Nr. 241
Was gesagt ist: Sich gelassen. Was das Wort Gelassenheit bedeutet und wo es in Heiliger Schrift begriffen
[Augsburg] , [1523, Mai/Juni]

Text
Bearbeitet von Harald Bollbuck
BuchsymbolA1r

Was gesagt ist/ Sich
gelassen/ und was das wort
gelassenhait1 bedeüt/ und
wa es in hailiger ge-
schriffta begriffen.

Andres Bodenstain von Ca-
rolstat/ ain neüwer Lay2.


BuchsymbolA1vFrid und gnad gottes wünsch ich

Andres Bodenstain von Carolstat/ dem Er-
samen und gotforchtsamen Joͤrgen-
Schencken3/ Burger zů
Schlesingen.

Nach dem du/ günstiger lieber brůder/ von mir auß
krafft Christlicher liebe/ forderst und wiltb haben/
das ich dir dise woͤrtlin/ gelassen und gelassenhait/c
außleg/ und sage/ waherd sy kommen/
Bin ich gůtwillig und be-
rayt dir zůwilfaren/ zůvor angesehen/ das mein wilfaͤrig
schreyben und außlegung/ villeicht auch anderen Christen
zů nutz geraichen mag/ als ich vermůt/ dann dieweyl du das
bůchline/ teütsche Theologia4 genant/ versteest/ und wolest
dannocht gern wissen/ waserlay bedeütung und ursprung
obgemelts woͤrtlin5 hett/ ist ungezweyfelt/ ir werden meer
sein/ so begern zůsehen und wissen/ was obgedachte woͤrtlein
bedeüten/ unnd waher sy kommen. Das du auch zwo bit im Va-
ter unser6 zůsamen geflochten/ und als widerspenig7 sententz
fürgetragen hast/ Nemlich/ du sprichst/ wann ich bete/ dein
wil geschech/8 so můß ich gelassen sein/ bette ich anders recht.

Aber so ich sprech/ Nitt fuͤref unns ein in versůchung/ da
(sprichst du) bin ich ungelassen/ und wil gottes willen für-
buwen9/ und dunckt dich gleich/ als weren dise zwen bitar-
tickel wider ainander und streyttig.
Derhalben bitestu/ ich
woͤll dir auß diser schlingen helffen. Lieber brůder/ ich bin
gewertig und berait/ dir/ sonderlich in solcher sach/ nach
hoͤchstem fleyß und vermügen zůdienen. Wann aber dise zwo
frageng weitter umb sich greyffen/ dann man waͤnet/ ob ich
allhie kurtz und verhabenh10 sein wurde/ das solt du mir nitt
verargen/ damit Got dem lebendigen herrn bevolhen.
Datum zů Wittenberg am Zwaintzigsten tag Apprilis.
Anno domini iM. D. XXiii.i

BuchsymbolA2r Ob11 das wort gelassenj und gelassenhait/ ursprünck-
lich hie in Sachsen/ oder andern landen erschol-
len sey/ ist mir nit wissendk. Das waiß ich aber/
das die Merckischen baurnl brauchen/ und halt
es dafür/ das bey inen gemainlicherm und breüchlicher sey/
dann bey andern/ vileicht moͤcht es inen in sonnderhait zů-
steen/ als den Mechelburgischen das wort vehlich12 und un-
vehlich13/ den Düringen das woͤrtlin schleunig14/ den Bayern
verheyrn15/ den Francken dise wort mißlich16 und gelingen17/
den Schwaben jehen18 und necken. Ich rede von den bauren
und gemainem man/ unnd nit von den jhenen/ die auß der
tabulaturn reden/19 unnd sag/ das gar nach20 in ainem yeden
landt/ ain hoflich woͤrtlin/ als aigen gebraucht wirt. Wa
aber das woͤrtlin gelassen und gelassenhait entsprossen ist/
das laß ich auch unerkandt beleybeno. Auch hab ichs ge-
braucht/ das21 ichs vermercktp22 hab/ bey anderen schreyben.

Was gelassen bedeütq.

Gelassen bedeüt sovil und geleich das/ was das wort ver-
lassen bedeüt/ wann ich wolt schreyben oder sagen/ wir sollen
frembde müntz verlassen/ moͤcht ich für das wort verlassen
das woͤrtlin gelasen setzen/ und sagen/ Wir sollen fremb-
de müntz gelassen. Als wann ainer sagt/ ich hab ain sicher ge-
lait/ dafür sprech ain Mechelbergischer/ Ich hab ain veh-
lich23 gelait/ das seind zwayerlay wort und ain mainung24/
und haben kain underschaid dann im bůchstaben und silla-
ben/ und in dem/ das ains lieplicher lautet/ oder frembder
ist dann das ander/ Bey unsern teütschen Francken ist das
wort vehlich/ seltzam und frembd/ darumb25 brauchens die
Cantzelschreyber. Aber der gemain man/ paurn/ kinder/
und weyber am Rein26/ im Niderland/ tragen das wort veh-
lich alle tag im mund. Alsor ist es mit dem wort gelassen/
des sich der gemain man/ pauren/ kinder und weyber/ nit
in allen landen gebrauchen. Aber in etlichen doͤrffern ists
BuchsymbolA2v bekandt wie keß unnd brot. Wa es frembd ist/ da wirdt es
meer geschriben dann geredt/ und von den mündtlich geuͤbts/
die gespreche redner sein woͤllen. Es gilt aber ain ding/ ge-
lassen und verlassen/ gelassenhait und verlassenhait. Auch
sol dich nit kümmern/ das ich zůzeiten gelasen/ durch ain
s. zůzeiten durch zway schreyb/ dann ich sihe das auch thůn/
die sich fur schreybmaister27 woͤllen gehalten haben.

Welcher ain gelassen mensch ist.

¶ Der ist ain gelassen mensch/ der gelaßt oder verlaßt/ und
wiewol auch der ain gelasen mensch haissen moͤcht/ der ver-
lassen ist/ dannocht steet sein gemainer brauch in dem/ das
ainer etwas verlassen můß und abwerden28/ des er will ain ge-
lassen mensch sein. Demnach steet das wort active/ das ist/
wircklich29/ und in thuͤender30 weiß in diser red. Ain gelassen
mensch/ und in dem ists etwas annders dann verlassen. Ur-
sach/ wann ich schreib/ der ist ain verlassen mensch/ wurdest
du ainen abnemen31 der verlassen ist/ passive/ das ist leydlich/
oder in leydender weiß. Yedoch leügne ich nit/ das diß woͤrt-
lin gelassen auch verlassen haißt passive/ und du gelassen
bist/ so du verlassen bist. Sot du ain lateinisch wort dar-
auff wilt haben/ waiß ich dir kain bessers zůgeben/ dann das
wort Christi/ der spricht. Woͤlcher vatter und můtter ver-
laßt etc.32 Relinquo/ sprechen die lateinischen/ und wir layen33
sagen/ Ich gelaß oder verlaß.34 Als wir haben geschriben/
der mann wirt von wegen seines weybs vater und můter ge-
lassen/ und seinem weyb anhangen.35 Yedoch moͤgen wir das
wort gelasen oder verlassen durch mangerlay lateinische
woͤrtlin außreden36/ als durch das wort deserere und renun-
ciare/ dimittere und der geleichen.37 Sihe/ gleich wie die lieb
des weybs die lieb zů vater und můter übertrifft und ab-
schneyt/ also sol die lieb zůt got/ alle lieb und lust (so wir in
ainiger creatur haben) abschneyden/ und dem mennschen
niendert38 wol sein dann in got/ ja wir můssen alle creaturen
BuchsymbolA3r gelasen/ woͤllen wir got zů ainem beschützer und inwoner
oder herrscher haben.

Gaistliche Ee zwischen
got und ainer geschaffen Seele.

Das ist auch die ursach/ das zwischen got und ainer glau-
bigen seele ain warhafftige vermehlung und ee steet/ unnd darumb
nennet sich Christus ainen breütigam/39 und got zůu
zeyten unsern man. Osee. ii.40 Hie. iii.41 zůzeytenv unser weyb.
Esaie. xlvi.42 Das wir auß eelicher verainung unnd pflicht
sollen versteen/ woͤlcher weiß wir alle ding gelassen/ unnd
Got allain anhangen sollen/ unnd dadurch lernen/ das
wir flaisch und gebain von Christo haben/ unnd zway ding
in ainem gaist sein sollen/ als man unnd weyb zwo per-
son in ainem flaisch seind. Ephe. v.43 Das wir auch unser au-
gen zů got aufheben/ und auß seinen augen mercken sollen/
was got geliebt/ das selbe zůthůn/ oder verdreüst/ dasselb zů
meyden/ auff das wir durch absterben unnsers aigen wil-
lens/ in seinem goͤtlichem willen leben/ und werden ain ding
mit got/ als Christus und got aines ewigen willens geweßt
seind/ unnd unverenderlich bleyben. Das alles durch an-
hangung zů got geschicht/ als Paulus spricht/ Welcher
got anhanget/ der ist ain gaist mit got/44 Und Moses/ got
ist eüch angeleymbt Deutro. x.45

Warumb sich got mit unnser
Seele verainet.

Got stifft ain ee mit dem menschen/ das der mensch merck
und wiß/ woͤlcher massen er seynem got ist verbunden/ und
das er seinem vater/ můter/ hauß/ hof/ hab und guͤter umb
gotes willen gelassen sol/46 und got irem eeman zů allen stel-
len/ wercken und weysen anhencklich nachvolg/ und so die
seel eeliche pflicht oder band verbricht/ das sy ain hymelhůr
und ain lesterlicher sack/ und ain stinckende eebrecherin sey
BuchsymbolA3v in gotes augen. Darumb nennet got alle menschen hůren
und Eebrecherin/ die wider das gebott thůn/47 Du solt nitt
frembde goͤtter haben/48 oder Israhel wisse das dein got ain
got ist.49 Den selben gott sollen wir also fürchten/ das wir
kain andere macht dürffen fürchten. Deütro. iii. Esa. li.50
Dem selben got sollen wir der massen dienen/w das wir nie-
mandt anders dienen/ auch unns selber nit dienen/ so wir
in gotes wercken geen. Derhalben spricht Moises. Du solt
got mit gantzem hertzen und gantzer seel dienen. Deü. x. et xi.51
Got soll unser lust sein/ und er soll allain gemain werden/
Sůchen wir aber das unser/ oder schepffen lust auß gottes ga-
ben/ und ziehen sy in das unser/ so verlassen wir got/ woͤlch-
en wir nit sollen verlassen/ und überfaren52 eeliche gelübt/
und werden stinckende hůren und ungelassenx seck. Auch sol
len wir got mit gantzery seel/ vollem hertzen/ und allen kreff-
ten lieben. Deütro. vi. et xxx.53 Lieben wir uns und das un-
ser/ so gelassen wir nit alles/ und werden auch nit ain gaist
oder willen mit unnserem eeman/ welcher got ist/ von wel-
chem alle eeschafft ist entsprossen in himel und erden. Wir
muͤssen got allain anhangen/ woͤllen wir redliche breüt und
frumme eeweyber gotes sein/ und von gottes wegen unsere
elternz/ kinder/ unnd alle hab gelassen/ ja dartzů unser aigen
seel verlassen/ unnd ir fernaa werden/ und mit nicht54 meer an-
hangen.55 Es ist aber so mißlich/ das schwerlich geschicht
das ainer gott genůgsam anhangeab. Darumb můß das boͤß
und die sünd bekant werden/ woͤlche in unserm flaisch won-
hafftig ligt. Es ist unnser natur fast leüchter/ ainem ge-
schaffen eeweyb anzůhangen/ dann das sy irem schoͤpffer an-
hang. Deßhalbenac ist die gelassenhait der eeleüt etwas be-
kanter/ unnd in sinnlicher weiß fast mer gebruͤfft/ dann die
verlassenhait/ welche wir got schuldig seind. Aber wir sol-
ten auß gelassenhait die eeleüt lernen/ wie wir unns aller
ding umb gottes willen solten entschlahen56 und eüssern57/ und
über alle creaturische wesen schwingen/ und allzeyt in go-
BuchsymbolA4rtes augen sehen/ wie der magt augen auff irer frauen au
gen warten58/ ja besser und hoͤher/ als den/ die geschaffne tu-
genten ungeschaffne und hoͤher ding anzaigen.59 Ich hoff/
du wissest yetz baser60/ was das wort gelassenhait bedeüt dann
vor61/ und adwiewol ichad dir gnůg gethon hab/ dannochtae will ich
ain rede oder zwů Christi handlen62/ damit auch das boͤß la-
ster ungelassenhait/ erkant und geflogen werd.

Was ainer gelassen soll.

Darumb ist zůmercken/ das ich das mein in kainerlay
weiß und weg solt sůchen oder mainen/ wann ich got behagen
wil/ Diß wort/ mein/ begreyffet mein eere/ mein uneere/ meinen
nutz/ meinen schaden/ meinen lust/ meinen unlust/ meinen
lon/ mein peinaf/ mein leben/ meinen tod/ bitterkait/ froͤlich
hait63/ und alles das ainen menschen mag anrieren/ es sey
an eüsserlichen gůtern/ unnd leyplichen oder innerlichen
dingen/ als vernunfft/ woͤllende krafft64 und begirden. Al-
les darinn/ ich/ und ichait/ mich/ und meinhait65 kleben66 mag/
das selb můß außgeen und abfallen/ soll ich gelassen sein/
dann gelassenhait tringt unnd fleüßt durchauß/ über alles
das geschaffen ist/ und kumpt in ir ungeschaffen nicht/ da
sy ungeschaffen und nicht geweßt/ das ist in iren ursprung
und schoͤpffer/ wann als du nicht geweßt bist/ da bistu in er-
kantnuß und willen gotes gantz mit ainander gestanden/
und ist auf erden und himel nichts geweßt/ des du dich het-
test moͤgen mit recht annemen67. Also soll ich und menigklich-
er noch heüt thůn/ und von mir und von den meynen nicht
wissen oder finden/ des mich gelusten moͤcht/ und solt in go-
tes willen also versuncken68 sein/ das ich mir warhafftig-
klich erstorben69 wer/ unnd wer mir noch übler/ also/ das ich
herbe bitterkait70 empfundag und het/ das ich mit meinen be-
girden můß umbgeen/ unnd sy in mir wissen. Darumb solt
ich wünschen/ das ich an ain bitter schmachcreütz71 geschla-
gen were/ das ich auch ainen erschrecklichen grauwen vor
BuchsymbolA4v mir selber het/ das ich vor meinen gedancken/ begirden
und wercken/ als vor aim greülichen laster schemet/ wie ain
gelb eyterig geschwerflug72/ das ich in meiner seele und kreff-
ten nichts anders sihe/ dann unvermügenhait zů allem das
gůt ist/ und widerumb vermoͤgenhait und zůnaig/ zů allem
dem/ das boͤß/ strefflich/ lesterlich und schmechlich ist/ derenah
ich kaines moͤcht und wolt annemen/ sonder vil lieber ver-
leügnenai/ als ain boͤß missethat73/ das aber gůt und lobwir-
dig ist/ das solt ich alles auff74 in den ursprung tragen/ und
dem zůerkennen/ bloß und frey und gantz/ der es geschaffen
und geben hat.

Blosse noturfft suͤchen.

Auch sollt ich nichts sůchen in allen anderen creaturen/
dann allain blosse und lautere notturfft75/ und die selbe nit ob-
enhin/ sonder mitt grosser forcht/76 dann wie ich mein hailig-
kait můß in grosseraj forcht und bidmen77 wircken/ als Pau-
lus sagt/ und David spricht/ sagend. Dienet got mit forcht
und springet im auf mit ziterung Psal. ii.78 Also solt ich al-
ler creaturen zů blosser notturfft geniessen oder brauchen/
Wir muͤssen got dienen/ unnd das ist verlich79. Aber da soll
nicht gesůcht werden/ dann allain/ das wir dienen muͤssen/
das ist noturfft80. Aber dannocht soll die selb noturfft mit
grosser forcht unnd erschrecken gesůcht werden/ gleich wie
ain krancker mit grausen sein speiß nimpt zů grosser not-
turfft/ oder ertzney nimpt on lust zů schlechter erhaltung81/
darumb bat David unnsern herren/ak sagend/ Durchheffte
mein flaisch in deiner forcht/82 oder als Hebreisch83 innhelt/
Mein flaisch hatt sich also gefürcht/ dann mein hare gen
berg steygen.84 Psal.85 Als sagt David/ Mein flaisch hatt
ain grausame forcht in deiner forcht/ gewißlich ain grau-
sames bidmen86/ das sy sich ye nicht anneme das gůtt ist/87
ja essen und trincken ist des leybs noturfft/ dannocht sůcht
der gotforchtsam mennsch das selb mit grosser forcht/ und
BuchsymbolB1r huͤte sich ye/ das er des nit vergeß/ der im essen und trincken
beschert hat/ der allain got ist. Deutro. viii. et vi.88

Aller lust/ on gotes ist sünd.

Es ist aller lust sünd/ und ist bald geschehen/ das sich ai-
ner an essen und trincken vergreyfft und verbrennet/ und
wer uns nützer/ wir besprengten essen und trincken mitt aͤsch-
enal89/ dann das wir unser maltzeit lassen besingen/ dann des lu-
stes art thůt uns an gotes erkantnuß/ und goͤtlichem werck
verhindern/ derhalben spricht Esaias/ Ir hapt harpffen/
Leyren/ baucken90/ schalmeyen/ und wein in euwerm wolle-
ben/ und haben nit achtung auff gottes werck/ unnd be-
tracht nit die werck seiner hend/ Esaie v.am91 Es ist ferlich92/
das allerminst93 ding mit lüsten zůbrauchen/ dann alles das ai-
nen gelust/ das ist sein hertz und schatz/ als Christus94 sprichtan/
und macht inao zů ainem knecht/ unnd besitzt in als ain herr
sein vich besitzet. Darumb sollen wir alle noturfft95 (mitt
forcht) bitten/ sůchen/ nemen unnd geniessen/ unnd derhalb
mit forcht/ das wir kaines gůtten wirdig seyen/ dann so ich
mich ansichap und erkenn/ so find ich/ das ich und meine krefft/
und alles das mir zůsteen mag/ nichts werdt ist/ das nichts
gůttes in mir und in den meinen ist/ unnd scheme mich des
meinen/ wie moͤcht ichs dann annemen und lieben? In mir
find ich boͤse gifftige zůnaigung zů dem boͤsen/ nach dem als
got sagt/ die gedancken des mennschen seind zů dem argen
genaigt/96 Allerlay gebresten97 und untugent find ich in mir/
welche ich meer woͤlt fliehen dann sůchen. Derwegen dringt
gelassenhait durch alles das mein/ und urtailet mich und
alles das mein ist/ aller gůthait unwirdig und spricht/ Mir
gebür nicht gůtes von recht/ das gott oder ain creatur ge-
ben kan/98 das ich auch solt in allemaq dem meinen gestrafft
werden/ und das ich der straff kaumar wirdig bin.99 Also fleügt
gelassenhait überauß/ und wirfft den menschen in ain ge-
strenge verachtung und gruwenas seyn selber/ unnd machet/
BuchsymbolB1v das der mensch denckt/ es ist zimlich100 und recht/ das gott und
alle sein creaturen wider mich seind/101 als geschriben steet/
vermaledeyet ist der/ der da spricht/ Warumb machest du
mich also.102

Ungelassenhait.

Aber die teüffelisch untugent/ annemligkait103 oder unge-
lassenhait/ greyffet nach frembder eer und gůt (als der Lu-
cifer nach gotes glorie griff104) die hat ainen blinden kopff/ und
kan des menschen umbstend/ grobhait105/ und anhengig gebre-
sten106 oder boßhaiten nit erkennen. Sy besicht107 sich/ aber findt
kain unwirdigkait in ir/ und felschet also gottes urtayl und ge-
rechtigkait. Diße gifftig boßhait/ schetzt sich allesat gůtten
wirdig/ und sůcht lust und aigen thůn in allem dem/ das
got gibt/ und zürnet/ so ir etwas gůtes abgezogen wirt/ das
ir ist stets das best/ lobt man yemandts/ so rimpfft sy das
maul/ dasau nit das ir gelobt würtav. Empfachtaw ain andrer
etwas gůts/ und sy nitt/ so zürnet sy hefftigklich/ und spricht/
got sey ungerecht. Zů allen dingen wil sy recht/ und in al-
len nottürfftenax ergetzlichait und wolust haben/ ir sol nicht
abgeen108/ sonder stets wol sein. So sy überwunden109 ist/ das sy
unrecht hat/ wendt110 sy vil behelffred für/ und bedeckt (mitt ent-
schuldigung) was sy kan. Darumb hayßt sy billich111 ungelas-
senhait/ weyl sy nichts gůts wil verlassen/ und Annemlig-
kait112/ das sy sich aller tugent fast annimpt/ und in sich mi
lüsten zeücht/ und für das ir achtet.

Underschaid zwischen gelas-
senhait und ungelassenhait.

Gelassenhait hat alle lieb und lust on mittel/ in got lau-
ter113/ und liebet got nicht als das oder jhenes/ sonder als ain
wesenlich güt. Ungelassenhait hat lust und lieb/ in dem/
das geschaffen ist/ und liebet diß oder jhenes gůt/ als ir ai-
gen gůt. Ob sy auch gleych tausent mal von gott thet reden
BuchsymbolB2r und predigenay/ dannocht steet ir lust in dem/ das sy reden kan/
oder in irer weißhait/ oder in dem bůchstaben/ welchen sy zů
aigem rům/ lob/ gelust und schatz gefaßt/ und in sich gezo-
gen hat/ und nit bloßlich114 in got. Exempel/ Ich wenet〈/〉 ich
wer ain Christ geweßt/ wann ich tieff unnd schoͤn sprüch auß
Hiere.115 geschrifft klaubet/ und behielt sy zů der disputation/
lection/ predig/ oder ander reden und schreyben/ und es solt
got auß der massen wolgefallen/ Aber als ich mich recht be-
san unnd bedacht/ da fand ich/ das ich weder got erkant/
noch das hoͤchst gůt/ als gůt liebet. Ich sach〈/〉 das der geschaf-
fen bůchstabeaz/ das wasba/ das ich erkant und liebet/ in dem-
selben růwet ich/ und der selb was mein got/ und mercket
nicht/ das got durch Hieremiam gesprochen hat. Die mein
gesetz halten/ die erkennen mich nit/ und sy haben auch nicht
nach mir gefragt Hiere. ii.116 Sich da/ wie kan ainer das ge-
setz gottes handeln und halten/ unnd got weder erkennen/
oderbb nach ime fragen/ den bůchstaben erkent ainer wol/ oder
hat lust in ime/ aber gott erkennet er nit/ wann er mit lieb und
lust in dem bůchstaben steet/ dann die gottes süne117 seind/ die
werdenbc von gottbd getriben/ nit vonn dem bůchstaben.be118 Ja〈/〉
es ist dise weißhait vermaledeyt/ und nit ain goͤtliche/ son-
der ain menschliche weißhait/ über welche got spricht. Wee
eüch/ so weiß seind in eüwern augen/ und vor eüch selber für-
sichtig. Esaie. v.119 Was ist dise weißhait anders/ dann ain
weißhait in menschen augen/120 wann wir die schrifft und ande-
re creaturen (auß welchen wir got solten erkennen und lie-
ben) zů unnserm lust eintragen121/ und woͤllen etwas vor ai-
nem anndern wissen/ als layder vil layen yetz/ die schrifft
fassen und lernen/ das sy in zaichen wol leben und reden/ et-
was vor ainem andern wissen/ ist das nitt ain weißhait in un-
sern augen? frag dein hertz/ und antwurt mir. Ists nit ain
verflůchte weißhait? liß Esaiam/ Paulum und Christum/ und
merck das du got nit sůchest/ sonder dich/ dann du můst hoͤrn
in deinem hertzen/ das Christus zů ainem gleichen fal sprach.
BuchsymbolB2v Ir sůcht mich nit darumb das ir zaychen habt gesehen/ son
der derhalb/ das ir geessenbf hapt und satt seind. Joan. vi.122
Also sůchen wir got auch nitt in diser weiß/ als angezaigt
ist/ darumb das er got ist oder uns sein wort geben hat/123 son-
der derhalben/ das wir wol von der geschrifft reden künden/
und werden gesehen unnd gelobt/ Sihe da merck wie lüstig-
klichbg dise untugent handelt/ welche ich annemlichait124 und
ungelassenhait nenn/ wie bald sy sich sůcht. Wann aber ich/
mein ich/ unnd ichait/125 ichts126 und etwas kündbh zůboden und grund127
gelassen/ und leyden/ das ich in aller menschen augen nicht
wer und wurd/ so mecht ich in recht erkantnuß und lieb go-
tes kommen/ und ain gelassen mennsch werden. Wann das
geschech/ ungezweyfelt/ ich wurd weder schreyben noch pre-
digen/ vermanen oder verhindern/ weder loben noch schel-
ten/ und sagen. Ich habe meine fuͤß gewaschen/ meine klay-
der außgezogen/ und ich schlaff/ aber meyn hertz das wach-
et/ solt ich wider auff steen/ Ich erfreu mich in innerlich-
em hoͤren/ solt ich leeren oder predigen und mich beflecken/
Canti. v.128 Ich wurde mich aller reden enthalten/ und nicht
leeren/ ich wer dann auß goͤtlichem gehorsam/ bruͤderlicher
lieb/ und Christlicher treuw dartzů getriben/ doch wurd
ich das alles/ auß grosser forcht umb Gottes willen und ere/
und so wenig thůn als müglich ist/129 dann es ist grosse ferlig-
kait130 allenthalben/ Darumb/ das uns ungelassenhait mech-
tigklich anficht. Christus spricht/ Ain yeder auß eüch/ der
nit allen dingen urlaub gibt/ so er besitzet/ der mag nitt
mein leerjungerbi sein. Luce xiiii.131

Gelassenhait berait die Seel
zů der Studierung goͤtlicher dingbj.132

Es ist kain geringere beraitung133/ dann dise/ das ainer ain
leerjungerbk oder discipul werd. Wann ainer ain handtwerck
wil lernen/ so bedarff er nit der ains/ der sein maister tau-
sent behofft134. Under allen schicklichaitenbl135/ ist das die minst/
BuchsymbolB3r woͤlche leerjung haben miessen/ wiewol sy groß und etwas
ist/ ist sy geringschetziger dann geschicklichait des maisters/
Aber Christus fordert von seinen leerjungernbm ain soliche ge-
schicklichait/ welche über alle natürliche krefften ist. Er
will das wir alles gelassen sollen/ das wir besitzen136/ und das
wir kain creaturisch ding in unser seel lassen eingeen/ und
das die seele alle ding überwind. Aber das ist aller vernunfft
unmüglich/ als Christus bekent/ sagend. Das bey den men-
schen unmüglich ist/ das ist müglich bey Gott.137 Das ain
mensch sein guͤtter verlaß umb gottes willen/ das vermag
er nit/ es sey dann/ das ims got in sonnderhait und wunder-
barlich ain solchen gelaß verleych.138Socrates139 und andere
alte gesellen/ haben reichtumb an gelt gering geschetzt/ ab-
er reichtumb der weißhait/ ist inen so werd und hochschetzig
geweßt/ das sy nit zeytliche guͤter verliessen/ sonder umb
bessere güeter wechselten oder verkaufften/ Darumb haben
sy nit guͤtter verlassen umb gotes willen/ sonder umb weiß-
hait/ willen die doch vor gotes augen ain thorhait ist/ als ge-
schriben steet/ Weißhait diser welt/ ist ain thorhait vor got.140
Derhalben muͤssen alle menschen/ weltliche fürsichtigkait
auch gelassen/ und bey der welt narren werden/ woͤllen sy
klůg unnd weiß vor got werden. i. Corinth. iii.141 Demnach ist
scheinlich/ das die alten Philosophi guͤtter nit gentzlich
verlassen/ sonder bley für gold gelassen haben. Diser gelaß
ist nit ain geschicklichait142 aines leerknaben Christi/ mit sol-
ichen gewin gelassen/ sonder umb gotes willen verzeyhen/
dann es ye zwayerlay ist/ wechseln und verzeyhen/ oder ge-
lassen und beytten. Derhalben sag ich/ das dise beraitung143
(so ain schůler Christi soll haben) wichtiger ist/ dann alle an-
dere beraitung aines leerjungen/ der weltliche künst oder
handtwerck gedaͤchte zůlernen.

Erste forderung aines Maisters.

Vor allem fordertbn ain maister von seinem schůler/ das
BuchsymbolB3v er lieb und lust zů seinem handtwerck hab. Wa ain lustige
begerung zů ainer leer nit verhanden ist/ da ist hopffen und
maltz verloren/ hat er aber lust und lieb zů der kunst seines
maisters/ zweyfelt man nitt/ das der jung bequem144 sey zů
lernen. Auch můß der leerjungerbo neydes unnd hasses ledig
sein zů dem Maister und seiner kunst/ das volget von noͤ-
ten auß dem ersten.

Geschicklichait des leerjun-
gen Christi/ ist die hoͤchstbp.

Aber Christus leget seinen leerjungen ain geschicklichait
für145/ die überauß meer ist/ als das der mensch aller lusten
und troͤsten bloß146 und letig sey/ und spricht glat auß/ Wel-
cher nit alle ding verlaßt/ der kan nitt mein discipul oder
leerknab sein. Luce xiiii.147 Das ist sovil gesagt/ Es ist un-
müglich das yemand mein leerjunger sey/ bqweil erbq ain klains
dinglin besitzt/ Das ist hoffnung oder trost/ lust oder lieb/
in ainem minsten148 oder hoͤchsten ding hat. Gůt haben/ ist
vertrauwen in gůtt/ dann als sich Christus selber verklert/
Gelt haben/ ist vertrauwen und trost in gelt und gůt hab-
en. Marci. xi.149 Derhalben ist gelt verlassen so vil/ als weder
hoffnung/ noch trost/ noch lust oder lieb in gelt haben/ das
ist besser dann gelt leyplich lassen/ oder mit der that gelassen/
und in begirden behalten.
Nun wie Christus dise gelassen-
hait im gelt erleütert hat/ also ist sy auch in andern stucken
zůvernemen/ und ist das zil/ darauff Moses/ Propheten/
Christus/ und seine Apostel deyten und weysen/ das die jhene/
so etwas haben/ sollen sein/ als hetten sy nicht/ und wider-
umb die unhabende und arme sollen sein/ als die habenden
und reichen/150 Die arm seind/ sollen kain sorg haben/ was sy
morgen essen/ oder wer sy speysen würt/151 die habendenbr sollen
auch mit nicht sich ires gelts getroͤsten/ ob sy aller guͤter be-
raubt weren/ sollen sy sagen/ got hat sy geben/ got hatt sy
genommen/ wie es got behagt/ also ists gescheen/ der namen
BuchsymbolB4r gotes sey gelobt und wolgesagt. Job i.152 Sy miessen gedenck-
en/ das sy got gleich so wol bloßbs auff erdtrich biß ins grab
ernoͤrn153 mag/ als er sy bloß zum leben bracht hat/ wie Job
sagt. Ich bin nackend geborn/ und würd nackend oder bloß
in die erden geen154/ und es ist auch also in der warhait/ wann
uns got nit speyset und fůretbt/ ob wir gleych essen und trunck-
en/ wurden wir doch nit satt/ als Osee. iiii.155 steet. Darumb
nur freysamlich156 gearbait/ aber doch on sorg/ so mügen wir
gottes leerjungerbu werden/ in disem fal/ sunst ist es unmüg-
lich/ das wir etwas in der warhait und im gaist von got ler-
nen unnd einnemen. Also sichst du das gelassenhait ain an-
fang Christlichs leben ist/ und můß alle goͤtliche tugent er-
halten/ wa sy nit wachet/ da felt der leerjungerbv vonn der
schůl Christi/157 dann Christus spricht. Non potest meus disci-
pulus.158 Es ist nit müglich/ das ain sollicher ungelaßner
mensch mein junger werd/ der ain dinglin besitztbw/ oder nit
aller ding gelassen ist. Demnach miessen alle ding verlas-
sen werden/ und unser annemen zůboden sincken/ und wie der
wind ain steüblin verweet/bx zerstreüt werden.

Gelassenhait in gelassenhait.

So můstu auch achtung haben/ das du gelassenhait in
gelassenhait habest/ das ist/ das du dich deiner gelassenhait
nit annemest/ das du nit deine hoͤchste tugent mit lieb und
lust besitzest/159 die dich in got tragen solt/ und das du nit da
steest/ da du vorby fliehen soltest. Ob du in thůender und wirck-
ender weiß160 werest gelassen geweßt/ und hettest weder in dei-
nem leyden oder wercken lust und lieb gehabt/ sonder es waͤr
in deinem gemůt gar nichts gesehen oder geacht/ unnd ge-
daͤchtest bey dir/ Ich darff nit das minst brot oder korn/
(von rechts wegen) von gott fordernbz/ unnd wissest das dir
carecht geschechca/ so dir gott weder narung noch leben/ noch
himelreych geben solt/ unnd thet dir recht/ wann du ver-
derben soltest. So muͤssest du dannocht dise edle tugent
BuchsymbolB4v auch gelassen/ und ernstlich verwarten/ das du nit dein ge
lassenhait mit gunst/ lieb/ lust und aigenschafft besetzest/
dann Christus spricht mit liechten worten/ es sey dann/ das
ainer alle ding gelaß/ die er besitzt/ so mag er nit mein jung-
er sein161. Sihe nun/ wie bitter und herb die schůl Christi ist/
und ob es unser vernunfft/ willen und natur nit ain greü-
lich jemerlich ding ist/ Und merck ob Christus recht gesagt
hatt/ Woͤlcher nit sein Creütz tregt/ und geet nach mir/ der
kan nit mein leerjunger sein Luce. xiiii.162 Das sagt Cristus
ee er dise gemain schlußred setzt/ die ich obgehandelt hab163/ da-
mit leeret Christus/ das solliche gelassenhait/ die alle ding
übergibt/ ain teglich Creütz ist/ welches wir teglich164 tragen
muͤssen und nicht stilsteen/ sonder Christo nachvolgen/ und
da sein mit willen/ gedancken/ lieb/ lust/ layd/ unnd allem
dem unsern/ da Christus ist zů der gerechten gottes/ in go-
tes ewigen willen verschmeltzen und zů nicht werden.165

Fürschlag166 oder rechnung167
der geschicklichait168.

Auch hatt Christus nit ainmal/ noch an ainem ende/ son-
der an vil enden/ und an ainem end offt von diser tugendt
gesagt/ das ain leerjunger thůn můß/ sam169 ainer thůn woͤlt
der ain hauß oder thurn170 gedechte zůbuwencb/ der zůvorcc sein
taschen und beütel klopffet/ unnd sein vermoͤgen rechnen
woͤlt/ ob er sollichen bau moͤcht volbringen/ und so er merck
et/ das er genůgsam vermag/ so hebt er an zůbauwen.171 Deß-
geleichen sollen alle Christen thůn/ yegkliche/ so Christi
schůler werden woͤllen/ die muͤssen sich erstlich aller ding er-
wegencd und verzeyhen/ Ja sy muͤssen alle ding letzlich abge-
segnen/ und in der weiß und mainung gelassen/ als ainer
etwas entlich verlaßt/ das er hasset/ unnd nit meer zů sich
nemen wil/ das ist/ renunciare/ letzlich urlauben und von
sich treyben. Woͤlcher also alle ding gelaßt/ der mag ain
discipul und leerjung Christi werden/ dise seel můß noch auff
BuchsymbolC1r disen heüttigen tag formloßce sein/ das ist/ bloß und wuͤst172 sein
aller Creaturen/ wann sy got sol einnemen unnd geschehen
lassen/ das sy got besitzet/ herrschet unnd zyeret/ als in der er-
sten schaffung was (himels und erden). Woͤlcher dann nitt
findt/ das er sich verzeyhen kan aller creaturen/ hailigen/
und unhailigen/ gaistlichen und leyplichen/ himlischen und
irdischen/ der denck nur nit/ das er ain leerjunger Christi
werden müg/ laß im kainer traumen/ das got eingee/ wann
creaturen die seel erfüllen/ troͤsten oder gelusten Hie. vii.173
Sy seind in iren gelüsten und boßhaitten ires hertzens von
mir gangen/ unnd haben mich nit woͤllen hoͤrn. Hiere. vii.174
Wann wir ainem solchen herrn den ruck zůkerten175 und weiß-
ten/ solt er uns sein angesicht zůkeren und günnen? Nain
die doppelbůben (etliche keßjeger)176 haben auß diser verzey-
hung ain lotterspil gemacht/ und das/ renunciare genent/
vor den leüten nicht haben/ und im kloster voller reichtumb
sein/ Eüsserlich nicht gůts thůn/ und inwendig voller
blůts (das ist/ ha? und neydes) seind. Der welt sich mit wor-
ten erwegen und widersagen/ und dem teüfel und ainer welt-
lichencf welt in ir garn fliehen.177 Das laß ich yetz faren/ aber
das ist erlogen und ain bůbenstuck/ das sy sprechen. Es ge-
hoͤrt den München zů/ sich aller ding verzeyhen.178 Dann Chri-
stus sagt/ das ain leerjunger allen dingen urlaub179 geben/
und sy zů letsten gesegnen soll/ mit verzeyhung aller hoff-
nung wider zůbesitzen/ woͤlcher das nit thůt/ der wirt ver-
spot/ als der ainer/ so ainen bau anhebt180/ den er nit kan
volbringen.181

Waserlay ding zuverlassen seind.

Nu moͤcht ainer fragen/ woͤlche ding soll ich gelassen/ so
ich ain leerjunger Christi werden wil? Und wie haissen die
guͤter/ woͤlchen ainer solt widersagen/ so er getaufft/ oder
ain leerjunger Christi würt? Darauff antwurten Prophe-
ten also.182 Aller ding/ so in himel und erden seind/ můstu dich
BuchsymbolC1v verzeyhen/ unnd hertzlich unnd ewigklich entschlahen/ sy
nimmermeer mit trost und lust zuhaben/ dann sovil got haben
wil/ und fordert Christus macht solche guͤter namhaffti-
ger/ dann etliche Propheten/ als er auch ain außleüchtend
liecht ist.183 Wann ich der Propheten sprüch solt erzelen/ můst
ich ain gantz bůchlin machen/ das nitt tauglich ist. Dar-
umb wil ich ainen tapffern spruch nemen/ des allergelas
senste knecht gotes Mosi/ der also spricht/ Du solt got lie-
ben auß gantzem hertzen/ auß gantzer seel/ und auß gantzen
krefftencg Deutro. vi. x. xxx.184 Sihe da/ das ich got allain lie-
ben sol/ ist dem also/ so ist mir verbotten/ das ich etwas mit
lieb und lust annem/ das nit got ist/ das geschicht im glau-
ben/ woͤlcher ist als ain senffkoͤrnlinch.185 Het ich etwas neben
got lieb/ so liebet ich gott nit mit gantzem hertzen/ dann die
stat meines hertzens/ die ain annder ding lieb hat/ die wirt
got entzogen/ und moͤcht nit gesein/ das ich got mit gantzem
hertzen liebet. Dise lieb ist ain gaistliche beschneydung/186 diß
ist ain abschneydung aller creaturen vom hertzen. Deutro.
xxx. Hiere. iii.187 Wann nit alle creaturen vom hertzen geschai-
den seind/ so kan das hertz got nit gentzlich lieben. Wann
hilff/ trost/ vertrauwen/ in ainigem ding gesůcht wer/ das
nit got ist/ so wer das hertz unbeschnitten.

Der glaub beschneyt das hertz.

Derwegen spricht man/ das der glaub das hertz beschney-
de/ derhalben/ das er das hertz auff/ in gottes vertrauwen
hebt/ und macht es sonst aller ding trostloß.

Unbeschnitten oren.

Sihe/ Hieremias spricht/ Unbeschnitten oren künden
nit hoͤrn〈/〉 was got leeret. Hiere. vi.188 Was ist das anders/ dann
das Christus saget/ woͤlcher nit alle ding gelasset/ der kan
nit mein junger sein Luce. xiiii.189 So merck ich klaͤrlich/ das
ain ungelassen ore/ ain unbeschniten or ist/ und kan darumb
BuchsymbolC2r nit hoͤrn/ das mit lüsten und vertruwen anderer leeren und
creaturen ist besessen/ das ist/ das auch gott spricht durch
Hieremiam. Ich sagt/ hoͤrend mein stimm/ so würde ich eü-
er got/ und ir mein volck. Aber sy haben nitt gehoͤrt/ und
haben ire oren nit genaigt/ sonder sy seind in iren wollusten
hinweg gangen etc. Hiere. vii.190 Ist nit das klar/ das ain un-
beschnitten hertz oder ore/ ain hertz oder ore ist/ das wollust
hat in andern leeren/ so nit von got geben seind/ oder das
sunst in andern dingen lust/ lieb/ trost oder forcht und be-
sorg hat/ und nit alle lieb oder laid in got hat/ von gotes we-
gen hat. Darab mag menigklicher versteen/ das ain beschni-
ten hertz/ sich aller creaturen vor verzeicht und alles/ das
nit got ist/ gelasset/191 das auch kain hertz got gentzlich/ mit
gantzem umbgriff192 und vollerci lieben kan/ wann sichs mit ewi-
gercj creatur verainet oder vermischt/ ursach/ welcher gott
gantz anhangt/ der vermag nit/ an etwas anders hangen/
Nu alleweil wir got allain/ und gantz můssen anhangen/
(Deu. x. Josue xxiii.193) volget/ das unser hertz nit zum tail an
got/ zum tail an engeln oder hailigen hangen darff/ sonst
hieng es nit allain an got/ sonder auch an andern dingen.194

Gelassenhait der hailigen.

Gleicherweiß alle voͤlcker gotse seind/ und got hat sich
doch sonnderlich und allain an sein außerwoͤlt volck ge-
leimbt195/ und nit andere voͤlcker. Deut. x.196 Also můß sich das
hertz allain an got binden und anleymen/ wiewol es sunst
vil hailigen/ Engel und menschen vor augen/ oder in ge-
dechtnuß moͤcht haben/ das ist/ das got spricht. Ich hab das
hauß Israhel und Juda an mich geleimbt/ das mein volck
werd/ zů meinem namen/ zů meiner glorien und lob. Hiere.
xiii. et xxx.197 Wir můssen nit zů den hailigen schreyen oder
lauffen/ sonder zů got/ der unns derhalben an sich gehefft
hat/ das wir nach im geen/ und verlassen Engel und haili-
gen/ můst ich dann zůerrettung schreyben/ das leym ist lieb.
BuchsymbolC2v Auch ist zůmercken/ das gott mit dem leymen an sich ley
met und anhenckt/ den Moses die lieb haißt/ das magst du
sehen Josue. xxiii.198 Was er ankleben oder anhangen haißt/
i. Regum. xviii.ck et xix.cl199 Dieweil dann ain recht gelaubig
hertz an nicht anders klebet/ dann an got/ und die lieb got-
tes der leym ist/ welcher an gott bindet/ volget/ das ain be-
schniten unnd liebhabend hertz/ alle creaturen mitainan-
der gelassen hat/ und an nicht anders mit lieb klebt/ dann
an got. Es ist auch unmüglich/ das gotes lieb in ain hertz
eingee/ es sey dann/ das lieb/ lust/ trost und vertrauwen aller
creaturen von ainem hertzen fallen/ Derhalben spricht Mo-
ses/ das got das hertz zů erst beschneyd/ das ist/ die creatu-
ren auß dem hertzen treybt/ und das sollich beschneydung
und außtreybung der creaturen derhalben geschicht/ das
wir got mit gantzem hertzen mügen liebhaben. Sagend/
Got wirt dein hertz beschneyden/ auf das du in mit gantz-
em hertzen liebhabest. Deutro. xxx.200

Niemandt kan sich sel-
ber beschneyden.

Nicht das solche lieb auß unnsern krefften wachs. Nain.
Got můß seinen leym selbercm anstreychen/ dann got spricht/
Ja ich wird in zů mir zůfuͤgen201 oder mir zůaigen/ und er wirt
zů mir kommen/ dann warumb? Woͤlcher moͤcht sich zů mir
naigen/ auff das er mir nahcn werd? Hiere. xxx.202Es kan sich
kain hertz/ der creaturen ledig und bloß machen/ auß aigen
krefften/ sonder got der beschneydt/ darumb warden die kin-
der von andern beschnitten/ damit angezaigt würd/ das
sich kainer der creaturen moͤcht hertzlich und ewigklich er-
wegen und verzeyhen.
Es vermag auch kain hertz/ das es
sich auß aigen vermoͤgen zů got naig oder fuͤg/ sonder got
můß alle ding in seinem hauß oder tempel selber schaffen
und ordnen/ die er darein haben will.

Prepucium verstopffung.

Die Juden verteütschen das wortt prepucium203/ mitt ai-
nem bequemen204 wort/ sagend/ es haiß ain verstopffung/ und
beschneydung/ sey ain wegnemung der verstopffung.205 Ai-
gentlich ist das hertz verstopfft und verhoͤrt/ das unbeschnit-
ten ist/ und es ist gewiß/ das die creaturen/ menschlich hertz
verstopffen/ also/ das got nit will eingeen/ und sein hauß be-
sitzen/ ee die creaturen abfallen/ und seel bloß und letig wirt
.

Es ist ain ding/ gelassen sein/
und ain beschnitten hertz haben.

Nu sich/ ob nit ain mainung ist. Es kan niemant got
lieben/ es sey dann/ das sein hertz beschnitten werd/ von al-
len gelüsten/ vertrauwen/ troͤsten und forchten der creatu-
ren. Das Moses sagt/ und das Christus spricht. Es sey
dann/ das ainer alle ding gelaß/ welche er besitzt (das ist/ dar-
inn er trost/ lust/ vertruwen/ oder forcht hat) so mag er mein
leerjunger nit sein.206 Wir lesen/ das Cristus mangerlay leüt
zů seinem abentmal berůfft/ der kainer kam/ sonder ain ye-
der entschuldiget sich. Der ain/ mit ainem erkaufften dorff/
der ander mit Ochssen/ der drit durch Eestifftung etc. Lu-
ce xiiii.207 Die selben entdeckten ire verstopfften und ungelaß-
ne hertzen in dem allensampt/ das sy gotes stimm und ladung
zů ainem gůtten mal/ nit mochten oder wolten annemen/
und Christus gab das exempel/ sonderlich das wir lerneten
wie sy der haußwirt zů gast und froͤlichait gebeten hab/ und
nit für gericht oder rechnung/ dannocht wollten sy nit kom-
men/ das die warhait ye bekant wurd/ das kain hertz got-
tes stimm annemen mag/ das lust/ lieb/ sorg/ unnd forcht in
creaturen hat/ mag es nit ain freüntliche ladung gottes
annemen/ wie moͤcht es feindtliche und zornige forderung
leyden? Darumb spricht Christus/ es sey dann/ das ainer alle
ding gelaß etc.208 Es hat auch Cristus in gedachter Parabol
BuchsymbolC3v stucke der creaturen genent/ die wir verlassen moͤssen/ so wir
sein leer oder stimm woͤllen annemenco und behalten/ got war-
hafftigklich erkennen und lieb haben. Christus nennt ain
dorff/ Ochssen/ und Eeweyb/ und wiewol dise genente creatu-
ren/ auch alle andern creaturen anzaigen/ woͤlche wir ge-
lassen sollen. Yedoch wil ich euch andre namhafftig mach-
en/ die auch Christus hat namhafftig gemacht/ Christus
nennet heüsercp/ aͤcker. Matthei. xix. Marci. am x.209 Brůder
Schwester/ vatter/ můtter/ kinder/ eeweyb. Mat.cq et Mar-
cicr eodem. Luce. xviii.210 Item unser aigen seele. Luce. xiiii.
xvii. Marci. viii. Joan. xii.211

Grad des Sichhait212 und ichhait.

Bey dißen creaturen sollen wir auch andere versteen/
und ob gleich kain creatur benent/ wer doch das genůg/ das
sich der mensch selber sol verlassen/ dann der mensch ist das
gantz/ und die niderst creaturen/ die tail/ also/ der mensch
zeitten alle creatur gehaissen/ und von etlichen die klaine
welt.213 Seintemalcs214 die menschlich natur in sich/ aller irdi-
schen creaturen〈/〉 wesen oder art beschleüßt215/ als nemlich. Der
mensch hat in sich das wesen/ welches allen elementen/
stain und holtz gemain ist/ das ist/ ain gemain wesenlich selb-
stendigkait. Darnach hat der mensch ain lebendig wesen/
welches er gemain hat/ mit graß/ laub/ baumen/ und der
geleychen/ woͤlche ain wachsendes und lebendiges wesen
haben/ das für das ander. Für das drit/ hat der mensch ain
befindtlichs216 leben/ woͤlches fület und empfindtct/ das hat er
mit thieren und vich gemain/ als kuͤ/ Ochssen/ schaff/ zy-
gen/ boͤck/ hirsch etc. haben. Für das vierdt/ hat er ain son-
derlich vernünfftig leben/ er ist vernünfftig/ fürsichtig/
und weyß/ er will und begeret/ er underschaidet und erwoͤ-
let.217 In dem gradcu uberdrittcv er alle niderste creaturen/ er
wer auch ir herre geweßt/ unnd bliben/ wann er seinen ober-
herrn/ got/ erkant/ und ewige gehorsam gelaist hett. Aber
BuchsymbolC4r als er von der ordnung fiel218/ da fielen auch die andern thier
auß irem gehorsam/ und eingesatzter forcht/ Woͤlcher ab-
er gott widerumb in vollem gehorsam erkennen und lieben
moͤcht/ der wurd ain herrscher aller creaturn/ es vermoͤcht
im weder gyfft/ noch schlangen/ noch Basalisck beschedi-
gen〈.〉 Esaie. xi.219 Unns gebrist220 der glaub unnd gottes kunst/
Hebreo. xi.221 Das laß ich steen. Für das fünfft/ ist der mensch
auch ain abgesünderte person/ von allen andern mensch-
en/ hat auch sein aigne pfund unnd gaben gotes/222 ain yeder
sovil im got gibt und verleyhetcw〈.〉 Matthei. xxv.223

Ain yeder grad machet ain
aigne ichhait oder sichhait.

Woͤlcher nun ain gelassen mensch sein will/ unnd ain leer-
junger Christi werden/ der můß alles gelassen unnd überge-
ben/ das in224 in ainigerlay weiß anruͤrt/ als nemlich/ er soll
sich nichts gůts annemen/ er soll sich noch wesen/ noch le-
ben/ noch wachsen/ noch verstentnuß und weißhait/ noch
sein aigne seel lassen gelusten. Das ist gewißlichcx war/ wann
du dahyn kommest/ das du dich deiner aignen person verzi-
gen225 hast/ so bist du von allen dingen ledig/ dann haut für
haut/ klaid für klaid/ gibt ain yeder. Aber laß dir die seel/
und dein aigen flaisch treffen/ und sich/ ob du besteen mügest.
Ich main es sey cyon notcy auffs neüw zůsagen/ das dise gelas-
senhait nit in dem steet/ das ainer alle ding gelaß/ als ai-
ner ainen pfenning verlaßt. Woͤlcher tarff oder mag sich
also verlassen? Wir sollen weder vatter noch můtter/ noch
uns selber erwürgen. Darumb ist dise gelassenhait/ ain ab-
schneydung aller lieb/ lust/ sorg/ vertruwen und forcht/ die
wir zů uns/ und zů dem unsern haben. Kurtzlich/ diser ge-
laß ist/ vernichten alles das du bist/ und ain abker von al-
len dingen/ so dich moͤgen gelusten/ Also/ das got dein lieb/
lust/ sorg/ vertrauen/ hilff/ forcht/ und alles ist/ daran du
klebest/ umb das solt du dise gelassenhait nit weltlich/ son-
BuchsymbolC4vder goͤttlich vernemen/ doch also/ das die warhait im hertzen
stee/ das wir aincz wesen moͤgen bleyben/ das sollen wir gott
lauterlich haim stellen/ und weder sorg/ noch forcht/ noch
lieb/ noch laid/ lust oder unlust haben/ wie und welche weiß
du groß werdest/ das soltu got bevelhen/ welcher kan durch
sein sorgfeltig gedancken/ ain leng zů seiner groͤß setzen/
Matthei. vi.226 Auch sollen wir sorgloß sein/ gegen dem ge-
wechse des korns/ früchten und grases/ dann wir moͤgen durch
unser sorg nicht machen/ das ain klain loͤblinda wuchsdb/ setz/
pflantze/ geüß wasser zů/ es ist alles nicht/ das du thůst/ und
bleybt alles unfruchtbar/ wann got nit das gewechs gibt/
es ist gotes werck/ frucht tragen/ und kumpt auß gotes ge-
naden/ unddc nit auß deinen krefften. Got machet dürrdd/ gruͤn/
und verdoͤrret das graß/ feüchte wandelt got ins traidde227/ und
macht ain yedes nach seinem gefallen. Darumb wirff dein
sorg auff got/ laß den alten haußvater sorgen und regieren〈/〉
welches sorg gůt ist/ und regiment gerecht ist/ lege du hend
an in gotes namen/ und danck im/ das er dir genedigklich
verlihen hat/ das du arbaiten kanst und bevilch im arbait/
gewechs und eerendf. Mit thieren und vihe hast du gemain-
schafft/ das du nach speiß und trincken geest/ dein eltern
und kinder erkennest/ aberdg das hastu nit mit inen gemain/
das du sorgfeltig228 bist. Wir sollen sorgloß seyn wie die thier/
unnd alle speiß allain zů ainer blossen noturfft geniessen/
als das vich thůt/ aber in dem seind wir erger/ dann pferd
und esel/ und wirt in uns war/ das ain weiser man kain ge-
ringe torhait begint/ das wir mer essen und trincken/ dann
unser noturfft erfordert/ unnd gesunthait ertragen kan/
über das/ werden wir auß volhait229 blind/ und erzürnen got/
und setzen uns unsern bauch/ für ainen got. Auch seind wir
sorgfeltiger dann die spatzendh/ die nit sorgen/ wa und was sy
morgen essen.230 Aber wir/ über das/ das uns angst gegenwer-
tiges tages truckt/ laden wir auch sorg unnd angst des zů-
künfftigen tags auf uns/231 gedencken wie/ wamitt/ und durch
BuchsymbolD1r was wir uns morgen speysen/ trencken/ und beklaiden woͤl
len. Auß gotes wercken lernen wir nit/ das gott waist und
versteet/ wes wir bedürffen/ und das er lilien und voͤgel be-
klaidet und speyset/232 welche doch vil weniger seind/ dann ain
mensch ist. Wir solten unsere augen auffthůn/ und zů den
lilien oder blůmen und voͤgeln kern/ und auß den selben crea-
turen lernen/ wer sy klaidet unddi speyset/ und mercken/ ob sy
sorg haben oder nit/ theten wir das/ ungezweyfelt wir fun-
den/ das sy kain sorg haben/ für klaider und essen/ und got
beklait und speyset sy gleich wol/ dieweil wir aber sorg ha-
ben auff klaider und bette/ speiß und trincken/ muͤssen wir
von noͤtten/ den selben creaturen anhangen unnd dienen/
mit trost und vertrauwen/ das ist/ das Christus spricht. O
ir klaines glaubens/ und wenigs vertrauwens zů got〈.〉 Mat-
thei vi.233 Dartzů setze/ das Christus seine junger djstraffet/ sa-
genddj/ O ir klain vertruwenden/ warumb denckt ir in eüch/
das ir nit brot mit eüch habt genommen. Matthei xvi.234 Liß
und erwege dise Historien daselbst/ und sich/ ob dise gelassen-
hait gering sey.

Unglaub gebürtdk den un-
gelaß235 irdischer narung.236

Woͤlcher vertrauen/ trost/ lust/ sorg und forcht/ gelts
oder narung halben tregt/ der sündigtdl im glauben/ sovil
unnd hart/ so vil er umb gelts oder narung willen sorgfel-
tig237 ist/
Ursach. Christus spricht/ das wir alltzeit klaines
trostes und vertrauwens zů seinem himlischen vater seind/
wann wir sorgsüchtig seind/ auff speiß/ tranck/ oder klayder〈.〉
Matthei. vi.238

Zwayen Herren dienen.

Auch gibt gott da selbs/ schoͤne ursachen/ sagend/ Nie-
mand kan zwayen herren dienen. Kainer mag got und reich-
tumb dienen/ dann auff das minst239 můß das geschehen/ das
BuchsymbolD1v er ainem anhangt/ und den anndern versaumpt240/ weil ye241
war ist/ wa dein schatz ist/ da ist dein aug und hertz/ und wann
ainer fleyssig auff das ain sicht/ so verlaßt er das annder/
Matthei. vi.242 Wann aber wir got mit gantzem hertzen sollen
dienen und anhangen. Deutro. x.243 Můß von noͤten volgen/
das ainer got versaumen und verlassen můß/ wann er seine
augen mit sorgen unnd vertrauwen auff narung richtet/
Darauß mercke/ das wir toͤdtlich sünden244/ so offt wir uns
narung halben fürchten/ bekümern/ befaren245/ oder trost/
lust und hoffung zů gelt und hab tragen/ und das diese sünd
auß dem unglauben fleüßt/ wiewol sy teglich in uns ist/ das
merck wol/ und das diese sünd (oder ungelassenhait) ain un-
beschnitten hertz verrat/ und offenbar macht/ und das der
mensch durch ain solche sünd/ got můß hassen/ oder auffs
minst versaumen/ und nichts oder wenig achten. Mat. vi.246
Darauß erklere/ das ich oben gesagt/ das wir got mit gan-
tzer lieb muͤssen anhangen/ und das ainer zwayerlay ding
nit zůgleich anhangen mag. Mat. vi.247 Dabeydm merck/ wann
Moses spricht/ du solt got fürchten oder got anhangen/ das so
vil gesagt ist/ du solt got allain fürchten.248 Noli timere eos
qui occidunt corpus/249 Und du solt gott allain ankleben oder
anhangen/ Aut uni adherebit/ et alterum negliget. Mat-
thei vi.250 Sicut servorum in manibus dominorum suorum. Ita
oculi nostri etc.251 Darumb muͤssen wir gotes reich allain sůch-
en/ in starckem vertrauwen/ in hertzlicher lieb/ in bestendi-
ger forcht/ so werden unns alle noturfften zůgeworffen.
Matthei. vi.252

Gelassenhait laßt nit zůrucksehen.

Ja also vestigklich und mitt unwanckeltendn253 augen muͤssen
wir gott allain und bloß254 sůchen/ das wir lieber sterben woͤl-
ten/ dann zurucksehen/ gleycherweiß wir tausent mal lieber
solten sterben erwoͤlen/ dann ain mal willigklich von gott
tretten. Nun muͤssen wir got verlassen/ wenn wir unsere au-
BuchsymbolD2rgen auff zeytliche guͤter wendten. Da spricht Christus/ sa
gend/ Es ist kainer zum reich gotes bequem255/ der sein hand
an pflůg legt/ und sicht zůruck. Luce. ix.256 Da hoͤr mein brů-
der/ das wir zů der schůl Christi257 ungeschickt sein/ so wir zů-
ruck sehen/ Dabey verstee/ wie du alle ding můst gelassen/
oder von deinem hertzen abschneyden/ und dein hauß rain-
keren/ wann du ain leerjungerdo Christi wilt sein/ setze und ver-
gleiche die zway capittel/ das ix. und xiiii. Luce/ zůsamen am
end/258 und flichte den sin und verstand zůsamen/ so würdestu
on zweyfel erschrecken und schreyen. O wie arme leüt seind
wir/ O wir bedirffen des leyden Christi alle augenblick.

Damit du dannest ferrer merckest/ das got nit wil ley-
den/ das wir züruck sehen/ und uns fürchten oder besorgen
moͤgen (das uns etwas werd gebresten259/ wann wir got glaub-
ten) will ich dir ain andere rede Christi fürlegen/ unnd260 dise/
Wann der sun des menschen erkleret wirt/ unnd ainer oben
auff ainem dach261 ist/ und hat etwas herniden im hauß/ der
soll nit absteygen/ seinen haußrat zuhollen/ der im acker ist/
der soll nit zůruck geen zů seinen haim gelassen guͤtern. Lu-
ce. xvii.262 Sihe da/ wie Christus verbeüt und wil/ das die jhe-
ne/ den er einblicken263 und erscheinen wirt/ das ir so hertzlich
sollen gelasen/ das sy nit nach dem iren steygen oder geen
türffen/ das were gnůg gesagt/ Aber zů dempffung unsers
Adams boßhait/ sprich ich/ als Christus sprach. Ir solt ge-
dencken des eeweibs Loth/ welche zůruck sach/ unnd wurd
in ain saltzbild verwandelt Gen. xix.264 Es ist vermuͤtlich das
weyb des Loth/ nach iren gůtern/dp einnemen265/ oder freindendq266
gesehen hatt/ als got schwebel und feür über Sodoma und
Gomorra regnet und verderbet alles das gruͤn was.267 Auch
můß es im mennschen innwendig geschehen/ dem Christus
haimlich einleücht/ wie es außwendig ergeen wirt/ wann
Christus offentlich werd scheinen. Daher komptdr/ das alle
hadermetzen268 sündigen/ so umb gelt oder gůtt hadern/ als
Christus Luce. xii. und Paulus zůn I.ds Corinth.269 Und das der
BuchsymbolD2v Juristen jarmarckt ferlich270 ist. Kurtzumb/ gelt und gůt'/
kan uns unser leben weder geben noch nemen/ vil tausent
leben ser wol/ die mit iren guͤtern auffspringen/271 vil tau-
sent leben übel und traurig/dt die vil guͤter haben. Wann sy
alle kellerdu und scheüren272 vol gesteckt haben/ als bald sterben
sy. Luce. xii.273 Derwegen solten wir nicht sorgfeltig274 sein/
dvvil gůtterdv zůeroberen/ und dwdie selbendw lang zůhalten/ wir sol-
ten auch nit erschrecken/ wann schon ersparte gůter in aim
augenblick verschwunden/ woͤllen wir gelassen Christen
sein. Auch sollen uns gegenwertige gůter/ weder getroͤsten
noch endtroͤsten275/ wir sollen noch fürchten noch besorgen/
das wir sy verliern/ sonder das reich gottes/ das ist/ seinen
ewigen willen/ mit lieb und lust annemen. Werden wir un-
sere augen auff silber/ gold und gůter richten oder strecken/
so wirt uns gott verlassen/ und sagen. Ich hab eüch verlas-
sen/ darumb/ das eüwer erden oder land erfült ist mit silber
und gold. Esai. ii.276 Demnach muͤssen wir aintweder got ge-
lassen/ oder sorgfeltigkait der narung hin werffen. In di-
ser ungelassenhait/ seind wir boßhafftiger/ dann die unver-
nünfftigen thier/ dann Pferdt und Esel erkennen/ das sy gott
speyset277/ oder ir herr/ und lassen iren herren sorgen/ will er sy
schoͤn/ glat/ und starck haben/ so můß er speyß und schmuck
dartzů schicken/ hetten wir rechten glauben zů got/ und ver-
trauweten got mit gantzem hertzen/ unnd wißten/ das gott
unser vater ist/ und embsiger für uns sorget/ dann wir sorg-
en/ und das er uns nicht weniger speyset/ dann unvernünff-
tige thier/ so wurden wir sorgloß/ unnd geliessen alle nar-
ung/ und muͤßt uns gott genůgsam versorgen nach unserm
besten/ und nach seiner glorien und rům. Woͤlt er uns faißt
und dick haben/ so muͤßt er volle krippen geben/ wer es uns
nütz/ got wurd uns sonder zweyfel/ vil fürschittendx278. Es ge-
schicht aber selten/ das ainer got und dem bauch diene/279 dar-
umb speyset got die seinen mit wasser und brot/ und schlech-
ter noturfft/ aber alßo/ das sy stets nach hilff růffen/ und
BuchsymbolD3r das er ain reicher got bleyb/ der gern helffen will/ zů dem/
das uns nützlich sein mag.

Gelassenhait der vernunfft.

Der mensch hat auch ain vernunfft/ dadurch er weyß
und fürsichtig ist/ bauwet im Stet und heüser/ waffen und
mangerlay gschütz/ in dem wirt der mensch bald ungelas-
sen/ dann er solt schütz und schirm an got/ und an nicht meer
haben/ das solt ich durch vil Propheten anzaigen/ aber
kürtz halben/ laß ichs nach bleyben/ und nim das got spricht/
Ir hapt vertruwen in eüwern sicherhaiten/ die ir eüch habt
gemacht. Hiere. xxxxviii. Esa. ii. ix. xvi. xxxi.280 Darumb wil
got eüch verlassen/ unnd eüch eüwern feinden übergeben/
darinn verderben vil Fürsten und krieger/ die sunst moͤchten
bleyben vor got genesen. Da solt ich sagen/ wie David kai-
nen trost het in ainen bogen oder schwert/ und ertoͤdtet doch
Goliam mit der schleüdern/281 aber es ist leycht/ und wer zů-
vil zůschreyben. Da sollen auch die krancken mercken/ so
betruͤglichen vertrauwen auff aͤrtzt unnd kreüter setzen. ii.
Paral. xvi.282 Da seind alle eüsserliche ding recht zůmeyden/
und gelassen/ auf das sy nit betriegen/ als die Juden betro-
gen wurden/ die sprachen/ Templum domini/ templum domini.
Hiere. vii.283 Oder zů der Archen flogen. Hiere. iii.284

Gelaß der schrifft.

Alhie solt ich auch sagen/ wie ain recht gelaßner mensch
die hailig schrifft můß gelasen/ und nicht umb bůchstaben
wissen/ sonder eingeen in die macht des herren (als David
spricht)285 unnd got den herren/ on ablassen bitten/ das er im
waren verstand woͤl eingeben/als wenn ainer etwas nit ver-
steet/ oder ain urtail gern woͤlt vernemen/ so soll er in der ge-
lassenhait steen/ das ist/ auß im286 geen/ unnd mit seiner ver-
nunfft still halten/ unnd gestrencklich von got begern sein
kunst/ und hoͤren was im287 got will sagen/ so werden im ge-
BuchsymbolD3vschwinde gedechtnuß einfallen/ dieselben sol er mit gezeügk
nuß hailiger schrifft beweren288 und gerechtfertigen/ das ich
ferrer anzaigen solt/ aber alhie leydet289 sichs nit. Liß die
teütschen Theologiam/290 bist du nitt zůfriden/ so wartedy/ biß
meyn bůchlin von der schůl gotes291 außgee.

Ich will mit disen graden weder zil noch regel geben ha-
ben/ red und schreyb ain yeder die warhait gotes/ nach sei-
ner eingetruckte vermanung/ Das ich solt sagen/ das al-
le obgemeltendz grad flaischlich und den flaischlichen men-
schen anhangen/ so waiß ich nit/ ob ichs moͤcht erhalten/
Aber das ist war/ das du in dem groͤssern fleiß solt haben/
wann du etwas gelassest/ das du dich deiner gelassenhait nit
annemest. Sihe/ so du obberuͤrte gebresten292 des unglaubens
erkentest/ beychtest unnd fleüchst/ das durch gelassenhait auch
geschicht/ alßdann můst du warten/ das dir dein erkennen/
dein beicht und flucht/ nit lieb und lustig werd/ auf das du
nit in der gelassenhait verderbest. Es kumpt offt/ das ai-
ner umb gotes willen ainen backenstraich erleydet293/ und will
des straichs nit zů rach oder übel gedencken/ unnd er woͤlt
doch gern/ das sein gedult gelobt wurd/ oder das er für ai-
nen Cristen gehalten wurd/ von wegen seiner gedult/ oder
es gelüstet in innerlich/ das er so starck geweßt/ das er sich
hat lassen schlahen/ und hat nit wider geschlagen/ oder das
er sich hat lassen hoͤnen/ ainen Esel/ bachanten294/ ainen rump-
ler295 unnd baurnea schelten/ und hatt nit wider gebollen296/ das
hat er von gotes wegen dultigklich erlitten. Aber doch hat
er ain aug auff sein leyden/ und steet da/ mit lust und lieb/
darüber er auch umb gotes willen lauffen/ und got allain
dienen/ und seine augen allein auff got halten solt.

Got dienen.

Das lerne also/ welcher got will dienen/ der sol im nit
mit halbem hertzen dienen/ sonder mit gantzer seel und gan-
tzem willen Deutro. x.297 Das ist/ Er sol und můß got allain
BuchsymbolD4r anhangen und ankleben/ und nit ainem andern neben got/
oder mitt got dienen/ dann du hast das wort Christi gehoͤrt/
wann ainer zwayerlay herrn wil dienen/ so můß ainem das
abgeen/ das dem andern zůgeet/ liebet er ainen/ so můß er
den anndern hassen/ klebet er an ainem/ so schaidet er von
dem andern.298Also hangt er an ainer creatur mit lieb/ lust/
forcht/ sorg/ vertrauwen/ und der geleichen/ so můß er ge-
leich in den selben mangel haben/ an got/ und in thůn oder
lassen/ wircken oder leyden/ dester minder an got mit lieb/
lust/ forcht/ sorg/ laid/ vertruwen und der geleichen hangen.

Wa299 dein schatz ist/ dahin
gugken deine augen.

Das hertz volget den augen/ wa die augen seind/ da ist
der schatz deines hertzens/300 da seind dein begirden und affect.
Darumb můst du dem dienen/ das dueb ansichst/ und auff den
du mit lieb oder laid/ froͤligkait oder traurigkait/ lust oder
unlust/ grauwen/ vertrauwen oder mißglauben fůssest/ ob
du gleich nitt lang steest/ dann dise gaistliche dienstlein/ ge-
schehen schnelligklich und augenblicklich. Derhalben wa
du auff dein thůn oder leyden sichst/ und wa dich dein dienst
gelustet/ so dienstu nit got/ sonder dir/ und deinen wercken/
damit du got woltest dienen. Da merck/ wie ainer sich kan
mainen/ und wann er sich maint/ oder sein seel findt/ so die-
net er nit got/ sonder sich selber/ dem er anhangt/ und got
verlaßt.

Sich.

Darauß ist zů mercken/ was das woͤrtlin sich bedeüt/ und
wie ain warhafftiger und gelaßner dienst gotes/ der seelen
augen auffschwinget/ in den abgründigen willen gottes/
und in das grundloß gůt kreücht/ woͤlches got selber ist/ da
kain sich oder ich sein mag.301 Alledieweyl ain seel auff nicht
anders sicht/ dann auff gotes willen und das ewig gůt/ das
BuchsymbolD4v got ist/ so fůsset auch ir hertz an kainer creatur/ ja sy dring
et auch durch ir auffschwingung/ und sencket sich in got-
tes willen/ und stirbt da ir selber ab von grund an/ und ver-
leürt sich/ und ir sichait gantz zůmal/ und das můß sein und
geschehen. Darumb moͤcht ich wol sagen/ mit andern leü-
ten/ woͤlcher sein ich/ und ichait/ oder sich/ und sein sichait
recht geließ/ der het wol gelassen. Der mensch ist anfenck-
lich nicht geweßt/ willec er sein icht302/ und etwas/ oder sich und
sichait gelassen/ und ordenlich übergeben/ so můß er es dem
übergeben/ der in etwas icht/ oder sich hatt gemacht/ das
ist/ Er můß sich/ und alles das etwas in im ist/ mit seinem
sich/ und ichait/ got auffgeben/ und in seinem willen nider
tauchen/ wann ainer das thet/ er wer in leyden und wercken
gelassen. Alda freünd/ můst du abermals achtung geben/
das dich nit gelust/ dem gelaß/ das du nit dein ichait/ in
solchem gelaß übersehest/ so du in solcher gelassenhait und
aufftragung303 in got steest (würdest du dich in disem gelaß
teglich brauchen) will ich dir birged sein/ du wurdest dich vor
dir firchten und fliehen/ und menschliche kranckhait besser
erkennen/ und nach Gottes gnad mer und mer ruͤffen.

Kurtz/ Welcher von grund wil gelassen sein/ und der sein/
der sich gelassen hat/ der můß im304 unwidernemlich305 entwer-
den306/ und sein ichhait/ oder sichhait frey außgeben/ so wirt diß
gelassen sich/ oder sichait/ ain Christfoͤrmigs ich/ von welch-
en Christus spricht/307
Kürtzlich/ Woͤlcher von grund/ und
in rechter warhait begert gelassen werden/ der soll im selbs
(und allem dem seinen/ das in etwas dunckt) unwidernem-
lich abgeen/ und entwerden/ und mit dem goͤtlichen ewig-
en willen ains werden308/ das er nicht sech/ hoͤr/ schmeck/ be-
ger/ verstee/ und woͤll/ dann das got wil/ unnd das im alles
ain marter werd/ das in in annemung goͤtliches willens
hindert oder abruckt/ das ist unnser creütz/ welches wir teg-
lich tragen muͤssen. Luce ix.309

BuchsymbolE1r

Neu leben Christi.

Als dann wirt/ diß gelassen sich/ oder veracht und verlas-
sen ich/ Sichhait oder ichhait/ ain Christfoͤrmigs310 ich oder
sich/ und ain neu Christlich leben/ da ainer befindt unnd
merktee311/ das sein leben nit ain menschlich/ sonder ain goͤtlich
leben/ und er nit lebt/ sonder Christus in im. Gala. ii.312 Lasse
dich dise woͤrtlein Sich und ich/ Sichhait und ichhait nit
bevilen313/ dann du waist/ das sy in deiner teütschen Theolo-
gia
vil mal steenef. Ain gelassen/ Sich oder sichhait/ ist nicht
anders/ dann das ainer sich/ unnd alles das sein übergeben
und gelassen hat/ und wer sich verleügneteg/ als aines des er
sich schempt/ der ist gelassen Luce. ix.314 Ain gelassen Ich oder
Ichhait ist/ wann ich mich veracht und übergib/ unnd gib
dem alles das gůt/ der mirs geben hat/ dann die flüßlin můs-
sen in ire brunnen und in ir moͤr wider fliessen und keren/ wann
sy ordenlich widerkeren woͤllen. Diße Ich oder Sich werden
dann nützlich gelassen/ wann aigner wil gelassen wirt/ wann
aigner wil verschmiltzt/ und gotes wil sein werck in der crea-
tur bekompt/ und wurd nicht anders gewoͤlt/ dann das/ und
wie got will/ alßdann werden Ich und sich übergeben/ und
alles/ das dem geschaffen willen nachvolgt/ oder auß im
entspreüßt/ das wirt alles samptlich recht gelassen. Das
ainer sein Ich oder sich/ also hab gelassen oder nit/ das mag
er dabey mercken und abnemen315/ wann im nichts geliebt/
dann das got geliebt/ oder von der creatur nicht begerdt/ dann
das got wil/ so ist er gelassen/ ursach/ er hat kain lieb in dem/
das er wil/ sonder in dem/ das gotes wil will/ und woͤlt auch
das alle creaturen das woͤlten/ das gott will/ und in der
weiß woͤlten/ wie gott will/ und darinn/ das ist in gotes willen/
steet sein lieb/ lust/ froͤlichait/ rům/ leben unnd seligkait.
Darumb bitt er hertzlich/ herr dein will geschech auff erden
als im himel/316 In allen irdischen creaturen/ als in himli-
schen/ verschaff wircklich und krefftigklich deinen willen.
BuchsymbolE1v Im gegentail der lieb gottes/ wann yemand sein Ich oder
Sich lauterlich317 gelassen hatt/ můß im nicht layd sein oder
werden/ dann das wider got ist. Merckt er/ das ain creatur
wider gottes willen will oder thůt/ so felt er in hefftigen
schmertzen/ und hat laid/ unlust/ traurigkait/ angst/ tod/
hell/ und ewig feur/ bey der selben widerwilligen creatur.
Sihe/ wann alles (das den menschen anrüereneh kan) also go-
tes wirt/ und von seines willen oder widerwillen halben be-
geben/ oder von got auff uns genommen ist/ so steet die gelas-
senhait wol. Yedoch das des selben gelaß/ ichait oder sich-
hait ernstlich verurtailt und auffgeben werd/ darauff můst
du unableßlich wachen/ dann der teüfel wartet auff den un-
gelaß318 der ungelassenhait/ als ain Fuchs auff huͤner/ der sy
fressen will.

Christus ist der weg/
warhait und leben.319

Got hat unns Christum/ seinen sun/ als ainen weg/ war-
hait und leben gesant/ in sonnderhait von wegen diser tu-
gent/ gelassenhait/ auff das wir ainen warhafftigen und
lebendigen weg hetten (der sollichs gelassen leben am hoͤch-
sten und besten gefiert hat) welchem wir moͤchten dester ge-
wiser nachvolgen/ und wissen/ das wir unbetrogen seind/
so wir im nachschreytten/ und geen/ als er gangen ist. Dem-
nach woͤllen wir sehen/ was Christus unnser weg/ und die un-
betruͤglich warhait leren thůt. Ich hab gesagt/ und seind
ir nit wenig geweßt/ die gesaget haben/ das der mensch wol
gelassen wer/ wann er sein Ich und Sich het verlassen/ das
wirt uns Christus auch leeren.

Zwayerlay koͤrnlin Joan. XII.320

Christus vergleicht zway ding zůsamen/ als nemlich/
ain korn/ welches ins ertrich gefallen ist/ stirbt/ und dar-
nach frucht tregt. Dem selben koren/ vergleicht er ainen
BuchsymbolE2r menschen/ woͤlcher sein seel hasset/ und zů dem ewigen leben
verhůtei321. Joan. xii.322 Christus hat auch ain andere gleichnuß
geben/ sam323 das/ So ain korn nitt gestorben ist/ bringt es
kain frucht/ es bleybt allain. Disem korn vergleicht Chri-
stus ainen menschen/ welcher sein seel lieb hat/ und sy ver-
derbt Joan. xii.324 Also vergleicht Christus ain seel/ die sich
lieb hat/ ainem korn das lebendig bleibt/ und allain oder
one frucht. Demnach kan der mensch kain neüw leben/ und
kain gůt werck haben/ wann er sich liebt. Darumb ist es al-
les verlorn/ umbsunst/ und nicht vor got/ das ain mennsch
vil thet/ zerriß haut unnd har/ rock und hembd/ wann er in
aigner lieb bleybt. Er verderbt sich und alles das sein/ und
got vermaledeyet solchen baumeej und seine bleter/ und urtai-
let in zů dem feuer/ weil er kain frucht tregt.325 Laß ain men-
schen lauffen/ arbaiten/ singen/ vasten/ beeten/ betruͤbtnuß
leyden/ es ist alles nichts vor gotes augen/ wann er sein seel
liebet/ Wie ain korn in unsern augen ist/ das allain bleybt
und unfruchtbar/ Also ist ain mensch/ der sein seel liebet/
vor gottes angesicht/ unnd můß zům teüfel farn/ ob er ge-
sprech326 wer als alle engel/ und het aller Propheten kunst/
dartzů/ weil er ist als ain korn oder baumek on frucht/ so wirt
er gewißlich/ hellischem feuer gericht/ und ob er im schein
frücht trieg/ waͤren die frücht vor got boͤß/ und solt der baͤumel
zum feuer werden behalten. Matth. vii.327 Demnach volget
und steet diser grund fest/ welcher sein seel liebet/ der verder-
bet sy/ und ist als ain unverstorben korn/ das kain frucht
tregt.328 Darauß fleüßt der annder grund/ das ain yeder das
sein/ und sich můß verachten/ will er anderst vor got besteen
und angenommen sein. Und also merckst du was das ist/
Sich gelassen.

Warumb wir das gůt lieben mügen.

Er můß nit sůchen unnd mainen/ seiner seel zů lieb und
gůt/ in allem dem/ das gůt ist/ sonder alles gůt darumb lie-
BuchsymbolE2vben/ und thůn das gůt ist/ in wirckender weiß oder leyden
der weiß329/ das ist/ darumb/ das got ist/ unnd nit derhalben/
das sein/ oder der seinen gůt unnd nütz sey/ dann da steet die
warhait/ welcher sein seel lieb hatt/ der verderbt sy/ dann er
bleybt ain korn des alten lebens on frucht.330 Got acht nitt
ob das korn geworffen/ geseet/ oder geschlagen werd/ wann
es nitt auch stirbt/ sonder lebendig bleybt. Darauß merck-
est du lieber brůder/ wie der mensch seiner seel můß entwer-
den/ und ir nichts zůgůt thůn/ thůt er aber oder laßt etwas
von seyner seel wegen/ so bleybt er in sich und seiner sichhait/
oder ichhait lebendig/ und verderbt sein seel.

Der mensch soll lonloß331 sein.

Da sich und erschrick wie die besteen werden/ so ir seel mit
vasten und beeten darumb quellen332/ das sy ire seelen erloͤsen
und zů dem himelreich woͤllen bringen.333 Es sollt allain go-
tes wil vor allem unserm leben schweben/ und nit gunst oder
lieb unser seelen/ wir solten auch on forcht der straff sein/
wann wir unser seelen nit liebten/ dann die jhene/ so etwas
thůn oder lassen umb forcht willen/ das sy nit gestrafft wer-
den oder verdampt. Die fürchten irer haut und die straff/
aber got fürchten sy nit/ von wegen seiner gerechtigkait/
was mainst du das sorg/ forcht/ schmertzen/ tod unnd hell
uns moͤchten schaden/ wann wir aigner lieb feind wern? Nu
můß lieb/ gunst und zůnaig/ zů unser aigenem seel ersterbenen/334
und als staub von ainem Sturmwind verwaͤt335 werden/336 so wir
unser seelen in gotes gnad haben/ und behalten gedachten.
Alhie sich wider/ wie von grossen noͤtten unns Christus
ist/ das er alle unser sünd und gebresten trag/ bůß und besser/
das ist/ das er das recht und reych der sünden und des todts
brech. Ich wißte kainen trost/ wann ich gotes barmhertzig-
kait nit west/ dann es ist war/ woͤlcher sein seel liebet/ der ver-
derbt sy/ und ist als ain lebendig korn/ das on frucht bleibt337/
dieweil das die warhait spricht/ welche nit anders dann war
reden kan/ so můß also sein und nit anders.

BuchsymbolE3r

Haß der Seelen.

Yedoch ist es noch ungenůg/ kain lieb zů der seel zůhab-
en/ es můß ain bitter saltzen338 kommen/ nemlich/ für unser na-
türliche lieb/ můß übernatürlichereo haß und neyd steen.

Wie lusten abfallen.

Da da můß das korn sterben und frucht bringen/ da da
stirbt lieb/ lust/ gunst/ und leben unser seele/ und alle bege-
rung/ da da entwirt339 ir die seel unwidernemlich340/ das ist/ die
Tauff im tod Christi/ das alt natürlich leben/ ans creütz
Christi auffhencken/ durchstechen und ermoͤrden/ mit Chri-
sto durch den tauff begraben werden/ und nitt mit dem al-
ten natürlichen leben/ sonder mit neüwem widernatürlich-
emep leben aufferstehen Roma. vi.341 Das du mügest in warhait
sagen/ Ich lebe nit/ sonder Christus lebet in mir〈.〉 Ga. ii.342 Das
můstu empfindeneq und bekenen/ als der Apostel bekent hatt/
willtu ain gelassen mensch sein/ als der Apostel geweßt ist.
Mich dunckt du werdest neu fragen schicken.343

Alt und neu leben.

Es seind zway widerwertige und spennige344 leben/ das alt
und natürlich/ das neu und übernatürlich/ des alten
Adams leben/ und des neüwen Christi/ des irdischen und des
himlischen leben. Das alt leben/ sein lieb und gunst etc. kom-
men von unden herauffer/ von der erden/ und von dem flaisch/
und ist irdisch und flaischlich/ dann was geborn ist von flaisch
das ist flaisch. Jo. iii.345 Aber das neu leben/ neüwe lieb/ neu
gunst/ unnd neue forcht etc. kompt oben herabes von dem hi-
mel/ da die widergeburt geschicht. Joan. iii.346

Was alt leben sey.347

Das alt leben/ ist lauter ungehorsam/ aigen wil/ und lie-
bet sein seel in allem thůn und lassen/ und kurret348 und mur-
ret/ so man im ist zůnach349.

BuchsymbolE3v

Neu leben.

Das neu leben/ ist der rain gottes will und gehorsam/350
und hasset des menschen seel in aller thůender unnd wircken-
der weiß/ unnd kusset die růten seines vaters/ er streych wie
er wil/ und so lang er wil. Nun solt du vernemen/ wie der
mensch můß gelassen/ und wie er im unwiderhollich351 sol ent-
werden/ dann soll der mensch sein seel und seinet sich/ alltzeit has-
sen (als er thůn můß) můß er gewißlich seiner seel unnd sich
selber entwerden unwiderrůfflich. Wie moͤcht ainer ainem
fernereu entwerden/ dann er durch haß und neyd entwirt. Neid
und haß schaiden krefftigklicher/ dann mauren und stet. Die
warhait ligt vor augen/ und spricht/ woͤlcher sein seel has-
set/ der behuͤt sy zů dem ewigen leben.352 Woͤlcher nit thůt/ oder
lasset das seiner seel wolgefelt/ der wirt selig/ woͤlcher sei-
ner seel nit gibt/ das sy haben wil/ der verwaret353 sy. Welch-
er seiner seel gibt das sy fleücht/ und entruckt ir/ das sy ha-
ben wil/ der behuͤt sy/ zů dem himelreich. Welcher seiner seel
das ire zůweyset/ das ist/ boßhait/ laster/ schand und sünd/
des sy ain ursach ist/ der hasset sy/ und steet mit ir im kampff.
Welcher der seel alles gůt nimpt/ unnd got dem schoͤpffer
bringt/ der streytet mit seiner seel. Welcher allain gottes
willen sůcht/ der zeücht354 seiner seelen ir brot auß irem maul.
Aber er ist ain gestorben korn/ das allen aigen begirden/ lü-
sten/ willen und leben ist abgestorben/ und brotzetev355 oder spreüs-
set eytel gottes willen356/ in dem got spricht/ Du bist gehais-
sen mein wil. Esa. v. viii. et lxii.357 Das wesen scheinet als sey
es der natur leicht und lieb/ und moͤcht ainer gotes willen
stets wünschen und woͤllen. Aber so sich ainer recht und ernst-
lich ain stund erkennen thet/ er wurd im358 ain creütz und tau-
sent todsünd in sich spüren/ und sich hassen/ meyden und flie-
hen/ nit anders/ dann ainen boͤsen feindtlichen menschen/
und sich ansehen/ wie ainer seinen grimmigen feind ansicht.
Sihe/ sol ainer ainem armen brůder helffen/ mit gelt ley-
BuchsymbolE4rhen/ so fürcht er/ das ers nit wider dürff fordern (Darumb
das sibend jar bey den Christen/ ain ewig tag ist)〈.〉359 Aber der
reich mennsch hat verflůcht gedancken/ so er sich des seinen
sol verzeyhen360/ unnd verlaßt sein flaisch/ew schweigexeyee erey gelt
gelassen wil. Deütro. xv. Matthei. v.361 Unnd wirt und hatt nit
auffmercken auff sein teüfelische gedancken/ und das in362 got
umb aines sollichen gedancken wegen/ wil vermaledeyen/
Deutro. xv.363 Wie moͤcht oder solt ain mensch ernstlich ach-
tung haben/ auff seine boͤß gedancken/ die er hat wider go-
tes verderbt in gaistlichen stucken/ weil der mensch sein boͤ-
se gedancken in leyplichen dingen nitt versteet. Es ist ain
yeder gedancken und aigen will/ der hell wirdig/ wie klain
er ist/ wann er seiner seel zůlieb geschicht/ in allerlay gottes
dienst/ dann Christus leügt nit/ Welcher sein seel liebt/ der
verderbet sy.364

Todtsünd:

Darbey lerne/ das annemligkait365 und ungelassenhait
todsünde und teüfelische laster seind/ woͤlche Lucifer gehabt
hat. Esaie. xiii.366

Geferligkait unsers lebens.

Darauß merck/ in was greülicher geferligkait unser le-
ben steet/ und wie bald ain ungelaßner mensch sein seel ver-
derbt hat/ dann so bald er sich liebet/ und nit lauterlich umb
gotes willen/ so ist er verdorben. Ich halt/ das dise gelassen-
hait/ wann ainer sich alles/ das etwas und gůt ist/ soll verzei-
hen367/ in disen wortten Mosi moͤcht vermerckt werden/ als er
spricht/ Du solt mit ainem erstgebornen Ochssen nit aͤcke-
ren oder pflůgen. Du sollt ainem erstgebornen schaff/ sein
wollen nit abscheren/ darumb/ das sy got gehailigt seind.
Deutro. xv.368 Was solt uns das aͤckern oder pflůgen anders
bedeuten/ dann das wir/ uns/ mit gotes gaben nit sollen die-
nen? Ain erstgeborn Ochs stůnd got zů/ darumb dorfft kain
BuchsymbolE4v mensch aͤckern mit ainem erstgebornen Ochssen. Alle gůte
werck/ und alles das got will haben/ das schafft got in sei-
nen knechten/ und ist alles/ das gůt ist/ gottes/ und nit un-
ser/ darumb dürffen wir unns auch nit mit gůten dingen
dienen/ sonder gott. Was solt auch das anders bedeüten/
Du solt nit die erstgebornen woll der schaff bescheren/ dann
du solt deinen nutz/ deine eer/ dein glorien/ oder nit ain ding-
lin sůchen/ dir zů gůt/ in den dingen/ welche im got gehai-
ligt hat/ das ist in allem dem/ das got schůff. Ist aber nit
das/ das Christus leret/ du solt dein seel nit liebhaben/ dann
liebest du dich oder dein seel/ so verderbest du sy/369 Es ist ain
todsünd/ unnd wider gotes willen/ sich lieben/ sich nit has-
sen/ wir künden auch got weder vertrauwen oder glauben/
noch liebhaben/ so wir das unnser/ ain yeder das sein/ und
sich sůcht oder maint. Christus spricht/ wie mügt ir glau-
ben/ so ir eerez von ainander nemet/ unnd sůchet nit dise eerfa/
die allain von got herkompt. Joan. v.370 Davor spricht Chri-
stus. Ich hab eüch erkannt/ das ir gotes lieb nit habt in
eüch. Eodem cap.371 Weren wir gotforchtsam leüt/ ungezwey-
felt/ unsere oren wurden uns klingen und bidmen372/ vor yetz
erzelten worten Christi/ welche Christus nit allain zů den
Juden/ sonnder zů allen den jhenen spricht/ so den Juden
geleich sein. Fürwar fürwar/ es bewegen sich aller gott-
forchtsammen menschen hertzen/ unnd das wasser oder der
glaub/ hat seine můdenfb373 und bulgen374/ fcoder undenfc375/ wann ainer dise wort
Christi mit erschrockem unnd zittertem gemuͤt einnimpt/
dann Christus spricht mit liechten worten/ wie mügtfd ir glau-
ben/ weil ir eer vonainander nempt/ als woͤlt Christus sa-
gen/ Es ist unmüglich/ das ir gott glaubenfe/ alledieweilff ir/
ainer von dem andern eer nimpt. Da brůfefg376 sich ain yeder/
und lůg377/ ob er gern aller mennschen fůßtůch/ und schůch-
fleck378 woͤlt oder moͤcht sein/ in sonderhait bey denen/ die et-
was scheinlicher379 hailigkait diser welt haben/380 Brůffefh381 sich
menigklicher/ ob er hertzlich leyden künd/ das er/ als ain
BuchsymbolF1r lautrer narr und unsinniger mennsch verlacht/ verspot/
und geschetzt wurd.

Hohe Schulen.

In den hohen schůlen/ was sůcht man anders/ dann eere
von den andern. Derhalben wirt ainer Magister/ der an-
der Doctor/ und dartzů Doctor der hailigen geschrifft/ ge-
ben auch gůt und gab umb die eer/382 die Christus seinen leer-
jungernfi verbotten hat/383 unnd woͤllen dannocht die jhenen
sein/ die Christlichen glauben leeren und erhalten/ woͤllen
unsere maister unnd Doctores genent seyn/ wiewol sy Do-
ctorliche eer/ mit solchem geytz und fraß sůchen/ das sy al-
le andere/ gleichmessiger leer/ neyden und vervolgen/ wann
sy ire eer erkaufft haben/ und woͤllen auch kainen lassen auf-
kommen/ oder bey sich lassen sitzen/ der nit gleichen namen384
hat/ und ob ich oder ain ander/ das woͤlten vernainen/
wurden uns doch gottes augen mit irem durchscheinenden
blick treffen/ und überzeügen/ das wir von wegen univer-
sitetischerfj glorien/ nider knyen/ gelt geben/ hochzeit oder
kostliche maltzeit auffrichten/ als darumb/ das wir bey den
leüten ain authoritet haben/ und angesehen werden/ und
woͤllen dannocht nit hoͤrn/ das wir ungleubig seind. Nu
mag es nit sein/ das ainer gott glaub und vertrauw/ wann
er eere annimpt/ Christus spricht/ nitt woͤlcher eer sůch/
sonder er spant den strick enger/ und sagt/ welcher eer nimpt
von aim andern/ der kan got nit glauben.385 Sihe nu/ waser-
lay386 wurm annemligkait387 oder ungelassenhait ist/ und das
er den glauben außbeyßt oder abnaget/ und wie unns got
nach der scherpff macht urtailen und richten/388 und das ain
yeder solt sprechen/ O herr/ nitt gee ein ins gericht mit dei-
nem knecht/ dann es mag kain lebendiger bey dir gerecht
sein/389 Was ich von den universiteten gesagt/ das soll zůvor
von den münchen verstanden/ und von den bischoffen und
pfaffen. Wie woͤllen wir vor got besteen/ in seinem gericht/
BuchsymbolF1v wann er wirt sagen/ Ir habt mich allesampt verlassen. Du
hast vertruwen in gůt gehabt/ du hast eer genommen von ai-
nem andern/ und kumpst anher als ain glaubiger. Entsin-
ne sich yeder menigklich und sehe/ ob er nit lieb/ lust und gefal-
len hab/ wann er oder sein werck gelobt würd/ und widerumb/
ob in390 das würmlin in seiner nasen nit wurd kützeln/391 so man
sagt. Es ist ain grober esell/ alles das er hatt/ das gibt im
ain andrer etc. Es ist aber ye war/ wie solt ir glauben/ die-
weyl ir eer von ainander nemet. Unmüglich ists/ das du ge-
laubest/ seytmal392 dir dein eer gefelt. Dein eer und begerung
deiner eeren můß ersterben/ und als ain ayterig geschwer/
durch ain beyssenfk393 außgeetzt/ abfallen/ das ist/ du můst dich
gelassen/ und der glaub/ woͤllicher ainem klainenfl bittern und
sauren senffkoͤrnlinfm vergleicht ist. Mat. xiii.394 Christus ver-
birgt nit/ woͤlche glauben moͤgen. Die eer gotes solt ir sůch-
en/ welche allain von got kumpt (spricht Christus)395 woͤlt ir
glauben/ wann gotes glorien/ eere/ lob/ willen und lieb/ mit
allem gewalt in uns herschet/ so můß uns/ ich/ ichhait/ und
aines yetlichen sich oder sichhait verwelcken/ und zůnichtfn
werden. Das ist auch des glaubens art und natur/ Gotes
glorien und unser schand sehen/ gotes tugent und krefften/
und unsere boßhaiten und gebresten396/ gottes etwas und icht397/
und auff der andern seyten/ unser nicht erkennen/ derweg-
en ist es unmüglich/ das ainer got glaub/ und bleyb unge-
lassen/ und můß von noͤten/ gotes ere in got/ nit in uns al-
lain gewendt werden. Christus spricht auch verborgenlich〈/〉
Ich waiß/ das ir gotes lieb in eüch nit habt/ dann ir sůcht
eüer eer〈.〉 Joan. v.398 Das sach Christus in dem/ das sy ir aig-
en lieb hetten/ derhalben ervolgt auch das übel/ das sy go-
tes lieb nit mochten haben. Goͤtliche lieb/ und lieb unserer
seel/ moͤgen nit bey ainander steen/ aber gotes lieb/ und haß
aigner seel/ steend vest bey ainander/ als dise zway stuck/
got lieben/ und unser seel behůten/ und das/ sein seel hassen
und sy zů dem ewigen leben bewaren.399 Wann aber haß unnd
BuchsymbolF2r neid/ gegen aigner seele/ aines yeden/ sich oder sichhait ver
dempffen400 und vertilcken kan/ und Christus leret und will/
das ain yeder sein seel haß/ so will auch Christus/ das sich
menigklicher unwidernemlich401 gelaß/ Wann sich der mensch
selber ernstlich verlassen hat/ so hat er alle ding übergeben/
und wolgelassen/ Aber es moͤcht kummen/ das ainer aͤcker/
wisen/ eltern/ kinder/ und sein eeweib geließ/ und wer in sei-
ner seel ungelassen/ das also geschehe/ wann er lust und lieb
in sollicher übergebung und gelassung hat/ so het er lieb zů
seiner seel/ und het sich nit gelasse/ dann sein sich/ und ich402/
und etwas stůnd im vor augen/ als ain schatz/ darnach sein
hertz lauschet. Die verdampten teüfel und seelen/ steend in
der helle auch der creaturen und lusten ledig/ aber sy behal-
ten gleichwol begerung zů den creaturen und gelusten/ als
die Propheten Esaias/ Hieremias/ und andere schreyben/
darumb ists nichts außgericht durch ainen sollichen gelaß.
vater und můter/ weib unnd kinder sollen wir lieben/ desge-
leichen ainen yegklichen nechsten/ umb gotes willen/ und
nit umb unsers willen wegen/ wann unser aigen will gegen
ainem menschen stůnd/ so wer die selb liebe und will unrecht
und wider got/ Derhalben spricht Christus/ welcher nach
mir kompt/ und hasset nit vater und můter/ weib und kin-
der/ brůder und schwester/ und dartzů sein aigne seele/ der kan nitt
mein junger sein. Luce xiiii.403 Das ist/ das ich oben gesagt
hab/ das unmüglich sey/ das ainer ain leerjungerfo Christi
werd/ und übergeb nit alle ding〈.〉 Luce eodem/404 Dann wa ich
aigen willen hab/ und nit gottes willen/ so bin ich ungelas-
sen/ wider gott mit unglauben und unlieb. Alles das ich lie-
ben sol/ das sol ich umb gotes willen lieben/ und darumb/
das got behagt.405 Lieb ich umb gotes willen/ so bleybt die lie-
be stets/ ob sich gleich die personen bewegen und verendern.
Lieb ich die person umb treufp406 willen/ und umb meinetweg-
en/ so můß abtreten/ so offt die person wider gott ist. Also
steet lieb und haß gegen dem nechsten/ davon ich ain ande-
BuchsymbolF2vre zeit will schreyben.407 Woͤlcher gottes willen nachforschen
will/ der leeß die hailigen geschrifft/ unnd wa408 mein arbait
(woͤlchefq mirfr got verlihen) fürdern/ moͤchtfs er mein bůch-
lin von der sünd und gotes manigfaltigen willen409 durchle-
sen/ villeicht würd er besser erinnertft werden/ dann ich in410 yetz
erinner. Mein lieber brůder/ du mainst/ ich hab dise tugent
gelassenhait/ ain allerhoͤchste tugendt in meinem vorigen
bůchlin genent/ und woltest nit ungern ursach wissen.411
Nu
geb ich dir zůerkennen/ ob ich unbillich412 geschriben/ unnd
hoff/ du werdest erkennen und sprechen/ wa413 gelassenhait ist/
von welcher ich hab geredt/ das daselbst der glaub/ hoff-
nung und liebe sey zů got/ wa ungelassenhait lebt/ das da-
selbst eytel unglaub/ aigen lieb stee/ und nicht/ dann verder-
ben vorhanden sey/ wann so ich zeit und raum het/ du wur-
dest auß den stucken/ welche gott zůstendig seind/ mercken/
das aller gewin und verlustfu in der gelassenhait und annem-
likait414 steen. Die stuck/ woͤlche got angehoͤrn/ seind volgendefv.415

Got Mit gantzen hertzen lieben.
Fürchten und nicht anders.
Vertrauwen und kainem andern.
Anhangen und niemandt anders.
Mit gantzer seel dienen.

Gotes glorien und eer sůchen/ sein wort verkündigen und der-
gleichen. In den wercken gegen dem nechsten/ frist ungelas-
senhait/ auch alles marck und gebain/ und machet sy alle
sampt wurmaͤssig416. Yetz wolt ich beschliessen/ als soltest du
nun wissen/ was das wort gelassen und gelassenhait bedeüt/
Aber weil die gifftig schlang/ ungelassenhait oder annem-
ligkait417/ so haimlich und listigklichfw/ sich/ und ir sichhait/ und
etwas in das verwickelt/ des sy sich mit kainem rechten an-
ziehen und zůmessen mag/ wil ich noch ain exempel geben/
ob sich villeicht ainer in aim/ und nit in dem andern moͤcht
erinnerenfx/ was/ und wie grossen fleß ain gotforchtsammer
BuchsymbolF3r mensch/ alle stund und augenblick haben můß/ das er sei
nen schaden der ungelassenhait/ got müg bekennen und beich-
ten/ und gnůgthůung Christi begern/ und glauben/ das Chri-
stus der sey/ der unsere sünd auff sich gelegt/ gebůßt und ge-
bessert hat/ Seyntemalfy das offt geschicht/ das ainer ain
tugent amfz besten erkent in irem gegentail/ als gerechtig-
kait/ gunst/ in aim zorn/ Honig gegen gallen. Es lere ainer
wie er kan/ allain das er recht lerne418. Unser vernunfft und
woͤllende krafft/ und dartzů alle unsere krefften haben nit
aines klainstes steüblins recht/ sich gůtter werck oder ley-
dens antzůnemen unnd erheben/ dann alles das gůt ist/ das
schaffet gott allain/ on uns/ in uns/ unnd wir thůn nicht
meer darbey/ dann wir gethon haben/ als unns got schůff.419
Zů unnser erschaffung haben wir nichts gethon/ darumb
haben wir kain recht dartzů/ Weil wir kain recht und zů-
spruch420 haben/ so künden wir nicht mit recht/ das unser/ ich-
hait/ meinhait/ oder sichhait haben oder sůchen/ und můß
von noͤten ervolgen/ das ich das mein/ in meiner erschoͤpf-
fung wider billichhait sůch/ und bin verflůcht und verma-
ledeyt/ wann ich meinem schoͤpffer oder vater sag/ warumb
hastu mich also geschaffen. Esaie. xxv.421 oder du hast mich
nit gemacht〈.〉 Esa. xxix.422 Nu ist er ain schoͤpffer/ der die wů-
ste und bloß erden schůff/ und der iren schmuck unnd zierde
gab. Gen. i.423 Derhalben vergleicht got alles das gůt ist/ im
menschen/ der ersten erschaffung/ sagend/ Got hat uns ge-
macht zů gůten wercken/ woͤlche got schůff/ auff das wir in
inenga wandern. Ephes.gb424 Ist ain gůtter gedanck/ ain gůtter will/
ain gůtte wircklichhait/ oder ain gůtt wercklin in uns/ es
steet got allain zů/ als ainem schoͤpffer/ und wir haben kain
recht darinn/ und so offt wir mit gedancken oder willen/ uns
darinn mainen und gedencken. Ich/ wir etc. So messen wir
uns das zů/ dartzů wir weder fůg noch recht/ noch glimpff425
haben/ und stelen und rauben got das sein. Darauß lerne
noch ains/ das wir gelassen sein můssen/ und das ungelas-
BuchsymbolF3vsenhait ain diebische rauberin ist. Wann gott ainen mensch
en zů gůtem bewegt/ so ists gleich/ als wann wir ainen steck-
en zů hilff bewegen/ und moͤgen uns des/ das durch uns ge-
schicht/ nicht weniger zůmessen/ dann der stecken gethoner
hilff.426 Exemplum/427 Der künig Assur/ was ain růte des zo-
ren gottes/428 durch welchen gott seinen zorn außschut/ und das
boͤß straffet/ Darumb kund gott nit leyden/ das der Assurgc
sprach. Ich hab gesteübt429 oder geschlagen/ dann das ich und
ichhait/ mein und meinhait/ brachten den Assur in grosse
not/ angst und unüberwintlichengd schaden/ wiewol ye430 war
was/ das Assur die ungehorsamen Juden straffet/ in ayner
sterck und grossen macht. Yedoch verderbt er seine sach/ das
er sagt/ in der stercke meiner hand/ hab ichs gethon.431 Sihe/
Assur hett stercke/ als er krieget und obsiget/ aber dieselb
stercke was gleich sein/ als sy ainer růten geweßt waͤr/ wel-
che růt ain schwaches kindlin bewegt het/ Derhalben rau-
bet und stal Assur die selb stercke/ sam432 er språch/ In meiner
sterck/ oder in der stercke meiner hand/ hab ich gestritten/433
Het er gesagt/ Gott ist mein stercke/ mein weißhait/ mein
schütz/ schirm und hůt geweßt/ er het recht geredt/434 aber als
er gestracks sprach/ Ich habe meine feind mit meiner sterck
unnd macht geschlagen/ da sündigt er. Auß disem exempel
vernimm/ das unsere gedancken uns selber verderben/ und al-
les unrecht machen/ das sunst recht wer/ Es was ye435 recht
unnd war/ das Assur in ainer macht thet/ aber das war un-
recht und unwar/ das Assur in seiner aigen sterck krieget/
demnach versteest du/ das der Assur/ durch sein seinhait/
oder ungelassen sichhait/ sich verderbt/ das ye war ist/ was
Christus leret/ woͤlcher sein seel liebet/ der verderbt sy. Jo.
xii.436 Auch muͤssen die krieger weißhait und fürsichtigkait437 ha-
ben/ woͤlche Assur het/ aber von got/ nit irem sich. Darumb
sündigt der Assur/ als er sprach/ in meiner weißhait hab ichs
verstanden/ dann er schrib im438 die weißhait und verstentnuß
zů/ welche er von gott het/ Wann got yemand brauchen wil/
BuchsymbolF4r so gibt er im weißhait/ red und sterck. Derhalben kund Assur
nit warhafftigklich/ und mit recht sagen/ In meiner weiß-
hait etc. Het er aber gesagt/ in gotes weißhait/ das wer recht
geredt geweßt. Nu wilt du hoͤren/ wie got solch gedancken
und wort schetzt? Hoͤr was got spricht/ gott sagt/ es ist gleich
sovil geredt/ in meiner sterck hab ichs gethon/ oder in mei-
ner weißhait hab ichs verstanden/ als wann ainer ain růt-
ten auffhebt/ und die růten spricht wider den auffheber/ ich
hab mich auffgehaben/ und ist doch die růten ain holtz/ das
sich weder bewegen noch auffheben kan. Esa. x.439 Auß disen
worten volget/ das ain ding ist vor got/ Sich erheben/ und
wider got erheben/ dann die schrifft meldet/ wie Assur gesagt
hab/ In meiner sterck/ und in meiner weißhait etc. Wir fin-
den aber minder440/ das Assur wider gott anders geredt hab/
dann mit yetzgemelten worten/ dannest gibt got exempel441 von
ainer agstge/ oder von ainem beyhel/ unnd von ainer segen/
von ainer růten und stecken/ woͤlcher sich seiner wircklich-
hait annimpt/ unnd ruͤmpt sich wider seinen beweger442/ Al-
lain in dem/ das die seg spricht/ Ich hab gesegt/ unnd das
beyhel/ ich habe gehauen/ und die růten/ ich hab gesteübt/
und der steck/ ich hab geschlagen. Got der sicht unsere hertz-
en und gedancken an/ unnd gilt vorgf got ain ding/ schlecht
gedencken das ich das thůn〈/〉 das doch got durch mich thůt/
und gedencken/ got hats nit gethon. Es wurd auch volgen
bey den creaturen/ ich hab das gemacht oder gethon/ dar-
umb hats kain andrer gethon/ derhalben spricht man zůzei-
tengg/ wie ruͤmet sich der des wercks oder der that/ und er hats
ye443 nit allain gethon/ oder nit gethon. Also ists ain ding.
Nit mit got sein/ und wider got sein/ als Christus spricht/
woͤlcher nit mit mir ist/ der ist wider mich.444 Derhalben woͤlch-
er spricht/ Ich hab das verstanden/ erdacht/ erfunden/ ge-
wirckt/ gelitten/ der ist nit mit got/ dann er ruͤmet unnd er-
hebt sich in seinem flaisch/ und nit in got/ und ist in dem sel-
ben rům wider got. Also volget/ das annemligkait445 und un-
BuchsymbolF4vgelassenhait allwegen wider got ist/ so still unnd haimlich
sy gesein mag/ das merck/ und sinne dem nach/ und erwege
ob unsere tegliche sünd nit todtsünd sein/ und ob wir sy mit
weichwasser446 abweschen künden.

Ungelassenhait ist hoffart447.

Liß Esaiam von dem Assur/ in dem zehenden capitel448/
und hab auffmercken/ was got in im straffet/ so würdestu
bald versteen/ das Assur in dem gesündt449 hat/ das er sprach/
In meiner sterck hab ich die Fürsten und voͤlcker getault450.
Item/ Mein hand hatt die macht der voͤlcker/ gleich als
ain nest gefunden. Item ich hab sy gesamelt/ als ainer ay-
er samelt. Item in weißhait hab ich entsunnen451 etc.452 Das seind
gedancken und die wort des Assurs/ woͤlche wider gott wa-
ren/ und got irhalben/ den Assur strafft/ unnd spricht/ das
rům und glorien den hohen augen/ und hoffertigen hertzen
zůsteen/453 Deßgleychen werden wir offt im Esaias finden/
das dise wort/ ich/ in meiner/ unnd der gleichen/ wort auß
der hoffart fliessen. Esaie ii. v. et xiii.454 Ezechielis. xxviii. et
xxix.455 Weil aber alle menschen sagen/ das hoffart ain tod-
sünd ist/ und ungelassenhait die allerteglichst sünd ist/ muͤs-
sen sy auch zůgeben/ das unser tegliche sünd/ todsünd sein/
und das ungelassenhait/ nit ain verachtlichgh blater und
sünd ist. Das sag ich/ auff das wir erenstlich auffsehen auff
unser teglich/ ja sündtlich456/ ja augenblicklich leben/ und wis-
sen/ das unnser leben voller todtsünd ist/ dann ain yegklichegi
ungelassenhait ist des hellischen feuers wirdig. Esaie. xiiii.
Dein hoffartgj ist zů der hell nider gezogen etc.457 Nu sag/ ob
Christi leer nitt diene/ woͤlche er zů allen sprach/ als dise/
Woͤlcher nach mir wil kommen/ der můß sich selber verleüg-
nen/ und sein creütz teglich tragen/ und mir nachvolgen/
Luce. ix.458 Woͤlcher ain Christ will sein/ unnd seinem herren
Christo Jhesu nachvolgen/ der můß sich verleügnen/ das ist
BuchsymbolF5r gelassen/ und sein sich oder ich verlieren oder verwerffen/
sunst mag er Christo nit nachvolgen/ oder ain Christ sein/
dann er gott weder lieben noch glauben kan. Dise verleüg-
nung můß nit laugk und kuͤl sein/ sonder hertzlich und hi-
tzig/ nicht ainen tag/ sonnder ewig weren. Auch soll er alle
tag/ auff die ungelassenhait und annemligkait459 wachen/
und warten/ gleich als ain zorniger Beer/ und grimmiger
loͤw auffgl ire feinde warten/ so ire jungen fressen und ver-
schlinden/ und můß der mensch sein creütz des zorns/ hasses
und neydes/ wider seine seel teglich ertragen/ und nimmer ab-
legen/ so er Christo nachvolgengm/ und ain leerjungergn gotes
und Christi will werden/ dartzů helff uns got/ durch unse-
ren herren Jesum Christum Amen.460

Von Himlischer
gelassenhait.

Am end ist zůwissen/ wann der gaist der růw461 den mensch-
en angreyfft462/ und das hauß oder tempel gottes/ das ist/ die
seel mitt seiner glorien erfült/ das alßdann die gelassenhait
an ir end kompt/ und ungelassenhait wirt/463 dann es ist nichts
laͤre und ledig in der seele/ dieweil sy der gaist gotes unver-
gotet laßt/ durchgeet und erfült/ und ewigklich in der seel
bleybt/ unnd in ain goͤtlich leben bringt/ auch haben die
creaturen/ und lusten/ und begirden kainen zůgang meer
zů der sele/ nach dem der mensch in der gantzen sele ist/ und
die seel in ainem vollen frid und gehorsam fuͤrt. Also wirdt
creaturisch gelassenhait/ ain goͤtlich ungelassenhait/464 dar-
tzů helff uns got Amen.

Auff die anndere frag Antwurt/ wann du in der warhait
sprichst/ Nit fuͤrgo mich ein in versůchung/465 so bittest du/ das
dich got vor den boͤßen woͤll behuͤten/ nit vor anfechten und
kasteyung/ Nach dem Christus sagt/ Ich bitt nit/ das du
meine junger von der welt nemest/ sonder vor übel oder vor
dem boͤßen bewarest. Joannis am xvii.466 Also bittestu auch/
das got seinen ewigen willen in dir schaffen woͤll/ und das
du recht gelassen seyest/ Du bittest kürtz- lich/ das dich gott
vor ainem verkerten urtail bewar/ unnd nicht in die welt
geb/ die alle ding gotes/ verkert und unrecht spricht/
davon will ich in kürtzen meer schreyben/467
biß468
mengklich und gestreng/ in begerung-
en zů got. Amen.

Finis.


aschryfft B
bwild B
cVirgel fehlt A
dwa her B
ebiechlein B
ffiere B
gfrage B
hverheben B
i-i1523 jar. B
jgelasen B
kbewüst B
lpauren B
mgemayner B
ntabalatur A
obleyben B
pvermoͤckt B
qbedeit B
rSo B
sgeyebt A
tDas B
ufehlt B
vzeyten A
wVirgel fehlt A
xungelasse B
ygantzerer B
zoͤltern B
aaferr A
abanhangt B
acDerwegen B
ad-adwiewolich B
aeDannest B
afpeen B
agentpfund B
ahder ir B
aiverleucken B
ajgrossen B
akVirgel fehlt A
alAschsen B
amvom Editor verbessert für iiii. A; 4. B
anschricht B
aoinen B
apansyh B
aqallain B
arkummet B
asgrauhen B
ataller B
auund B
avwer B
awEntpfahet B
axnoturfftigen A
ayprediget B
azbůchstaben B
bawar B
bbweder B
bcfehlt A
bdfolgt werden A
befolgt 20. B
bfgessen B
bglüstigklich B
bhkent B
bileeriunger B
bjdingen B
bkleerjung B
blschickligkait B
bmleerjungen B
bnfodert B
boleeriung B
bphöhiste B
bq-bqwann B
brhabige B
bsliebeß B
btsudet B
buleeriung B
bvleeriung B
bwbesicht B
bxfolgt wirt B
byuber B
bzfodern B
ca-carechtgeschech A
cberbauen B
cczů vor B
cderweger B
ceform loß B
cfweltlicher B
cgfolgt lieben B
chsenffkoͤrlin B
civoͤlle A
cjainiger A
ck18.a B
cl19.a B
cmselbert B
cnnach A
coeinnemen B
cpheusen A
cqmath B
crmar B
csSeytainmal A
ctentpfindt B
cuGrag B
cvnidertrit A
cwverleicht A
cxgewyß B
cy-cyvon unnoͤtten B
czin A
daläublin B
dbwechst B
dcdenn B
dddirr A
detreud B
dferend B
dgfehlt A
dhsperling B
diuud A
dj-djstraffend/ saget B/
dkgebirt B
dlsüdigt B
dmDa bey B
dnunwanckeln A
doleeriung B
dpVirgel fehlt A
dqfrembden A
drkumpts B
dsfehlt A
dtVirgel fehlt A
dukeler A
dv-dvgůtt
dw-dwnarung ain wagen B
dxfür schitten B
dybeydt B
dzobvermelte B
eabur B
ebdn A
ecweyl B
edbürg B
eebetzebt B
efsteendt B
egverleückelt B
ehauruͤren A
eiverhüet B
ejboum A
ekboum A
elboum A
emaygne B
ensterben B
eouber natürlicher B
epwider natürlichem B
eqfülen B
erherauffer B
esherraber B
etseine B
euferrer A
evbrotzen B
ewfolgt ee er B
exschewig B
ey-eyfehlt B
ezeere B
faeere B
fbmyden B
fc-fcfehlt A
fdgemoͤcht B
feglaubent B
ffalle die weyl B
fgfül B
fhBrieff B
fileeriungen B
fjuniversistetischer B
fkeinbeyssen B
flklainern B
fmsenffkoͤrlin A
fnzů nicht B
foleeriung B
fptreud B
fqfolgt so B
frwer B
fsfolgt Virgel A, B
fterindert B
fufolgt Virgel A, B
fvvolgen A
fwlustigklich B
fxerindern B
fySeytainmal A
fzain B
gain B
gbfehlt A
gcAsser B
gdunverwindtlichem B
geaxt B
gfnor A
ggzeytten B
ghverechtigklich B
giyetliche B
gjhochfart B
gklaubig B
glofft B
gmnachvolget B
gnleeriung B
gofier B

1Zu der für Karlstadt zentralen Kategorie der Gelassenheit vgl. KGK III, Nr. 166, S. 389f.; Hasse, Tauler, 173–185. Allgemeiner s. Völker, Gelassenheit, passim.
2Zur Entwicklung der Laienkonzeption Karlstadts vgl. Kotabe, Laienbild, passim u. 246–248 zu dieser Schrift.
3Zu Jörg Schenck vgl. KGK 240 (Anmerkung); dort auch zum Inhalt seines verlorengegangenen Briefes und seiner Lektüre von Karlstadtschriften (s. zudem KGK 241 (Anmerkung)). Der Brief Schencks und seine Fragen wurden Karlstadt zum Anlass der vorliegenden Schrift. Nicht eindeutig ist, ob die Anfrage noch einen zweiten Teil hatte, dem Karlstadt eine weitere Schrift widmen wollte; siehe unten KGK 241 (Anmerkung).
4Schenck hatte vermutlich die Theologia Deutsch gelesen – oder zumindest erwähnt. Vgl. Völker, Gelassenheit, 294; 308 mit Anm. 88 und Hasse, Tauler, 173, die nur eine beiläufige Erwähnung vermuten, da die Schrift sich nicht dem Begriff Gelassenheit widmet; anders als die Predigten Johannes Taulers. Zur Theologia Deutsch vgl. KGK 241 (Anmerkung).
5Zecherle, Rezeption, 227 erkennt hierin einen Bezug Karlstadts allein auf den Begriff »gelassen« und meint, dass er ein klares Bewusstsein von der Verwendung dieses Terminus in der Theologia Deutsch und vom Fehlen des Begriffs »Gelassenheit« ebendort besessen habe.
7strittige, sich widerstreitende. Vgl. DWb 29, 1219–1222 s.v. widerspänig.
8Mt. 6,10. Die Bitte ist in der Auslegung Wagen der biblische Beleg für Gelassenheit; vgl. KGK II, Nr. 124, S. 249, Z. 14.–S. 250, Z. 8. Ähnlich im Wagen, der »Dein wil der geschech« in einem Textfeld links außen, »gelaß willen und dich« in einem Textfeld rechts außen gegenüberstellt (KGK II, Nr. 120, S. 188, Z. 6; S. 189, Z. 5). Vgl. Bubenheimer, Aspekte, 410–412; Bubenheimer, Karlstadtrezeption, 32; Zecherle, Rezeption, 228.
9vorbauen. Vgl. DWb 4, 661 s.v. fürbauen.
10zurückhaltend. Vgl. Lexer, Handwörterbuch 3, 125; Schweizerisches Idiotikon 2, 909.
11Hier beginnt ein einleitender Text, dem es an einer Überschrift fehlt. Die Makrostruktur des Textes, der die erste Zeile als Überschrift setzt, wurde nicht übernommen.
12sicher, geschützt, ungefährlich. Vgl. DWb 3, 1430 s.v. fehlig; DRW 3, 460f. s.v. feilig (in diesem Sinne als »velich« belegt im Niederdeutschen, u.a. im MUB 5, 358 Nr. 3186).
13unsicher.
14schnell, auch mit glücklichem Ausgang. Vgl. DWb 15, 657f. s.v. schleunig.
15Unklar. Ob das angeführte Wort von »verheuren« abstammt, was auf verheiraten deuten würde (DWb 25, 567 s.v. verheuren), ist nicht klar.
16zweifelhaft, unsicher, prekär; aber auch gefährlich, übel. Vgl. FWB 9.2, 2604f. s.v. mislich Nr. 1 u. 4; DRW 9, 707f. s.v. mißlich Nr. 3. Warum Karlstadt dieses Wort als fränkische Besonderheit herausstellt, bleibt auch nach Konsultation des WBF unklar.
17glücken. Vgl. DWb 5, 3031f. s.v. gelingen Nr. 1c u. 2. Dort auch zur oft fälschlichen Rekonstruktion »gelinden – gelingen« im 16. Jhd. Siehe auch FWB 6, 761 s.v. gelinge als Substantivform in der Bedeutung von Glück, Erfolg. Ähnlich wie in KGK 241 (Anmerkung) handelt es sich laut WBF um keine fränkische Sprachbesonderheit.
18sagen, aussagen. Vgl. DWb 10, 2298f. s.v. jehen, wo es heißt, die hier getroffene »behauptung Carlstadts« sei »ungenau, insofern sich das verbum auch bei mitteldeutschen schriftstellern gebraucht findet.«
19»aus der Tabulatur reden« bedeutet, nach Regel und Vorschrift zu sprechen. Vgl. DWb 21, 7f. s.v. Tabulatur.
20noch.
21weil.
22bemerkt.
23sicher und ungefährlich. Siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
24Bedeutung.
25deshalb, deswegen. Vgl. DWb 2, 801f. s.v. darum Nr. 9.
26Karlstadt führt hier dialektale Divergenzen auf; das Wissen von der Wortverwendung im Rheinland mag auf persönlichen Erfahrungen während seines Studiums in Köln zwischen 1503 und 1505 beruhen. Vgl. Bauch, Scholastiker, 37; Barge, Karlstadt 1, 5; Bubenheimer, Consonantia Theologiae, 2; KGK I.1, S.XXXV; Nr. 2, S. 196 Anm. 181; Nr. 8, S. 293.
27Einerseits Schreiblehrer, hier aber wohl eher Schreiber bzw. Schriftexperte, der für den Rat bzw. in fstl. Kammer Urkunden verfasste und prüfte. Vgl. DRW 12, 1177f.
28sich einer Sache entledigen, etwas loswerden. Vgl. DWb 1, 1261 s.v. abwerden Nr. 2.
29wirkend, handelnd, aktiv. Vgl. DWb 30, 575f. s.v. wirklich Nr. 1.
30tuend, handelnd, betreibend, aktiv.
31ableiten, verstehen. Vgl. DWb 1, 80 s.v. abnehmen.
32Vgl. Mt 19,29 Vg »et omnis qui reliquit […] aut patrem aut matrem […].«
33Hier reiht sich der Autor Karlstadt auffällig in die Gruppe der Laien ein.
34relinquere (»verlassen, zurücklassen«) übersetzt Karlstadt als Terminus technicus für »gelassen« (mit Bezug auf Mt 19,29 und 1. Mose 2,24).
35Vgl. 1. Mose 2,24 Vg »quam ob rem relinquet homo patrem suum et matrem et adherebit uxori suae […]«; vgl. Mt 19,5.
36ausdrücken. Vgl. DWb 1, 930 s.v. ausreden Nr. 1.
37dimittere, deserere und renunciare als weitere Termini von »gelassen«. Vgl. Mt 5,40; 8,22; 19,5; Lk 9,61; 14,33.
38keineswegs, niemals. Vgl. DWb 13, 830f. s.v. niener.
39Vgl. u.a. Mt 9,15; Mk 2,19f; Lk 5,34f.Karlstadt folgt Johannes Taulers mystischer Konzeption einer Vereinigung mit Gott (via unitiva), für die der Mensch seine eigene Nichtigkeit – mithin Karlstadts Gelassenheit – erkennen müsse. Siehe u. KGK 241 (Anmerkung) und Tauler, Sermones (1508), fol. E1r (13. Predigt). Entsprechend heißt es in der Theologia Deutsch (Franckforter), 110, dass der Mensch alles Geschaffene lassen müsse, um in die Vereinigung mit Gottes Willen zu gehen. Ein ehemystisches Bild wie bei Karlstadt kommt in der Theologia Deutsch jedoch nicht vor; vgl. Zecherle, Rezeption, 252.
40Vgl. Hos 2,16 Vg »et erit in die illo ait dominus vocabit me vir meus et non vocabit me ultra Baali […].«
42Vgl. Jes 46,3f. Vg »audite me domus Iacob et omne residuum domus Israhel qui portamini a meo utero qui gestamini a mea vulva usque ad senectam ego ipse et usque ad canos ego portabo ego feci et ego feram et ego portabo et salvabo.«
43Vgl. Eph 5,21–32. Zu dieser Auslegung der Ehe zwischen Braut und Bräutigam als geistlicher Verbindung mit Gott vgl. auch KGK 239 (Textstelle).
44Vgl. 1. Kor 6,17 Vg »qui autem adheret Domino unus spiritus est.«
45Vgl. 5. Mose 10,20 Vg »Dominum Deum tuum timebis et ei servies ipsi adherebis iurabisque in nomine illius.«
47Von einem »Ehebruch der Seele« spricht Orig. hom. in Gen. 1,15 in dem Fall, wenn die mit dem Heiligen Geist vereinte Seele zu fleischlichen Gelüsten abschweift. Biblisch ist ein solches Gleichnis nicht belegt, allenfalls ein Anklang an Mt 5 (Bergpredigt) denkbar. Karlstadt könnte aber auch auf ein Gleichnis vom Abfall Israels und Judas vom göttlichen Gesetz anspielen. Für diesen Abfall als auch für Ehebruch und Hurerei werden beide von Gott gestraft. Vgl. Jer 3,6–13.
49Vgl. 5. Mose 6,4 Vg »audi Israhel Dominus Deus noster Dominus unus est«.
52übertreten. Vgl. DWb 23, 198f. s.v. überfahren Nr. I.E.
54mitnichten, in keiner Weise. Vgl. FWB 9.2, 2701 s.v. mitnichten: »meist getrennt geschrieben«.
55Ein Grundmotiv von Karlstadts Gelassenheitkonzept mit Referenz auf Lk 14,26. Ähnlich in Tugend Gelassenheit (KGK III, Nr. 166, S. 407, Z. 11–16).
56entschlagen, entledigen.
57entäußern.
59Die geschaffenen Tugenden gehören der irdischen, menschlichen Welt an; zu ihnen gehören Ehre, Erfolg, Macht, Reichtum, aber auch Verstand u.a.
60besser.
61vorher, zuvor.
62behandeln.
63Ähnliche Gegensatzpaare verwendet Tauler, Predigten (Vetter), 72,7–19: »Die menschen die herin sehent und es in nutze machent, das wer gar ein edel ding, das men hiemitte spilen kunde, dem wurde alle manigveltikeit einvaltikeit und liden trost und unfride fride, und alle bitterkeit, wurde ein ware suͤssekeit«.
64Die potentia volens, die Willenskraft.
65Die Terminologie von Ichheit, Meinheit etc. verwendet Karlstadt bereits in Auslegung Wagen (KGK II, Nr. 124, S. 219, Z. 12f.; S. 220, Z. 18). Die Begriffe stehen für den geschaffenen Menschen mit seinem Eigenwillen und allen kreatürlichen Eigenschaften. Ziel der Gelassenheit ist das Verlassen des postlapsarischen Zustandes im Geschaffenen; die Seele muss in ihren ungeschaffenen, reinen Zustand des Nichts vor dem Sündenfall zurückkehren, damit sie Gott empfangen kann. Der Einfluss der Theologia Deutsch ist sichtbar: »Sich, hier muß alle icheit, myneheit und selbsheit, und waz des ist, czumal vorlorenn und gelassen werde; das ist gotis eygen […] Dar nach sal man mercken, wan man spricht vnd ioch Cristus selber spricht: Man solle alle ding laßen vnd vorlißen. Das sal man nicht also vorstehen, das der mensch nichts czu thun ader vorhanden solle haben, wan der mensch muß ioch etwas thun vnd czu schicken han, wie weile er lebet. Aber man sal eß also vorstan, das alles des menschen vormugenn, thun vnd laßen vnd wissen vnd joch aller creaturen ist nicht das, da die voreynung an ligt.« (Theologia Deutsch (Franckforter), 135,22–24; 109,1–110,22). Zur Terminologie der »ich[t]heit«, »meinheit« und »selbheit« als Ausdrucksformen des geschaffenen Selbst des Menschen vgl. weiterhin Theologia Deutsch (Franckforter), 72,23–26; 28. Laut Lexer, Handwörterbuch 1, 1412 s.v. ich-heit; 1, 2143 s.v. mîn–it u. DWb 6, 1937; 10, 2032f. fanden sich hier diese Begriffe erstmals.
66Zum Begriff »ankleben« vgl. Auslegung Wagen (KGK II, Nr. 124, S. 219, Z. 9; S. 220, Z. 20). Die Begriffsverwendung beruht auf Karlstadts Taulerlektüre; s. das Lemma »Ankleblichkeit« in dem zweiten der von ihm angelegten Register im eigenen Exemplar von Tauler, Sermones (1508), fol. X6v [RFB Wittenberg, H Th 2° 891]. Vgl. Hasse, Tauler, 36.
67beanspruchen, sich anmaßen. Karlstadt postuliert hier die Rückkehr der Seele zum Zustand des Ursprungs, des Ungeschaffenen und somit der Einheit mit Gott via Gelassenheit. Zum Einfluss Taulers und der Theologia Deutsch auf diese Konzeption siehe unten KGK 241 (Anmerkung).
68Zum »Versinken im Seelengrund« bei Tauler vgl. Tauler, Predigten (Vetter), 175, 24–27 Nr. 41; 201,1; 3–7 Nr. 45; 357,2 Nr. 65; 426,22–26 Nr. 80.
69Vgl. Tauler, Predigten (Vetter), 66,19–22 Nr. 14: »Und also lange also dis eine mensche in uns blibet und mit erstirbet, so spreitet es sich durch alle die krefte des indewendigen und des ussewendigen menschen, bitze er es alles verderbet das Cristus inpflantzen sollte.«
70Zur Bitterkeit vgl. KGK II, Nr. 124, S. 228, Z. 28; S. 229, Z. 18; S. 258, Z. 20; KGK III, Nr. 162, S. 259, Z. 6.
71Vgl. Theologia Deutsch (Franckforter), 147,134f.: »[…] und das creucze ist anders nicht den Cristus leben, wan das ist eyn bitter creucz aller natur.«
72Unklar, vermutlich Geschwürfluch.
73Angesichts der übergroßen Sündhaftigkeit des Menschen müssen zur Versöhnungstat Christi die Selbstaufgabe und die bedingungslose Unterordnung in den Dienst an Gott als Voraussetzungen der Erklösung hinzukommen. Zur Kreuzestheologie Karlstadts vgl. Hasse, Tauler, insbes. 117–153.
74hinauf.
75Begehren, Verlangen (auch nach Gott), Erfordernis. Vgl. DWb 13, 924 s.v. Nothdurft Nr. 1a; s. auch DRW 9, 1559–1565 s.v. Notdurft. Vgl. hierzu Theologia Deutsch (Franckforter), 106,12–18 und die zahlreichen Registereinträge Karlstadts in seinem Exemplar von Tauler, Sermones (1508), fol. 26rb; 165va. Dazu Hasse, Tauler, 184 Anm. 46f.
76Zur Erlangung des Lebensnotwendigen unter Furcht vgl. Theologia Deutsch (Franckforter), 106,12–14: »Hier nach volget, das der mensche nichts beten ader begeren thar ader wil wider von got ader von creaturen den bloß notdorfft, unnd das selbige alles mit forchten […].« S. auch Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes: »Ewiger will macht/ das wir nicht angreiffenn dan blosse notturfft. und das selb greyffen wir an mit grosser forcht.« (KGK 239 (Textstelle)).
77Zittern, Beben. Vgl. DWb 1, 1810 s.v. bidmen.
78Vgl. Eph 6,5; Phil 2,12; Ps 2,11 Vg LXX: »servite Domino in timore et exultate ei in tremore […].«
79gefährlich. Vgl. DWb 3, 1261 s.v. fährlich.
80notwendig. Vgl. DRW 9, 1565 s.v. notdurft.
81Selbsterhaltung, Gesundheit. Vgl. DWb 3, 837 s.v. Erhaltung.
82Vgl. Ps 118(119),120 Vg LXX »confige timore tuo carnes meas […].«
83Zu Karlstadts Hebräischkenntnissen vgl. KGK I.1, Nr. 2, S. 167f. sowie Rüger, Karlstadt; Bubenheimer, Humanismus, 108–110. Anders als im Bibliothekskatalog angegeben, besitzt die lateinisch-hebräische Bibelausgabe aus der Baseler Offizin Johannes Bebels, die Miqdas Hebraica Biblia (1534) [heute in der Bibliothek St. Georgen Frankfurt a.M., HM R B 63–64 (alt: Aa V 172–173)], keine Annotationen von Karlstadts Hand. Karlstadt hatte die Bibel 1537 an den Baseler Humanisten Sebastian Lepusculus verkauft, der am 12.2.1540 unter Karlstadts Vorsitz zum biblischen locus communis der abnegatio (Selbstverleugnung im Sinne der Gelassenheit) disputierte (Loci communes sacrae scripturae, UB Basel, KiAr H III 14:2; ed. in KGK IX). Vgl. Barge, Karlstadt 2, 611–613 Nr. 56; Bubenheimer, Consonantia, 259 Anm. 36; Kaufmann, Mitte der Reformation, 33.
84Vgl. Ps 118(119),120 Vg Hebr »horripilavit a timore tuo caro mea […].« S. KGK 241 (Anmerkung).
85Die Angabe »Psalm« bezieht sich auf den vorherigen oder auf den folgenden Text. S. KGK 241 (Anmerkung) und KGK 241 (Anmerkung).
86Beben, Zittern; siehe oben KGK 241 (Anmerkung).
87Karlstadt betont das Handeln des Menschen in Gottesfurcht aus Angst vor dessen Zorn angesichts der Sündhaftigkeit der Welt. Die beiden Übersetzungen der vermutlich referierten Psalterstelle sind nahezu identisch: Ps 2,11f. Vg Hebr »servite Domino in timore et exultate in tremore adorate pure ne forte irascatur et pereatis de via.«; Ps 2,11f. Vg LXX » servite Domino in timore et exultate ei in tremore […].«
89Asche. Zum Topos, Asche wie Brot zu essen, vgl. Ps 101(102),10 Vg »quia cinerem sicut panem comedi et potum meum cum fletu miscui.«
90Pauken.
91Vgl. Jes 5,12 Vg »cithara et lyra et tympanum et tibia et vinum in conviviis vestris et opus Domini non respicitis nec opera manuum eius consideratis.«Karlstadt erinnert an die Klagen des Propheten Jesaja über die Sünden der Herrschenden (Jes 5,8–10; Jes 5,11–17 wendet sich gegen Maßlosigkeit und Genusssucht).
92gefährlich. siehe oben KGK 241 (Anmerkung).
93allergeringste.
94Verweis auf Christi Warnung gegenüber den Reichen, die am Besitz hängen, in Mt 6,21.
95Verlangen nach Gott; siehe oben KGK 241 (Anmerkung).
96Vgl. Ps 93(94),11; 1. Mose 8,21; Mk 7,21–23 (Zeugnis Jesu über den Sitz des Bösen im Menschen); Pred 9,3.
97Schaden, Übel, Krankheit. Vgl. DWb 4, 1862–1864 s.v. Gebreste Nr. II.
98Zecherle, Rezeption, 238 erkennt in dem Abschnitt eine Paraphrase von Theologia Deutsch (Franckforter), 48,26–49,4.
100geziemend, angemessen im Sinne einer göttlichen Ordnung. Vgl. DWb 31, 1117–1120 s.v. ziemlich Nr. I.1.
101Vgl. Theologia Deutsch (Franckforter), 49,5f.: »Es ist billich und recht, das gott und all creaturen wider mich seien […].« S. hierzu Zecherle, Rezeption, 239.
102Vgl. Röm 9,20 Vg »o homo tu quis es qui respondeas deo numquid dicit figmentum ei qui se finxit quid me fecisti sic.«
103Selbstgefallen, Ichhaftigkeit. Vgl. FWB 1, 1349 s.v. annemlichkeit. Hier identisch mit Ungelassenheit. Bereits in Auslegung Wagen hatte Karlstadt die annemligkeit als Gegenposition zur Gelassenheit aufgebaut. S. KGK II, Nr. 124, S. 219, Z. 8f.; S. 220, Z. 17f.; S. 223, Z. 12f.; S. 234, Z. 19f.; S. 250, Z. 23; S. 257, Z. 14–16. Vgl. hierzu Zecherle, Rezeption, 139. Die Terminologie beruht zum einen auf Karlstadts Taulerlektüre. In einem Eintrag seines selbst erstellten Registers erklärt er Unannehmlichkeit mit Gelassenheit. Vgl. Tauler, Sermones (1508), fol. e8r (RFB Wittenberg, H Th 2° 891); Registerstelle R 2,11 nach Hasse, Tauler, 184. Zur Verwendung des Begriffs annemlichkeit vgl. weiter Tauler, Predigten (Vetter), 89,32–34; 181, 13; 371,8. Hierzu s. Hasse, Tauler, 184 Anm. 41. Zum anderen wird die Theologia Deutsch Anregungen gegeben haben, die das Annehmen des Selbst zum Sündenfall des Menschen deklarierte. Vgl. Theologia Deutsch (Franckforter), 73: »Diß annemen und seyne ich und sein mich und seyn mir und seyne myne, das was seyne abkeren und seyn fal. […] Eß was ummb seyn annemen und ummb seyn ich, myne, mir, mich, und ummb desgleich, er were nicht gefallen.« Hierzu Zecherle, Rezeption, 33; 231f. S. auch Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes (KGK 239 (Textstelle); KGK 239 (Textstelle) und besonders KGK 239 (Textstelle)).
105Möglicherweise auf diese Stelle bezieht sich Luther in polemischer Weise in Wider die himmlischen Propheten: »Denn ob sie wol den bildern feynd sind, ist doch zu besorgen, sie seyen noch nicht so fern entgrobet […], das sie die selbigen von sich selber weg kondten werffen. […] Das ist die hůbsche entgrobung […] und des gleichen teuffels allsentzerey.« (WA 18, 71,3–6; 101,8f.).
107besieht sich, schaut sich an.
108an nichts mangeln. Vgl. DWb 1, 46 s.v. abgehen.
109besiegt, überführt. Vgl. DWb 23, 653–657 s.v. überwinden.
110aufwenden. Vgl. DWb 4, 932f. s.v. fürwenden Nr. 4.
111berechtigt, angemessen. Vgl. DWb 2, 28f. s.v. billig.
112Ichheit, Selbstgefallen; siehe oben KGK 241 (Anmerkung).
113rein, aufrichtig. Vgl. DWb 12, 381f. s.v. lauter Nr. 8–11.
114rein.
115Die häufigen Zitate aus Jeremia erinnern daran, dass Karlstadt im Wintersemester 1522/23 eine Vorlesung über einen Abschnitt dieses prophetischen Buches gehalten hatte, s. KGK V, Nr. 231 u. Gummelt, Handschrift.
117Söhne.
118Inhaltlich könnte sich Karlstadt auf Röm 8,14 beziehen.
119Vgl. Jes 5,21 Vg »vae qui sapientes estis in oculis vestris et coram vobismet ipsis prudentes.«
121anführen, verwenden.
122Vgl. Joh 6,26 Vg »[…] quaeritis me non quia vidistis signa sed quia manducastis ex panibus et saturati estis.«
123Möglicherweise Anklang an Joh 17,14 Vg »ego dedi eis sermonem tuum et mundus odio eos habuit quia non sunt de mundo sicut et ego non sum de mundo.«
126irgendetwas, etwas. Vgl. DWb 10, 2035–2037 s.v. ichts.
127Die Terminologie vom Seelengrund beruht auf Taulerlektüre. Karlstadt führte in Registern zu seinem Leseexemplar die Stichworte »Grund/grund« (R 2,29 u. 31), »abgrund« (R 2,32) und »fundamentum interius« (R 3,6) auf. S. Tauler, Sermones (1508), fol. e8r (RFB Wittenberg, H Th 2° 891). Vgl. Hasse, Tauler, 184 Anm. 45.
128Vgl. Hld 5,2f. Vg »[…] ego dormio et cor meum vigilat vox dilecti mei pulsantis aperi mihi soror mea amica mea columba mea inmaculata mea quia caput meum plenum est rore et cincinni mei guttis noctium expoliavi me tunica mea quomodo induar illa lavi pedes meos quomodo inquinabo illos.«
129Vgl. Theologia Deutsch (Franckforter), 49,17–20. S. auch Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes (KGK 239 (Textstelle)).
130Gefahr. Vgl. DWb 3, 1261f. s.v. Fährlichkeit.
131Vgl. Lk 14,33 Vg »sic ergo omnis ex vobis qui non renuntiat omnibus quae possidet non potest meus esse discipulus.« Eine Schlüsselstelle zur Nachfolge Christi; das Ringen um Gelassenheit wird zu einem Lernprozess in der »Schule Christi«. Bereits in der Predigt am Michaelistag (KGK V, Nr. 232, S. 322, Z. 4f.) spricht Karlstadt vom Heiligen Geist als Lehrmeister. Vgl. auch Looß, Bild, 275–286; Fauth, Lernen, 481–484.
132Vgl. Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes: »Vorflucht ist alles, das uns hyndert an studirungk gotis willen« (KGK 239 (Textstelle)). Zum Studium der (abgeschiedenen) Seelen vgl. den Sermon vom Fegefeuer (KGK V, Nr. 233, S. 358, Z. 28–S. 359, Z. 1).
133Vorbereitung. Vgl. DWb 1, 1501 s.v. Bereitung.
134Unklar; vermutlich behofen, beherbergen. Vgl. DRW 1, 860.
135Eignung, Tüchtigkeit, Fertigkeit. Vgl. DWb 14, 2658f. s.v. Schicklichkeit.
137Vgl. Lk 18,27 Vg »ait illis quae inpossibilia sunt apud homines possibilia sunt apud deum.«
139Zur Armut des Sokrates, da er sein Leben ganz der Weisheitslehre gewidmet habe, vgl. Plat. Ap. 23b4–c1; 31a7–c3; 36d4–e1; knapp aufgenommen in Cic. off. 2,42f.; Sen. epist. 104,27. Wahrscheinlich ist aber eine Rezeption der Beschreibung von Sokrates' Armut als Ideal in Erasmus Ratio seu Methodus; vgl. Erasmus, Opuscula (1519), fol. 30v–31r.
140Vgl. 1. Kor 3,19 Vg »sapientia enim huius mundi stultitia est apud Deum.«
141Vgl. 1. Kor 3,18 Vg »nemo se seducat si quis videtur inter vos sapiens esse in hoc saeculo stultus fiat ut sit sapiens.«
142Eignung; siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
143Vorbereitung; siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
144geeignet, geschickt. Vgl. DWb 1, 1481f. s.v. bequem Nr. 1.
145vor.
146Zur Terminologie siehe unten KGK 241 (Anmerkung).
147Vgl. Lk 14,33 (siehe oben KGK 241 (Anmerkung)).
148kleinsten.
149Karlstadt bezieht sich hier wohl auf Mk 10,17–27. vgl. auch Pred 5,9–14.
152Vgl. Hiob 1,21 Vg »et dixit nudus egressus sum de utero matris meae et nudus revertar illuc Dominus dedit Dominus abstulit sit nomen Domini benedictum.«
153ernähren.
156Unklar. Vermutlich kein Zusammenhang mit freissam/vreisam im Sinne von Verderben bringend, schrecklich, wild. Vgl. Lexer, Handwörterbuch 3, 496 s.v. vreislich; DWb 4, 121 s.v. freissam.
157Zur »Schule Christi« siehe oben KGK 241 (Anmerkung).
158Vgl. Lk 14,33 Vg »[…] non potest meus esse discipulus […].«
160Aktiv und passiv.
162Vgl. Lk 14,27 Vg »et qui non baiulat crucem suam et venit post me non potest esse meus discipulus«.
163Vgl. Lk 14,33. Karlstadt führt hier die Stufen der Gelassen-Werdung aus: der Gläubige muss sich dem täglichen Kampf um Ablösung der Seele aussetzen, das Kreuz auf sich nehmen, damit sein Selbst zunichte wird und der (aufgegebene) Eigenwille auf höchster Stufe mit dem Willen Gottes verschmilzt.
164Die Aufforderung, sein Kreuz täglich auf sich zu nehmen, findet sich bei Lk 9,23.
165Mit großer Nähe zu Theologia Deutsch (Franckforter), 110,7–12: »[…] und der geschaffen wille geflossen sey yn den ewigen willen und dar inne vorsmelczet und czu nicht worden, also das der ewige wille allein do selbist welle thun und laße.« Vgl. Zecherle, Rezeption, 251.
166hier Voranschlag, Aufstellung von Beträgen im Voraus. Vgl. DWb 4, 797f. s.v. Fürschlag Nr. 4.
167Verzeichnis über das Gegebene und Gelieferte, Einschätzung, Annahme nach Vorüberlegung, Rechenschaft. Vgl. DWb 14, 355–362 s.v. Rechnung, bes. Nr. 2, 10, 11.
168Eignung, Fertigkeit; siehe oben KGK 241 (Anmerkung). In diesem Sinne lautet die Überschrift: Selbsteinschätzung der Eignung als Schüler Christi.
169gleichwie. Vgl. DWb 14, 1725–1727 s.v. sam Nr. 3.
170Turm.
172Zur Terminologie vgl. Karlstadts Registereinträge R 2,5 und R 2,19f. in seinem Taulerexemplar; s. Tauler, Sermones (1508), fol. e8r [RFB Wittenberg, H Th 2° 891]. Vgl. Hasse, Tauler, 184 Anm. 42.
173Bezug auf Jer 7.
174Vgl. Jer 7,24 Vg »et non audierunt nec inclinaverunt aurem suam sed abierunt in voluntatibus et pravitate cordis sui mali factique sunt retrorsum et non in ante.«
175den Rücken zukehrten.
176Käsejäger für Bettelmönche.
177ins Netz gehen. Vgl. DWb 4, 1365 s.v. Garn Nr. II.1–2.
178In monastischen Kreisen war es übliche Praxis, sich gegenseitig die Beichte abzunehmen; vgl. TRE 5, 419 s.v. Beichte.
179Erlaubnis, Abschied. Vgl. DWb 24, 2466–2474 s.v. Urlaub.
180anfängt. Vgl. DWb 1, 370f. s.v. anheben.
182Vgl. Mi 6,8 u.ö.
183Zur Metaphorik des göttlichen, ungeschaffenen Lichts der Glorie Gottes, das mit dem Bekenntnis zusammenfällt, vgl. Tauler, Predigten (Vetter), 329,22–31; zum den Seelengrund ausleuchtenden Licht s. Tauler, Predigten (Vetter), 331,16–31; zum Verzicht auf das Selbst als Voraussetzung für die Erkenntnis des göttlichen Lichts vgl. Theologia Deutsch (Franckforter), 96: »Wie man zcu dem waren lichte und zu Cristus leben nicht kommen magk mit vil fragens adder leßens mit hochern naturlicher kunsz und vornunfft, sundern mit eynem vorczeyen seyn selbst und aller dingk.«
184Vgl. 5. Mose 6,5 Vg »diliges dominum deum tuum ex toto corde tuo et ex tota anima tua et ex tota fortitudine tua«; s. auch 5. Mose 10,12; 30,6.
185Vgl. Mt 13,31f.; 17,20; Lk 17,6. S. auch die Jeremia-Vorlesung (KGK V, Nr. 231, S. 304, Z. 6f. mit Anm. 53) und die Predigt am Michaelistag (KGK V, Nr. 232, S. 317, Z. 12–16 Anm. 53).
186Zur Beschneidung des Herzens bzw. geistlichen Beschneidung bei Karlstadt vgl. De legis litera (KGK IV, Nr. 197, S. 405f.; 415–418) und Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes (KGK 239 (Textstelle)).
188Vgl. Jer 6,10 Vg »[…] ecce incircumcisae aures eorum et audire non possunt […].«
190Vgl. Jer 7,23f. Vg »[…] audite vocem meam et ero vobis deus et vos eritis mihi populus […] et non audierunt nec inclinaverunt aurem suam sed abierunt in voluntatibus et pravitate cordis sui mali […].«
191Vgl. Theologia Deutsch (Franckforter), 78,21f.: »[…] muß sich der mensch an got halten und lassen alles, das nit got ist oder got nit zu gehört […].« Hierzu Zecherle, Rezeption, 236.
192umgreifend, umfassend.
194Dass eine Verehrung aller von Gott geschaffenen Wesen, auch der Heiligen und Engel, gegenüber der Verehrung Gottes zurückstehen muss, wird ausgeführt in der Schrift Von Engeln und Teufeln (KGK 246).
195angeheftet.
199Vgl. 1. Sam 18f. (ganzes Kapitel). Druckvariante B hat die Abschnitte aus der zeitgenössischen Bibelausgabe angegeben; es handelt sich beim Abschnitt A von Kapitel 18 und 19 in der vonKarlstadt höchstwahrscheinlich benutzten Bibel allerdings jeweils nur um die ersten Verse der Kapitel, die die Liebe Jonatans, des Sohnes Sauls, zu David beschreiben. Vgl. Biblia (1514), fol. 108v–109r. Zu Karlstadts Verwendung dieser Bibelausgabe vgl. KGK III, Nr. 150, S. 175, Z. 14–16 Anm. 432f.; weiterhin KGK III, Nr. 146, S. 45f. Anm. 164; S. 93 Anm. 392; KGK III, Nr. 150, S. 115 mit Anm. 37.
200Vgl. 5. Mose 30,6 Vg »circumcidet dominus deus tuus cor tuum et cor seminis tui ut diligas dominum deum tuum in toto corde tuo et in tota anima tua et possis vivere.«
201Zufügen.
202Vgl. Jer 30,21, aber auch den ganzen Zusammenhang der Verse Jer 30,11–22.
203Vorhaut.
204geeigneten. Siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
205Die Verstopfung des Herzens als Verstockung. Vgl. Schweizerisches Idiotikon 11, 1171 s.v. Verstopfung.
210Nochmaliger Hinweis auf die vorhergehenden Stellen in KGK 241 (Anmerkung), vgl. dazu Lk 18,29f.
212Sichheit im Sinne der Zugehörigkeit des Menschen zu seiner Gattung bzw. Species.
213Der Mensch als Mikrokosmos (kleine Welt), der den Makrokosmos abbildet, da er alle Teile der Schöpfung – von substantiell-elementarer über vegetative, sensitive bis zur rationalen Ausbildung – umfasst. Die Idee geht zurück auf Arist. phys. akroas. 8,2 p. 252b 26, der die Terminologie aber auf den Gegensatz von belebtem Wesen und Weltall bezog. Zu Karlstadts Referenz auf Picos Heptaplus siehe o. KGK 241 (Anmerkung). Vgl. auch Hon. Aug. Elucid. 1,11 (PL 172, 1116f.).
214Weil.
215umfasst.
216Nach der Befindlichkeit in der Bedeutung des Sinnes (sensus). Vgl. DWb 1, 1262.
217Karlstadt lehnt seine Ausführungen zum Mikrokosmos Mensch eng an die fünfstufige Entfaltung des menschlichen »Sich« durch Heinrich Seuse an (mit einem Nachgang zur 5. Stufe auf der folgenden Seite; siehe unten KGK 241 (Anmerkung)). Vgl. Seuse, Buch (1512), fol. X1v: »Nun nimme des ersten herfür/ das erst wort das da haisset/ Sich/ oder/ mich/ vnd lůge was das sey. Vnd da ist zuwissen/ das ain yegklicher mensch hat fünfferlay/ sich/ Das ain/ sich/ ist jm gemaine mit dem stain. vnd das ist wesen. Das ander mit dem kraut/ vnd das ist wachßen. Das drit mit den thieren/ vnd das ist empfinden. Das vierdt mit allen menschen/ das ist das er ain gemaine menschliche natur an jm hat/ in dem die andern all ains seind. Das fünfft das jm aigenlichen zů gehoͤrt/ das ist sein personlicher mensch/ nach dem adel/ vnd nach dem zůvall.« (Vgl. mit Abwandlungen Seuse, Deutsche Schriften, 334,29–335,3).
218Der Sündenfall; vgl. 1. Mose 3.
220gebricht.
221Vgl. Hebr 11,3.6 und das übrige Kapitel.
222Vgl. dazu Seuse, Buch (1512), Fol. X1v: »Das fünfft das jm aigenlichen zů gehoͤrt/ das ist sein personlicher mensch/ nach dem adel/ vnd nach dem zůvall.« (siehe oben KGK 241 (Anmerkung)). »Adel« meint die göttliche Erhabenheit des menschlichen Geistes (vgl. FWB s.v. Adel Nr. 4), »zůvall« sind die der Akzidentienlehre folgenden stofflichen Unterscheidungen (DWb 32, 342f. s.v. Zufall Nr. 3a).
224ihn.
225verzichten. Vgl. DWb 25, 2614f. s.v. verziehen Nr. I.1.
226Vgl. Mt 6,27 Vg »quis autem vestrum cogitans potest adicere ad staturam suam cubitum unum.«
227Getreide. Vgl. DWb 21, 1170 s.v. traid.
228in Sorge, sorgenvoll, bekümmert. Vgl. DWb 16, 1792–1795 s.v. sorgfältig Nr. 1.
229Überfluss, Fülle. Vgl. DWb 26, 665 s.v. Vollheit.
233Zum ganzen Abschnitt vgl. Mt 6,28–34; zum letzten auch Mt 6,30; 8,26.
234Vgl. Mt 16,8 Vg »[…] quid cogitatis inter vos modicae fidei quia panes non habetis.«
235Ungelassenheit. Nach Tauler, Sermones (1508), fol. 25v. Vgl. DWb 24, 731 s.v. Ungelasz.
236Der Unglaube gebiert die Ungelassenheit irdischer Nahrung; etwa: Der Unglaube befördert die Abhängigkeit von irdischen Gütern.
237in Sorge, sorgenvoll, bekümmert; siehe oben KGK 241 (Anmerkung).
239auf das minst = wenigstens.
240vernachlässigt. Vgl. DWb 25, 1045 s.v. versäumen Nr. 1.
241Nebenform von ja. Vgl. DWb 10, 2273f. s.v. je.
244sündigen.
245sich befürchten, besorgen. Vgl. DWb 1, 1246f. s.v. befahren Nr. 1.
246Vgl. Mt 6,24 Vg »nemo potest duobus dominis servire aut enim unum odio habebit et alterum diliget aut unum sustinebit et alterum contemnet non potestis Deo servire et mamonae.«
249Vgl. Mt 10,28 Vg »et nolite timere eos qui occidunt corpus.«
250Vgl. Mt 6,24 Vg »[…] aut unum sustinebit et alterum contemnet […].« Vgl. auch Lk 16,13 Vg »uni adherebit et alterum contemnet.«
251Vgl. Ps 122(123),2 Vg LXX: »ecce sicut oculi servorum in manibus dominorum suorum sicut oculi ancillae in manibus dominae eius ita oculi nostri ad Dominum Deum nostrum […].«
252Vgl. Mt 6,33 Vg »quaerite autem primum regnum et iustitiam eius et omnia haec adicientur vobis«.
253nicht wankelnden, unerschütterten, mutigen, zuverlässigen. Vgl. DWb 27, 1815–1817 s.v. wankeln.
254rein.
255geeignet. Siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
256Vgl. Lk 9,62 Vg »ait ad illum Iesus nemo mittens manum suam in aratrum et aspiciens retro aptus est regno Dei.«
257Zur »Schule Christi« als Weg zum Reich Gottes siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
259schaden. Siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
260ergänze: zwar.
261Dach.
262Vgl. Lk 17,30f. Vg »secundum haec erit qua die filius hominis revelabitur in illa hora qui fuerit in tecto et vasa eius in domo ne descendat tollere illa et qui in agro similiter non redeat retro.«
263Einblick gewähren, eine unvermittelte Erkenntnis schenken. Vgl. FWB 5.2, 2299 s.v. einblicken; mit Verweis auf die mystische Konnotation.
264Vgl. Lk 17,32 mit Referenz auf 1. Mose 19,26 Vg »respiciensque uxor eius post se versa est in statuam salis.«
265Vermutlich substantivisch verwendet: Einnahmen im Sinne von Besitz, Erbe. Vgl. DWb 7, 866f. s.v. einnehmen Nr. 1, 2c; FWB 5.2, 2434 s.v. einnemen. Auf Grund der Verteilung der Virgel in Variante B haben wir diese Lesart vorgezogen. Eine andere bedarf einer Konjektur, die eine Fehllesung des Setzers zugrunde legt. Demnach müsste es heißen: »nach iren gůtern/ eigenen/ oder frembden gesehen hatt.«
266Die Lesart ist sehr unsicher; s.o. KGK 241 (Anmerkung).
268zänkische Frau. Vgl. ElsWB 1, 743.
270gefährlich.
271aufspringen im Sinne von: zur Ehre erheben. Vgl. DWb 1, 743 s.v. aufspringen Nr. 2. Der Satz bedeutet dann: Viele, die sich Gott zur Ehre mit ihren materiellen Gütern erheben, werden verdorben und verlieren ihr (geistliches) Leben.
272Scheunen.
274Sorge haben. Siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
275ungetröstet lassen. Vgl. DWb 3, 640 s.v. enttrösten.
276Vgl. Jes 2,7 Vg »repleta est terra argento et auro et non est finis thesaurorum eius.«
278vorschütten, einschütten.
283Vgl. Jer 7,4 Vg »nolite confidere in verbis mendacii dicentes templum Domini templum Domini templum Domini est«.
284Gemeint ist die Bundeslade (lat. arca). Vgl. Jer 3,16 Vg »cumque multiplicati fueritis et creveritis in terra in diebus illis ait Dominus non dicent ultra arca testamenti Domini neque ascendet super cor neque recordabuntur illius nec visitabitur nec fiet ultra.«
285Vgl. Ps 70(71),15f. Vg LXX »os meum adnuntiabit iustitiam tuam tota die salutem tuam quoniam non cognovi litteraturam introibo in potentiam Domini Domine memorabor iustitiae tuae solius.«
286ihm.
287ihm.
288belegen.
289es fügt sich nicht, es passt nicht. Vgl. DWb 12, 666 s.v. leiden Nr. III.4.
290Vgl. hierzu Theologia Deutsch (Franckforter), 80,25–33; 39,14–18.
291Ankündigung einer Schrift »Von der Schule Gottes«. Es ist nicht bekannt, ob sie geschrieben wurde. Vgl. Fauth, Lernen, 483. Zur Schule Gottes bei Karlstadt s. die Predigt am Michaelistag (KGK V, Nr. 232, S. 321, Z. 6–322, Z. 12), KGK 239 (Textstelle) und seine Randbemerkungen zu Tauler (Tauler, Sermones (1508), fol. 174rb). Vgl. hierzu Zorzin, Flugschriftenautor, 230 Nr. 20; Fauth, Müntzer, 67 mit Anm. 97; 85 mit Anm. 254; Fauth, Lernen, 481–484; 489f.; Hamm, Spengler, 157 Anm. 173.
292Schaden.
294angehender Student, roher Jüngling. Vgl. DWb 1, 1060 s.v. Bachant.
295Pfuscher, Lärmender. Vgl. DWb 14, 1497 s.v. Rumpler.
296gepoltert, gerumpelt. Vgl. DWb 2 5, 574 s.v. bollen.
299Wo.
301Zum Seelengrund bzw. Abgrund bei Tauler vgl. KGK 241 (Anmerkung) sowie Tauler, Predigten (Vetter) (Vetter), 201,1–7: »Dise wore verkleinunge die versinkt in das goͤtlich innerlich abgrúnde. […] und do flússet das ein abgrúnde in das ander abgrúnde und wirt do ein einig ein, ein nicht in das ander nicht.« Tauler spricht vom inwendigen Auge; vgl. Tauler, Predigten (Vetter) (Vetter), 195,16; 20 u.ö.
302etwas. Vgl. DWb 10, 2033–2035 s.v. Icht.
303Auftrag (Gottes).
304sich.
305irreversibel, nicht wiederholbar. Vgl. DWb 29, 1130 s.v. wiedernehmen. Zum Verwendungszusammenhang siehe unten KGK 241 (Anmerkung). Vgl. auch Seuse, Deutsche Schriften, 162: »dar umbe hat ein ieklicher mensch […] sich selber ze lassen und wider ze nemen, in dem er tugend und gebresten mage üben.« Dann würde es hier bedeuten: ohne die Möglichkeit, das Ich wieder anzunehmen.
306entfliehen, entkommen. Vgl. DWb 3, 654f. s.v. entwerden. Siehe unten KGK 241 (Anmerkung). Vgl. auch Tauler, Predigten (Vetter) (Vetter), 295,21f.: »[…] das geschicht wanne wir von aller unserheit entwerden […].«; sowie Tauler, Predigten (Vetter), 68,36; 175,27; 257,28; 314,20 u. 26.
307Die gesamte Argumentation, dass sich der Gläubige seines »Sich«»unwidernehmlich entwerden« müsse, um den Zustand einer »Christförmigkeit« zu erlangen, geht zurück auf Seuse, Buch (1512), fol. X1v–X2r: »Also das er mitt reichem vermügen sich weislosigklich vergang/ vnnd im selb unwidernemlich entwerd/ und mitt christo in ainigkait ains werde/ das er auß disem/ nach ainem in jhenem alle zeit würck/ alle ding empfach und in diser ainfeltikait alle ding ansehe und diß gelassen .sich. wirt ain cristfoͤrmig .ich. von dem die gschrifft sagt .von Paulo der da spricht. Ich leb nit mer ich/ christus lebt in mir/ vnd das haiß ich ain wolgewegen sich.« (Vgl. Seuse, Deutsche Schriften, 335,22–27). Zur mystischen Terminologie s. Völker, Gelassenheit, 286. Die Wortbildung ist auch bei Luther zu finden, allerdings in völlig anderer Bedeutung. Luther, Sieben Bußpsalmen: »Das ist nu ein christformig wahrhafftig mensche, der innewendig voll untrosts und betrubte geistes ist […].« (WA 1, 216,28f.). S. auch Seuse, Deutsche Schriften, 134,5.
308Hinweis auf die unio voluntatis zwischen Gott und Mensch; vgl. Theologia Deutsch (Franckforter), 109. S. auch KGK 239 (Textstelle).
311Zur Lesart »betzebt« in Textvariante B: inne werden, verspüren, fühlen, erfahren; wie »beseben«. Vgl. Lexer, Handwörterbuch 1, 211 s.v. beseben; FWB 3, 1803 s.v. beseben.
312Gal 2,20 Vg »vivo autem iam non ego vivit vero in me Christus […].«
313lästig sein, verdrießen. Vgl. DWb 1, 1756 s.v. beviehen.
315verstehen. Vgl. DWb 1, 80 s.v. abnehmen.
316Mt 6,10 Vg »veniat regnum tuum fiat voluntas tua sicut in caelo et in terra.«Karlstadt nimmt hier eine Frage Schencks aus dem Widmungsbrief auf (KGK 241 (Textstelle)).
317rein.
318hier wohl das Schlechte. Vgl. DWb 24, 731 s.v. ungelasz.
319Vgl. Joh 14,6 Vg »dicit ei Iesus ego sum via et veritas et vita nemo venit ad Patrem nisi per me.«
321bewahrt, behütet, erhält. Vgl. DWb 25, 593f. s.v. behüten Nr. 1.
322Vgl. Joh 12,24f.Karlstadt verwendet im Folgenden wiederholt und ausführlich das Gleichnis vom in der Erde ersterbenden Korn, um seine Vorstellungen von der Gelassenheit der Seele im Sinne einer Aufgabe des Selbst auszuformulieren. Zur Anwendung dieses Gleichnisses vgl. den Brief an Thomas Müntzer vom 21.12.1522 (KGK V, Nr. 237, S. 381 u. 383, Z. 4–7). S. auch KGK V, Nr. 232, S. 317, Z. 12–S. 318, Z. 11.
323wie, gleichsam. Vgl. DWb 14, 1725–1728 s.v. sam.
324Vgl. Joh 12,24f. Diese Stelle ist auch in Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes (KGK 239 (Textstelle), KGK 239 (Textstelle)) zentral.
326redegewandt, freundlich, leutselig. Vgl. DWb 5, 4164 s.v. Gespräche.
327Vgl. Mt 7,19 Vg »omnis arbor quae non facit fructum bonum exciditur et in ignem mittitur.«
328Vgl. Joh 12,25 Vg »ipsum solum manet si autem mortuum fuerit multum fructum adfert qui amat animam suam perdet eam et qui odit animam suam in hoc mundo in vitam aeternam custodit eam.«
329Karlstadt stellt aktives und passives Handeln des Menschen gegeneinander; eine (mönchische) vita contemplativa widerspricht seiner Vorstellung. Vgl. auch Looß, Bild.
331ohne Erwartung eines Lohnes. Vgl. hierzu Theologia Deutsch (Franckforter), 125,20–22: »Die handeln disse dinge nicht ummb lone, wan sie wollen ubirkommen da mit, ader das yn nichts dar ummb werde, sundern sie thun von libe, was sie dißes thun.« Ähnlich Theologia Deutsch (Franckforter), 124,29f.
332quälen.
333Kritik an der Askese als veräußerlichter Frömmigkeit.
335verweht.
338Zur religiös-allegorischen Bedeutung des bitteren Salzes im Sinne des Kreuzes, der brennenden Angst etc. vgl. DWb 14, 1708 Salz Nr. 4e.
339entwerden; siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
343Erneute Anrede an Jörg Schenck.
344strittig. Vgl. DWb 16, 1884f. s.v. spänig.
345Vgl. Joh 3,6 Vg »quod natum est ex carne caro est […].«
346Vgl. Joh 3,3 Vg »respondit Iesus et dixit ei amen amen dico tibi nisi quis natus fuerit denuo non potest videre regnum Dei« und Joh 3,31 Vg »qui desursum venit supra omnes est qui est de terra de terra est et de terra loquitur qui de caelo venit supra omnes est.«
347Zum Ungehorsam des alten Lebens ähnlich KGK 239 (Textstelle).
348knurren, knarren. Vgl. DWb 11, 2815–2817.
349zuwider. Vgl. RhWB 9, 841.
350Vgl. Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes: »Disse vereynung oder anhencklikeit an got geschicht in dem, das du gotis stym gehorsam bist.« (KGK 239 (Textstelle)).
351wie unwiedernehmlich, siehe oben KGK 241 (Anmerkung).
353geistlich fürsorgen. Vgl. DWb 25, 2076f. s.v. verwahren Nr. 3a.
354zieht.
355protzet, schmollt. Vgl. DWb 2, 407 s.v. brotzen.
357Vgl. Jes 5,1–4; 8,13.62 passim.
358ihm; hier aber eher: für sich.
359Vgl. hierzu die 3. These der 10 Conclusiones de iubileo et anno remissionis (KGK V, Nr. 214, S. 74, Z. 4f.).
360verzichten, versagen, aufgeben, ablassen. Vgl. DWb 25, 2515–2522 s.v. verzeihen Nr. B.
362ihn.
364Vgl. Joh 12,25; deutlicher in der Wortwahl Lk 17,33.
365Selbstgefallen, Ichhaftigkeit; siehe oben KGK 241 (Anmerkung).
366Vgl. Jes 13,11f. Vg »et visitabo super orbis mala et contra impios iniquitatem eorum et quiescere faciam superbiam infidelium et arrogantiam fortium humiliabo pretiosior erit vir auro et homo mundo obrizo.« (Gottes Zorn richtet sich gegen Hochmut, Anmaßung, Selbstüberschätzung und Unrecht).
367verzichten; siehe oben KGK 241 (Anmerkung). Ähnlich Tauler, Predigten (Vetter) (Vetter), 46,17–19: »Kinder, in diser wisen gat man in Got, daz man sich sin selbes verzihe gantz in allen wisen, in allem habende.«; Tauler, Predigten (Vetter) (Vetter), 145,30f.: »Alsus můs der mensche sin selbes verzihen in allem enthalten, das in des woren fúrganges hindert.«; Theologia Deutsch (Franckforter), 96,8–10: »Er spricht: Wiltu noch mir kommen, ßo vorczuch dyn selb und volge mir nach; und wer nicht seyn selbs und alle vorczücht und leßet und vorlüßet, der ist meyn nicht wirdig […].«; s. auch KGK 241 (Anmerkung) und KGK 241 (Anmerkung).
368Vgl. 5. Mose 15,19 Vg »de primogenitis quae nascuntur in armentis et ovibus tuis quicquid sexus est masculini sanctificabis Domino Deo tuo non operaberis in primogenito bovis et non tondebis primogenita ovium.«
370Vgl. Joh 5,44 Vg »quomodo potestis vos credere qui gloriam ab invicem accipitis et gloriam quae a solo est Deo non quaeritis.«
371Vgl. Joh 5,42 Vg »sed cognovi vos quia dilectionem Dei non habetis in vobis.«
372zittern, beben. Siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
373Unklar. Es könnte »Mulde« gemeint sein, hier zu verstehen als Vertiefung (im Wasser), Wanne, Trog, Vertiefung. Vgl. DWb 12, 2652 s.v. Mulde Nr. 1; FWB 9.2, 2917–2919 s.v. mulde, multer.
374Schwall der Flut. Vgl. DWb 2, 511f. s.v. Bulge Nr. 1.
375Welle, Woge (von lat. unda). Vgl. DWb 24, 433 s.v. unde.
376prüfe.
377schau. Vgl. DWb 12, 1270–1272 s.v. lugen.
378Flicken auf einem Schuh. Vgl. DWb 15, 1857 s.v. Schuhfleck.
379scheinbarer.
380Wahrscheinlich ist der Klerus gemeint.
381Prüfe.
382Noch im Oktober 1521 hatte Karlstadt die Promotionsgebühren und die Ausrichung der Festessen anläßlich der Promotion bestätigt; vgl. KGK IV, Nr. 199, S. 441; Liber Decanorum (Faks.), fol. 32v.
383Karlstadt hatte bereits im Oktober 1521 die Doktoreide abgelehnt. Vgl. KGK IV, Nr. 199, S. 441; Liber Decanorum (Faks.), fol. 32v. Am 3. Februar 1523 gab er bekannt, keine weiteren Promotionen mehr vornehmen zu wollen: »sis tum palam testabatur post hoc se ne ullum, in quemvis gradum subverturum.« (KGK V, Nr. 234, S. 369, Z. 17f. u. S. 365 mit Anm. 14); Liber Decanorum (Faks.), fol. 34v). Karlstadt begründete diesen Schritt in Berufung auf Mt 23,8. Vgl. hierzu auch KGK 239 (Textstelle) mit KGK 239 (Anmerkung).
384Würde, Ehre. Vgl. FWB 9.2, 3368 s.v. name Nr. 5.
385Vgl. Joh 5,44 Vg »quomodo potestis vos credere qui gloriam ab invicem accipitis et gloriam quae a solo est Deo non quaeritis.«
386welcher (auch immer), welche Art (auch immer), wie beschaffen (auch immer). Vgl. DWb 27, 2289–2291 s.v. waserlei.
388Gott urteilt mit Schärfe. Zur Schärfe des Gotteswortes vgl. Hebr 4,12.
389Vgl. Ps 142(143),2 Vg LXX »et non intres in iudicio cum servo tuo quia non iustificabitur in conspectu tuo omnis vivens.«
390ihn.
391Ob es reizt (kitzelt), für das eigene Werk gelobt zu werden. Einen Wurm im Kopf zu haben meint, eitel einer falschen Idee zu folgen. Vgl. Wander, Sprichwörter-Lexikon 5, 463f. s.v. Wurm Nr. 33, 47, 53–55.
392sintemal, weil.
393Vermutlich ist das Einbeißen von Blutegeln gemeint. Vgl. DWb 3, 148 s.v. einbeiszen Nr. 4.
396Übel; siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
397etwas; siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
400dämpfen, ersticken. Vgl. Lexer, Handwörterbuch 3, 92 s.v. verdempfen.
402Siehe o. KGK 241 (Anmerkung) mit Nachweisen aus der Theologia Deutsch.
403Vgl. Lk 14,26 Vg »si quis venit ad me et non odit patrem suum et matrem et uxorem et filios et fratres et sorores adhuc autem et animam suam non potest esse meus discipulus.«
404Vgl. Lk 14,33 Vg »sic ergo omnis ex vobis qui non renuntiat omnibus quae possidet non potest meus esse discipulus.«
405Liebe zu Gott als höchstem Gut um des Guten willen. Vgl. Theologia Deutsch (Franckforter), 68,7f.; 81,1–17; 89,4.
406Aufrichtigkeit, Gelübde, Versprechen, Eid, sittliches Pflichtverhältnis, Gehorsam. Vgl. Lexer, Handwörterbuch 2, 1520 s.v. triuwe; DWb, 22, 287f.; 290–296 s.v. Treue Nr. I.3; III.A.1–4.
407Es ist nicht eindeutig, welche Schrift Karlstadt hier ankündigt. Angesichts der umrissenen Thematik könnte es sich um Ob man gemach fahren soll (KGK VII), verfasst wohl im Frühjahr 1524, gedruckt im Oktober des Jahres, oder um Was Bann und Acht sei (KGK VII), gedruckt im Januar 1524, handeln. Karlstadt konstatiert dort den Vorrang der Gebote Gottes vor der christlichen Nächstenliebe. Die thematisch verwandte Predigt, auf der die im Oktober 1524 gedruckte Schrift Von den zwei höchsten Geboten der Liebe (KGK 247) beruhte, hielt er am 4. Oktober 1523 in Orlamünde.
408Unklar. Möglicherweise »etwa«. Vgl. DWb 27,4 s.v. wa. Oder aber synonym mit »wo« in der Bedeutung von »wer«, »der«, »wo er«, »wenn er«, »wo immer« o. ä. Vgl. Schweizerisches Idiotikon 15, 1–26.
409Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes (KGK 239), gedruckt im März 1523 durch Arnd von Aich in Köln (Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 102; Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 53).
410ihn.
411Hinweis auf Tugend Gelassenheit vom Oktober 1520 (KGK III, Nr. 166). Ausweislich der Ansprache Karlstadts hatte Schenck die Schrift gekannt und inhaltliche Fragen gestellt.
412unrichtig, falsch; siehe oben KGK 241 (Anmerkung).
413wo.
414Ichheit; siehe oben KGK 241 (Anmerkung).
415Im Folgenden sind Entfaltungen des Ersten Gebots tabellarisch herausgehoben. Das Gebot des einzigen Gottes Jahwe samt Fremdgötterverbot und Bilderverbot wendet Karlstadt in eine Aufforderung zum Gehorsam und zur Liebe allein zu Gott auf der Grundlage der Gelassenheitskonzeption.
416von Würmern zerfressen. Vgl. DWb 30, 2257 s.v. wurmäszig.
418lehre.
419Vgl. Eph 2,10 Vg »ipsius enim sumus factura creati in Christo Iesu in operibus bonis quae praeparavit deus ut in illis ambulemus.«
420rechtlich einklagbarer Anspruch. Vgl. DWb 32, 839f. s.v. Zuspruch.
421Der Bezug ist nicht klar, ggf. Jes 45,9f.
422Vgl. Jes 29,16 Vg »[…] et dicat opus factori suo non fecisti me et figmentum dicat fictori suo non intellegis.«
424Vgl. Eph 2,10 Vg »ipsius enim sumus factura creati in Christo Iesu in operibus bonis quae praeparavit Deus ut in illis ambulemus.«
425Zuständigkeit, Gebührlichkeit, Angemessenheit, Rechtsanspruch. Vgl. DWb 8, 103–109 s.v. Glimpf.
428Vgl. Jes 10,5 Vg »vae Assur virga furoris mei et baculus ipse in manu eorum indignatio mea.«
429gezüchtigt. Vgl. DWb 17, 1202–1208 s.v. stäupen.
430ja.
431Vgl. Jes 10,13 Vg »dixit enim in fortitudine manus meae feci et in sapientia mea intellexi et abstuli terminos populorum et principes eorum depraedatus sum et detraxi quasi potens in sublime residentes.«
432gleichwie, als.
435ja.
437Vorsorge, vorausbedenkende Einsicht. Vgl. DWb 4, 823f. s.v. Fürsichtigkeit Nr. 1–3.
438ihm, hier besser: sich.
440kaum, wenig. Vgl. DWb 12, 2222–2228 s.v. minder.
441Vgl. Jes 10,15 Vg »numquid gloriabitur securis contra eum qui secat in ea aut exaltabitur serra contra eum a quo trahitur quomodo si elevetur virga contra levantem se et exaltetur baculus qui utique lignum est.«
442Karlstadt bezieht den Begriff auf den Handwerkertätigkeiten ausübenden Menschen, alludiert damit aber – absichtlich und ironisch oder nicht, ist unklar – die aristotelisch geprägte Gottesbegrifflichkeit des Thomas von Aquin, der in Gott den unbewegten Beweger und die Wirkursache des Seins sah (Thomas, S.c.g. II c. 16 n. 3f.).
443ja.
444Vgl. Mt 12,30 Vg »qui non est mecum contra me est«; Lk 11,23 Vg »qui non est mecum adversum me est […].«
445Ichheit; siehe o. KGK 241 (Anmerkung).
446Weihwasser.
447Zum Hochmut als Ausgangspunkt aller Sünden vgl. Bern. SC 17,6 (SBO 1, 101,15–23).
449gesündigt.
450geteilt.
451ersonnen.
452Vgl. Jes 10,13f. Vg »[…] dixit enim in fortitudine manus meae feci et in sapientia mea intellexi et abstuli terminos populorum et principes eorum depraedatus sum et detraxi quasi potens in sublime residentes et invenit quasi nidum manus mea fortitudinem populorum et sicut colliguntur ova quae derelicta sunt sic universam terram ego congregavi et non fuit qui moveret pinnam et aperiret os et ganniret.«
456wohl stündlich.
457Vgl. Jes 14,11 Vg »detracta est ad inferos superbia tua concidit cadaver tuum subter te sternetur tinea et operimentum tuum erunt vermes.«
458Vgl. Lk 9,23 Vg »dicebat autem ad omnes si quis vult post me venire abneget se ipsum et tollat crucem suam cotidie et sequatur me.«
460Hasse, Tauler, 178 Anm. 13 u. 181f. vermutet hier das ursprüngliche Ende der Schrift.
461Der Geist der Ruhe. Vgl. den gesamten 2. Abschnitt in Von dem Sabbat (ed. KGK VII, Nr. 252; bisher Karlstadt, Schriften (Hertzsch) 1, 23,15–24,40).
462ergreift.
463Der scheinbare Widerspruch dieser dialektischen Stelle löst sich sogleich auf: Karlstadt spricht von der göttlichen Ungelassenheit; d.h. Gott verlässt nicht mehr die gelassene Seele, die sich aller Liebe zum Kreatürlichem verwehrt.
464Vgl. Von dem Sabbat: »Nu muß dieße tzeytliche arbeyt vergehn/ und angst und forcht auffhoͤren/ und gelassenheyt in ungelassenheyt kommen […].« (ed. KGK VII, Nr. 252; bisher Karlstadt, Schriften (Hertzsch) 1, 43,20f.).
465Vgl. Mt 6,13 Vg »et ne inducas nos in temptationem […].« Dies war die zweite Anfrage Jörg Schencks; siehe o. KGK 241 (Textstelle).
466Vgl. Joh 17,15 Vg »non rogo ut tollas eos de mundo sed ut serves eos ex malo.«
467Karlstadt kündigt hier eine neue Schrift an, die sich mit der Bewahrung des Gläubigen vor falschem Urteil bzw. falscher Entscheidung und der daraus folgenden Verkehrung der göttlichen Segnungen in ihr Gegenteil befasst. Es könnte sich um den im Januar 1524 veröffentlichten Traktat Ob Gott Ursache sei des teuflischen Falls (ediert in KGK VII) handeln. Dort heißt es, dass der verkehrte (pervertierte) Wille und Sinn des Menschen die Ursache seiner Verdammnis sind. Aber auch in der im November 1524 veröffentlichten Predigt Von Engeln und Teufeln (KGK 246 (Textstelle)) warnt Karlstadt die Hörer vor der Teufelsfurcht als »verkehrten sinn und willen«, der Gottes Wort entgegenstehe. Beide Zusammenhänge bleiben aber nur Vermutung. Augenscheinlich hat eine weitere Anfrage Jörg Schencks die Abfassung der etwaigen Schrift angeregt. Ob Gott Ursache sei des teuflischen Falls basiert auf einer noch in Wittenberg gehaltenen Disputation.
468sei. Zum mhd. Imperativ der 2. Person Singular von sein vgl. Paul, Mittelhochdeutsche Grammatik, 279 § M107.

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