Nr. 89
Andreas Karlstadt an Georg Spalatin
Wittenberg, 1518, 26. September

Einleitung
Bearbeitet von Alejandro Zorzin
unter Mitarbeit von Antje Marx und Antje Marx

1. Überlieferung

Editionen:

2. Inhalt und Entstehung

Das Exemplar von Karlstadts gegen Eck zu druckender Defensio1, das er dem Drucker2 gab, wird bezeugen, dass Spalatin Karlstadts Verteidigung schon in Augsburg3 hätte lesen können. Für die Verzögerung der Druckfertigstellung trifft ihn keine Schuld. Er erwartet ihrer aller Rückkehr [aus Augsburg] und empfiehlt sich und Herrn Martin [Luther] Spalatin an. Die übrigen Dinge will Karlstadt persönlich mit Spalatin besprechen.

Am 14. August 1518 war eine Verteidigungsschrift von Johannes Eck gegen Karlstadts Thesen erschienen.4 In ihrem Impressum hebt diese in Augsburg veröffentlichte Schrift hervor, in der Stadt gedruckt worden zu sein, wo Kaiser Maximilian mit Reichsfürsten und Legaten »der ganzen christlichen Welt« versammelt ist.5 Ein Bericht über den Augsburger Reichstag, den der am Hofe Maximilians I. tätige Humanist Riccardus Bartholinus6 veröffentlichte, hält fest, dass Eck am 18. August am Rande der Versammlung, mit Bartholinus sprach und ihm ein Büchlein zeigte, das er gegen Anhänger Luthers gerichtet hatte.7 Im Brief, den Eck im Juli 1519 – nach der Disputation mit Karlstadt und Luther in Leipzig – an Kurfürst Friedrich III. schrieb, berichtet er, auf dem Augsburger Reichstag »etwa sechsmal« erfolglos versucht zu haben, beim Kurfürsten vorgelassen zu werden.8 Eck entfaltete also im Rahmen des in Augsburg tagenden Reichstages eine rege Tätigkeit. So ist auch zu verstehen, dass Karlstadts Defensio (gegen Ecks dort vorgezeigte Schrift) Spalatin noch während seines Aufenthalts in Augsburg erreichen sollte.9 Dieses Vorhaben gelang jedoch nicht. Deshalb sendet Karlstadt Spalatin vermutlich nun (am 26. September) entweder eine vom Drucker zurückerhaltene handschriftliche Vorlage seiner Defensio oder einen (mit Korrekturen versehenen) Probeausdruck.10 Da Luther sich in den letzten Septembertagen von Wittenberg nach Augsburg aufgemacht hatte, könnte ihm Karlstadt diesen Brief mit der vorläufigen Ausfertigung seiner Defensio mitgegeben haben. Luther traf auf seinem Weg von Wittenberg nach Süddeutschland zum Verhör durch Kardinal Cajetan am Abend des 28. Septembers 1518 in Weimar ein, wo der kurz vorher von Augsburg zurückgekehrte Hof weilte.11 Offenbar rechnete Karlstadt damit, Spalatin bald persönlich zu sehen.


2Wittenberger Drucker von Karlstadts Defensio war Johann Rhau-Grunenberg († 1529); vgl. Reske, Buchdrucker, 992f.
3Spalatin befand sich im Gefolge des Kurfürsten Friedrich III. (1463–1525) von Mitte Juli bis in die zweite Hälfte des Septembers 1518 hinein auf dem Reichstag in Augsburg (vgl. Höss, Spalatin, 133).
4Eck, Defensio (1518); Eck, Defensio (Greving), 33–83. Ein Sammelband der Staatsbibliothek Bamberg (Sign: Inc.typ. M.VII 23a) enthält drei lateinische Flugschriften aus dem Jahr 1518, auf deren Titelseiten sich jeweils handschriftliche Widmungen der Verfasser an Georg III. Schenk von Limpurg (Bamberger Bischof von 1505 bis zu seinem Tod 1522) befinden, darunter Johannes Ecks Defensio (1518) und De materia iuramenti[…] (E 384).
5»Excusum in Augusta, urbe Vindelicorum Suevica, Maximiliano divo Caesare conventum cum optimis quibusque Imperii principibus, totius orbis Christianis legatis tenente, anno gratiae XVIII. die XIV mensis Augusti.« (vgl. Eck, Defensio (Greving), 83,1–4).
6Riccardo Bartholinus (um 1475–ca. 1529); vgl. VerLex (Hum) 1, 120–132.
7Bartholinus, De conventu (1518), fol. B2 r–v: »Die Xviii. Augusti [1518] Archiepiscopi Colonien(sis) adventus fuit. […] XIX illuscente die civitatem ingressus est. […] Dum haec principes nostri tractant venit ad me Echius vir sane doctus. Post verba utrinque habita, libellum ostendit, in quo obiecta quaedam sibi, satis erudite diluebat, et quantum potui coniectura assequi, cuiusdam fratris Luther sectatores, qui cum Echius ecclesiasticam dignitatem, ac veritatem fortasse ipsam defenderet, in eum gravius, quam ut Theologos deceret, invecti fuerant.«
8»Dann ich vorlängst gern mich E. Ch. G. entschuldigt hätte und vorsprochen; deshalb wohl sechs mal ich in E. Ch. G. Hofhaltung zu Augspurg kommen, ich weiß aber nit aus was Ansinnen ich nie für E. Ch. G. hab mügen kommen.« (Löscher, Reformations-Acta 3, 604–608; Eck, Briefwechsel, Nr. 89. Höss, Spalatin, 132 vermutet, »daß es Spalatin gewesen ist, der dafür gesorgt hat, daß der Ingolstädter Professor keine Gelegenheit erhielt, den Kurfürsten zu sprechen.«).
9Luther hatte einen am 28. August 1518 datierten Brief an Spalatin nach Augsburg geschickt, dem er ein Druckexemplar seiner Erläuterungen zu den Thesen von der Kraft der Ablässe beigab (WA.B 1, 189).
10Der Druck enthält am Ende eine »Korrekturenauflistung«. Karlstadts Nachwort zu seiner Defensio gegen Eck ist auf den 14. September 1518 datiert. Auf diese Verteidigung gegen Eck bezieht sich die Bemerkung Karlstadts am Briefanfang des Schreibens vom 20. Oktober 1518 an Spalatin (vgl. KGK 096), er habe einem früheren Boten »apologeticam nostram« »pridie [= 13. Okt.] Burchardi [= 14. Okt.]« zur Überbringung an Spalatin mitgegeben. Der endgültige Druck ist demnach zwischen dem 26. September und dem 13. Oktober 1518 fertig geworden (vgl. Einleitung KGK 090).

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