Nr. 247
Von den zwei höchsten Geboten der Liebe Gottes und des Nächsten
, [1523, [4. Oktober] ][1524, [Anfang November]]

Einleitung
Bearbeitet von Stefanie Fraedrich-NowagStefania Salvadori

1. Überlieferung

Frühdruck:

[A:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
Von den ʒweyen hoͤchſten ∥ gebotten der lieb Gottes/ ∥ vnd des nechſten. ∥ Mathei.22. ∥ wie die rechte lieb ʒů dem ∥ nechſten nicht menſchlich/ ſonder ∥ goͤtlich ſein/ vnd auß Gottes ∥ willen flieſſen. ∥ Andꝛeas Botenſtein von ∥ Carolſtadt. ∥ [Am Ende:] Gepꝛedigt ʒů Oꝛlamuͤnde. Anno. in dem. xxiij ∥ Gedꝛuckt ʒů Straßburg Jm ∥ M. D. xxiiij. ∥
Straßburg: [Johann Prüß d.J.], 1524.
4°, 16 Bl., a4–d4 (letzte Seite leer).
Editionsvorlage:
BSB München, 4° Mor. 91.
Weitere Exemplare: SUB Göttingen, 8 H E EECL 378/5:2 (21) RARA. — SB-PK Berlin, Cu 1331 R. — UB München, 4 Theol 5463 2:18.
Bibliographische Nachweise:

Editionen:

Literatur:

2. Entstehung und Inhalt

Bei der hier edierten Schrift handelt es sich ursprünglich um eine Predigt über das Doppelgebot der Liebe (Mt 22,37–40), die Karlstadt vermutlich am 4. Oktober 1523 in Orlamünde gehalten hat,1 jedoch erst im Folgejahr zum Druck brachte. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde der Text zu diesem Zweck von Karlstadt noch einmal bearbeitet.2 Die zeitliche Einordnung innerhalb der Edition erfolgt dennoch gemäß dem Tag der Predigt, die das Kriterium der Öffentlichkeitswirksamkeit des Textes bildet.

Dem Druck vorangestellt ist eine auf den 1. März 1524 datierte Widmungsvorrede an Dietrich von Bil in Joachimsthal, gedruckt wurde die Schrift jedoch wahrscheinlich erst Ende Oktober/Anfang November 1524, als sich Karlstadt kurze Zeit in Straßburg aufhielt und einige Schriften bei Johann Prüß zum Druck hinterließ.3 Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass er die Predigt bereits im Frühjahr handschriftlich an Bil übersandte;4 warum es dann zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu einer Drucklegung kam, ist unsicher.5 Bil gehörte vermutlich zu Karlstadts Bekannten- und Freundeskreis in Joachimsthal, zu dem er bereits seit 1520 enge Kontakte unterhielt und dem er zahlreiche Schriften gewidmet hatte.6 Wie der wahrscheinlich nur eine Woche früher gehaltene und zeitgleich zum Druck gebrachte Sermon Von Engeln und Teufeln (KGK 246) ist auch die vorliegende Predigt im Zusammenhang mit der zwischen Herbst 1523 und Frühjahr 1524 abgeschlossenen theologischen Entwicklung Karlstadts und seinem neuen Verständnis des Christen – und sich selbst – als Laien zu sehen.7 Passend zu seiner Grundüberzeugung, dass jeder wahre Christ die Heilige Schrift lesen und verstehen und folglich seinen Nächsten unterrichten kann, fordert Karlstadt Bil in seiner Widmungsvorrede auf, ihm etwaige Mängel anzuzeigen.8 Gleichzeitig kündigt er die Übersendung einer Schrift über die »götzische, brüderliche Liebe« an.9

Zugleich bietet die vorliegende Predigt zusammen mit dem Sermon Von Engeln und Teufeln den einzigen greifbaren Hinweis auf die Predigttätigkeit Karlstadts in Orlamünde und den möglichen Beginn seiner Reformtätigkeit ebendort.10 Anhand dieser Predigten machte Karlstadt die Orlamünder Gemeinde mit seinen theologischen Grundgedanken vertraut. Inhaltlich nimmt er von der Theologia Deutsch und den Predigten Johannes Taulers beeinflusste mystische Ideen und Gedanken auf, die er bereits seit 1519/20 in seinen Schriften immer wieder formuliert11 und in den im Frühjahr 1523 erschienenen Schriften Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes (KGK 239) und Was gesagt ist: Sich gelassen (KGK 241) für einen anderen Adressatenkreis – die mit der Reformation sympathisierenden Laien – erneut dargestellt hatte.12 Wie in den beiden erwähnten Schriften verbindet Karlstadt in Von den zwei höchsten Geboten der Liebe die Idee von der Offenbarung Gottes im Seelengrund mit seiner Gelassenheitstheologie. Im Vordergrund steht dabei die bereits in Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes thematisierte Frage, wie der Mensch zur vollen Erkenntnis und zur vollkommenen Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen gelangen könne. Anders als dort stellt Karlstadt ausgehend von der Frage nach der rechten Nächstenliebe jedoch heraus, dass der Christ gottgefällige Werke vollbringen könne, auch wenn er immer wieder sündigt, denn Gott wirkt im Menschen, auch wenn die absolute Vollkommenheit im irdischen Leben nicht erreicht werden kann. Voraussetzung für den Empfang der vollkommenen Erkenntnis und der Verschmelzung mit Gott ist die in Was gesagt ist: Sich gelassen ausführlich definierte Gelassenheit, also die geistliche Beschneidung oder Befreiung des Herzens von allem Kreatürlichen.13

Ausgehend vom Evangelium (Mt 22,37–40) – dem Doppelgebot der Liebe – entfaltet Karlstadt in seiner Predigt in vier Schritten sein Verständnis vom Wesen der rechten Nächstenliebe als Ausfluss des göttlichen Willens.14 Als Ausgangspunkt dient ihm hierbei die Frage, welches »das erste Werk« (die größte Gabe) Gottes sei, das ein wahrer Knecht Gottes empfangen haben müsse und wie er es erlangen könne. Dieses höchste Werk, von Gott in den Grund der Seele gepflanzt, ist Inbegriff und Ausgangspunkt allen rechten Tuns gegenüber Gott.

In einem ersten Abschnitt (»Welches das hoͤchiste werck sey«) definiert Karlstadt dieses höchste Werk als »glaubreiche Liebe« bzw. »liebreichen Glauben«, in dem der Mensch Gott in Liebe erkennt.15 Gott ohne Glauben bzw. ohne die Erkenntnis Gottes zu lieben ist ebenso leer und tot wie Glaube und Erkenntnis ohne Liebe. Glaube und Liebe bilden gleichsam eine Symbiose, ohne die die vollkommene Erkenntnis Gottes und damit die vollkommene Vereinigung mit ihm nicht möglich ist, die wiederum als höchstes Werk Gottes zum ewigen Leben führt.16 Aus diesem höchsten Werk heraus ergibt sich die absolute bedingungslose Befolgung der göttlichen Gebote, durch die Liebe und Glaube als Inbegriff der göttlichen Erkenntnis nach außen wirken. Wer die göttlichen Gebote aus dieser Erkenntnis heraus hält, versteht Gott, ebenso derjenige, der Christus liebt und sein Wort bewahrt, denn durch Christus ist die göttliche Liebe offenbar geworden. Durch Glauben und Liebe wohnt Gott in den Herzen der Gläubigen, wer Christus nachfolgt, den liebt auch Gott, er wird also durch den Glauben an Christus der Liebe Gottes teilhaftig. Christus bildet so gleichsam die Wurzel des Glaubens.17

Vor diesem Hintergrund versteht Karlstadt auch die in Mt 22,37–40 postulierte »glaubreiche Liebe« bzw. »liebreichen Glauben« als vollkommene Gottesliebe. Hieraus leitet er einen Primat des Gebots der Gottesliebe gegenüber der Nächstenliebe ab, da – obwohl beide untrennbar zusammenhängen – letztere ein Ausfluss der Liebe zu Gott ist; ohne diese ist sie nicht möglich.18 Durch die rechte Nächstenliebe, die sich ausschließlich und bedingungslos nach den göttlichen Geboten, also dem Willen Gottes, richtet, wird das höchste Werk sichtbar. Ursprung der Nächstenliebe ist die Erkenntnis, dass Gott Liebe ist, die die Seele im tiefsten Inneren anrührt und die Gott durch die Menschwerdung Christi offenbar gemacht hat. Die Erkenntnis der unbedingten Liebe Gottes gegenüber seiner Schöpfung zieht zwangsläufig die Nächstenliebe nach sich (1. Joh 4).19

Die zwei nächsten kurzen Abschnitte widmen sich der Frage, was Gottes Liebe ist und wie er sie schafft. Die unbedingte Gottesliebe, die wiederum die Nächstenliebe nach sich zieht, definiert Karlstadt als unbedingtes Verlangen (»Lust«) nach Gott.20 Dieses Verlangen ist Voraussetzung für die Willensvereinigung des Menschen mit Gott. Als kleines Fünkchen pflanzt Gott es ins Herz derjenigen, die bereit sind zu glauben und lässt es durch sein Wirken wachsen.

In einem letzten Abschnitt (»Wie der mensch můß bereydt sein zů entpfahen Gottes edel werck«) geht Karlstadt nochmals ausgehend von Mt 22,37 bzw. 5. Mose 6,5 auf die Voraussetzungen ein, die zum Empfang der göttlichen Erkenntnis notwendig sind. Er knüpft dabei an die mystischen Vorstellungen von der Ganzheit der Seele bzw. des Herzens an, das sich mit ganzer Liebe auf den einen Gott ausrichtet; eine solche Ganzheit ist jedoch nur durch die vollkommene Abkehr von allem Kreatürlichen möglich, denn durch die Liebe zum Kreatürlichen wird die Ganzheit geteilt, der Seelengrund gleichsam verdeckt, so dass Gott sein höchstes Werk in der Seele nicht wirken kann.21 Um die vollkommene Erkenntnis, das höchste Werk, zu empfangen, muss daher das Herz zuvor beschnitten, d.h. von allem Kreatürlichen befreit werden.22 Dies ist jedoch im irdischen Dasein nicht möglich, da der postlapsarische Mensch aus sich selbst heraus die göttlichen Gebote nicht erfüllen und die endgültige Vereinigung von eigenem und göttlichem Willen nicht alleine erreichen kann.23

Dies ist jedoch kein Grund zur Verzweiflung, denn auch wenn die absolute Vollkommenheit im irdischen Leben unerreichbar bleibt, kann der Mensch Trost im Vertrauen auf den Beistand Christi finden, der es ihm möglich macht, das Böse zu bekämpfen und Gutes zu tun. Alle, die an Jesus Christus glauben, können Gottes Liebe, Glauben und Werk empfangen. Wie bereits in Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes bemüht Karlstadt hier das Bild von Christus als Weinstock, durch den die Reben, also die Gläubigen, das göttliche Wasser, den Geist Gottes, empfangen.24 Wenn der Mensch die Natur des Weinstocks an sich gebracht hat, also dem Vorbild Jesu Christi folgt, und einen ersten Widerwillen gegen alles Kreatürliche hegt, das ihn von Gott fern hält und sein Herz verstopft, ist er bereit, Gottes Gabe zu empfangen, die ihm Gott in dem Maße verleihen wird, in dem er sie zu empfangen bereit ist.25 In jedem Fall aber ist der Trost da, das Gott in uns wirkt, auch wenn die Seele nicht vollkommen beschnitten ist.26 Gott gibt denen, die an Christus glauben, kleine Teile seines göttlichen Funkens und lässt sie durch sein stetiges Wirken wachsen bis zum Erreichen der endgültigen Stufe der Gelassenheit, der Überwindung der postlapsarischen Existenz. Karlstadt zieht hier eine Analogie zur Schöpfungsgeschichte und unterstreicht damit noch einmal, dass die vollkommene Erkenntnis nicht durch den Menschen selbst erlangt werden kann, sondern von Gott im Menschen gewirkt wird. Zu Beginn ist das höchste Werk Gottes, der göttliche Funke der Erkenntnis, so klein und gering, dass viele Menschen Anteil an diesem höchsten Werk haben, es aber nicht verstehen. Täglich wächst es, wird größer und immer besser verstanden. Nach sechs Tagen, »die arbeytsam sein und grosse unruhe machen«, ist am siebten Tag schließlich die Arbeit vollendet und die vollkommene Verschmelzung mit Gott vollzogen.27

Schließlich kommt Karlstadt zurück zur Nächstenliebe, auf die er aufgrund ihrer Komplexität an dieser Stelle jedoch nur in ihren Grundlinien eingehen kann; eine nähere Beschäftigung soll aber noch folgen.28 Angelehnt an Mt 22,37–39 identifiziert Karlstadt die Gleichheit der Liebe zu Gott und der Liebe zu sich selbst als Voraussetzung für die rechte Nächstenliebe. Dem Widerspruch, dass die Eigenliebe grundsätzlich abzulehnen sei, Gott aber dennoch die Gleichheit von Selbstliebe und Nächstenliebe fordert,29 tritt Karlstadt mit der Barmherzigkeit Gottes entgegen. Durch seine Gebote und das Vorbild Christi hat Gott dem Menschen offenbart, wie er zum Guten gelangen und sich selbst und den Nächsten in rechter Weise lieben kann. Demnach soll der Mensch alle guten Gaben, die Gott an ihm gewirkt hat, mit aller Kraft einsetzen, um den Nächsten neidlos und uneigennützig zum Empfang der göttlichen Gaben zu befähigen und ihn in brüderlicher Gemeinschaft im Streben nach Gott zu unterstützen,30 dabei jedoch diejenigen meiden, die ihn von Gott fernhalten. Die Liebe zum Nächsten ist der Liebe zu sich selbst also insofern gleich, als dass sie dem gleichen unbedingten Verlangen nach Erfüllung des göttlichen Willens und der Vereinigung mit ihm entspringt wie auch die Liebe zu Gott. Da letztere jedoch die Voraussetzung für die beiden anderen ist, ist sie diesen – wie das erste Gebot – übergeordnet.

Die vorliegende Predigt erwuchs aus der Predigttätigkeit Karlstadts in Orlamünde und steht im Kontext seiner 1522/23 begonnenen laientheologischen Offensive und der gleichzeitigen Abkehr von der Wittenberger Universitätstheologie.31 Sie reiht sich nahtlos, in seine auf biblische Quellen gestützte, mystisch beeinflusste Gelassenheitstheologie ein. Anders als in den anderen Schriften dieser Zeit nähert sich Karlstadt hier aber der Frage nach der Rechtfertigung des postlapsarischen Menschen und dem damit verbundenen Erreichen der vollkommenen Einheit mit dem göttlichen Willen – der Gelassenheit – vom Wesen der rechten Nächstenliebe her. Hierbei stellt er nicht die Selbstverleugnung und das Absterben des eigenen Willens in den Mittelpunkt seiner Argumentation, sondern die Barmherzigkeit und Liebe Gottes, der durch den Glauben an Christus bereits im diesseitigen Menschen wirkt. Die Druckveröffentlichung der Predigt Von den zwei höchsten Geboten der Liebe ist dagegen der sich an das Jenaer Gespräch mit Luther anschließenden Publikationsoffensive Karlstadts ab Herbst 1524 zuzuordnen.32 In dieser Phase waren die Themen der Predigt bereits in den Hintergrund getreten, vielmehr stand für Karlstadt die Verdeutlichung seiner theologischen Positionen in Abgrenzung zu denjenigen Luthers im Vordergrund,33 vor allem hinsichtlich der Frage nach der Realpräsenz Christi im Abendmahl.34


1Diese Datierung ergibt sich aus der für den 18. Sonntag nach Trinitatis (= 4. Oktober 1523) vorgesehenen Perikope, Luther hielt an diesem Tag ebenfalls eine Predigt über Mt 22, 34–40; vgl. WA 11, 187–191. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass Karlstadt bereits im Frühjahr 1523 Überlegungen zu diesem Thema anstellte; vgl. Was gesagt ist: Sich gelassen, KGK 241 (Anmerkung).
2Die Datierung der Widmungsvorrede auf den 1. März 1523 legt nahe, dass die Bearbeitung bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen war.
3Hierbei handelt es sich um den Sermon Von Engeln und Teufeln (KGK 246) sowie die Schrift zu den Ursachen seiner Vertreibung aus Sachsen, die Philipp Eberbach (ebenfalls Joachimsthal) gewidmet war. Zu Karlstadts Aufenthalt in Straßburg siehe die Einleitung zu Ursachen seiner Vertreibung aus Sachsen (KGK VII).
4Vgl. Freys/Barge, Verzeichnis, 242 Nr. 121. Zorzin, Flugschriftenautor, 98 und 122 mit Anm. 62 nimmt, ausgehend von der Datierung der Widmungsvorrede, ein Erscheinungsdatum bis Mitte 1524 an.
5Anders als beim Sermon Von Engeln und Teufeln gibt es auch keinen Hinweis auf einen frühere, heute verschollenen »Urdruck« (hierzu vgl. die Einleitung zu KGK 246), auch wenn ein solcher natürlich nicht gänzlich auszuschließen ist. Zorzin, Flugschriftenautor, 9 und 122 mit Anm. 62 vermutet im vorliegenden Fall, dass Karlstadts Jenaer Drucker Michael Buchfürer »aufgrund einer Verwarnung seitens der Obrigkeit Ende März/Anfang April [1524] keine Publikationen von Karlstadt mehr drucken wollte und die Drucklegung der Schrift deshalb in Straßburg bei Johann Prüß erfolgt ist.«
6Vgl. KGK III, Nr. 162, 163 und 171; KGK IV, Nr. 190 sowie KGK V, Nr. 219 und 233; zu Karlstadts Beziehungen zu Joachimsthal siehe KGK III, Nr. 163, S. 262f. Anm. 45. Im September 1522 hielt er sich wohl kurzzeitig in Joachimsthal auf, wo er am Michaelistag predigte; vgl. KGK V, Nr. 232. Zorzin, Flugschriftenautor, 120f. sieht in Karlstadts Predigt dort u.a. den Versuch, auf der Suche nach einem neuen Betätigungsfeld außerhalb von Wittenberg dort eine Predigtstelle zu erlangen. Zum Zeitpunkt des Erscheinens der hier edierten Predigt im Oktober/November 1524 befand sich Karlstadt nach seiner Ausweisung aus Sachsen erneut auf der Suche nach einer Stelle und könnte versucht haben, durch die Widmungsvorrede an Dietrich von Bil seine Kontakte zu Joachimsthal in diesem Sinne wiederzubeleben.
7Vgl. die Einleitungen zu KGK 239 und KGK 241. Auf den Titelseiten dieser Schriften hatte sich Karlstadt erstmals als »neuer Laie« bezeichnet.
8Entsprechend hatte er sich bereits 1522 in der Widmungsvorrede zur Maleachi-Predigt geäußert (KGK V, Nr. 224, S. 215, Z. 17–20).
9Welche Schrift damit gemeint ist, ist unklar, es ist jedoch möglich, dass es sich um die im Oktober/November 1524 erschienene Schrift Ob man gemach fahren soll (vgl. die entsprechende Einleitung in KGK VII) handelt.
10Die Übersiedelung Karlstadts nach Orlamünde erfolgte sukzessive ab dem Sommer 1523, eine sichere Aussage über den Beginn seines Wirkens dort kann daher nicht getroffen werden; vgl. KGK 243. Zu seiner Reformtätigkeit in Orlamünde siehe Joestel, Ostthüringen, 83–103.
11Vgl. insbesondere Tugend Gelassenheit (KGK III, Nr. 166), Super coelibatu (KGK IV, Nr. 190), De legis litera (KGK IV, Nr. 197), Von Gelübden Unterrichtung (KGK IV, Nr. 203) sowie die Predigt am Michaelistag (KGK V, Nr. 232), Sermon vom Fegefeuer (KGK V, Nr. 233) und 34 Conclusiones de natura spirituali et corporali (KGK V, Nr. 235).
12Den Ausgangspunkt dieses Wandels bildet die von Karlstadt am 29. September (Michaelis) 1522 (KGK IV, Nr. 232) wahrscheinlich in Joachimsthal gehaltene Predigt, in der bereits sämtliche Grundgedanken enthalten sind, die in den Schriften 1523/24 ausführlich thematisiert werden; vgl. Hasse, Karlstadts Predigt, 106. Siehe auch Bubenheimer, Tauler, 23f. Zur Rezeption der Theologia Deutsch bei Karlstadt siehe die Einleitungen zu KGK 239 und KGK 241, zum Einfluss Taulers siehe Hasse, Tauler. Möglicherweise konnte Karlstadt bei den Orlamündern auf gewisse Grundkenntnisse der mystischen Ideen Taulers zurückgreifen. Thomas Müntzer hatte bspw. 1519 bei seinem Aufenthalt in Orlamünde mit der Pfarrköchin Tauler gelesen; vgl. Bubenheimer, Tauler, 24.
13Zur Beschneidung des Herzens bei Karlstadt vgl. De legis litera (KGK IV, Nr. 197, S. 405f.; 415–418); Von Gelübden Unterrichtung (KGK IV, Nr. 203, S. 539f.) sowie Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes (KGK 239 (Textstelle) und KGK 239 (Textstelle)). Nach der Beschneidung ist die Seele dann, wie bei Tauler, »ledig« und »bloß«.
14Diesen Bibelversen hatte sich Karlstadt bereits in Von Gelübden Unterrichtung vor dem Hintergrund der Frage gewidmet, wie Nächstenliebe denkbar sei, wenn durch die Beschneidung des Herzens sämtliche Neigungen zu den Kreaturen entfernt wurden; vgl. KGK IV, Nr. 203, 540f.
15KGK 247 (Textstelle). Daran anschließend in Was Bann und Acht sei: »Ey was kan den liebreichen glauben/ oder glaubreiche liebe/ schmertzlicher anfechten/ und bitterlicher mit lautterer wermůt trencken/ dann das sich die welt/ goͤtlicher gunst/ so schentlich vortzeyht/ und thut iren eygen nůtz vorachten?« (siehe KGK VII).
16Dieses Verständnis des ewigen Lebens, ausgehend von Joh 17,3, formuliert Karlstadt bereits im Sermon vom Fegefeuer (KGK V, Nr. 233, S. 348, Z. 2–4).
18Den Primat der Gottesliebe gegenüber der Nächstenliebe hatte Karlstadt bereits in Super coelibatu (KGK IV, Nr. 190, S. 223, Z. 21–S. 225, Z. 6) und noch ausführlicher in Von Gelübden Unterrichtung (KGK IV, Nr. 203, S. 541, Z. 17–S. 548, Z. 25 – dort mit Verweis auf Mt 22,37–39) thematisiert.
20KGK 247 (Textstelle). Zum Verlangen nach Gott siehe auch Sermon vom Fegefeuer (KGK V, Nr. 233, S. 256,7–14).
21KGK 247 (Textstelle). Siehe die Vorstellung der Theologia Deutsch zu Vollkommenheit, d.h. Ganzheit, und dem Geteilten als Ausdruck der postlapsarischen kreatürlichen Existenz in Kap. 1 »waz das wolkomen sey und die teyl« der Theologia Deutsch (Franckforter), 71f.
22Vgl. 5. Mose 30,6. Zur Beschneidung des Herzens siehe auch Von Gelübden Unterrichtung, KGK III, Nr. 203.
25Siehe auch Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes, KGK 239 (Textstelle).
28KGK 247 (Textstelle). Möglicherweise war die rechte Nächstenliebe in der Folgezeit Thema in den regelmäßig in der Orlamünder Gemeinde stattfindenden Collationes, in denen biblische Themen vertieft und gemeinsam diskutiert wurden, wie Karlstadt in seiner Schrift Was Bann und Acht sei berichtet: »Ich bin in einer collacion gůter bruͤder/ gefragt« (KGK VII). Damit knüpfte er an eine Praxis an, die er bereits in Wittenberg begonnen hatte; siehe die Einleitung zu KGK V, Nr. 224.
31Vgl. die Einleitungen zu KGK 239 und KGK 241.
32Ausgehend von der dort getroffenen Vereinbarung der beiden Reformatoren, sich zukünftig nur noch publizistisch auseinanderzusetzen, ließ Karlstadt im Oktober/November 1524 zahlreiche Schriften v.a. zum Abendmahlsverständnis in Basel und Straßburg zum Druck bringen. Hierzu siehe die Einleitung zu Ursachen seiner Vertreibung aus Sachsen (KGK VII).
33Vgl. Ursachen seiner Vertreibung aus Sachsen (KGK VII).
34Hierzu siehe die in Basel erschienen Abendmahlsschriften (KGK VII).

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