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Von den zweyen höchsten
gebotten der lieb
Gottes/
und des nechsten.
Mathei. 22.1
wie die rechte lieb zů dem
nechsten nicht menschlich/
sonder
goͤtlich sein/ und auß Gottes
willen fliessen.
Andreas Botenstein von
Carolstadt.
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Dem Erbarn und Festen Ditterichen von Bil2
jetzt in dem Jachims
tall.
Gottes/ welche er durch seines eingebo-
ren sůns tod/ als durch die hoͤchste fruch-
te erweyset/ zůsampt den gestrengen frid
Christi. Günstiger brůder/ Ich schick
euch disse predig von der liebe Gottes/ unnd des nech-
sten/ zů lesen/ und urteylen/ Mit bitt/ so ir etwas man-
gels dran habt/ mir das anzůzeygen/ denn ich fast3 wol
von euch/ und allen Christen/ wolgemeynte und goͤttl-
iche untherweysung annemen kan.4 In kurtzen wer-
det ir ein buͤchlin/ von der goͤtzische bruͤderlichen
lieb von mir entpfahen.5 Euch zů willfaren
binn ich gůttwillig. Datum zů Orlaminde
in dem ersten tag des Mertzes.
Anno. M.D.XXIIII.
Andres Carolstadt.
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Von den zweyen hoͤchsten ge-
botten/ der lieb Gottes/ und des nech-
sten. Matthei. 22.6
Das Evangelium von got-
tes liebe und des nechsten/ leret in der summ
1welches das erst werck gottes sey/ welch-
es
ein knecht gottes vor allen empfahen
und haben můß/ und verstendiget7 uns/
wie der mensch bereyt und
geschickt8 sol
werden/ zů em-
pfahen das selbe erste werck eines warhafftigen knecht
Gottes.
2¶ Ir solt wissen das das groͤsest und edelst werck Got-
tes in der geschaffen sele/ das erst ist/ also/ das alle werck
und
dinstbarkeit/ gegen Gott/ auß dem besten und ade-
lichsten werck fliessen/
und sich nach im richten und recht-
fertigen muͤssen. Das sol der
beschlůs9 sein/ der ware ist
denn Got leget das hoͤchst werck vor allen in den grund
der selen/ in welchem grund
got wonet/ leret/ raͤstet/ un-
therweiset/ und herschet/ vereyndlich/ und
in geistlich-
er eynigkeit.10 Weil es auch anders in der vernůnffta ist dann
in goͤtlicher eindruckung/ so duͤnckets unser
vernůnfft
seltzam/ ja nerrisch sein/ das Gott sein bestes und groͤ-
stes werck zů dem aller ersten inn geschaffen geist leget/
und bauhet darnach
andere werck uff das selbige beste
werck. Aber es sol der vernůnfftb billich nerrisch sein/ uff
das sie
in Gottes kůnst auch zů einer nerrin werd/ und
der grund unserer selen einen
grauhen unnd bitterkeit
von irer geschaffnen vernůnfftc fassen/ und sie flihen moͤ-
ge.11
¶ Man sol aber wissen/ das Gott sein hoͤchstes
werck/
a2v nit im aller besten wesen/ alsbald in die sele
würffet/ wenn
er sye angreyffet〈/〉 eynnimpt und besitzet/ denn
Gott gibt
erstlich pflantzen unnd anfeng seiner gaben. So auch
drucket Gott
seine liebreiche kunst in ein neu hertz/ mit
subtiler und kleiner weiß/ als einer
ein form eines sigels
in ein hert12 und grob wachß druckt/ also das man schwer-
lich die linien der
formmen erkennen mag/ oder kaumet die
bůchstaben lesen kan.13 Und das klein wesen des hoͤchsten
werck gottes
gibt gott einem menschen hoͤher/ denn dem
Matth. 25.anderen/ Gott teylet sein pfunde und guͤter als er wil/
Matth.18.14und wil/ das jederman genügig sey an dem das er gibt/
er sey nur nit
faule und begrab nit sein pfund.15
Welches das hoͤchiste werck sey.
¶ Nun moͤcht einer fragen/ welches ist das hoͤchste werck
Gottes/ das gott in
seinen geystern schaffet? Antwort
¶ Lieb Gottes
on kunst16 und on verstand ist
blind und
verfuͤrisch. ¶ Glaub oder kunst gottes on liebe ist kuͤ-
le unnd todte. Drumb můß das hoͤchste werck Gottes
ein liebreyche
kunst gottes sein/ welches die schrifft zey-
ten lieb nennet/ und
schreybet ir das werck/ und die art
des erkaͤntnüs zů.
¶ Widerumb nennet sy das werck den glauben/ und ze-
let dem glauben oder
kunst gottes/ die eygenschafft der
liebe zů/ so offt unnd vilmals das man ye sagen
můß.
¶ Glaub on lieb taug nit. ¶ Liebe on glauben behagt
nit. ¶ Drumb ist das recht werck ein liebreicher glaub/
oder glaubreiche lieb.17 Welche
gott erkennet und hoch
schatzet/ als einer ein ding erkennet und hochachtet/
das
im wolgefelt und lieb ist.
¶ Das aber das obgenent werck/ das beste und edlest
a3r
sey/ ist uß dem zů mercken/ das das ewig leben drinn ist.
Johan. 6.18 17.19
Johan. 3.Das das erst sey/ kanstu auß disem verstehn/ das
die
liebe goͤtlich gebott thůt20/ und das der verthumbt21 ist/
der nit glaubet22/
drumb můß Gottes lieb da sein/ oder
Deut. 5.die gebott muͤssen nach bleyben23/ unnd můß der glaub
Johan 3.24oder verstandt do sein/ sunst behaget Gott alles nit das
der mensch
thůt.25
Das die schrifft der lieb die eygenschafft des glau-
bens/ unnd widerumb
den glauben die werck der liebe
zů messe/ ist auß dem offenbar/ das die liebe
allein et-
was ist vor gott/ welche durch den glauben thaͤtig ist/
Galla. 5.oder der glaub der durch die lieb geschefftig ist/
der ist
allein etwas vor gott.26 Glaub one lieb taug nit. 1. Co. 13.27
denn die gotlosen erkennen gott auch/ als Ezechiel28
und an-
dre Propheten offtmals melden/ Sy achten aber gots nit/
und
ir erkentnüs ist todt. Drumb das sy libloß sein.
Kürtzlich/ Joannes zelet dem glauben
oder erkentnüs
gottes/ und der lieb gottes ein werck zů/ als nemlich das
Johan. 2.gottes gebott halten. Wenn er spricht/ welcher
saget/ das
er gott kendt/ und heldet sein gebott nit/ der ist ein lüge-
ner/ Welcher aber sein gebott helt/ in dem ist warlich
gottes
liebe.29 Sihe der Apostel Joannes leret uns/ das
glaube
und liebe gottes gebott halten/ und zyget/ das
wir/ auß volbringung goͤtlicher
gebotten/ verstehn sol-
len/ glauben und liebe/ als wir einen bäum/ auß
seinen
fruchten erkennen.30
Darumb leüget der/ der saget/ Ich
erkenn Christum/ wenn er in Christus gebotten nit
einher
dritt. Also auch leüget der jene/ der spricht/ Ich liebe
Christum〈/〉 so er sein gebott nit thůt. Aber der gottes ge-
bott volbringet/ der versteht Gott/ als auch der jene
Christus liebe
warlich hat/ der seine rede bewaret.31
a3v Glaub und liebe/ haben ein werck unnd ein fruchte/ da
bey sy erkandt werden/ Drumb hab ich gesagt/ das der
heylig geyst ein
art und eygenschafft den beyden tugen-
den zůmisset/ und das best zelet
Paulus der liebe Got-
tes zů/ Wenn
er spricht/ Die liebe ist die beste oder groͤs-
sest.32 Denn glaub on lieb achtet nit das
erkandt ding.33
1. Corin. 13.Auch ists ein loser glaub on urteyl/ Derhalbenn
be-
stehts/ das ich sprach/ das aller beste und edelste werck
welches gott in der seel schaffet/ ist ein liebreycher glau-
be/ oder ein
glaubreyche liebe. Unnd es ist ye ware/ die
liebe zů Christo/ unns von Christo
verstendiget/ unnd
Christum verstehn machet/ als der glaube. Widerumb
ist der
glaub geschefftig und barmhertzig/ als die liebe〈.〉
Christus
wonet auch durch die lieb/ in unsern hertzen/
als durch den glauben/ und
widerumb34/ Derwegen spricht
Johan. 14.Christus. Welcher mich nit liebet der bewaret
meyn
wort nit/ welcher aber mich lieb hat/ der helt mein wort
und mein vatter
der wirt in35 lieb haben/ unnd wir
wer-
den zů im kommen/ unnd ein wonung bey im machen/36
Damit leret uns Christus
offenbarlich/ das Gott durch
die lieb in uns wonhafftig wirt/ derhalben auch Pau-
lus den Ephesiern wünschet/ das
Christus in iren hertz-
Ephe. 3.en durch den
glauben wone/ und das sy durch die liebe
eyngewurtzelet wurden37/ demnach kans nit anders ge-
seyn/ denn das Christus auch durch seine liebe/ in den
geschaffen
geysteren wonet/ als er durch den glaubenn
eynwonet.
¶ So leret er auch sich verstehn/ unnd sencket sich38 mit
krefftiger Offenbarung in aller seyner liebhabern
hertz-
Johan. 14.en/ als Christus selber spricht, Welcher mich liebet/
der wirt
von meynem vatter geliebet werden/ und ich
a4r werd in
lieben/ und mich im krefftiglich zů erkennen ge
ben.39 Dadurch ist dißmals an gezeyget/ das
die lieb Chri-
sti die wurtzel des glaubens ist/ das auch die liebe
Chri-
stum wonhafftig entpfaht/ unnd das sich Christus der
lieb
offenbar machet.40
¶ Das hab ich alles derhalben gesagt/ das man nit irr
in den worten/ lieb und
glauben/ und das ir nit ein blin-
de lieb habet/ Oder einen
bapieren41 und lieblosen glau-
ben/ für das groͤssest werck haltet/ und das ir
wisset〈/〉 das
der heylig geyst den glauben will mit
verstandenn ha-
ben/ wo er von der liebe redet/ als auch widerumb ein
ge-
lobte liebe Gottes/ den glauben mit begreyffet.42
¶ Nun alle dieweyl unser Evangelium43 von der liebe re-
det/ so muͤsset ir gewißlich ein glaubreyche
lieb verste-
hen/ und den glauben mit nichte absondern von der lie-
be/ oder auff ein blosse nackende lieb gedencken/ die we-
der versteht noch verstehenn machet/ das oben gemelt
ist/ woͤllen wir durch das
heütige Evangelium erwey-
sen/ Das auch gottes glaubreyche liebe/ das erst
werck
sey/ welches gott in seinen creaturischen geystern wirck-
et/
das will ich kurtzlich auß dem heutigen Evangelio
auch ertzelen.
¶ Der gantz Moses und alle propheten hangen an
di-
sem werck/ saget Christus44/ drumb můß Gottes lieb das
erst werck sein/ denn es ist eine
ordenung an wercken/ die
auch ist an Gottes gebotten.
¶ Nun fragest du zwo fragen/ Die erst/ Christus redet
von dem groͤsten gebott/ so
redestu von dem hoͤchstenn
werck/ wie reymen sich disse reden zů samen?
¶ Die andere frag ist disse/ Christus spricht/
das das
gesetz und alle propheten an zweyen gebotten hangen/
a4v und du sprichst/ das alle gebott an einem hangen/ nem
lich an disem. Du solst gott uß gantzem hertzen lieben45/
wie schicket sich das? Antwort
auff das erste/ Durch
die gebott Gottes/ erkennen wir Gottes werck unther-
schiedlich/ als durch ein eüsserlich ding/ unnd ist gleich
die
ordenung in den wercken/ die unther den gebotten
ist. Also das das groͤste und
hoͤchste gebott/ das groͤs-
sest und hoͤchst wercke eüsserlich offenbar
machet und
fordert. Nun hat Christus gesprochen/ das das beste
unnd fürnemste
gebott sey das/ Du solt gott lieben etc.46
Drumb můß ye die glaubreiche lieb das fürnemst werck
sein/ das gott
ye durch sein gebott hat lassen offenbaren
und von den leüten fordern/ demnach ist
gottes lieb groͤs-
ser/ denn alle andere werck/ edeler/ besser/ und
hochschetzi-
ger denn alle andere gabenn/ unnd ist über alle/ unnd
meysteret alle gaben/ und das ist ware/ denn die lieb ist
reyner und inbruͤnstiger
denn alle werck gottes/ und ver-
sencket den liebhaber/ tieffer in gott/
mit groͤsser einig-
keit/ denn indert47 ein ander Gottes werck. Es ist auch
kein werck da durch sich
der creaturisch geist seiner min-
der annimpt/ denn das werck der
liebe.48 ¶ Liebe treget
in
das/ das geliebt ist/ und steht in dem selben/ und der
liebhaber sicht sich nit
selber an/ als in andern gaben/
und die sele findt sich weniger/ denn indert49 in einer
gabe〈.〉
Auch ist gottes lieb dapferer/ kecker/ unnd durch
drin-
gender/ denn die andere gaben oder werck gottes. Drumb
ist
sye billich das fürnemste und edelste werck Gottes/
und were auch das beste werck
gottes/ wenn uns alle ur-
sachen gebraͤchen/ und hetten allein das urteyl
Christi〈/〉
der sye über alle werck setzet/ und mehr/ denn alle
werck
schaͤtzet. In dem das Christus spricht. Alle propheten
und das gantz
gesetz hangen in den zweyen gebotten etc.50
b1r Ja/ das ander gebott und werck von der liebe
des nech
sten hanget an dem gebott und werck der liebe Gottes/
unnd
die lieb des nechsten můß nahe bleyben/ so offt sye
Gottes lieb verhindert/ oder
nit samptlich geschehenn
Luce. 14.kan.51 Man kan den nechsten hassen/ verfolgen und toͤd-
ten/ von wegen
der lieb Gottes.52 Aber gott
hassen und
verfolgen ist unerlaubt in ewigkeit/ und ist kein
falh〈/〉 in
Matthei.welchem wir Gott dürften hassen. Er ist gottes
unwir-
dig〈/〉 der vatter oder můtter mehr liebet/
denn gott.53 Aber
Gott mehr
lieben dann alle menschen/ das ist uns gebot-
Deut.
33.ten54/ unnd wir künden
unsere eltern hoͤnlich fragen/ wer
seyt ir?55 Aber es were ein teüfelische frage/ wenn yemant
Gott hoͤnlich
fraget und sprech. Wer bistu? Drumb ist
Gottes lieb ein werck/ an welchem die liebe
des nechsten
Deut. 5.hanget/ der ursach halben sagt Moses/ Du solt vatter
und můtter eeren/ wie dir Gott hat
gebotten/ In dem
willen/ und in der meynung/ und in der weyse/ als dir
Gott
hat gebotten.56
¶ Liebe des nechsten (der nechst sey Engel oder mensch
oder Christus nach der
menscheyt) můß sich richtenn
nach der liebe Gottes/ unnd nach ir halten/ als sich
ein
zimmerman nach seiner richtschnůr und winckelmoß
haltet.57 Und es ist gantz unmüglich das einer
den nech-
sten lieb/ goͤtlicher weyse/ wenn er gott nit liebet.
Ursach〈:〉
Er můß sye lieben als Gott haben will/ unnd
darumb
das Gott wolgefelt/ das one lieb Gottes unmüglich ist.
Deut. 5.Das ist die sach das Moses die zehen wort verzelet58/ und
Deut. 6.darnach das erst gebott anfaht erklaͤren durch Gottes
Deut. 5.lieb59/ und das Gott spricht/ die mich lieben/ unnd meyn
gebott halten.60
¶ Damit ist auch der ander frag61
genůg geschehen/ das/
das gesetz und die propheten an zweyen gebotten han-b1vgen soll/ das ye war ist/ Denn alle gebotten
und verbot
ten stehn in gottes und des nechsten lieb/ Und es ist nit
genůg/ nit hassen/ es můß auch darzů lieb kommen. Du
můst den nechsten lieb haben/
und wol von im reden/ und
nit münch stechen62/ unnd den nechsten nit handelen63/ als
ob kein Gott were/ der die seinen sůcht
oder sůchen kün-
de64/ Du můst den nechsten lieben/ wenn du vor Gott wilt
fasten/ betten/ singen/ oder
dein gůte werck thůn.
¶ On lieb des nechsten/ hatt Gott einen grauhen wider
dich und deine vermeynte
gůte wercklin. Aber dennest65
kanstu den nechstenn nit liebhaben/ es sey dann/ das du
Gott mit glaubreicher lieb
liebest/ der dir die weyse lieb
zů haben fürgemalet66 hat.
Rho. 13¶ Das aber Paulus spricht/ das die liebe des nechsten
das gantz gesetz erfülle67/ das kan nit bestehn/ dann in
der
meynung/ die lieb des nechstenn erfüllet alle gebott/ so
den nechsten oder
uns/ von wegen des nechsten/ betref-
fen/ das wil auch Paulus/ als sein umbstendige reden
anzeygen. So můß die liebe
des nechstenn zůvor uff
Gottes liebe achtung geben/ auß ir fliessen/ unnd sich
nach ir richten.68
¶ Denn Christus nennet die liebe des nechsten ye nit die
fürnemsten oder erste/
sonder die andere/ welche der er-
sten gleich ist.69 Nun můß ye das erst vor sein/ oder je als
dann
sein/ wenn das ander ist. Darumb kan das ander ge-
bott und ander werck
gottes kein statt haben/ es sey dann/
das das erste gebott unnd werck gottes statt
hab. Wo
Gottes liebe nit ist/ da ist auch nit liebe des nechstenn.
Liebe des
nechsten ist der liebe Gottes gleich/ als Chri-
stus sagt/ Drumb můß sye
sich richten nach goͤttlicher
lieb/ und ir nachfolgen.70 Demnach ist es verlorn das du
b2r vil von der lieb des nechsten redest/ wenn du gottes lieb
hinder rück71 stellest.
¶ Ein fleyschliche und menschliche lieb haben mensch-
Matth. 6.en zů menschen/ wenn sye ein gottlosige lieb zůsamen
tra-
Luc. 18.gen/ das ist. Ir liebe gegen
einander ist nutzsüchtig/ und
Galla. 6.liebet den nechsten umb nutz/ hülff/ gewinn/ oder
forde-
rung/ oder von wegen eigens lustes/ als die heyden/ und
.1. Cori. 13.gott vergessige thůn.72 Wenn aber lieb des nechsten reyn
unnd lauther
ist (wie sye Christus in den Evangelien
hin und her abconterfeyet/ und ire
gleicheit gegen goͤtt-
licher liebe weyset73) so fleüsset sye gewißlichen auß goͤtt-
licher lieb.74
¶ Ursach〈:〉 das das ander ist das steet nach dem ersten/
und
das gleich ist dem ersten/ das můß art/ natur/ und
sitten haben/ als das erste/
unnd můß erstfoͤrmig sein/
das ist ein form/ und gestalt haben/ als das erste.
¶ Weyl dann die lieb des nechsten/ nach der lieb gottes
kompt/ unnd goͤttlicher
lieb gleich ist/ so ist sye über na-
tur/ und übernatürliche krefften/ und
hat kein statt in
1. Johan. 4.dem geyst der Gott nit liebet. Derwegen spricht
Johan-
nes. Welcher
liebet〈/〉 der ist auß gott geborn.75
1. Johan. 4.¶ Das aber der Apostel spricht/ Wie kan der
gott lieb
haben/ den er nit sihet/ wenn er seinen brůder nit lieb hat
den er
sihet76/ das ist dem nit
entgegen/ sonder zů einer
sterck und harnisch. Nemlich/ das gottes lieb/ liebe
des
nechsten gebiret/ so offt sye einen brůder Christi triffet/
oder vernimpt.
Derhalben sagt genanter Apostel Jo-
hannes/ Wir haben ein gebott das ein jeder seinen brů-
Eodem.der lieben sol/ der gott lieb hat.77
¶ Ursach und Ursprung der lieb des nechsten ist
disse/
Gott ist die liebe selber78/ und sein lieb ist ein selbstendige
b2v und
ungeschaffne liebhabende krafft/ die den grund der
eodemselen/ das ist/ das aller inwendigste anrůret/ und
offen-
baret Gott/ und sich/ und lernet den geschaffen geyst/
Gott
und sich selber verstehn. Als die abgeende stra-
len der sonnen sich einem
auge offenbaren/ welches sye
treffen/ und anblicken/ und lernen sich und die sonn
ver-
stehn.79 Nun ist das in dem ungeschaffen wesen goͤtlich-
er liebe
begriffen/ das Gott seine außerwelte creaturen
lieb hat/ Das beweyset Gott durch
die Sendung unnd
menschwerdung Christi. Derhalben/ wenn sich die goͤt-
lich lieb in eines menschen hertz offenbaret/ und ergeüs-
set/ so leret
sye auch lieb des nechsten/ und machet lieb
haben/ alles das gott lieb hat/ als
auch der glaub ach-
tung hat uff alles das Gott zůsteht/ nemlich uff
arme
und verlaßne leüt.
¶ Und derhalben mag es nit gesein/ das einer gott lieb
hab/ den er nit sihet/ wenn
er seinen brůder hasset/ den er
1. Johan. 4.sihet.80 Darumb spricht obgemelter Apostel. Lasset uns
einer den
andern lieben/ denn warumb auß Gott ist die
liebe.81 Und welcher lieb hat〈/〉 der ist
auß gott geboren/ und
er versteht oder erkent gott. Das merck/ und faß es wol/
das der gott erkent/ der lieb zů dem nechsten hat/ vonn
welchem er vorgesagt82 hat/ Das ist/ Gott hat sich und
seine lieb gegen uns offenbare gemacht/ und ist eygen-
lich unmüglich/ das
einer Gott lieb hab/ ehe sich seine
goͤtliche selbstendige lieb offenbaret im grund
der selen〈.〉
Wenn aber gottes lieb gemacht hat/ das sye ein
hertz ver-
steht/ so můß es gott/ und alle suͤne gottes lieben/ derhal-
1. Johan. 5.ben spricht Joannes/ In dem erkennen wir/ das wir got-
tes suͤne lieb haben/ das wir gott liebhaben.83 Es ist kurtz-
umb nit müglich das einer einen brůder
Christi/ unnd
suͤne gottes lieb hab/ wenn er Gott nit lieb hat/ unnd da-b3rbey mercket man〈/〉 ob einer
einen sůne gottes lieb hat/ wenn
er gott lieb hatt. Gottes lieb/ die sich machet
verstehn/
durch einblicken/ ist ein gewisser und unbedriglicher ge-
zeüg84 der lieb gegen den
nechsten/ gleich als der geyst got-
tes ein zeug und insigel ist
goͤtlicher gaben. Wenn nu ey-
ner sagen woͤlt. Ich lieb gott/ und er
neydet einen sůne
gottes/ so würd er gott zů einem falschen zeügen mach-
en/ und den mund gottes lugen straffen.
¶ Darumb ist es noch ware/ das gottes lieb/ das edelst
und hoͤchst werck gottes
ist/ welches durch die selbsten-
dige lieb gottes offenbar würd/ unnd das
sich die liebe
des nechsten darnach richten unnd anstellen můß/ und
das nit
müglich/ das sye recht oder gůtt sey/ wenn sy nit
auß gottes lieb fleüsset und
drinn besteht.
¶ Ich rede zeyten85 von der
selbstendige lieb gottes/ die
sich dem hertzen offenbar machet/ zeyten86 von dem werck
welches die
selbige lieb (das ist gott selber) im grundt
der selen lasset ligen nach irer
Offenbarung/ als einer das
ewig gedechtnüs des gesehen liechtes ein liecht
nennet.87
Mein
umbstendige88 rede/ werden
solche finsternüs des
schreybens teylen und weysen/ von welcher lieb ich rede.
Nun ist uff das mal genůg geredt/ das gottes lieb das
aller erste und hoͤchst werck
ist/ das gott in seinen geiste-
ren schaffet. Volgende solt ir mercken/
was gottes lieb
ist/ und in welchem wesen gott sein hoͤchstes werck schaf-
fet im grund des creaturischen geystes.
Was Gottes Lieb ist.
¶ Drumb solt ich wol mercken/ das gottes lieb (nach
dem
gelassen werck zů reden) ein gestrackter89 und ernster lust
ist in
Gott/ in welchem sich/ die sele nit findet/ der auch
b3v nit eyngezogen ist/ von welchem der prophet redet. Ge
Psalm 36.lüste dich in gott90/ und also. Mir ist nit wol one dich.91 In
Psalm.gott was dem David wol/ one gott übel. David hat
al-
le genügde in gott/ und eytel schaden one got/ und grau-
wet im vor allem das nicht gott war. Aber den nechsten
hat er umb
gottes willen lieb/ als die historien von dem
Saul außweyset.92
Wie Gott die Liebe schaffet.
¶ Gott pflantzet seine liebe oder solchen gestrengen lust
(nach sich) in das
hertz. Zům ersten mit kleinen fünck-
lin ein/ das ist/ Gott läßt zů ersten
kleine füncklin93 seiner
lieb
einfliessen und uffgeen in der selen/ und er steht sei-
nem werck bey/ und
schüret zů/ biß zů einem grossen feur
wechset/ biß auch das aller kleinste kůrnlin/
des senff-
kůrnlins uff wechset/ unnd ein grosser bäum werd/ der
die
voͤgel des hymels/ und gemeynschafft der Engelen
ertragen kan.94
¶ Disse füncklin seind hertzliche begerungen zů dem al-
ler besten gůt/
welche das gůt als gůt95 in seiner
lauter-
keit begeren/ und sůchen es nit/ sam96 ir gůt/ wenn sich das
hertz noch97 gott anfahet zů sehnen und
verlangen98/ so hat
es
gottes werck entpfangen/ und sol gewiß sein/ das im
got weyter helffen wirt/ der im
genediglich solche fünck-
lin bescheret hat/ die das hertz zů gott
reytzen/ und nach
gott machen senen und verlangen/ Sam99 einer gewiß
ist des geysts gottes/ wenn er
versteht/ das etwas boͤß ist
das er vor100 für gůt hielt/ und grauet im über dem/ das
in vor101 gelustet mit unrecht.
Esaie.¶ Der geist
der forcht gottes/ leget den grund in der se-
len/ und machet das hertz
aller schetzen gottes entpfeng-b4rlich102/ der selb geyst pflantzet ins
hertz solich edele seüfftzen
gedencken/ unnd senliche begerungen nach gott/ unnd
Prover. 8.machet einen grauen wider alles das boͤß ist/ als
geschri-
ben steht. Gottes forcht hasset das boͤß/ annemlickeyt/
und hoffart/ und neiget vom boͤsen/ und fůret zům gů-
ten/ und machet lust
im gůten/ als gůt ist zů der gerech-
tigkeyt/ als gerechtigkeyt
ist.103
¶ Disser geyst ist ein anfaher104 liebreicher weyßheit got-
tes/ und leret die selbstendige und abgeende
krafft goͤt-
licher lieb versteen/ und wenn er gemacht hat das der ge-
schaffen geyst gottes lieb versteet/ so rucket er in105 widerumb
in Gottes lieb/ das
ist/ wenn sich gottes lieb gegen dem
menschen mit ungeschaffem liecht offenbar
machet/ so
1. Johan. 4.kan die seel wider lieben/ nit lassen/ Denn sye
můß Gott
widerumb lieben. So lieben wir gott nit ernstlich/ son-
der
er hat unns zů vor lieb gehabt.106 Das můß zů ersten
klein sein/ denn das ungeschaffen liecht goͤtlicher lieb/
das
gott ist/ kan sich einem bloͤden aug nit mit vollem liecht
und in heller
klarheit weysen. Ein unrein auge kan gott
nit sehen/ Ein kranckes mage das klar
liecht nit leyden.107
Wie der mensch můß bereydt sein zů ent-
pfahen Gottes edel
werck.
¶ Derhalben soltu wissen/ das der mensch vor allem be-
reydt und
geschickt werden můß zů empfahen das edel
Matth. 22.werck gottes/ disse zů bereytung haben uns
Christus und
Deut. 6.Moses gewisen/
wenn sye sagen. Du solt gott lieben auß
gantzem hertzen und von gantzer selen/ unnd
auß aller
sterck108/ Wie
wirt dann das hertz und die seel bereyt? und
wie heysset die bereytung?
b4v Antwort/ disse bereyttung heysset/ das gantz der selen
und hertzen/ wenn die seel oder hertz gantz wirt/ so wirt sy
zů dem werck bereyt. ¶
Gantzheit ist die bereyttung.
¶ Teylung ist der gegensatz und verhindernüs.109 ¶ Denn
wiltu wissen warumb
sich Gott lasset hindern zů schaf-
fen ein füncklin seines aller besten
wercks in deiner selen/
Sag ich dir darumb. Das dein hertz oder seel nit gantz
ist/ sonder zerteylet und zerstreuet/ Denn wo manigfaltigkeit
ist/ da hat das
einfeltig nit stadt/ und wo do hersch-
Matth.
6.et das vil ist/ do mag nit herschen das ein eynig ein ist/
Gene. 2.Die seel vermag
nit zweyen herren gefoͤlgig sein.110 ¶ Der
Deut. 6.Creaturen seind vil/ Gott ist allein das
ein111/ welcher an
creaturischen dingen klebet/ der kan des hohen wercks
gottes nit fehig oder
begreifflich sein. Das dich an das
ein bindet/ und mit dem das eyn ist vereyndt/
das ist lieb
gottes. Derhalben sprach Moses/ als er von gottes lieb
Deut. 6.wolt reden. Hoͤre Israhel/ dein gott/ ist
ein.112
¶ Er113 macht ein kurtz vorred
von gott/ nemlich das got
ein eynigs ein ist114/ und setzet darnach das gebott der lieb115/
Das man wissen solt/ das gottes lieb uff das
ein sihet.
¶ Welcher der manigfaltigkeit feynd wirt/ unnd ver-
lasset
das/ das sein seel zerspeltet und zerteylet/ der wirt
ein eynigs gantze/ und kumbt
in seine eynige inwendig-
keit und gantzheit/ und mag das edel werck
Gottes an
sich nemen.116
¶ Kanstu das nit versteen/ so merck darauff/ das das
hertz bloß můß werden von
allen creaturischen kleyde-
ren oder bildnüß/ das ist/ das hertz můß
werden beschnit-
ten/ wenn es goͤtliche lieb will entpfahen.117 Gott můß die
verstopffungen
und vorheüte des hertzens abhauen/ und
die seel beschneyden/ biß uff ire klarheit/
da sye nichts
denn seel ist/ und ein gantzer grundt den Gott mit umb-c1rgraben unnd auß werffen der creaturischen ding findt
und zeyget.118
¶ Die seel ist als die ding so sy liebet/ der einer hůren an-
.1. Cor. 6.hanget mit lieb/ der wirt als die hůr/ ein fleisch
und ein
leib mit der hůren119/ denn Gott hats also geschicket/ das
ein jeglicher geist werden můß/ als die
ding/ so er liebet.
Osee. 9.Darumb werden sy alle schnoͤd/ unnütz/ taub/ blind/ und
Hiere. 2. greuel für120 gott und in der warheyt/ die schnoͤde unnütze
ding/ oder
blinde oͤlgoͤtzen/ und taube steyn/ oder greü-
liche Deu. 7. et 18dinger liebenn.121 So bleybet die seel nit seel/ sonder
Psal. 114.sy wirt ein goͤtz mit dem goͤtzen/ den sy lieb
hat/ ein taub
Sapi. 15.ore/ und blind auge/ als der stein oder klotz/ den
sy liebet
oder uff den sye sich vertroͤstet.122
¶ Und alle disse ding zerbrechen und zerstreuen die seel
und verdecken den grundt/
und verstopffen das hertz/
so hart/ das got sein werck nit kan wircken. Er wil
auch
sein vetterliche werck nicht in ein solchen verdecktenn
grundt pflantzen/
biß der grundt außgereümet wirt.
¶ Drumb můß die sele vor allem beschnitten und gefe-
get werden/ unnd in
ire klarheit und inwendigkeit kom-
menn/ eher sie das edel werck entpfaht/
das hat Moses
Deut. 30.auch mit hellen Worten geleret/ so er spricht. Gott
wirt
dir dein hertz beschneiden/ uff das du in123 liebest/ von gantz-
en hertzen124/ Sihestu/ gott můß dein hertz
beschneyden/
darnach kanstu sein hoch werck an dich nemen. Seyn-
tenmal Moses klaͤrlich spricht. Gott wirt dein
hertz be-
schneiden/ uff das du in125 liebest von gantzem hertzen.126 Da-
rauß so wirt volgen/ das keiner
des teuren wercks ve-
hig oder empfencklich ist/ der nit ist beschnitten.
Das ist
schwer und erschroͤcklich. Ursach. Der geyst des mensch-
en
wirt alhie nit allenthalben beschnitten/ drumb wirt
er auch nit ein statt gottes/
an sich zů nemen ein kleines
c1v füncklin goͤttlicher lieb/
das ist vast erschrocklich/ denn
es wirt auch folgen/ das in disem leben kein
mensch glau-
ben kan/ daher kommen moͤcht ein gemeyn verdamnüß/
das
ist erschroͤcklich und bitter.
¶ Es sey erschroͤklich oder nit/ da stehet Moses unnd
Deut. 30.sagt. Gott wirt euer hertzen beschneyden/ uff das
ir in127
liebet/ von
gantzem hertzen.128 Und disse
rede hat Christus
bestettiget. Drumb wil Gott allezeyt/ und in allen ge-
botten ein gantz und beschnitten hertz haben/ und gott
Matthei.sihet kein werck an/ es sey dann gantz/ der ursach halben
Deut.spricht Christus. Niemant mag zweyen herren
dienen129/
Matth.und Moses und
Christus. Du solst gott allein dienen.130
2. par. 20.Das wirt dich/ das halb hertz Asaph leren/ das Gott
keinen glauben und vertrauen annimpt/
wenn das hertz
geteylt unnd ungantz ist.131 Gott wil gantze zůker132/ gantze
lieb/ unnd alle werck gantz haben/ das ist von
gantzem
hertzen. Von geteyltem hertzen geet nicht uff zů Gott/
Das saget die
unbedrigliche warheit.
Beschneidung¶ Derhalben geet die beschneydung vor in der
figur/
ehe sich ein werck Gottes ereyget133/ das man wissen sol/
das die seel ein seel/ und das hertz
ein hertz/ und der grund
uffgethan werden můß/ unnd jugent und alter verlas-
sen můß.
Hiere. 4.¶ Und darumb spricht Hiere'mia'. Ir solt den acker felgen
brachen und
verneuen. Ir solt nit segen uff dornen. Ir
solt die verstopffungen eüwer hertzen
außfegen/ unnd
darnach solt ir segen.134
¶ Dornen seind die eyngezogene lüsten der creaturen/
Matt.als Christus leret135/ und alles das gottes samen hindert/
das můstu vor
außrotten/ und darnach segen/ das ist/
die verstopffungen deiner selen můstu
gelassen/ darnach
kanstu Gottes werck entpfahen.
c2r ¶ Sihe wie klar Gottes
geist leret/ das du vor můst be-
schnitten und gefeget sein/ ehe du
gottes gaben entpfa-
hest/ zürn oder lache/ da steet die warheit/ und
disse grün-
de sein mir ursach gewest zů halten/ das der mensch uff
erden kein gebot gottes volbringet/ auch das kleinest nit.136
¶ Du solt aber
darumb nit verzweyflen/ denn es ist wol
war/ das keiner in gottes reich geet/ er
glaub dann/ und
lieb gott und thů seine gebott137/ wie Christus auch saget
von gantzem hertzen.138 Aber nit dester minder hat
unns
der trostbar heyland Christus Jesus einen trost geben/
das wir in dissem
jamertal gott glauben/ lieben/ und sein
gebott thůn moͤgen in dem erkentnüß seiner
füll/ wiewol
wir nit gentzlich beschnitten/ auch nit in eine volle gantz-
heit und bloßheit unsers hertzen kommen seind.139
¶ Alle die uff dem weynstock〈/〉
der Jesus Christus ist〈/〉 ste-
hen gepflantzet/ als
Weinreben140/ die entpfahen
von Gott
durch den weinstock/ goͤtliche wasser/ dadurch sy bespren-
get und reyn werden/ und begreifflich/ zů entpfahen got-
tes lieb/
glauben und werck/ hieher geheret die historien
von dem gefunden schatz/
deßhalben der mensch alle sei-
ne guͤter verkauftet und besitzet den
acker.141
¶ Von Christo Jesu fliessen aberd
in uns/ lebendige was-
ser/ und geen in unsere selen/ unnd springen uff zů
dem
ewigen leben/ dann der geyst der forcht/ welchen Christus
in hoher fuͤlle
gehabt hat/ der lasset sein krefften durch
Christum abgehn/ in alle weynreben/ so
uff dem weyn-
stock/ der Christus ist142/ wachsen/ unnd machet einen ge-
meynen grauhen/
wider alles das boͤß ist/ als ich oben
beruͤrt hab/ und reyffet143 lieb und lust unsers lebens
und
unsers willen uß/ und setzet einen verdrieß und langwey-
ligkeit
an die statt in uns über unser leben und krefften/
und begirden/ und scheywen gegen
allen dingen/ die un-c2vser hertz und sele
hindern an entpfahung gottes werck.
¶ Wenn denn der mensch die natur des weynstocks
an sich
gebracht hat/ unnd in einem widerwillen und grauen
der creaturischen
wollusten steet/ so ist er etwas uffge-
than/ und begert hymelische
wasser/ als ein dürr erden/
welche von dürheit ist auffgekündt/ wenn er
uffgekündt
ist/ so ist der mensch auch etwas bereyt/ und ist lere und
ledig/
und můß erfüllet werden mit Gott/ als er selber
verheyssen.144 Ein helffer in noͤten.145 Wenn einer bereyt ist zů
entpfahen gottes
gaben als glauben und lieb und an-
dere gaben/ so gibt im gott so vil als
er entpfahen mag/
Matth.146ist seine leydlickeit groß/ so gibt gott grosse gaben. Sey-
tenmal Gott yegleichem gibt nach vermoͤgenheyt des
der entpfahen wil. Ist er vil
und sehr und hochgeschickt
zů nemen Gottes werck/ so gibts im Gott vil/ sehr
und
hoch.
¶ Ist aber der geschaffen geyst nit genůg beschnitten/
als kein mensch genůgsam
beschnitten ist/ so ist der trost
Christi dennest147 verhanden/ das wir in Christo früchten
künden/ als weynreben in einem fruchtbarn weinstock/
wie wol das werck oder früchte
nicht voll werden/ vor
der endtlichen beschneydung/ dannest ist es vorhanden
in der sele.
¶ Aber der vatter beschneidt die weynreben und feget
sye taͤglich/ uff das sye
meer unnd volkommere früchte
bringen moͤge.
¶ Das ist ein lieblicher trost/ voller freüden/ und
wonn-
reicher wort/ das gott der vatter sein werck und früch-
ten in unsere selen pflantzet/ wenn auch unsere selen nicht
wol
beschnitten und noch vil grobheitten und blindhey-
ten
haben.148
¶ So gibt Gott dem hertzen (das Christum hat ange-c3rnommen/ und steht in Christo) von ersten kleyne schetze/
geringe
berlin149/ und subtile
füncklin/ als ein senlich ver-
langen nach Gott/ Gott lieb zů haben/ oder
bescheret
gůtte seüfftzen nach Gott/ biß das hertz besser wirt ge-
fegt150/ und
wenn es gar behauen und beschnitten ist/ und
gar neu (als ein alter moͤsichter baum
neu wirt/ wenn
er behauen ist) so gibt im151 Gott ein gantze lieb unnd
ein soliche lieb wie sye Gott
gebotten hat und fordert.
¶ Anfenglich ist gottes edelst werck klein und so
gering
das es vil leüt haben/ und versteent es doch nit.152
¶ Taͤglich wechset es uff unnd wirt groß/ verstanden/
gefuͤlt/ und bekant/ Aber es
steet in den sechs tagen die
arbeytsam sein und grosse unruhe machen.
Am sybenden tag/ wenn die besprengung vollendt ist/
stets in voller růhe on
arbeyt/ und in seiner volkommen-
heyt/ unnd ist ein lieb von gantzem
hertzen/ von gantzer
selen/ und auß aller sterck.153
¶ Da verleüret sich der mensch in dem schneweyssenn
tůch/ das von hymel kommet und
umbwickelt den men-
schen in sich mit allen krefften/ das er sich weder in
wil-
len/ noch begirden/ noch krefften/ nach154 in der sele mehr
finden kan/ wenn die
gelassenheyt ir ende erlanget.155
¶ Also habt ir von der lieb gehoͤret〈/〉 das sy das fürnemst
und
erste werck ist/ welches allen gaben gottes vorgeht156/
Deu. 7. et 5.als auch Moses in dem hat bezeuget/ als er sagt. Gott
ist warhafftig und treu/ wenn
er helt seinen bund/ zůsa-
ge/ barmhertzigkeit unnd wolthat denen/ die
in157 lieb ha-
.1. Co.eben.158/ Und Paulus in dem/ das er spricht/ das die guͤter
nicht uffgeen in des menschen hertzen/ es kan sye auch
kein auge sehen/ welch Gott
seinen liebhaberen bereydt
hat.159 Durch diß wort zeygen sye beyde an/ das gottes lieb
das erst werck ist/
welches Gott wircket.
c3v ¶ Das auch gottes lieb seine gebot vollbringt/ ist
auch
gesagt/ und meer den tausent mal von Mose/
in sonder-
heyt hatt Gott durch Mosen
die kleyne füncklin unnd
pflantzen goͤttlicher lieb (die Gottes gebott helt) dar-
Deut. 4.durch berürt/ das er sagt/ wer wirt in
das hertz geben/
das sye mich fürchten/ und bewaren meine gebott?160
¶ Wie auch das hertz bereydt und geschickt161 sein sol/ zů
entpfahen Gottes lieb/ ist ye uffs wenigste
gedeüt/ und
gesaget/ wie grosse muͤhe dazů gehöre/ das der mensch
geschickt
werd gottes lieb an sich zů nemen/ dardurch
ir das scharpff fegfeuer leren und
begeren/ und mit hitzi-
gen begirden nach gottes lieb verlangen haben
solt.162
¶ Nun solt ich von der lieb gegen dem nechsten sagen/
welche allein die
eüsserliche werck gebieret/ so gott wol-
gefallen/ aber sy ist etwas
weytleüffig/ auch noch schwer
zů fassen/ drumb das diß gebott biß uff disen tag
unge-
nůgsam verkleret ist. Du solst deynen nechsten lieben
als
dich selber163/ Von Gott unserm
herrn ists gnůgsam
außgefalten/ aber von den hohen meystern164 ist es kaum
angerůrt. Ich wil euch kleine
anfenge fürlegen/ ir moͤgt
der sachen weyther noch forschen und versůchen/ ob ir
den
heymlichen und ingehalten synn im grund euwers hertz-
en
ergreyffen koͤndt.
¶ Zwey stück fordert die lieb gegen dem nechsten/ Nem-
lich. Ein
gleicheit göttlicher lieb/ ein gleycheit eygener
lieb/ die lieb des nechsten sol
der lieb gegen Gott gleich
sein/ als das ander gebott dem erstenn gleych ist/
nach
dem Christus spricht/ das ander gebott/ welches dem
fürnemsten gleych und
nahe ist/ ist das/ Du solt den nech-
sten etc.165 Die ander gleycheit steet in dem das die lieb
ge-
gen unserem nechsten gleych sein sol unserer eygen lieb
c4r gegen uns. Welcher nun seinen nechsten recht lieben
wil/ der
můß die beyde gleycheiten verstehn/ und wissen/
in welchem teyl lieb des nechsten
goͤttlicher lieb gleych
ist/ in welchem sye auch unserer eygen lieb ist
vergleych-
et. One das mag des nechsten lieb nicht recht und gůt
sein. Dann alle werck Gottes sollen auß fliessen/ und ge-
schehen in der
weysse/ in der meynung/ in dem fürsatz/ wil-
len/ und gedancken/ als sye
Gott gebotten hat. Sam166
Deu. 5. 6. 7.Moses
spricht/ Du solst Gottes gebott thůn/ wie er sy
dir gebotten hat/ wenn die weyß ist
durch Gottes gebot
abgemalet/ und ist ein ursach/ das gott uns sein gesetz
geben hat.167 Demnach sol der
mensch fleyssiglich merck-
en/ wie gott die lieb des nechsten gebotten
hat/ und wie
sye goͤtlicher lieb und eygner gleich sey.
¶ Auch solt man wissen/ welcher der nechst ist/ den un-
ser Vorbild
Christus hatt ye nit vergeblich gesagt/ Du
solt den nechsten lieben. Dem
ottergeziecht168 sagt er.
Ir
sůcht ein zeychen/ und werdet keins sehen/ denn des pro-
pheten
Jone.169 Zů den phariseern und gleißnern170 sprach
Christus/ die gesundt sein bedürffen
keynes artzes.171 Er
hat
uns auch verbotten edle perlin für die seu zů werf-
fen172 und gesagt. Ir solt
die blindenleyter173 faren
lassen174/
Und huͤttet
euch vor dem saurteyg der phariseer175/ Auch
hat uns Paulus verbotten
gemeynschafft zů haben mit
denen/ so wider Gott leren unnd leben176/ Unnd ein ander
.2. Johan. 1Apostel177 spricht. Ir solt den nicht zů hauß nemen/ noch
in178 grůssen/ der nicht bringt die leer
Christi.179
¶ Nun sollen wir denen nit ein freüntlich wort mittey-
len/ oder grůssen
noch sye zů hauß nemen/ die Christu
lere nit habenn/ So ist unns auch
verhütten180/ solich
c4v als nechsten/ zů lieben. Deßgleychen/ wenn ich einen
nit
sol speysen oder drencken/ der wider Christum strebet/
so muͤst der selbig
meyn nechster nit sein. Wenn ich auch
das perlin nit darff für die seu
werffen181/ so můß von noͤ-
ten folgen/ das nit ein yegliches thier/ das ein mensch-
lich haut an sich tregt/ und gestalt eines menschen hat
für meynen nechsten
achten sol/ sonder für eine sauwe/
der ich die beste werck des nechsten nit darff
beweysen.
Darumb solt man das wol außfalten wer der nechst sey/
den wir lieben
sollen/ als unns selberts/ uff das wir nit
denn wider Gottes lieb theten/ wenn wir
am hefftigsten
uns in der lieb gegen dem nechsten uͤben/ und machten
ein lieb
des nechsten/ die goͤtlicher lieb ungleicher wer/
den ein balck einem menschen.
Aber uff ein predige ist
es zů vil.
¶ Drumb woͤllen wir kurtzlich nur die erste linien
fuͤr-
streychen182 der gleicheiten/ wil Gott so woͤllen〈/〉 wir
tieffer
steygen/ unnd Gottes urteyl von der lieb des nechsten
gründtlicher
ansehen.183
¶ Das ander gebott ist dem ersten in dem gleych/ das
die lieb gegen dem nechsten
gestrackt184 seyn můß
unnd
ernstlich als die lieb Gottes. Denn wie unser lieb zů got
gestrackt unnd
ernstlich sein můß/ also auch sol unser
lieb gegen dem nechsten einen gestrackten
unnd ernsten
willen und lust haben. Und wie Gottes lieb einen frey-
willigen gehorsam hat/ der lauter ist/ unnd nicht mey-
net dann Gott. So
auch můß die lieb des nechsten einen
freywilligen gehorsam zů Gott habenn/ der
lauter ist/
und ein gestrackte meynung haben den nechsten umb
Gottes willen zů
lieben unnd dienen/ und im185
gůt thůn
on begerung eins lons oder widergeltung.186
¶ Das wort gestrackt bedeüt das der mensch gerichts
d1r
fůr187 sich sehen und geen
sol. Dem ist entgegen die wider-
kerung/188 das verstehe durchs exempel Christi/ also.
Sihe
ich sol arme zů gast bitten umb des willen/ der mirs ge-
beüt/
und sol nit reyche/ die mirs vergelten koͤnden/ la-
den.189 Denn so ich ein soliche lieb hab/
so ist sy nit gestrackt
sonder sy keret wider eyn uff mich/ und findet meine
seel/
und sůchet das mein/ und meynen lust.
Luc. 14.190¶ Wenn ich den nechsten der massen lieb/ so verderb ich
meyne sele/ denn
ich sol in keynem gebott und werck got-
tes mich finden bey verlust meyner
selen/ das thůn ich
aber/ wenn ich umb etwas anders willen den nechsten
lieb
dann umb gottes willen. Ich sol der widergeltung
mit nicht191 begeren/ noch leyden das mich der nechst wi-
der zal. Mein lieb sol lohn loß sein/ so ist sy gestrackt.192
¶ Ein ander exempel. Wenn ich einen armen amptman zů
gast bede/ oder im193 andere werck der lieb erzeyget/
und
verzeyhte194 mich
seiner speyß/195 so binn ich
drumb nit ge-
rechtfertiget/ das ich einen armen geladen hab/ unnd
mein lieb hat nit einen gestrackten willen/ wenn ich hoff〈/〉
das
mir der arm amptman sonst fürderung moͤcht thůn
bey meynem herrn/ oder das er sonst
durch seine durch-
schleüffe196/ oder durch andere zůschůb197 mir meyn speyß
vergelten moͤcht/ dann alle lieb so der
vergeltung hoffet/
die ist nit gestrackt/ sonder sye krümet sich und keret zů-
rück uff das meyn. Wenn du einen armen man liebest/
und erzeygest im
dein lieb mit eüsserlichen wercken/ als
so du in speysest oder bekleydest in/ und
woͤllest das du
preyß erlangest bey den menschen/ so hastu bereyt dey-
nen lohn/ und bist mit nichte lohn loß/ hast auch keinen
gestrackten willen zů
dem nechsten/ sonder dein lobe und
d1v dein preyß und rům
ist/ darauff deyn will achtung hat/
und widerkerest also uff
dich〈/〉 denn/ wenn deine lieb nit ge-
strackt ist uff
Gottes willen und uff den nechsten/ also
das Gott allein werd gelobet/ und der
nechst allein von
dir geholffen wirdt/ so ist dein will ungestrackt/ krumb
und
nutzsüchtig/ und du meynest dich und das dein.
¶ Deß gleychen ist es mit dem gestrackten lust/ denn wo
der lust gestrackt ist/ so
fůlest du in198 nit/ und findest
dich
nit drin/ sonder der befindet199 in/ den du mit gestracktem
lust liebest und wolthůst.
¶ Daruß merck das wort〈/〉 ernstliche lieb oder lust/ wenn
du
eynen ernsten lust hast/ so kützelet dich nit dein lust/
und das werck hebet dich
nit uff/ sonder du steest in gros-
sem erschrecken vor dem boͤsen/ und
bleybest under got-
tes werck/ und bist ein eynfeltiger knecht/ und
werckzeüg
des wercks der lieb/ unnd du hast ein geschwinden und
gestrengen
ernst〈/〉 schlecht200 das gebott des grossen koͤnigs
zů volbringen.
¶ Der ernst ist ein frucht des geystes der forcht Gottes201
und wachset uß dem haß des boͤsen und lieb
des gůten.
¶ Wenn deyne lieb zů dem nechsten ire wercke dem nech-
sten in
gestracktem und ernsten willen erzeyget/ so ist sy
der lieb zů Gott gleich unnd
vast202 nahe/ als auß obver-
melten reden ist zů mercken.
¶ Du solst aber nit vergessen/ das ich alwegen
gesagt
hab/ das die lieb/ dem nechsten umb Gottes willen die-
net und
wolthůt/ denn Gottes lieb můß das hertz füllen/
und die lieb des nechsten můß auß
goͤtlicher lieb quel-
len/ unnd das ist die ursach/ das wir ein gebott
Gottes
haben/ den nechsten zů lieben/ und haben nit ein mensch-
en
gebott/ Drumb binn ich Gott schuldig gehorsam zů
d2r sein
und nicht dem nechsten/ und wenn ich dem nechsten
wilfaͤre/ sol ich Gottes willen
ansehen/ unnd im alleyn
pflichtigen gehorsam pflehen/ daruß kanstu abermals
versteen/ wie das ander gebott dem ersten nahe unnd
gleich ist.
¶ So kan einer versteen/ wie die lieb zů dem nechsten/
der lieb zů Gott gleich und
nahe ist/ und das seind rech-
te evangelische und Moisische gründe.203
¶ Nun solt ir ein kurtze meynung von der gleicheyt hoͤ-
ren/ wie unsere
lieb zů dem nechsten/ der lieb gleych ist/
die wir zů uns haben. Aber das ist seltzam unnd miß-
lich〈/〉 das wir unns lieben/ dann unsere lieb zů uns ist hel-
lisch/ verbotten/ unnd außgerott/ unnd an ir statt/ ist
neyd/ und
hassz eingepflantzet.
¶ Es war dem menschen unmüglich/ und ist noch über
allen seinen verstand und
krefften/ das er verstehe/ was
im204 gůtt sey zů einem rechten wesen. Es moͤcht einer
wol etwas erwelen das
er für sein gůt hielt/ aber es we-
re im205 drumb nit gůt und nütz/ das ers erwelet und
für
gůt achtet und schetzet/ als einer der das fieber hat/ der
erwelet
im206 weyn/ als solt er
im207 gůt sein/ aber wenn er
sey-
nen lust gebuͤsset/ unnd sein meynung erfült hatt unnd
befindt
das im208 der weyn schadt/ so
můß er sein urteyl
und weyßheit straffen/ und bekennen/ das im209 der weyn
nit gůt ist. Nun wie
es mit dem weyn ist/ so geschichts
mit den anderen creaturen/ die im210 der mensch erwelet/
als
soͤltens im211 zů einem gůten
leben und wesen dienen/
aber die erfarung überweyset die menschen/ das sy nit
wissen was in212 gůtt ist/ in
sonderheyt versteend sye nit
was in213 ewiglich gůt ist.
d2v ¶ Weyl dann die menschen nit sehen/ was inen ewiglich
gůtt ist/ so künden sich die menschen nit recht lieben zů
dem gůten/ sam
wenig214 sy andere leüt lieben
koͤnden zů
irem gůten. Demnach vermoͤgen sye weder sich/ noch
den nechsten/
recht lieben zů dem gůten/ das inen recht
und ewiglich gůtt/ und nit jetzt gůt ist/
unnd darnach
schaͤdlich und boͤß wirt.
¶ Dennest215 hat uns Gott ein
gebott/ von der lieb zů dem
nechsten/ und zů unns geben/ und unns verstrickt216/ das
wir den nechsten lieben
sollen als uns selbert217/ und
gott
moͤcht uns mit allem rechten verthamen/ wenn wir das
selb gebott
nachliessen.
¶ Aber sein barmhertzigkeyt ist überschwencklich/ und
kan nit lassen wolthůn/
drumb hat unns Gott seine ge-
bott verkündiget/ auff das wir leren218 sollen/ was unns
stets und
ewiglich gůt ist/ und das unser wolleben/ durch
verwarung goͤtlicher gebotten erfür
keme. Derhalben
Deu. 10. 11. 12spricht Moses offtmals. Bewaret alle wort des herrn/
die ich euch gebiete/ und thůt
sye/ uff das euch und eü-
weren kindern ewiglich wol gehe/ und uff das ir
thůt das
recht und Gott behaͤglich ist219/ Wir muͤssen gleich von
Gott leren/ das er durch sein
gebott hat lassen verkün-
digen/ in welchen stucken unser wolleben/ und
rechte gů-
te stehn/ das wir darnach zů richten oder urteylen wis-
sen/ wie sich ein jeder recht und zů bestendiger guͤte koͤnn
lieben/
und nach dem selben muͤssen wir die lieb zů dem
nechsten auch erfür bringen.
¶ Also sol ich dem nechsten günnen alle gaben
und guͤ-
ter Gottes/ die mir Gott bescheret hat/ uff das er mit
mir/
in ein goͤttliche gemeynschafft kumm/ und ein ewig-
lich gůt entpfahe/
unnd sol im wünschen/ das er in al-d3rlen
gebotten Gottes gehn/ und starck/ weyß/ heylig etc.
in Gott sey.
¶ Darzů sol ich keiner arbeyt schonen/ kein unkost spa-
ren/ sonder mein
handt außstrecken/ speyß/ tranck/ und
kleyder geben/ untherweyssen/ unnd alles
thůn/ das ich
wolt/ das mir geschehe/ uff das ich in meyn recht gůte
keme.
¶ So reymen sich die schrifften zůsamen/ wenn du leüt
fliehen220 solst/ und sy nit gruͤssen/
nach221 mit inen essen
solst.222
Oder widerumb/
dem nechstenn der nit nahe ist/ er sey
mir dann in Gott nahe/ mein brůder/ und sůne
Gottes
durch das teuer blůt Christi erloͤset/ wilfaren/ helffen
und sein
seyn.223
¶ Wenn aber einer Christum nit bekent/ woͤlt aber hoͤ-
ren von im/ so ist
er mir nahe/ ob er gleich den tittel/ na-
men und tauff der Christen nit
hett.
¶ Das ist auch ein lieb gegen den creaturen/ wenn wir
unserm vatter Gott
nachfolgen/ unnd thůn menschen
wol/ gůten und boͤsen/ als er sein sunn laͤßt
scheynen al-
len in gemeyn.224
¶ Unnd das ist ein werck der lieb zů dem nechsten/ das
eyner seinen feynden wol
thůt/ und bitt für seine vervol-
ger/ als Christus225 und Steffanus226 than
haben.
¶ Aber in disen stucken sol man nit blind und nerrisch
2. Joha. 1.227sein/ das wir nit mit den widerchristischen essen/ unnd
Deut. 13.228uns gesellen zů denen/ die uns von Gott verleyden/ das
sye unns zů eynem
strick werden229/ Du solst auch
wissen/
das Christus nit wolt für die bittenn/ so von der welt
waren.230
¶ Lieb one saltz ist nerrisch unnd toll/ und gehoͤret un-
ther die
fuͤsse.231
¶ Darauß vernympt/ das die bruͤderliche lieb ein fleisch-d3vliche und teüffelische lieb ist/ wenn sye die lieb Gottes
verrücket.
¶ Also versteht ir/ wie sich der mensch/ zů seinem gůt/
lieben kan/ und darnach
seinen nechsten lieben/ als sich
und das/ das woͤrtlin/ als ein gleycheit bedeut/
das wir
den nechsten lieben sollen gleych als uns.
¶ Das ist vonn den zweyen gebottenn der lieb zů
Gott und zů dem nechsten/ uff
dißmal kurtzlich
gesagt/ gondets Gott/ so werdet ir ferner hoͤ-
ren
und ich reden/ gott zů lob/ Wenn uns
die zeyt gelegener sein würd/ Amen.
Gepredigt zů Orlamůnde. Anno. in dem. XXIII
Gedruckt zů Straßburg. Im M.D.XXIIII.