Nr. 250
Verstand des Wortes Pauli Röm 9,3: Was Bann und Acht sei
1524, [Januar]

Text
Bearbeitet von Harald Bollbuck

Buchsymbol fehlt Vorstandt1 des worts Pauli.
Ich begeret ein vorbannter seyn
von Christo/ vor meyne
bruͤder. Rhoma: 9.2
was bann und achte.
Andres von Carolstat.
M.D.XXiiii.
Jhen.


Buchsymbol fehltIch bin in einer collacion gůter bruͤder/
gefragt/
3 wie disser spruch Pauli sol ver-
Rho. 9.standen werden. Ich begerte ein Ana-
thema oder vorbannter seyn/ von Christo
fuͤr meine bruͤder. 4 Und habe mit frey-
hem unnd ungepundtema5 geyst/ auff ge-
thane frage/ also geantwort. Paulus
hat nicht recht gesagt/ nach ein rechtgeschaffen gemůt
gehabt/ wen er spricht. Ich wil von Christo vorbant sein/
umb willen meiner bruͤder. Aber disse antwort hab
ich nit dermassen geben/ das ich Paulum wolt vorsprechen6.
Sondern nůr die yhene die sagen. Das Paulus yn der
achte Christi sein wil/ fuͤr seine bruͤder. In der meynung/
das er vil eher ein greuel und vorfluchter/ von Christo
begert sein/ ehe er in vorderbung/ seyner bruͤder/ wolt be-
Falsche
schlußred
willigen. Und itzt gedachte/ wollen daraus ein schluß-
red7 machen/ disses lauts. Man sol die bruͤderliche lieb
so hoch achten/ und brauchen/ das einer vil lieber/ etwas
wider Got thun solt/ oder zuthun gestatten/ denn das
er seyne bruͤder erzoͤrnete/ oder ergert.
8 Und komen gleych
dar auß/ yn den yrthumb/ das sie sagen. Man solle auch
dem negsten zů liebe/ die ding lassen stehn/ die yhm tzů
eynem strigk und ergernis gelegt9/ und wider Got seyn/
als man itzt von den vorfluchten bildern spricht/10 das man
die selbige sal lassen bleyben/ uff das die unvorstendigen/
nit betruͤbt oder geergert werden.

In dem synn ligt schir die gantze welt.11 Und yederman
helt den spruch Pauli dafuͤr/ als wer Paulus auch so ner-
risch gewest/ das er/ in solchen und gleichen sachen/ lieber
wider Got seyn woͤlt/ dan fleischliche leuth betruͤben.
Nein nit also. Dann/ wobPaulus disse meynung hette
gehabt/ das er Got vortzoͤrnenc12/ und den unweysen/ oder
untzuͤchtigen menschen wolgefallen woͤlt/ so woͤlt ichs
(yn diesem fall) mit Paulo nit halten/ auch offentlich
Buchsymbol fehlt sprechen/ das Paulus laher/ ungerecht were. Unnd das
Paulus/ nicht allein wider sich selbst/ sondern dartzů/
wider Christum/ und alle Propheten und Aposteln streben thet.

Math. 10.Christus hat ein schwert bracht13/ und wil uns/ in sonder-
heit/ von solchen bruͤdern abschneiden/ und teylen/ die ein
Luce. 12.gotloses wesen und leben fuͤren.14 Und spricht. Welcher nit
vater und muter hasset/ und mir nachvolgt/ der kan oder
magk mein diener nicht sein etc.15 Soͤllen wir vater und
mutter hassen/ und yhnen nit zuͤgefallen leben/ in allen
stuͤcken/ und gleichwol/ den gotlosen bruͤdern volgen/ oder
yhnen etwas wider gotis willen nachlassen/ und vorhenckend16?
Weiber und kinder/ eltern und unsere aller negste freunde
(die wir sunst schuldig sein zů ehren und lieben) muͤssen
wir umb gotis willen lassen.17 Sollen wir dann/ durch die
finger sehen18 und der losen bruͤder leben stercken/ wider go-
Genn. 3.tis lob und herlickeit? Můste nit Adam den garten des
wollůsts vorlassen/ drůmb das er die stymme seines weybes
mehr hoͤrt/ dan Gotis gebott?19 Und solte doch eines ner-
rischen bruders torheyt/ wider Got sehen/ unnd sie mit
gleicher that/ oder nachvolgung stercken/ oder dreyne be-
Gall. 1.willigen? Wie bestunde disser spruch Pauli. Wen ich
menschen gefallen wil/ so kan ich kein knecht gotis sein?20
Matth. 6Was bettet ich auch teglich zů Got. Dein will gescheh/21
wenn ich den willen meynes bruders/ wider gotis/ gestatten
oder vorteydigen moͤcht? und wolt das boͤß/ můtwillig
vorhencken22/ des ich von got bevelh hette/ abtzůnehmen23?
sonderlich/ wan ichs abnemen koͤnte.

Darumb sprich ich noch. Wenn Paulus einen solchen
stumpffen und widerchristlichen synn gehabt hette/ das
er uns durch seine lahr in die meynung/ unnd an den ort
brengen woͤlt/ do wir leuthen zůgefallen/ wider got han-
deln moͤchten/ so woͤlt ichs mit yhm nicht halten. Unnd
Gall. 1.mich dess brauchen/ das er saget. So ich selbst/ oder ein
Engel vom hymel heraberf khem/ und leret anders/ so
sol er ein vorbannter sein
.24

Buchsymbol fehltIch wolt auch frey/ und nichts minder Paulum/ dan
einen Engell richten. Dieweyl Paulus selbest/ mir/ und
yeglichem/ ein solche macht geben hat/ das wir Engell
und menschen vorbannen doͤrffen/ wo sie anders lereten/
1. Cor. 2.dann gotis ware reden inhalten. der geistlich ist (vom
geyst Gottis/ und Christi) der vermack alle ding urtey-
len.
25 Die lebentigen unnd die todten/ so sich mit yhm be-
sprechen. Drůmb woͤlt ich der heyligkeit Pauli/ nicht
schonen/ wenn er wider sich selbs/ oder wider Christus
laher/ wuͤnschen oder schreyben doͤrfft.

Ich aber weis/ das die welt Paulo gewalt thut/ unnd
legt yhm auff/ das er nie gedacht hat. Nemlich eynen
solchen widerchristlichen synn/ den Paulus/ als eynen
greuel fliehen wuͤrd/ so er kegenwertiglich were/ unnd
Rho. 9.hoͤrdte yhm ein solche boͤse laher/ zů messen26. Ich weis
das Paulus eynen andern synn/ und meynung hat/ auß
der ursach/ das er spricht. Ich sage die warheit in Christo
und liegeg nicht. Und das gibt mir mein gewissen ein ge-
zeugnis/ durch den heyligen geist/ das ich einen grossen und
stetten schmertzen hab/ in meinem hertzen/ fuͤr meyne bruͤ-
der. Ich hette mir selber gewuͤnscht/ ein vorbanter zů
sein/ von Christo fuͤr meine bruͤder etc.
27

Paulus spricht. Ich rede die warheyt in Christo/ und
liegeh nicht.
28 Darauff frag ich/ absi moͤglich sey/ das einer
warheit/ in der warheit rede/ und woͤlt yhm etwas/ seinem
bruder zu wollust/ wuͤnschen/ das wider die warheit gotis
wehrj? Wie kan der/ mit der warheit stehn/ der wider die
warheyt steht? Weyl ich aber nit zweyfell/ an dem/ das
Paulus/ seinen gerechten schmertzen/ in der warheit geklagt.
Hab ich auch nicht zweyfell/ an dem/ das/ das leyden
Pauli/ unnd sein schmertzen/ nach Christus beger/ unnd
nicht wider Christus willenn gewest sey. Weyl er
Christo/ seyne Israhelytische/ gewinnen unnd anhengig
machen wolt.

Buchsymbol fehlt Dartzů gibt uns die hefftige beteurung/ unnd das
schwinde getzeucknis Pauli/ ein anleittung/ was Paulus
vor ein leyden unnd schmertzen gehabt/ unnd warumb er
eine grosse unnd stehte angst/ leyde. Nemblich/ das sie
Christum nicht erkennen und annemenk wolten. Der-
Rho. 9.halben/ spricht er. Mein gewissen gibt mir getzeucknis/
durch den heyligen geyst/ das ich grossen schmertzen hab/
fuͤr meyne bruͤder.29 Nicht in der meynung/ das Paulus
seiner vorigen rede30/ vorgessen hett/ die weyl er kůrtz da
Rho. 8.vor sprach. Was kan uns von der liebe Gotis scheyden?
Der todt? Das leben? Kegenwertig ding? Zůkuͤnfftige?
Oder engeln? Oder ist irgent ein creatur so starck oder
koͤstlich/ das sie uns/ vonn der liebe Gotis/ absondernl
magk? welche ist in Christo Jesu?31 Solt ich gleuben/
das Paulus von Christo/ ein widerspenstiger bann/ oder
in der achte Christi/ sein woͤlt/ umb der bruͤder willen
des fleisches/ wenn er kurtz zůvor saget/ das yhne/ weder
engeln/ nach irgent ein creatur/ von der lieb Christi schey-
den/ vormack?m Es ist wol war/ das Paulusein vor-
banter begert zu seyn/ von Christo/ umb einer Israheli-
tischen creatur willen.
32 Das aber/ ist nicht war/ das er
vonn Christo/ stehn/ unnd wider Christum sein wolt.

Darumb muͤssen wir/ den synn Pauli/ recht vorstehn/
und mit nichte Paulum wider Christum stellen.

Welcher achtung hat/ uff die ursachen/ der heyligen
reden/ so Gotis knechte gesetzt haben/ der geht wol/ und
one beschwerung. Die ursach aber/ steckt etwan tieff/
under dem bůchstaben/ und also tieff und vordeckt/ das
sie kein menschlich auge sehen kan.33 Alhie aber/ ist sie nit
so tieff/ oder vormantelt.

Warumb Paulus von hertzen getraurt.Ursach der erlitten schmertzen Pauli/ ist disse. Das
Christus den Juden in sonderheit/ zů heyle und selickeit/
komen war/ und das Got seine uberschwenckliche/ unnd
vaͤterliche liebe/ kegen den Juden/ betzeygetn/ das er seinen
Buchsymbol fehlt sohn/ umb ir erloͤsung gesandt haͤtt. Unnd das Israel/
ditzo nicht wolt vorstehn. Sondern/ also die heilmachung
Christi vorlieren/ der doch auß yhnen/ nach dem fleysch/
geborn war.34 Und es ist war/ das noch nicht moͤglich ist/
wenn einer der welt boßheit sihet (welche Got durch sey-
nen sohn erloͤst) und merckt/ das sie so undanckpar ist/
und das sie sich/ der sendung Christi/ nichts nuͤtz machen
wil/ sondern alle liebe des vaters/ unnd des sohns/ vor-
achten/ und datzů/ offentlich/ wider Gotis willen/ wider
Gotis herlickeyt/ in eigner vorderbnis bleyben.

Ich weis nicht/ ab ein creutze/ hoͤcher unnd bitterer
sey/ denn das/ das der gleubige/ der gotlosen wesen/ vor
seinen augen sehen muß.35 Und das sie alle wolmeynung
unnd gůtheytten Gotis/ vorlachen/ unnd vorspotten.
Nů/ ap gleych ein teil unsers creutzes hoͤcher waͤr/ dann
diss creutze/ das die liebe wircket/ so weis ich dannestp/
das kein creutze lautterer36 ist.
Und das kein außgestrack-
ter37 schmertze/ dem menschen fuͤrkomen kan/ denn der/ der
auß goͤtlicher liebe/ kegen Got unnd dem nechsten auß
fleusset.
38

Ey was kan den liebreichen glauben/ oder glaubreiche liebe/39
schmertzlicher anfechten/ und bitterlicher mit laut-
terer40 wermůt41 trencken/ dann das sich die welt/ goͤtlicher
gunst/ so schentlich vortzeyht42/ und thut iren eygen nůtz
vorachten? Drůmb gleub ich/ auß der massen wol/
das Paulus/ einen steten und grossen schmertzen/ gehabt
hab/ druͤmb/ das er sehen muͤst/ das got der vater/ so vil
wolthaten den Israelischen ertzeyget und beweyset. Und
das Israel sein hauptstuͤck warhafftiger seligkeit unnd
heyls voracht43. Denn Paulus vortzeltq auch manicher-
ley goͤtlicher gaben/ mit welchen/ Got/ den Israel be-
gabet hat. Als nemblich/ Got der herr/ gab dem volck
Israel/ sein gesetz/ sitten/ gebot/ ceremonien/ vorheisch-
ung/ und nam es vor sein eerlich volck an/ und hub es uber
Buchsymbol fehlt alle voͤlcker/44 zů letzten/ sandt er auch seinen sohn/ Jesum
von Nazareth/ und ließ yhn/ auß yhnen geborn werden45
unnd umb irer sunder willen vorfluchen/ creutzigen/ vor-
spotten/ und ermordtens. Und es war doch alles vorloren/
und nichts angewendt. Uber das/ wolten sie keyne wol-
that behertzen/ sondern datzuͤ/ sich/ wider yren heyland
setzen/ der doch irenthalben zůsterben/ bereytt war. Als
sie auch sich/ tedtlicht unnd greulich widersetzten/ unnd
Gotis sohne toͤdten.

Solte das Paulum nicht betrůbt haben? Sonderlich
als er seiner mitjuͤden/ vorstockten muͤt sah/ weil sie vor-
stockt/46 und das sie vorharlich47/ auff yrer boßheit blieben/
unnd durch ire greuliche boßheyt/ nicht erkennen/ unnd
sich zů dem nicht keren woltenn/ den sie one schuldt er-
moͤrdten/ der yhnen/ iren todtschlag/ zůvorgeben bereitt
war/ unnd guͤtwillig war/ sie zů heyligen vor Got sey-
nem vater.

Bey mir/ hett Paulus seiner grossen bezeugnis/ und
hocher bedingung gar nichts bedoͤrfft/ ich wolts yhm/
one das/ gern gleubt haben/ das sein hertz volles schmer-
tzens und leydens war/ fuͤr seine bruͤder Israel. Das
aber Paulus sich/ mit den undanckbarn/ und widerspen-
stigen/ solt wollen geselt/ und wider Christum/ oder wi-
der die warheyt/ begert haben/ das er (wie sie waren)
ein vorbannter greuel sein woͤlt/ den Got hasset/ unnd
der wider Got strebet/ das gleub ich nit/ unnd kans nit
gleuben. Drůmb můssen wir eynen rechten synn
heraus lesen.

Das wort Anathema48/ hat zweyerley bedeuttnis. Es
heyst ein auffgehengt opffer als wir itzt ein zeytlang
opffer in den vormeynten Gotis heusern/ liesen auff-
hencken/ oder auch selber auffhenckten. Es heist auch
ein bann/ ein greuel/ ein vorfluchung.49 Das ist etwas/ das
seiner boßheyt halben/ auß gemeinschafft der heyligen/
Buchsymbol fehlt gestossen und vorworffen werden solt.

Wenn man den ersten vorstandt50/ oder synn alhie/ in
dem gehandelten woͤrtlein Anathema/ annehm/ als er
auch wol antzůnemen ist/ so wer der spruch Pauli leicht/
und hette disse meynung. Das Paulus fuͤr seine bruͤder/
auß Israel/ vil lieber/ woͤlt auffgehenckt sein/ als ein
opffer/ dann mit solchem grossen schmertzen/ ire boßhey-
ten und vorstocktes hertz sehen.
Und ich weyß das der
Art des rechten glaubensrechte glaub/ lieber das hertz zerspalten woͤlt/ dann das
er/ solche frevenliche vorachtung/ goͤtlicher wolthaten/
sehen sol/ sonderlich/ wen die boßheit/ fůrtfert51/ one auff
hoͤren. Und ein itzlicher gleubiger/ solt lieber sterben/
dann bey solchen gotlosen menschen sein/ als man sihet
in den geberden oder leyden Davids/ unnd der andern
knechten Gottis.52

Yedoch ist alhie untherscheyt/ und weyße zehalten/
das man den armen leutten/ erstlich wuͤnschen solt/ das
sie Got wolten erkennen/ und die seligkeit Christi bege-
ren. Auch in solcher hertzlicher gůnst/ das einer gern
sterben woͤlt/ das sie anfiengen zůbegeren/ und erkennen.
Unnd woͤlt das er/ als ein auffgehenckt opffer wer/ uff
das die arme blindheyt/ Got/ anfahen wolt erkennen und
Jo. 15.annehmen. Die weil Christus spricht/ das ist mein ge-
bot/ das ir/ einer den andern liebet/53 und meniglicher sein
seele/ fuͤr den andern setze/ als Christus sein seele fuͤr uns
gesetzt hat/ die wir vor54 auch im finsternis/ wider Gotis
willen und ehre/ gingen.
55

In der weyse unnd synn/ gleub ich wol/ das Paulus
yhm56 gewuͤnscht hab/ das er ein uffgehenckt opffer were/
von Christo/ fuͤr seyne bruͤder. Nicht das er/ von Gottis
unnd Christus liebe unnd freuntschafft woͤlt gescheyden
sein.57Denn das hieß nit Christo nachvolgen/ unnd sein
eygene seele fuͤr seynen bruder setzen/ als Christus gesetzt
hat/58 sondern auß dem weg Christi gehn. Es hieß auch
Buchsymbol fehlt nit das creutz Christi suchen/ sondern ein eygens.59 Nicht
in des vaters willen absterben/ sondern in dem willen
des fleysch.
60Paulus hat ye den verstandt61 Christi
Joan. 17gehabt. Ich bitt nit fuͤr die welt etc.62Paulus hat
in seinem wůnsch/ den willen des vaters/ und des sohns/
durch den heyligen geyst/ ungezeweyfelt vormerckt/ und
volbrengen wellen. Und also hat er von Christo/ das ist/
von dem geyste Christi/ den goͤtlichen wunsch gehabt/
das er begert uffgehenckt werden/ als ein uffgehenckt op-
was anathemafer/ welchs die kriechische sprach/ ein anathema heisset.63

Nů/64 setze ich/ als wer das Paulus meynung gewesen/
das er ein verbanter von Christo/ lieber sein woͤlt/ denn
das seyne bruͤder/ nach dem fleysch/ so vorgeßlich65/ wider
Gottis gůnst/ wuͤten/ unnd tobten/66 dannestu moͤchts ye
nicht/ dießen synn haben/ das Paulus/ den gotlosen bruͤ-
dern zů gefallen/ ein abgesunderts glid sein woͤlt/ wider
Christum/ denn es muͤste bald67 volgen/ das yhnen/ vil ein ge-
ringere creatur/ von christo gescheiden hett/ dann ein engel.68
1. Cor. 5.Auch hat Paulus uns vorbotten/ das wir keine gemein-
2. Tess. 3.schafft/ mit den haben sollen/ die offentlich wider got leben.69

Dießer synn lidtv70 sich/ das Paulus bey den menschen
ein verbanter mensch sein woͤlt/ uff das sich seine bruͤder
Gall. 3.zů Got kereten/ oder wendten. Als Christus auch ein
vermaledeyhung ist worden.71 Wiewol die menschenn
Esa. 53.meinten/ Got hett Christum verworffen/ geschlagen/
und aussetzig gesprochen. Aber Christus trug unsern
aussatz/ unsere schlege unnd sunde.72 Das aber geschrieben
stetht/ ein verbanter von Got/ dringt mich zů hal-
ten/ das Paulus von Christo wolt geschieden sein/ so we-
nig Christus sich von seinem vater entfrembt/ am holtz/
do er ein vermaledeyhung ward/ von Got oder bey Got/73
denn Christus was74 darumb von seinem vater/ nicht ab-
geschiden/ nach75 wider den vater/ dem er seinen geyst be-
valh/76 und zů handen stellet/ wie wol die schrifft spricht/
Buchsymbol fehlt das der/ bey got/ vermaledeyhet ist/ der am holtz hangt.77
Dieße wort aber (bey got oder vor Got) zeygen nicht an/
das Christus sich wider seinen vater gesetzt/ sondern/
das er unsere sunde/ unsere verfluchung/ und vermaledey-
hung/ warhafftiglich/ bey got/ als vor der welt getragen
hat/ und nicht allein/ ym schein.78 Als auch Christus/
vorgebung der sunden/ warhafftiglich gibet/ und seyne
gebenedeyhung/ und andere gůter/ in der warheyt/ und
nicht im schein oder wohnw79 mitteylt. So auch/ must es
alhie sein/ wenn Paulus durch Gottis geyst/ begert/ ein
verbanter oder bann von Christo zů sein/ das er/ den hon
und spott/ warhafftiglich fuͤr seine bruͤder leyden wolt/
den ein verbanter leyden sol. Aber one schuldt/ als
Christus/80 one abdritt81 vonn dem vater/ als Christus.82 In
fester eynigkeit/ mit Got/ als Christus.83 In steter liebe
zuͤ Christo/ als Christus zů dem vater hatte.84 Unnd mit
nichte also/ das Christus seynen vater ubergeben85/ oder
das Paulus Christum ubergeben hette/ vonn wegen der
armen/ ellenden/ gotlosen und Christlosen menschen.

Philip. 1.Paulus begert zů sterben/ uff das er/ mit groͤsserm nůtz/
und unvorhinderlich/ mit Christo sein moͤcht/86 wie moͤch-
tesx denn ye gesein/ das er fuͤr seine bruͤder sterben unnd
hangen/ und von Christo gescheyden sein woͤlt? Es ist
unmuͤglich/ das einer den geist christi hab/ des sich Chri-
stus ernstlich ruͤmen thut/ unnd wider Got/ oder wider
Christum sein/ oder in eincherleyy weyse wuͤnschen mag/ von
Christo/ oder wider Christum zuͤ sein/ in leidender oder
wirkender weise.87 Die gotis geist haben/ die werden zů got/
nit von Got gefuͤrt. Welcher Christus geyst hat/ der ist
Christi/ und er kan weder mit worten/ noch mit gedancken/
noch mit der that/ one Christum/ oder wider Christum sein/
denn der geist treibt ihnen/ er můß sagen. Ich bin Christi/
unnd ich stehe bey Christo/ unnd kan yhm nicht anders
thun/ so lang er das werck des geysts Christi leydet.88

Buchsymbol fehlt Nuͤ hat Paulus offentlich gesagt. Das Christus in yhm
sey/ und auß yhm rede.89 Darumb ist es unmoͤglich das er/
als dann/ gewůnscht habe/ von Christo verbant/ unnd
verstossen sein/ do der geist Christi/ sein werck in Paulo
auffs hoͤhiste treyb/ nemblich/ do er Christum den Rhoͤ-
mern90 bekant. Wie wol ich/ in keyner abrede bin/ dann
das gesein mag. Das ein rechter Christ wuͤnschen darff
das er vonn Christo/ verbant sey/ fuͤr seine bruͤdere/ als
oben vertzelt ist. Die weyl auch Christus/ den bann
und verflůchung aller menschen auff sich legt und trůg.
Welche yrer sunden halben/ von Got dem vater fern und
abgesundert waren.

Das aber Christus dem bann und seyner absonderung/ oder
verfluchung ursach geben hab/ darff nyemandts sagen/
denn der/ der Christus ere und getzeugnis aller Prophe-
ten und Aposteln/ verwirfft/ so von Christus unschuldt
und heyligkeyt geschrieben.

Also auch hat Paulus gewuͤnscht/ das er/ der bruͤder
halben/ auffgehenckt wurd/ als eyner/ der die acht oder
bann verschult/ und nit verdient/ von der wegen/ die das
Anathema verdienen. Nicht das er dem bann ursach
gebe/ oder etwas thůn woͤlde/ das wider Gottis willen
were/ oder das er wůnschet zů seyn/ als die Christlosen/
oder das irgent eynem etwas wolt ein zeytlang nach-
lassen/ in eynem widerchristlichen wesen zuͤ bleyben.

Nein/ Nein.91 Sondern das er gerne die straff leydenn
wolt/ welche die Christlose leiden solten/ die gotis gůnst
und Christus leyden versprechen92/ als Christus thet. Al-
les darumb/ das die Christlosen Christformig93 wurden/
und ir widerchristlich und gotloß wesen zerrůck wůrffen94.

Die hebreische sprache/ gebraucht ein wort das heisset
(Herem)95 und wirt gemeinlich also vertůlmetzscht/ ana-
thema/ zů deutsch bann/ oder acht/ Got wolt/ das die
acht oder bann wider etzliche mißhandler gesprochen/
Buchsymbol fehlt und gebraucht wurde. Got bevalch auch seynem volcke/
das sie yre feynde/ solten verbannen oder in die achte
thun/ welche Got in ire hende geben.96 Idoch solt un-
terscheyd zwischen/ den feynden/ des volcks Israel ge-
halten werden. Welche das volck bannen oder nicht ban-
nen moͤcht. Es waren auch etliche sunde/ die Got so
groß unnd greulich schaͤtzet/ das Got/ alle die yhene fuͤr
bannisch und in der acht hielt und wolt gehalten haben/
so sich daran vergriffen.

Druͤmb solt man auch keynen bann oder acht ver-
kůndigen/ dann nuͤr in goͤtlichen sachen. Auch solt
man nyemandts in die acht sprechen/ oder verbannen/
oder kein ursach des banns wissen/ dann alleyne die/ die
von Got scheydt/ und wider Got setzet.
Und wir solten
Gottis willen so festiglich nach suchen und halten/ das
man keynen/ umb irgent eyner sunde willen verbanten/
den nůr alleine der sunde halben/ die got selber verbant/
und der acht wirdigk gesprochen hat.

Dann Gottis acht ist nicht ein geringe sache/ das
vornimb also das hebreisch wort (herem) heisset/ todt
schlagen/ verwuͤsten/ vertilgen/ unnd zů nicht machen.97
Dem nach/ ist Gottis bann/ oder acht/ nichts anders/
denn/ ein gerichtlicher Sententz/ oder ein ander urteyl.

Durch welches zuͤ recht gesprochen wirt/ das der bann-
wirdigk/ ein solcher sey/ unnd so greulich gesundt hab/
das er gebannet und geaͤchtet werden soll. Der misse-
that halben hat man nůr leuthe geaͤchtet unnd verban-
net/ die wider Gottis ewigen willen geschach/ die auch
von Got abschneidt unnd so greulich was/ das der/ der
nach Gottis bild geschaffen war/ solt vertilgt werden/
auß dem hauffen der kinder Adams.

Das wort (acht)98 sol man mit dem widersynnz ver-
stehn und es ist ein widersynnigs wort/99 denn es ist so vil
gesagt als one achtung/ also das man des menschen gar
Buchsymbol fehlt nichts mehr achten solt/ uber welchen die acht gesprochen
wurd. Druͤmb war ein solcher mensch zů nichts nůtz/ dann
zů seiner verderbnis.
Man doͤrffte auch/ keyne dingk/
kleyder/ gelt/ viech/ gueter/ heuser/ des verachten oder
verbanten/ uberbleyben lassen/ sondern alles/ mit ein-
ander verderben und umbrengen/ das dem verbanten zů-
Deut. 7. unnd. 20.stund. Es were dann/ das got etwas außgeschlossen het/
des man schonen moͤcht/ das Got auch zeyten than hat.100

Daraus lerne unnd sihe/ wie der verbant/ vor Got/
ungeacht/ und veracht/ und von got verworffen ist/ und
das das wort (Acht) ein widersinnigs wort ist/ denn es
heyst also verachten den verbanten/ das man gar nichts
achten sol/ das sein ist/ weder sein person/ noch seine guͤt-
ter/ man darff sich seiner nicht erbarmen/ noch yamern
lassen. Nů die weil ein verbanter von got/ ein solcher
ist/ dem Got unbarmhertzig ist/ den auch Got hasset
und neidt/ unnd wil das er auß seinen augen abgethan/
und one barmhertzigkeit vertilgt werd/ unnd gantz ver-
lesche. Also das sein name/ nicht mehr/ unter dem hy-
mel bleybe.101

Dem nach wer das nicht anders gesagt/ Paulus wolt
ein verbanter sein von Christo. Denn das Paulus wolt
der barmhertzigkeit Gottis entpern/ und vor gottis au-
gen nicht mehr sein/ auch gotis barmhertzigkeit nit mer
haben/ sondern von gottis und Christus augen/ also ver-
tilgt seyn/ das man seiner vor Got/ nicht mehr wolge-
dencken solt/ unnd das er unngern begeret/ etwas vor
Christo sein. Das villeicht der leydige teuffell nit wuͤn-
schen kundt. Das weyß ich/ das der geyst Gottis key-
nen menschen/ eynen solchen greulichen und widerchrist-
lichen wunsch eingeben mag. Darumb hats Paulus
auch nit so uber teuffelisch gemeint.

Exo. 32:Buchsymbol fehltDas etliche102MosenPaulo setzen/ unnd sprechen/
das Moses begert hab/ auß dem bůch des lebens getilgt
werden/103 thut nichts zů obertzelter rede Pauli/ denn es ist
noch nicht entschlossen/ was das bůch des lebens sey/104 auß
welchen Got die jhene vertilgt/ die yhme sundigen.

Zům andern/ wissen wir wol/ das got Mosi eyne sau
gab105/ das er so unweyßlich redet/ und zů got sprach. Tilge
mich auß deynem bůch etc.106 Denn got antwortet yhm also.
Ich wil dennest den auß meynem bůch tilgen/ der an mir
sundiget/107 als wolt er sagen/ gehin/ und sage mir nicht/
ich wil die sundt straffen/ yhm tage meyner heymsuch-
ung/ und yhr nichts schonen.108 Darauß ich verstehn/
das Moses sein unweyße bit faren ließ/ und Gotis wil-
len mit nichte widerstehn wolt/ vil mynder wolt Moses
auß dem bůch Gottis getilgt sein/ fuͤr seyne bruͤder/ als
er Gottis meynung verstůnd. Darumb reymets sich
nicht hieaa her. Paulus thet Got bitten/ das er den
stachell oder botten/ des sathans von yhm nemen wolt/
und erlangt nichts von Got/ dann ein abschlegig ant-
wort/ das yhme Gottis gnade gnůgsam were.109 Das
aber was110 nit so mechtiglich und offentlich wider Got/
das Paulus zů der selben zeyt bat/ als das gebet Mosi
war. Oder als der wůnsch Pauli wer gewest/ wenn er
lautten solt/ als yhnen die welt deutt unnd außlegt.

Nemblich das Paulus wůnscht/ nichts gemein zůhaben
mit Christus barmhertzigkeit. Wie moͤcht er denn
recht gewuͤnscht oder gebeten habenn? Wiltu sagen
Paulus hat nicht gebeten/ sondern gewůnscht.111 Darumb
reymet sichs nicht das du von dem gebet fuͤrgibst.
112

Darauff sag ich. Das der wůnsch Pauli untzelicher
massen mehr wider Got ist/ dann sein obertzelts gebet/113
und ydoch verwůrff Got Paulus gebet. Wie vil mehr
hett got des Pauli ungoͤtlichen wuͤnsch verworffen so er
das inhieldt/ das ym die gantze welt gar nach114 zů misset.
Buchsymbol fehlt Es volget aber das sich Paulus/ mit nichte so vergessig-
lichab vergriffen hab/ das er sich der barmhertzigkeyt Christi
verzeyhen115 wolt. Das ist sonderlich auß dem zů mercken/
das er seyne bruͤdere an den ziehen wolt/ an welchem er
selber hienge unnd klebet/ der do was116 unnd ist Christus
Jesus ein sohn Gottis und Davids.117Darumb solt man
sehen auff die ursachen der reden Pauli/ unnd yhm seyne
wort nicht beugen118/ oder in eynen widerchristlichen synn
verkeren oder ziehen/
sondernac das halten/ das Paulus ehe
die gantze welt het erzornet unnd geergert/ ehe er sich der
freuntschafft Gottis unnd Christi het verzeihen119 wollen.
Das aber vil gedachter wůnsch Pauli/ keyn gebet seyn
soll/ das laß ich die erkennen/ die wissen/ wie die got ge-
nosse120 im geyste unnd der warheit bitten/121 den selben gib
ich zů erkennen/ ob der wůnsch Pauli/ nit auß dem geyste
und auß der warheit Gottis außgesprossen sey/ die weyl
Ro.9.Paulus saget. Ich gezeug in der warheit unnd durch
gottis geyst etc.122 Das aber laß ich faren/ und ich wolt
das ich auß solchem gemuͤt/ unnd so hefftiglich obligen
moͤcht.123 Wolte Got/ das ich ein verbanter wer von
Christo/ fuͤr die welt/ oder fuͤr meyne bruͤder/
als ich den inhalt Pauli/ von got gelernet/
und yetzt angezeygt hab.124 Datzů well mir
und allen gotfuͤrchtigen der barm-
hertzig geyst Gottis helffen.

Amen.

¶Gedruͤckt zů Jhen durch Michell-
Bůchfuͤrer. Anno. 1524.


aungebundnem B
bwa B
certzürnen B
dverhengen B
edarein B
fherab B
gleuge B
hleuge B
iobs B
jwer B
kan nehmen A
labsündern B
mPunkt vom Editor durch Fragezeichen ersetzt
nbezeuget B
odyß B
pdannocht B
qerzelet B
rsind B
sermürdten B
ttoͤdtlich B
udann B
vleidt B
wwon B
xmoͤcht es B
yaynicherlay B
zvom Editor verbessert für wider synn A, B
aain A
abvergeßlich B
acvom Editor verbessert für sodern A, sonder B

1Verständnis, Deutung. Vgl. DWb 25, 1525, s.v. Verstand Nr. 2; DWb 25, 1599 s.v. Verständnis Nr. A.2b.
2Vgl. Röm 9,3 Vg »optabam enim ipse ego anathema esse a Christo pro fratribus meis […].«
3Karlstadt offenbart die Praxis der collationes als gemeindliche Bibelstunden in Orlamünde. Die Laien waren aufgefordert, Fragen zum Verständnis der Bibel zu stellen und mit dem Prediger ins Gespräch zu kommen; der Gottesdienst wurde zu einem »Diskussionspodium«. Vgl. Joestel, Ostthüringen, 87–89; Joestel, Bauernkrieg, 200.
5Der ungebundene Geist als christlicher, nur Gott verpflichteter und von keinem menschlichen Gesetz gebundener Geist. Vgl. WA 20, 576,34–577,9: »Aber ein solchen zwang, wie der Juͤden war, sollen die Christen nicht haben, denn sie sollen an kein gesetz gebunden seyn […], sondern es sol ein freyes und ungebundenes volck seyn […].«
6eintreten für einen anderen, auch als Rechtsbeistand. Vgl. DWb 26, 1622 s.v. vorsprechen Nr. 1.
7Logische Conclusio, Vernunftschluss, Grundsatz, Schlusswort. Vgl. DRW 12, 886f.
8Auf die hier skizzierte Fragestellung könnte sich möglicherweise bereits in Was gesagt ist: Sich gelassen ein Verweis finden; vgl. KGK VI, Nr. 241, S. 147, Z. 19–22 mit Anm. 407.
10Zur höchstwahrscheinlich in Orlamünde unter Karlstadts Leitung vorgenommenen Entfernung der Bilder aus der Kirche vgl. KGK 267 (Textstelle), KGK 267 (Anmerkung), KGK 270 (Textstelle).
11weltliches, der Sünde verhaftetes Treiben, weltliche Lebensart, weltlicher Brauch und Mode, auch »kreis aller irdischen zur sünde verlockenden dinge«. Vgl. DWb 28, 1464–1467 s.v. Welt Nr. II.A.1–2.
12erzürnen.
14Vgl. hierzu Karlstadts Schrift Super coelibatu (KGK IV, Nr. 190, S. 225).
15Lk 14,26 Vg »si quis venit ad me et non odit patrem suum et matrem […] non potest esse meus discipulus«; vgl. auch Mt 10,37.
16anordnen. Vgl. DWb 25, 525f. s.v. verhängen Nr. 4.
17Zur Abwägung der Liebe zu Gottes Wort gegenüber der Liebe zum Nächsten vgl. die Schrift Von den zwei höchsten Geboten der Liebe (KGK VI, Nr. 247).
18bewusst darüber hinwegsehen bzw. nicht genau hinschauen; einem Regelverstoß tatenlos zusehen. Vgl. DWb 3, 1654 s.v. finger Nr. 10.
20Vgl. in Variation von Gal 1,10 Vg »[…] si adhuc hominibus placerem Christi servus non essem.«
21Vgl. die Bitte aus dem Vaterunser Mt 6,10 Vg »[…] fiat voluntas tua […]«; s. auch Lk 11,2. Hier eröffnet sich ein Zusammenhang zur Schrift Was gesagt ist: Sich gelassen, die das Gelassenheitskonzept im Licht dieser Vaterunserbitte entfaltet. Vgl. KGK VI, Nr. 241, S. 101, Z. 21 – S. 102, Z. 6 mit Anm. 8 u. S. 137 Anm. 316.
22anordnen; siehe KGK 250 (Anmerkung).
23vermindern. Vgl. DWb 1, 80 s.v. abnehmen.
24Vgl. Gal 1,8 Vg »sed licet nos aut angelus de caelo evangelizet vobis praeterquam quod evangelizavimus vobis anathema sit.«
25Vgl. 1. Kor 2,15 Vg »spiritalis autem iudicat omnia et ipse a nemine iudicatur« sowie im Kontext 1. Kor 2,10–16.
26zuweisen.
27Röm 9,1–3 Vg »veritatem dico in Christo non mentior testimonium mihi perhibente conscientia mea in Spiritu Sancto quoniam tristitia est mihi magna et continuus dolor cordi meo optabam enim ipse ego anathema esse a Christo pro fratribus meis […].« Vgl. die Übersetzung in LuthersSeptembertestament: »Ich sage die warheyt ynn Christo, und liege nicht, des myr zeugnis gibt meyn gewissen ynn dem heyligen geyst, das ich grosse traurickeyt unnd schmertzenn on vnterlasz ynn meynem hertzenn habe. Ich habe gewundschet verbant zu seyn von Christo, fur meyne bruder […].« (WA.DB 7, 56).
29Vgl. das um den Verweis auf die Brüder im späteren Vers erweiterte Zitat von Röm 9,1f.; siehe KGK 250 (Anmerkung).
30Mit dieser »vorigen Rede« meint Karlstadt das Kapitel vor Röm 9; siehe KGK 250 (Anmerkung).
31Karlstadt wandelt die im Römerbrief getätigten, affirmativen Aussagen in rhetorische Fragen um; vgl. Röm 8,38f. Vg »certus sum enim quia neque mors neque vita neque angeli neque principatus neque instantia neque futura neque fortitudines neque altitudo neque profundum neque creatura alia poterit nos separare a caritate Dei quae est in Christo Iesu Domino nostro.«
33Zur vergleichbaren Dichotomie von Schale und Kern als Metaphern für mangelnde Erkenntnis Gottes durch Unglauben bzw. mittleren Glauben vs. Erkenntnis im Glauben vgl. KGK 274 (Textstelle). Nur ein durch den Glauben erleuchtetes Herz kann die geistliche Wahrheit erkennen.
34Vgl. Röm 9,4f. Vg »qui sunt Israhelitae quorum adoptio est filiorum et gloria et testamenta et legislatio et obsequium et promissa quorum patres et ex quibus Christus secundum carnem qui est super omnia […].«
35Das Leid (Kreuz) in der Erkenntnis des Paulus, als er feststellte, dass seine jüdischen Mitbrüder den Messias Christus ablehnten. – Neben dieser historischen möglicherweise auch eine Referenz auf die gegenwärtige Situation: die Einsicht, dass trotz Aufdecken der evangelischen Wahrheit weiterhin Götzengläubige Bilder und Symbole wie das Kreuz anbeten und verehren. Zur Ablehnung der Kreuzesanbetung vgl. bereits Glosse des Ablasses (KGK IV, Nr. 193, S. 332, Z. 2–8 mit Anm. 116).
36reiner. Vgl. DWb 12, 378 s.v. lauter.
37ausgedehnter. Vgl. DWb 1, 990f. s.v. ausstrecken Nr. 2 u. 3.
38Die Liebe zu Gott und zum Nächsten wird parallelisiert, obgleich letztere aus ersterer fließt. Es ist auch ein Mitleiden mit Christus angesichts des Zeugnisses, dass die (historisch jüdischen) Mitbrüder die Gnade und Erlösung Gottes ablehnen. Zur aus Gott fließenden Liebe zu Gott und jeder Kreatur vgl. Theologia Deutsch (Franckforter), 101,1–6. Siehe bereits in Was gesagt ist: Sich gelassen (KGK VI, Nr., 241, S. 137, Z. 14–18). Vgl. hierzu Kaiser, Ruhe der Seele, 59; Evener, Enemies, 191f.
39Zur Definition der »glaubreichen Liebe« und des »liebreichen Glaubens« als höchstes Werk vollkommener Gottesliebe vgl. Von den zwei höchsten Geboten der Liebe (KGK VI, S. 241, Z. 15–18). Ähnliche Formulierungen in Wie sich Glaube und Unglaube halten: »das selb werck heysset der glaub/ welcher ein liebreiches erkaͤntnüß gottes ist« (KGK 274 (Textstelle)). Vorbilder für den »liebreichen Glauben« und die »glaubreiche Liebe« sind bei Tauler und in der Theologia Deutsch nicht nachweisbar. Ein früher Beleg für »glaubreiche[n] werke[n]« findet sich beiLuther (WA 15, 343). Die »glaubreiche Liebe« ist nur bei Karlstadt nachgewiesen; vgl. DWb 7, 7871 s.v. glaubensreich.
40reiner; siehe KGK 250 (Anmerkung).
41Artemisia, hier Bitterkeit in übertragener Bedeutung. Vgl. DWb 29, 430f. s.v. wermut Nr. 2 u. 3. Zur mystischen Konnotation und Dialektik von Bitterkeit des Leibs, der Welt und des Todes gegenüber der Süße der Erlösung bei Karlstadt s. Loci tres (KGK IV, Nr. 194, S. 379. Z. 11–13, hierzu auch KGK III, Nr. 166, S. 398 mit Anm. 68); Von den Empfängern des Sakraments (KGK IV, Nr. 183, S. 121, Z. 7f.); Von Gelübden Unterrichtung (KGK IV, Nr. 203, S. 541, Z. 1–3); Von beiden Gestalten der Messe (KGK IV, Nr. 205, S. 652, Z. 24f.; S. 660, Z. 18); Predigt vom Empfang des Sakraments (KGK IV, Nr. 210, S. 740, Z. 13). Vorgebildet bei Bern. Nat. An. 2,4, rezipierte Karlstadt v.a. Tauler; vgl. Hasse, Tauler, 78–80; 143.
42versagen, verbitten, verzichten. Vgl. DWb 25, 2513–2515 s.v. verzeihen Nr. A u. B.
43verachtet.
45Röm 9,5 Vg »[…] ex quibus Christus secundum carnem […]«; vgl. zum folgenden auch Mk 15,29–37.
47beharrlich.
49Zu beiden Deutungen vgl. Bauer, Wörterbuch NT, 106 s.v. anathema: Weihgeschenk; Gegenstand eines Fluches. Zum Wortgebrauch in Röm 9,3, siehe KGK 250 (Anmerkung). Karlstadts Erklärungen können von Erasmus' Annotationes in epistolam ad Romanos beeinflusst sein. Dort heißt es: »Anathema Graecis dicuntur res diis dicatae, et in hoc sepositae. […] Siquidem dicuntur dona in templis dicata numinibus, unde et latini veteres sacrum in malum sensum usurpabant, ut Horatius, sacer intestabilis esto.« (Erasmus, Instrumentum (1516), 439). Die Doppeldeutigkeit des Begriffs ähnlich, aber verkürzt bei Athanasius, Commentarii (1522), fol. 20r.
50Verständnis, Sinn, Bedeutung. Vgl. DWb 25, 1542–1544 s.v. Verstand Nr. B.5.
51fortfährt.
52Wohl kein Bezug auf eine Bibelstelle, sondern nur eine allgemeine Referenz auf die Kämpfe Davids gegen Ungläubige als Vergleich dafür, den Tod unter Gläubigen dem Leben unter Ungläubigen vorzuziehen.
53Vgl. Joh 15,12 Vg »hoc est praeceptum meum ut diligatis invicem sicut dilexi vos.«
54vorher.
55Zur Opposition von Licht und Wahrheit vs. Finsternis und Lüge vgl. Karlstadts zeitnahe Schrift Wie sich Glaube und Unglaube halten (KGK 274 (Textstelle) u.ö.).
56sich.
60Möglicherweise Bezug auf Röm 8,13; Gal 5,16.
61Verständnis, Erkenntnis. Vgl. DWb 25, 1524–1526 s.v. Verstand Nr. A.1 u. A.2a.
62Joh 17,9 Vg »ego pro eis rogo non pro mundo rogo sed pro his quos dedisti mihi quia tui sunt.«
64Hier beginnt Karlstadt, die Gegenargumentation des Diskussionspartners (möglicherweise in einer Orlamündercollatio) ad absurdum zu führen.
65(der Sache) vergessen; unbedacht. Vgl. DWb 25, 424 s.v. vergeszlich Nr. 2: »einer der, etwas das vergessen wird […].«
66Erneut Bezug auf Röm 9,1–8.
67gleich, schnell, darauf, den Umständen nach. Vgl. DWb 1, 1081–1084 s.v. bald.
68Erneuter Verweis auf Gal 1,8; siehe KGK 250 (Anmerkung).
70Formulierung unklar. Vermutlich »leitet sich [daher] ab« oder »verleiht sich [daher]«; auch möglich: »leidet sich« im Sinne von »sich zueinander fügen, passend sein«; vgl. FWB s.v. leiden Nr. 8.
71Vgl. Gal 3,13 Vg »Christus […] factus pro nobis maledictum […]«; zitiert wird hier 5. Mose 21,23.
72Vgl. Jes 53,4 Vg »vere languores nostros ipse tulit et dolores nostros ipse portavit et nos putavimus eum quasi leprosum et percussum a Deo et humiliatum«.
73In die Exegese von Gal 3,13 (siehe KGK 250 (Anmerkung) und KGK 250 (Anmerkung)) mischt Karlstadt den ebendort anklingenden Vers aus 5. Mose 21,23 Vg »[…] quia maledictus a Deo est […]« ein.
74war.
75noch.
77Vgl. Gal 3,13 Vg »Christus nos redemit de maledicto legis factus pro nobis maledictum quia scriptum est maledictus omnis qui pendet in ligno.«
78Gegen die doketische Vorstellung, dass Christus das Martyrium nicht als Mensch erlitten habe, sondern nur zum Schein, da er ein »himmlisches Fleisch« besitze. Ob Karlstadt hier etwaigen Angriffen Luthers vorgreift, der stets die Einheit der Person Christi in der Fleischwerdung betonte, ist nicht nachweisbar. Durch die starke Betonung der göttlichen Natur des Erlösers geriet Luther selbst in den Verdacht des Doketismus. Zwingli und Oekolampad warfen ihm in seiner Schrift Dass diese Worte Christi»Das ist mein Leib«noch fest stehen, wider die Schwarmgeister von 1527 (WA 23, 64–283) eine Beeinträchtigung der begrenzten menschlichen Wirklichkeit des Leibes Christi vor. S. auch bereits WA 17.II, 242,35–37 u. 244,5–13. Vgl. Lienhard, Luthers christologisches Zeugnis, 133f.; 155; 161. Wiederum zu Luthers Angriffen auf den Doketismus vgl. WA 23, 201,31–203,2.
79Erwartung, Verdacht, Meinung. Vgl. DWb 30, 1205 s.v. Wohn.
80ohne Schuld wie Christus. Vgl. Lk 23,4; 2. Kor 5,21; 1. Joh 3,5.
81Fortgang, Spaltung, Trennung. Vgl. DWb 1, 144 s.v. Abtritt.
82ohne Entfernung, Abkehr von Gott wie Christus; vgl. 1. Joh 4,9. Zur Trennung von Gott als ewiger Tod und Wandeln in der Finsternis vgl. Röm 6,23; Apg 26,17f.
85aufgegeben, preisgegeben, verraten. Vgl. DWb 23, 251f. s.v. übergeben Nr. I.
86Vgl. Phil 1,23 Vg »coartor autem e duobus desiderium habens dissolvi et cum Christo esse multo magis melius«; vgl. auch Phil 1,21.
87Vgl. Theologia Deutsch (Franckforter), 101,6–8: »Unnd wer got gehorsam gelaßen und underthan sal und wil seyn, der muß und sal allen gelassen, gehorsam und underthan syn yn lydender wiße und nicht yn thunder wiße […]«; Theologia Deutsch (Franckforter), 140,12f.: »Sich, also is eß euch, wer sich got gentzlichen laßen sal und gehorsam seyn, der muß allen gelassen und gehorsam seyn yn lidernder weiße […].« Siehe auch 1. Kor 12,3.
90Der Gemeinde in Rom.
91Anklang an Mt 5,37.
92verleugnen, zurückweisen. Vgl. DWb 25, 1469f. s.v. versprechen Nr. II.A.
93Zum Begriff der »Christusförmigkeit« vgl. KGK VI, Nr. 241, S. 135, Z. 22 – S. 136, Z. 1 mit Anm. 306 und KGK VI, Nr. 248, S. 289, Z. 5 mit Anm. 152. Die Begriffsbildung ist beeinflusst von Heinrich Seuse, der von einem »kristfoͤrmig ich« spricht (Seuse, Deutsche Schriften, 335,26). Für Karlstadt dient letztlich der Sabbat der Heiligung des Menschen dazu, einen gottförmigen Zustand zu erlangen. Siehe KGK 252 (Textstelle).
94zurückweisen, abwerfen.
95hebr. חרם (ḥ herem), mit der Wortbedeutung »töten, vernichten, verwüsten«, ist die schwerste Form der Zurückweisung (Bannung) in der jüdischen Gemeinde. S. Gesenius, Handwörterbuch, 397f. Vgl. Jos 6,16–19; 5. Mose 20,17; Ri 20; 21,10f.; 1. Sam 15. Die Verwendung der Klammer deutet darauf hin, dass Karlstadt plante, das Wort in hebräischen Buchstaben davor zu setzen. Zu zeitgenössischen Worterklärungen der hebräischen Begriffe vgl. Biblia complutensis (1514) 6, fol. 54v–55r.
96Vgl. 5. Mose 7,1f. u.a.
98Klammersetzung wie bei »herem« – vermutlich war eine Hervorhebung geplant.
99Karlstadt meint, dass das Wort »Acht« auf keinen Fall als »Achtung« gedeutet werden könne, sondern mit seinem Gegenteil, der »Nichtachtung« des Gebannten. Zur Wortetymologie vgl. DWb 1, 166f. s.v. Acht, abgeleitet von »ächten«.
101Vgl. 5. Mose 7,24 Vg »[…] disperdes nomina eorum sub caelo […]«; 9,14; 29,19; 2. Kön 14,27; zum Namen, der im Himmel geschrieben ist vgl. Lk 10,20; Hebr 12,23.
102Zu diesen »etliche[n]« gehörte jüngst Melanchthon; s. die folgende Anm.
103Vgl. 2. Mose 32,32 Vg »aut si non facis dele me de libro tuo quem scripsisti […].« Der exegetische Zusammenhang zwischen dem Wunsch des Paulus, ein Verbannter von Christus zu sein, und Moses' Bitte, von Gott aus dem »Buch des Lebens« gestrichen zu werden, war ein klassischer Topos. Er findet sich ebenso in LuthersRömerbrief-Vorlesung von 1515/16 (WA 56, 89,6f.) wie in Melanchthon, Annotationes (1522), fol. H3v. Dort steht aber allein der Gehorsam des Paulus im Mittelpunkt, der auch im Falle einer Verdammnis wirksam bliebe. Karlstadt betont stärker die Funktion der Gelassenheit im Rechtfertigungs- und Heiligungsprozess und diskutiert Varianten der Auslegung.
104Das »Buch des Lebens« (siehe KGK 250 (Anmerkung)) verzeichnet alle Gott wohlgefällig lebenden Menschen, die jemals auf Erden lebten; neben 2. Mose 32,32 beruhend auf Ps 40(41),8; 69(70),28f.; Dan 7,10; 12,1; Mal 3,16; Phil 4,3; Offb 3,5; 17,8; 20,12–15; 21,19.
105Unklar, vermutlich als Schmähung, Abwertung oder Beschimpfung zu verstehen. Vgl. Wander, Sprichwörter-Lexikon 4, 19 s.v. Sau Nr. 333: »Einem eine gute Saw geben. […] Ihn derb beschimpfen.« S. hierzu WA.TR 3, 241,18 u. 30 Nr. 3267: »dem wil ich ein gutte saw geben […] Dem will ich ein gute sau geben […].«
107Vgl. 2. Mose 32,33 Vg »cui respondit Dominus qui peccaverit mihi delebo eum de libro meo.«
110war.
111Vgl. Röm 9,3»optabam […].«
112Der Übergang in die Anrede in 2. Person Singular erscheint wie eine unmittelbare Wiedergabe einer collatio, die Karlstadt in Orlamünde mit Mitgliedern seiner Gemeinde abhielt.
113Vgl. 2. Kor 12,7–9 Vg »[…] rogavi […].«
114noch.
115verzichten; siehe KGK 250 (Anmerkung).
116war.
117Vgl. Röm 1,3 und darüber hinaus Mt 1,1; Lk 2,4; Joh 7,42; 2. Tim 2,8; Offb 5,5; 22,16.
118verbiegen.
119verzichten; siehe KGK 250 (Anmerkung).
120Referenz ist Aug. civ. 11,33 (CCSL 48, 353,18) und vermutlich Gal 6,10; vgl. hierzu Karlstadts Ausführungen in KGK 246, S. 227, Z. 12 – S. 228, Z. 6 mit Anm. 172.
123Indem Karlstadt wünscht, mit derselben geistlichen Haltung wie Paulus Gott streng zu gehorchen, ersteht ein Zusammenhang zur zentralen These der Schrift Was gesagt ist: Sich gelassen, die die Erfüllung der Vaterunserbitte »Dein Wille geschehe« und den Gehorsam gegen Gott mit der Gelassenheit (als Lassen des Ichs, des eigenen Willens und der weltlichen Dinge) gleichsetzt; vgl. KGK VI, Nr. 241, S. 101, Z. 21 – S. 102, Z. 6; S. 137, Z. 13f.
124Karlstadt tritt in die Nachfolge des Apostels Paulus, indem er für den wahren Glauben den Bann auf sich nimmt, mithin zum Opfer wird. Siehe KGK 250 (Textstelle). Undeutlich bleibt, ob eine Verbannung von der irdischen Welt und den Mitbrüdern in Christo als eine Form der Gelassenheit imaginiert wird.

Downloads: XML · PDF (Druckausgabe)
image CC BY-SA licence
»