Bearbeitet von Alejandro Zorzin
unter Mitarbeit von Antje Marx

1. Überlieferung

Editionen:

Literatur:

2. Inhalt und Entstehung

Karlstadt hat Ecks Brief erhalten und kann ihm nicht verhehlen, dass ihm dessen Kritik an Luther sehr missfallen hat, denn er habe ihm Majestätsbeleidigung vorgeworfen und ihn als aufrührerischen Böhmen beschrieben. Geschriebenes – so Scotus – mache seiner Natur nach Dinge öffentlich und sichtbar. Widerspruch dagegen war notwendig, deshalb habe er gegen einige von Ecks Thesen eine Verteidigung veröffentlicht; sie werde bereits im Umkreis Wittenbergs verkauft. Wenn Geschehenes ungeschehen gemacht werden könnte, wollten sie die Kritik lieber mit Geduld ertragen als kämpferisch angehen. Wegen Ecks Gewandtheit und Scharfsinnigkeit habe Karlstadt ihn und nicht den »ungelehrten Inquisitor« [Tetzel1] als Gegenüber haben wollen. Er hoffe, dass Eck vom Saulus zum Paulus werde und sich ihnen anschließt. Karlstadt habe keinen »streitenden Esel«, sondern einen »edlen Löwen, einen redegewandten [Evangelisten] Markus« als Gegenüber gesucht, damit er durch dessen Stileleganz und klaren Gedankenaufbau selbst herausgefordert ist. Eck möge geschehene Kränkungen entschuldigen; wenn er weiter Kritik vorbringen wolle, sollte er abwägen, ob sie gegen einen Menschen oder gegen die Heilige Schrift gerichtet ist. Karlstadt hat beschlossen, ohne Rücksicht auf seine eigene Person lieber »Krieg und tyrannische Bedrängnis« auf sich zu nehmen, »als einen falschen Frieden« zum Schaden der »göttlichen Zeugnisse«. Er wünsche Eck nichts Böses, wolle aber erreichen, »dass Gottes Wort, das in unserem unglücklichen Zeitalter unselig im Verborgenen ist, süßer, deutlicher, ja sogar strahlender werde«. Luther lebe hoch, »der es unternommen hat, das Gesetz Gottes im Mark freizulegen«. Eck, der Freund, lebe auf seine Art hoch; wenn dennoch Feind, dann möge er ein aufrichtiger Liebhaber der Wahrheit sein.

Karlstadt geht in seinem Antwortschreiben auf die von Eck in seinem Brief vom 28. Mai 1518 angesprochenen Punkte ein. Er lässt dessen Argument, er habe seine Vorwürfe gegen Luthers Thesen privat und nicht öffentlich geäußert, unter Verweis auf Scotus nicht gelten. Karlstadt spricht Luther in diesem Brief seine uneingeschränkte Anerkennung aus, wobei er Luthers Leistung auf das Sichtbarmachen des »Gesetzes Gottes« fokussiert. Mit seiner durchdachten und bestimmten Antwort an Eck will Karlstadt weder die in ihren Anfängen liegende Freundschaft aufkündigen, noch jene theologischen Grundaspekte verschweigen, die ihrer Rivalität Vorschub leisten. Ecks zeitnächste Antwort an Karlstadt findet sich am Ende seiner Defensio, in der »an Andreas« adressierten Schlussrede vom 1. August 1518.2


1Johannes Tetzel (um 1465–1519).

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