Nr. 229
Bitte und Vermahnung an Doktor Ochsenfart
Wittenberg, 1522, [Mai]

Text
Bearbeitet von Harald Bollbuck

BuchsymbolA1vDem wirdigen und achtbarn hern HanßenOchßenfart1 Doctor zu Leiptzig wunsch
ich Andres Bodensteinn verstand
gottlicher heilsamer Schrifftc.

Wirdiger Er/ an mich gelanget. Wie yr offentlich unnd
auff eurem Predigstulh/ heilige schrifft/ ym nomen der
Wittemberger/ trefflich solt honen2 und
smehend.3Und
das yr eur leib und leben wolt verloren haben. Wu yr
nit werdet erhalten und beweißen/ das meines lieben va-
ters Doctor Martinus Luther und meyne laher4 falsch und
unchristlich sey/ Sonderlich des artickelß halben/ ßo die
Messe betrifft
〈.〉5 Man sagt wunder/ wie yr/ yn6 dem sel-
ben artickel prellet7 und wüdet. Do schreyt yr/ das wir
ketzerisch gebern8. unchristlich handeln/ und die Christgleu-
bige ferfuren.9 do muß das kleine heufflin alhie ubel ho-
ren. Und muß gleich das horen/ das verloren sey. Do ist
keiner frum. do meindt yr/ ir habt unß bey unßern horen10〈.〉
Aber yr wisset wol/ wie/ der arm ley betrogen und verfurt
ist. Szo mercket yr〈/〉 das sie in irthumb auffertzogen seint
und das sie kein ewangelium gelernet. Drumb halt yr
unß fast11 warm12/ und verhondt unß nach eurem besten ver-
mogen. etc. wie man sagt und yr nit leucken13 kond.

Nu gefelt mir auß der massen wol〈/〉 das euch diße Christ-
lich sach ßo hert14 anligt. Und wolt got/ das yr euch nit sel-
ber waydet.15 und sucht kein eere/ dan gottis eere. Ich
forcht aber warlich/ das euch verdrissen thun/ das unßer
furnhemen/ eurem Turm16 (ßo yr for tzeiten/ wider die fru-
men Behemen erbaut habt) nachteil und schaden breng/
Ich laß mich beduncken/ das der selbe turm/ wider die nhe-
mer beyder gestalten/17 anfah tzu tzappeln und niderfallen.

Derwegen/ vermut ich/ das yr/ eurer aygen eere tzu gut/ unß
sonderlich mit euren nassen18 und süchtigen19 worten beschut/
und werffet unß inn kate20/ drumb das wir/ den gedachten
BuchsymbolA2r Turm enstigen21. Nuh/ wir wollen diß vermuttung hin-
dan setzen/ und erstlichf sehen/ mit welchem schwerd yr euch
weren/ und unß uber windten solt. Darnach wellen
wir euch bey eurer redlikeit und eeren vermanen/ und un-
ableßlich ansuchen/ das ir eurer kecken erpietung22 gnug thuet.

Paulus spricht das ein Bischoff Briester oder prediger
soll geschickt sein/ das ehr seine widersecher und veind/
durch heilsame reed uber windten mog. ad Titum
.1.23 Do
sehet ir Christen/ wie man euch und unß erstlich mit ge-
sundter24 schrifft soll vermanen. und ßo wir wolten wider
pellen/ sollen unß unßere vermeinte pfaffen und regenten
mit solicher heilsamer schrifft uber winden.

Alhie saget mir/ lieber ochs/ und tzerstosset eure horner
nit/ was die heilsame schrifft ist?
und welchen sermon
Paulus meynet/ wan er spricht/ Eyn Bischoff oder pfaff
sal die laher halten/ ßo einer getreuhen und glaublicher reed ist〈.〉25
Item wan paulus saget. Ir solt eure widersecher mit
heilsamer schrifft niderwerffen.26 Was ist heilsame oder
gesund reed und laher? Ich hoff/ ir werdet ye nit spre-
che/ das uns Aristoteles dafur gegeben sein. Dan Ari-
stoteles hat de Animalibus ventris27 geschriben wie huner
und genß feyst werden. Und macht eynem vil ehr28 tzu
einem hunner esser/ dan Christen. Ir dorfft auch nitt
sagenn/ das der Pauler29 laher bey euch die heilsame reed
sey/ da von Paulus sagt. Ursach/ das ir laher den alten
einfeltigen mutterlin vil schedlicher ist/ dan ein kloster vol-
ler fuchs unnd wolff. Wan ir taußent wolff hett/ sie
freßen nit ßo vil kelber/ küh/ ochßen/ und pfeerd/ alß eure
Paulenßes/ sonderlich eure lands mann.30 Sie wurden
auch nit ßo vil weins und birs trincken.
Weil sie dan
allen fleiß dahin richten/ das sie sich speißen/ und die einfelti-
gen/ mit irer gleißnerey31 schaben32. Ist leichtlich tzu mercken
das ir/ der selben laher/ nit kond gesund und heilsam nennen.

¶ Ir dorfft auch nit sagen/ das alte gewonheit und ubung
BuchsymbolA2v die heilsam laher ist/33 da von Paulus geschriben hatt/ und ihr
unß uberwinten sollt. Dan Christus spricht nit. Ego
sum consuetudo. sonder. Ich bin der weeg/ warheit und le-
ben.34

Ir werdet nit dorffen klappern/ das der hei'ligen' vettern laher.
die heilsame laher sey/35 damit ihr eure wider sprecher solt
dempffen/ nach gs'ankt' Pau'li' leerungg. Dan ir wisset das der h'eilige'Au-
gustin getreulich verbeut. das wir om36 ye nit glauben geben/
und nit er37 anhange/ er38 wir die h'eilige' schrifft und seine grund wol
ermessen haben/ ap sie inhalt und meynung h'eilige' schrifft haben
oder nit.39Disse vermanung hat August'inus' allen seinen leesern
und zuhorern/ jungk und alt/ klein und groß geben. Und wil〈/〉
das sie ynen/ durch h'eilige' schrifft urteiln/ loben/ schelten annhemen
oder verwerffen. Als ir wol lesen kond in dem c'apitulo' Noli meis40
und c'apitulo' Ego solis.41 und andern c'apitulis' d'istinctionis' ix.42 Auß welchen wolget43. das
die laher August'ini' mit nichte die schrifft ist/ damit du unß
ader andere wider sprecher kanst uber windten. Dan wir
mogen August'inum'h selber durch h'eilige' schrifften niderwerffen/ das
er auch begeret.

Ir kond auch nit sagen/ das die Concilien die heilsame laher
seind/44 do mit/ der Pfaff/ seine wider reder soll iuber wal-
deni45. wie Pau'lus' leret.46 Dan ir wisset/ das ein Concili'um' wider das
ander ist/ wie auch August'inus' schreibt.47 So ists euch nit ver-
borgen/ das yhr Romische Pfaffen das Concili'um' der Aposteln
verworffen habt/ welche gesetz und geordenet haben/ das
die glaubige sich solten endhalten/ vor den opffern (ßo den ab-
gottern geben waren) und vom blut/ ersteckten48 thiern. und un-
keuscheit. Acto. xv.49 Das Concili'um' haben deine gotter nit an-
genomen. Dan rom ist voller hurheuser/ so lassen die geist-
lich Bischoffen tzu/ das ein yede statt ir eigen. hurhauß hat〈.〉
Item. ßo weistu wol/ das die gute haßen in irem. schweiß und
bluth nit ubel schmecken. ¶ Auch sehen wir/ wie die pfaffen
und Monichenj/ nach kden opfernk trachten/ wie die füchs nach
hünern. welche der einfeltig/ den heiligen opfert. Und kan
nymandt abreden/ Das allenthalben/ wider das Consilium
der Aposteln50 gelebt. Weil ir aber der Aposteln Concilium
BuchsymbolA3r nit annhembt/ habt ir tzu achten/ das wir eure Concilia
auch nit sollen forchten. ¶ Wir sollen und wollen auch
in göttlichen rethenl51 stehn/ wollen wir anders woll/ unnd
sicher stehn/ und vor boßen gedancken und weegen behuͤtm
werden. alß Hiere. am xxiii.52 geschriben steht.

Der wegen dorffet ir nit gedencken/ ader versuchen/ wie
ir uns mit eurem Aristotelen/ mit dem wolffischen Monicheno/
oder mit alter gewonheit/ und gehabten Concilien thutt
uberwindten/ dan der keines ist die gesunde und heilsame
laher/ do von Paulus schreibt. ¶ Wir forchten allein got-
tis wort/ welches der heil'ige' geyst/ durch seine diener geredt
hatt.53 ¶ Das selbe schwerd musset ir tzu henden nhemen/
wolt ir unverspott/ vom planh54/ gen haus kumen.

¶ Brenget ir ein anders schwerd oder schild werden wir
euers fechten lachen/ ir welt eß dan mit euren fatzelletlein55
umbwinden. Das weiß ich/ obp mich gleychq ymand/
mit einer andern schrifft niderwurff (die nit heilsame la-
her ist) das ehr mich nit in der warheit gefangen hett.

Im schein und schatten wer ich gefangen/r nitts in der
warheit. Mann solt auch des blinden fechters nichstt
minder lachen/ dan meiner. In der summa. Wir we-
ren beyde thoren/ und narren. der obsiger56 und uberwund-
ten57. Drumb mogt ihr euch auff das best umbsehen/
und heilige schrifft brengen/ do mit yhr euren rumehnu
nach gnung thuettv.

Ihr dorfft mir auch nit figuren58 und dunckell schriff-
ten hertragen.59 Ich wil klare und lichte schrifften haben/
ßo wil ich auch mit klaren schrifften antworten/ unnd
mit solichen/ das ydermann sehen und horen kan/ das ich
on frevell und unstrefflich schreib oder reed.

Domitw wil ich nit leucken/ das Propheten und Apost-
eln figuren außgelegt haben. Aber ich werd dir nit ge-
stehn/ dastu alte figuren/ nach deinen wolduncken/ auß-
legest/ yhr must ye selber bekennen. und secundum Sanct.-
thomam sagen. Scriptura symbolica non est argumen-
tativa.60 Auch ist euch bewust/ das Hieronymus tropolo-
BuchsymbolA3vgiam selber verlacht.61 Drumb dorfft yhr nit gedenckenn
das yhr mich mit außlegungx der figuren werdet verletzen/
eß wer dan/ das die schrifft ire figuren außgelegt hetty/ alß das
sie figur das Tabernackels und andere leiplicher dingen
erklert/ und Paulus den Tempell außlegt/62 und der gleichen
sonste geschehenz/ die selbe auslegunghen werden mich dringen.
Ich wil yhnaa auch auß willen gern weichen und sie annhemen.

Dem nach bedorfft ir nit vil arbeit/ wan ir saget/ das der
felß Christus ist/ von welchem wasser fleust/ das tzu dem ewige
leben springt/ das alle glaubige getruncken haben tzur seligkeit.63

Alßo bekenn ich das die mayt Agarab64/ das alt testament
bedeut/ welches tzu dinsparkeitac und burden gebird/ das
auch alle SoneadAgar nach dem fleisch geboren seind/ und
vervolgen den menschen/ welcher auß der verheischung
ist geboren. Also glaub ich/ das Sarai frey gewest ist/
und gebird Sone der freiheit/ dan yre Sone seind Sone
der verheischung/ welche frey und Evangelisch und von
allen burden des gesetz letig. Gala. iiii.ae65

Alßo laß ich nach/66 das meer (dadurch die Juden gan-
gen) ein figur des tauffs ist. Drumb das Paulus alßo fi-
guriert und außlegtaf hat.ag67

So geb ich tzu das wort gotis ein samen ist/ ein schwert ist/
ein feuer/ ein hamer ist/ ein lauter68 wasser ist/ ein unver-
muschter wein ist etc.69 Drumb das die schrifft alßo außlegt.

Aber wan ir neue und eigen deutnis uber die figurn welt
machen/ die nit in der schrifft geschriben stunden/ wurt ich
euren außlegen keinen glauben geben. Ja ich wil euch ein an-
ders sagen/ wan ir mir ein historien wolt geistlich außlegen/
die schlecht nach der historien/ gesetzt ist/ wurt ich eur lachen
ap eure außlegung sonste in der schrifft begriffen wer. Ex-
emplum. Ich beken/ das Christus unter seinen nehsten und be-
kanten nit gefunden wirt/ alß Joan. i. steht. Die seine haben
yhn nit angenomen/70 das ir aber das durch den text Luce. 2.
wolt beweisen/ do wir lesen wie Maria und Joseph Jesum
tzwuschen den fruͤnden und bekanten suchten und fanden yhn nit/71
wert ich nit tzugeben/ damit wil ich euch gewarnet und ge-
sagt haben das ir bequeme schrifft solt brauchen.72

BuchsymbolA4r Ir solt auch die schrifften nit mit den horen73 tzihen/ und
sie bigen/ wie ein wichße naßen74/ ir solt uns lauttere und
schone sententz furen die leuthe fahen und halten/ das ich
auch wil thun.

Endlich setze ich Paulum selber anher/ dero offentlich
leret/ welche laher gesund und heilßam ist/ dadurch eyner
streiten sol. S. Pauls wort lauten alßo. ¶ Die schrifft ßo
von got herab geben/ ist/ nutz zu einer laher/ zu straffen/ und
bessern/ und underrichtung in der gerechtickeit/ auff das
der mensch gotis/ gantz und volkomen/ und tzu einem yden guten
werck bereitt sey. ii. Timo. iii.75 Sih da〈/〉 liber Ochßenfart〈/〉
du must mich mit gottlicher schrifft antasten/ wiltu an-
ders obsigen/ und deinem rümenah nach komen. du hast nur eine
schrifft/ die ein h'eilige' laher ist tzu straffen/ bessern/ tzu under-
richtung/ tzu underweißung/ wie ein mensch volkumen und
tzu allen gutten wercken geschickt wirdt. sih und merck〈/〉
das du nit werdest aus deinem kopff sagen. Das werck ist
gut/ und genesai boß. du kondest dan ouch schrifft tzeigen. und
das getzeucknisaj geben/ das gott fodert. Wiltu sprechen〈/〉
Die von wittenberg/ handeln ubell und ketzerisch mit der
Messe. ßo mustu das durch getzeucknis h'eiliger' schriffte war
machen und beweißen/ wil ich sprechen/ das mit den Messen
ubel und schalcklich gehandelt/ muß ich das durch schri-
fften betzeugen. Dan die h'eilige' geschrifft ist reich/ warhafftig
und gnugsam tzu tzeugen und pindet unß an ir aigen tzeugk-
nis/ alß Christus spricht. Sye haben Moysen und Pro-
pheten. Item Moses hat von mir geschriben. Wan ir Mo-
si gleubet/ ßo wurdet ir mir auch gleuben.76

Sih und halt das wol/ das gotliche schrifft eyn laher ist
tzu underweißen/ und eyn nutze uberwindung/ und eyn
fruchtbare besserung und underrichtung des menschen
das er volkumen werd. Durch gottliche schrifft mustu unß
leren/ anfechten/ uberwinden und bessern. Du darffest
dir nit furnhemen/ das wir unß/ vor deynen gifftigen otemak
und fürtzen endsetzen/ alte kacheln magestu tzytern machen〈/〉77
aber Christen kanstu nit erschrecken.

BuchsymbolA4v Mercke auch du spitzhornichter ochße/ dastu die sch
rifft nit nach deinem hirn darffest außlegen/ du must sie
gebrauchen und außlegen/ wie sie der heilig geist außlegtt〈.〉78
Alß Petrus .ii. c. i. leret sagend. Prophetische schrifft.
soll nit nach aigem menschlichen willen erkleret werden.
Ursach. das sie nit durch menschlichen willen hergetragen
ist. Die heiligen gotis haben gerett wie sie von dem h'eiligen'
geist bewegt gewest seind.79 Drumb mustu schrifften
durch schrifften erkleren/ außlegen und lautern/ und das
licht des heyli'gen' geistes furtragen/ wan du rumrettiger80
schirmer beweyßen wilt. das wir irren/ leuth verfuren/ und
ketzerey machen.81 Bistu ein Doctor der h'eiligen' schrifft〈/〉 ßo
weistu wol dastu der schrifft offt geschworen und verayd
bist. und das dir die schrifft zu einer form/ regel/ weg/ und
weiß geben ist.

Demnach bekenn ich/ das Doctor Martinus Luther eth-
licheal bucher und leer von der Meß hat lassen außgehn/82 und
hinfuro wirt außschicken/ welche ehr alle/ wol/ on meinen
beystand/ kan/ vor aller welt/ verteidigen.
Derhalben
wil ich auff das mein sehen/ und beken mich auch dartzu.
das ich etliche buchlin (die Messe betreffen) hab fur man-
gerley augen gelegt/ wil auch furt mehr lassen furlegenam/ den
Christen tzu gut.83Szo hab ich ouch die evangelische
Messe und weiß mit der tattan angetzeigt
/84 wie wol ich dan
noch vil stuck nachgelassen85 hab.86 die dich und deinergleichen
darumb seltzam und from87/ boß und ketzerisch duncken〈/〉 das
du weiß und wort des ewangelien nit wilt annhemen. wie
du alten gebrauch/ und heidnisch laher annihmbst.

Dir sey aber trutz/ und ein schniplyn88 geschnelt89/ dastu mir
ein herlein krumest. Nicht derhalben/ das ich ßo vil von
mir halt. Sonder derwegen〈/〉 das ich weiß〈/〉 war auff ich
grunde und fuessze. Und das ich weiß/ das die warheitt
weder liegen/ noch bedrigen/ noch verfuren kan.

Bystu aber der Ochße/ der die wend umbstosset. den die
ougen feuren/ und der mit füssen scharret/ und wil Evan-
gelischen brauch und wort umbsturtzen/ ßo kum anher/
BuchsymbolA5r leine dich auff/ und versuch was du kanst/ beweiß deine
kreffte/ spring/ leck/ plerr/ stoß/ und gebrauch alle deine kre-
fften/ und laß doch fulenao/ wie vest deine horner stehnt.

Mir ist vil an der sach gelegen/ dan ich weiß das got/ vil
an seinen tzusagunhenap und tzeichen gelegen ist.90 Das man
om91 sein eere/ lob und glorien/ mit den Messen (wie/ sie bey
dir gehalten werden) abheubt92/ verkurtzt/ und das got ge-
lestert wird
.93 Eß werden auch die schefflin Christi.
ym glauben verhindert und geergert.94 Weyl du dan dye
kleine ergerst/ von welchin Christus spricht. Eß wer
besser man hieng eynem/ ein eselßmülen an hals/ und sencket
yenaq in das wasser/ dan das er eynen kleinen (dero Christo
tzugehort) ym glauben verletzt.95 Derhalben kan ich nit
mehr schweigen. Ich muß dich deines grosses ru-
mensar erinnern. Und kan nit stum sein/ Eß gebürt mir
auch/ dich aus deinem getzelt tzefodern/ dastu mein schrei-
ben und thun/ die Messe anlangend/ tzu nicht und ketzerysch
machest.96 Thun deinen rum volg/ tzeig an die ketzerey. deut
uff unßern mißbrauch. Bistu eyner frumen mutter Son〈/〉
ßo vall mich an/ und straff mich mit der Schrifft.

Du rumest du wollest Leib und leben verlieren/ wan du nit
kanst beweißen/ das unßer schreiben ketzerysch ist〈.〉97

Ich wil mit dir umb .c. guldin98 schreiben/ das noch gerin-
ger ist dan dein nagel am kleinen tzehen/ oder um einen rock/
dan solt ich mit dir umbs leben disputiren. vermogt ich dich
nit besser tzumachen/ wan du aber lebendig bleibst. ßo hoff
ich du werdest gewinnen wie die andere widersecher.99

Ich wil dir gern vergonnen/ und tzugeben/ dastu den grohen
Doctor tzu Torgau100 / den Tollen grohen gesellen tzu Czerwick101 und gantz Conventas der holtzuger tzu Brandenburgk102 nymbst.
und wan103 du tzu dir bringen kanst. das sie dir helffen/ uff dastu
gut pfeil schissenat mogst. Wirdestu aber an dich halten/ und
alßo mauchellich104 pellen und nach reden/ Solstu wissen/ das
ich nit sweigenau wil. Ich wil dich butzen105 und mutzen106 wie dir
von noten ist. Wiltu aber ablassen/ und die Christen nit ver-
furen/ ßo wil ich dir meine iniurien gern vergeben/ die ich
BuchsymbolA5v dirav doch an107 das vergeb/ doch dem Evangelio un-
schedlich. Ich wil dir auch hende und füssen tzu dienen
leyhen.

Du kanst selber dencken/ das Christus saget. Wer mich
bekendt/ den werdeaw ich vor meynem vatter auch bekennen〈.〉
Welcher mich verleucket/ den wil ich auch verleucken.108

Ich byn gott mher schuldig dan aller welt.109 Und will
meyne seligkeit nit/ deyner halben/ verlustig werden/ und des
warten〈/〉 darumb mich Christus mocht verlauckenax110 und dem
teuffel geben. Derhalben magstu selber abnhemen wu
mich der schugh thruckt. Auch weystu wol/ wie wir
auff nutz/ frumen/ und gedeihenay unßer negsten sollen trach-
ten/ und gar nicht das unßer suchen.111 Wir wollenn
von nutz und gedeyhen der Selen handeln/ die ewig ist/
Derwegen laß unß sehen. das wir gotes eere/ wort/ unnd
glorien eyniglich meynen. Szo wirt unßer Selen seligkeit
mit auffgehn. Dar tzu helff unß got durch Christum
Amen.

azGedruckt tzu Wittenberg

M.D. xxii. Jar.

Nick'las' Schyr'lentz'.az


aBodenstein B
bWittenbergi B
cgeschrifft B
dschmehen B
ekot B
fernstlich B
g-gs. Pauls leer B
hAngust. A; Augustin B
i-iüberwinden B
jMünich B
k-kdem opffer B
lrechten B
mbehutt A2
nArestotele A1
oMünichen B
pap A2
qgleich A2
rVirgel fehlt A1
snit A2
tnicht B
uriemen B
vthuet A2
wDo mit A2
xaußlegnug A2
yhet A2
zgescheen A2; geschechen B
aaihn A2
abAger B
acdienstperkeit B
adSüne B
ae4. und fehlender Absatzumbruch A1
afaußgelegt B
agfehlender Absatzumbruch A1
ahriemen B
aijhenes B
ajgezeügnus B
akattem B
aleerliche B
amdarfür legen B
anrat B
aosehen B
apzůsagungen B
aqyn B
arruemes B
asvom Editor verbessert für Covent A, B
atschiessen B
auschweigen B
avdavor die ich A – vom Editor gestrichen
awwürde B
axverleügnen B
aydeyhen B
az-azfehlt B

1Hieronymus Dungersheim aus Ochsenfurt (1565–1540), s. KGK 227 (Anmerkung). Karlstadt vergibt an ihn fälschlich den Vornamen Hans, ebenso in der konfiszierten Schrift gegen Dungersheim; vgl. KGK 227 (Textstelle). Zur allgemeinen Verwendung des Vornamens Hans vgl. KGK 229 (Anmerkung).
2verhöhnen.
3Auf welche Predigten sich Karlstadt bezieht, ist nicht genau zu rekonstruieren. Dungersheim predigte auch in Leipzig; Aufsehen erregten in Wittenberg aber seine Predigten auf der Visitationsreise Bf. Johanns VII. von Meißen am 3. und 4. April in Herzberg. S. Pallas, Briefe, 262–270; Freudenberger, Dungersheim, 173–175. Dazu vgl. KGK 227 (Anmerkung); KGK 227 (Anmerkung), KGK 227 (Anmerkung) u. KGK 227 (Anmerkung).
4Lehre.
5Vgl. Barge, Karlstadt 1, 413. In der ersten Herzberger Predigt behauptete Dungersheim, er wolle seine Seele als Pfand einsetzen, dass die Konzile und Patres die wahre Lehre verkündigten; vgl. Pallas, Briefe, 265; Freudenberger, Dungersheim, 174; 185.
6gegen.
7wegstoßen, betrügen. Vgl. DWb 13, 2100 f.
8Transitiv zu verstehen: »uns gebären«.
9In der ersten Herzberger Predigt behauptet Dungersheim, dass die neuen Prediger, die Satzungen der Kirche verwerfen, auftreten, als hätte sie der Heilige Geist inspiriert, und das Kirchenvolk anfahren, während sie zugleich Freiheit predigten; vgl. Pallas, Briefe, 264 f.; Freudenberger, Dungersheim, 174.
10Wohl Ohren; vgl. KGK III, Nr. 167, S. 442, Z. 17 mit Anm. 86.
11verstärkend, im Sinne von fest, sehr. Vgl. DWb 3, 1348 f. Nr. 1 u. 4.
12Die Verwendung von »warm« ist hier nicht ganz klar, möglicherweise im Sinne von »einem zusetzen«. Vgl. DWb 27, 2042: »einem warm machen, ihm zusetzen im kampfe, im wortgefecht, ihn in die enge treiben, in unruhe versetzen […].«
13leugnen.
14sehr; abgeleitet von hart. Vgl. DWb 10, 506 f. Nr. 12.
15Verweis auf die von Dungersheim verwendete Metapher vom Bischof Johann als Hirten, der stellvertretend für alle Prälaten die Gläubigen Schafen gleich weidet; vgl. Pallas, Briefe, 263 f.; Freudenberger, Dungersheim, 173.
16Karlstadt bezieht sich auf das Titelblatt von Dungersheim, Confutatio (1514). Der Titelholzschnitt zeigt eine Kirche mit Wehrturm, die sich gegen Ketzerangriffe, u. a. des böhmischen Utraquismus, wehrt; vgl. Zorzin, Flugschriftenautor, 151.
17Dungersheim, Confutatio (1514), fol. B6v–D1r setzte sich gegen die Kommunion in beiderlei Gestalt ein; vgl. Freudenberger, Dungersheim, 64 f.
18trunken, verschlagen. Vgl. DWb 13, 422 f. Nr. Nr. 2g.
19sündhaft, verderblich, ungesund, krankhaft und krankmachend. Vgl. DWb 20, 897–903.
20Kot, Schmutz.
21entsteigen. Die Wittenberger Reformer verlassen den Turm der päpstlichen Kirche, der auf dem Titelblatt der Dungersheimschrift gegen die Ketzer verteidigt wird; s. o. KGK 229 (Anmerkung).
22Im rechtlichen Sinne Bereitwilligkeitserklärung, auch zu einer rechtlichen Auseinandersetzung. Vgl. DRW 3, 87.
23Vgl. Tit 1,9.
24Im Gegensatz zu den »süchtigen« Worten Dungersheims.
26Erneut Verweis auf Tit 1,9. S. o. KGK 229 (Anmerkung).
27Eine Verballhornung der Schriften des AristotelesDe historia animalium und De partibus animalium als fiktiv-satirischer Buchtitel »Über die Lebewesen des Bauches«.
28eher.
29Die Lehre, die im Paulinerkloster in Leipzig erteilt wird, war die Lehre der Universität, da die Paulskirche des Dominikanerklosters der zentrale Ort der Alma Mater war, an dem Promotionen, Disputationen und wichtige Zeremonien stattfanden.
30Ein ökonomischer Angriff auf das Klosterleben wie auf die bepfründeten Universitätsprofessoren, die in den Augen Karlstadts unnütz waren, da sie die falsche Lehre vertraten.
31Heuchelei.
32räuberisch zusammenraffen. Vgl. DWb 14, 1950 Nr. 1g.
33Dungersheim hatte sich in der Predigt gerade so geäußert, indem er das Festhalten an den alten Satzungen und Bräuchen sowie Verweise auf die Rechtmäßigkeit der Konzile und die Ewigkeit einer Kirche, die nicht irren könne, gegen die Reformen setzte; vgl. Pallas, Briefe, 264 f.; Freudenberger, Dungersheim, 173 f.
34Vgl. Joh 14,6 Vg »dicit ei Iesus ego sum via et veritas et vita […].«
35Dungersheim vertrat in der ersten Herzberger Predigt die Ansicht, dass das Papsttum auch von den Kirchenvätern (Augustinus, Cyrill, Gregor I.) bezeugt sei und gemäß Mt 28,20 Christus bis ans Ende der Welt bei der Kirche bleibe, was verhindere, dass diese irren könne. In der 2. Predigt stellte er die vom Heiligen Geist inspirierten Schriften der Väter als Glaubensquelle den Evangelien gleich. Vgl. Pallas, Briefe, 264–266; Freudenberger, Dungersheim, 173 f.
36ihm.
37ehe(r).
40Vgl. D. 9 c. 3: »Noli meis litteris quasi canonicis scripturis inservire […]« (CICan 1,17), mit Bezug auf Aug. trin. 3,1,2 (CCSL 50, 128,38–41); Aug. ep. 82,1,3 (CSEL 34.2, 354,4–25).
41Vgl. D. 9 c. 5: »Ego solis eis scriptorum, qui iam canonici appellantur, didici hunc timorem honoremque referre, ut nullum eorum scribendo errasse audeam credere, ac si aliquid in eis offendero, quod videatur contrarium veritati, nichil alius quam vel mendosum esse codicem, vel non esse assecutum interpretem, quod dictum est, vel me minime intellexisse, non ambigam.« (CICan 1,17). S. auch KGK III, Nr. 150, S. 130, Z. 20 f.
42Vgl. D. 9 c. 7: »Si ad scripturas sanctas admissa fuerint vel ofitiosa mendacia, quid in eis remanebit auctoritatis?«; D. 9. c. 8: »Litteris omnium episcoporum sacra scriptura preponatur.«; D. 9. c. 9: »Noli frater contra divina tam multa, tam preclara, tam indubitata testimonia colligere velle calumpnias ex episcoporum scriptis […].« (CICan 1, 17 f.).
43folget.
44Dungersheim hatte das Konzil von Konstanz als Bestätigung für die päpstliche Gewalt aufgerufen; vgl. Pallas, Briefe, 264; Freudenberger, Dungersheim, 173.
45überwältigen; überwinden.
47Vgl. Aug. bapt. 2,9,14: »Nam et concilia posteriora prioribus apud posteros praeponuntur et universum partibus semper optimo iure praeponitur.« (CSEL 51, 190,18 f.). S. auch KGK III, Nr. 163, S. 286, Z. 3 f.
48erstickten.
49Vgl. Apg 15,29 Vg »[…] ut abstineatis vos ab immolatis simulacrorum et sanguine suffocato et fornicatione a quibus custodientes vos bene agetis valete«; vgl. auch Apg 15,20. Bezogen auf Dungersheims in der zweiten Herzberger Predigt geäußerte Ablehnung der Kritik Luthers und Karlstadts am Opfercharakter der Messe: »Itzunder aber sprechen die hussiten: wer do ein messe helt, der tut drei totsunden, welches ist wider alle schrift und einigkeit der kirchen, und ist ein recht ketzerisch stuck. Eine messe, so ofte als sie geschicht, wirt aldo Got geopfert vor alle die ganze christenheit.« Vgl. Pallas, Briefe, 269; Freudenberger, Dungersheim, 175.
50Als Apostelrat wird das Treffen der Apostel in Jerusalem bezeichnet, das über die Einhaltung der biblischen Gesetze beriet; vgl. Apg 15,6–29.
52Vgl. Jer 23,22 Vg »si stetissent in consilio meo et nota fecissent verba mea populo meo avertissem utique eos a via sua mala et a pessimis cogitationibus suis.«
53Unklarer Bezug. Evtl. Hebr 1,1 Vg »multifariam et multis modis olim Deus loquens patribus in prophetis […].«
54Kampfplatz. Vgl. DWb 13, 1383 f.
55Eine verballhornende Anspielung auf ein kleines Faszikel und »fatzen«, d. h. Possen treiben. Vgl. DWb 3, 1363 f.
56Sieger.
57überwundene.
58Allegorien, Bilder.
59Bezug auf Dungersheims in der zweiten Herzberger Predigt benutzte Metapher vom »Schifflein Petri«; vgl. Pallas, Briefe, 267; Freudenberger, Dungersheim, 174.
60S. Thomas, In I Sent. d. 1 q. 1 art. 5 co: »Ad destructionem autem errorum non proceditur nisi per sensum litteralem, eo quod alii sensus sunt per similitudines accepti et ex similitudinariis locutionibus non potest sumi argumentatio; unde et Dionysius dicit in Epistola ad Titum, quod symbolica theologia non est argumentativa.« (Thomas, Opera (Busa) 1, 3). Mit Bezug auf Ps. Dion. ep. 9,1 (PG 3, 1103). Ähnlich Thomas, Quodl. VII q. 6 art. 1 arg. 4: »Sed nullus sensus praeter litteralem habet robur ad aliquid confirmandum, ut patet per Dionysium in Epist. ad Titum: dicit enim, quod symbolica theologia, idest quae ex similibus procedit, non est argumentativa. Ergo sacra Scriptura alios sensus praeter litteralem non habet.« (Thomas, Opera (Leonina) 25.1, 28,34–39). S. auch Thomas, S. th. I q. 1 art. 10 ad 1: »Et ita etiam nulla confusio sequitur in sacra Scriptura: cum omnes sensus fundentur super unum, scilicet litteralem; ex quo solo potest trahi argumentum, non autem ex his quae secundum allegoricam dicuntur […].« (Thomas, Opera (Leonina) 5, 25). Vgl. Bubenheimer, Consonantia, 128 Anm. 227 f.
61Hieronymus verstand unter Tropologie – die er begrifflich in die lateinische Literatur einführte – einen bildlichen bzw. symbolischen Sinn. Diese freie Auslegung musste sich, bei Anwendung auf die Heilige Schrift, an einem eng biblisch gebundenen Glaubensverständnis ausrichten und durfte nicht Gegensätzliches gewaltsam zusammenbinden. Vgl. Fiedrowicz, Prinzipien, 139 f. Nr. 77; Fiedrowicz, Handbuch, 209 Nr. 256. S. hierzu Hier. in Hab. 1,1: »Tropologia libera, et his tantum legibus circumscripta, ut pietatem sequatur intellegentiae, sermonis que contextum nec in rebus multum inter se contrariis violenta sit copulandis.« (CCSL 76A, 589,311–314). In Bezug auf Sach 14,20 Vg »in die illo erit quod super frenum equi est sanctum Domino et erunt lebetes in domo Domini quasi fialae coram altari« widerlegte Hieronymus tropologische Interpretationen, nach denen dieses in der Bibel erwähnte Zaumzeug des Herrn auf die mit Reliquien von Kreuzesnägeln besetzten Zügel Ks. Konstantins verweisen würde, als lächerlich. Hier. in Zach. 3,14: »Audivi a quodam rem, pio quidem sensu dictam, sed ridiculam, clauos dominicae crucis, e quibus constantinus augustus frenos suo equo fecerit, sanctum domini appellari. hoc utrum ita accipiendum sit, lectoris prudentiae derelinquo.« (CCSL 76A, 898,801–804; PL 25, 1540A). S. auch Hier. c Ioh. 7: »Sextum, quod sic paradisum allegorizet, ut historiae auferat veritatem; pro arboribus Angelos, pro fluminibus virtutes coelestes intelligens: totamque paradisi continentiam tropologica interpretatione subvertat.« (CCSL 79A, 14,19–22). Karlstadt verwendete die Begrifflichkeit tropologia auch in KGK IV, Nr. 190, S. 211, Z. 9 mit Anm. 47 u. Nr. 194, S. 362, Z. 5 f. mit Anm. 32.
64Agar bzw. Hagar, die Magd Saras; vgl. 1. Mose 16 u. 21.
65Deutung nach Gal 4,21–31.
66also gestehe ich zu.
68klares.
69Vgl. Mt 13,37 f.; Lk 8,11 (Samen); Hebr 4,12; Offb 1,16 (Schwert); Jer 23,29 (Hammer, Feuer); Jer 2,13 u. 17,13; Joh 3,5 u. 7,37 (lebendiges Wasser); Jes 55,1 (Wein). Vgl. auch KGK IV, Nr. 191, S. 268, Z. 11–S. 269, Z. 1: »Das wort gotis ist lebendig/ mechtig/ und durchgengiher/ dan yndert/ ein tzweyschneydig schwert […].«
70Vgl. Joh 1,11 Vg »[…] et sui eum non receperunt.«
71Vgl. Lk 2,44 f. Vg »[…] requirebant eum inter cognatos et notos et non invenientes […].«
72Dungersheim scheint Joh 1,11 (die fehlende Annahme Jesu bei den Seinen) mit Lk 2,44 f. (Maria und Joseph suchten Jesus unter seinen Freuden und fanden ihn nicht) interpretatorisch gekreuzt zu haben. In seinen Herzberger Predigten sind diese Motive nicht zu finden.
73Ohren; s. o. KGK 229 (Anmerkung).
74Wächserne Nase, meint in der Wissenschaft eine Lehre, die verschieden gedeutet werden kann und daher der Argumentation und Beweisführung bedarf. Vgl. Thesaurus proverbium medii aevi 8, 414 f. Nr. 8.1. S. auch die Verwendung bei Luther, Von dem Papsttum zu Rom (1520): »Also sehen wir, wie fein die Romanisten mit der schrifft handeln, machen drauß was sie nur wollen, als were sie ein wechsern nasen, die man hyn und her zihen mocht.« (WA 6, 305,24–26); ebenfalls in Luther, Decem praecepta praedicata (WA 1, 507,34 f.).
75Vgl. 2. Tim 3,16 f.»omnis scriptura divinitus inspirata et utilis ad docendum ad arguendum ad corrigendum ad erudiendum in iustitia ut perfectus sit homo Dei ad omne opus bonum instructus.«
76Vgl. Lk 16,29.31 Vg »[…] et ait illi Abraham habent Mosen et prophetas audiant illos […] ait autem illi si Mosen et prophetas non audiunt neque si quis ex mortuis resurrexerit credent.«
77Die Redewendung bezieht sich vermutlich auf das ironisch-pejorative Synonym von alten Kacheln für alte Frauen. Vgl. Wander, Sprichwörter-Lexikon 2, 1086 Nr. 2.10.
78Die Haltung der Reformer, die predigen würden, als seien sie klüger als alle Theologen zuvor und als habe der Heilige Geist nur auf ihre Erleuchtung gewartet, kritisierte Dungersheim in der ersten Herzberger Predigt: »[…] sie dunken gleich, sie weren die klugisten, gleich wi der heilige geist hette ir gehart bis aufs ende, das sie allein wusten, was zu der selikeit dinet.« Vgl. Pallas, Briefe, 265; Freudenberger, Dungersheim, 174.
79Vgl. 2. Petr 1,20 f. Vg »[…] omnis prophetia scripturae propria interpretatione non fit non enim voluntate humana adlata est aliquando prophetia sed Spiritu Sancto inspirati locuti sunt sancti Dei homines.«
80ruhmrediger.
81Karlstadt mag sich auf Aussagen aus Dungersheims zweiter Herzberger Predigt wie diese beziehen: »Die ketzerischen vorfurer haben itzunder gesagt, wir seien alle priester. Das ist erlogen und ist ein hussitisch stuck, wyckleffisch und ketzerisch und vorwerflich.« (Pallas, Briefe, 268). Beide Predigten Dungersheims sind mit Vorwürfen der Irrlehre, Ketzerei und Verführung durchzogen.
82Zu Luthers bis dato veröffentlichten Werken zur Messfrage zählen: Sermon von dem Neuen Testament (1520), in: WA 6, 349–378; De captivitate Babylonica ecclesiae (1520), in: WA 6, 484–574, bes. 512–526 zum Missbrauch der Messe als Opfer; besonders aber De abroganda missa privata (1521), in: WA 8, 398–476. In dieser Schrift beschäftigte sich Luther mit einer Reform des Messformulars und der Abschaffung des Messopfers. Zu einer neuen Ordnung der Messe sollte sich Luther erst später äußern; s. Von Ordnung Gottesdiensts in der Gemeine (1523); Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts (1526).
83Die wichtigsten Schriften Karlstadts zur Messreform, die veröffentlicht vorlagen und somit auch Dungersheim zugänglich waren, waren folgende: Von Anbetung der Zeichen (KGK IV, Nr. 204), Von beiden Gestalten der Messe (KGK IV, Nr. 205) und 138 Articuli (KGK IV, Nr. 199).
84Wohl ein Hinweis auf die von Karlstadt praktizierte evangelische Messe am ersten Weihnachtstag 1521 und die Reformen, wie sie sich in der Wittenberger Stadt- und Kirchenordnung (Artikel 14) niederschlugen. S. KGK 219 (Textstelle). Zur Weihnachtsmesse vgl. Barge, Karlstadt 1, 357–362; Leroux, Christag Predig.
85hinterlassen. Vgl. DWb 13, 85.
86Karlstadt spricht gegenüber Dungersheim ungebrochen von seinen Schriften zur Messfrage und den umgesetzten Messreformen. Das könnte gegen eine späte Abfassung der Schrift im Mai 1522 und eher auf einen Druck vor Luthers Rückkehr von der Wartburg Anfang März 1522 sowie der nachfolgenden Rücknahme einiger Reformen deuten. Andererseits sind in der Bitte an Ochsenfahrt die wesentlichen Reformforderungen, wie sie Anfang 1522 aufgestellt und angegangen wurden, ausgelassen bzw. in eine abgemilderte Sprache verpackt, sodass der Druck möglicherweise den Versuch einer Reetablierung der eigenen Person und eines reduzierten Reformprogramms durch Karlstadt darstellt.
87fremd.
88Nebenform von Schnippchen, etwas sehr geringes, ein Streich. Vgl. DWb 15, 1340; 1333 f.
89Unklar, vermutlich dialektal für schlagen. Vgl. auch DWb 15, 1334: »mansfeldisch ä schnippchen schlōn […].«
90Zu Karlstadts Theologie der Verheißungen und der Zuordnung der Zeichen vgl. KGK IV, Nr. 204, S. 610, Z. 2–6und KGK IV, Nr. 204, S. 603, Z. 14–16.
91ihm.
92Unklar, vermutlich enthauptet.
93Eine Kommunion in einerlei Gestalt lästere Gott; von ihrer Sündhaftigkeit, wie in KGK 227, spricht Karlstadt hier nicht.
94Auch hier benutzt Karlstadt mildere Formulierungen als in der konfiszierten Schrift gegen Dungersheim. Die falsche Glaubenspraxis hindere das Kirchenvolk am wahren Glauben. Es mag das Gleiche sein, wie in KGK 227, wo es heißt, dass die falsche Lehre das Kirchenvolk ins Verderben führe, ist aber milder ausgedrückt.
95Vgl. Lk 17,2 Vg »utilius est illi si lapis molaris inponatur circa collum eius et proiciatur in mare quam ut scandalizet unum de pusillis istis.« Weitere Parallelstellen Mt 18,6; Mk 9,42. S. hierzu auch KGK 232 (Anmerkung) u. KGK 232 (Anmerkung).
96Karlstadt zeigt sich ungebrochen überzeugt von seinem Schreiben und Handeln hinsichtlich der Messreform; s. o. KGK 229 (Anmerkung).
97In den Herzberger Predigten ist keine Stelle identifizierbar, wo Dungersheim eindeutig behauptet, Leib und Leben für den Beweis einzusetzen, dass die Schriften der Wittenberger ketzerisch seien. Allenfalls ist ein Bezug auf folgende Aussage in der ersten Herzberger Predigt möglich, die sich gegen die Wittenberger Prärogative des Evangeliums und Abwertung der Tradition richtet: »Evangelium, dis wort heist eine gute rede; so do euch nu was zimlischs gesaget wird, es sei auf den heiligen concilien und von den doctores, solt ir gewis gleuben, das es warhaftig sei; daruber wil ich euch meine sele zu pfande setzen.« (Pallas, Briefe, 265).
98100 Gulden betrug in dieser Zeit etwa das jährliche Professorengehalt Melanchthons; ähnlich das Luthers. Dies ergibt sich aus der Diskussion um die 1524 vorgeschlagene kfstl. Verdoppelung seines Gehalts auf 200 Gulden, was Melanchthon selbst ablehnte; s. das Schreiben des Kfst. Johann an die Universität Wittenberg vom 17.9.1525 (UUW 1, 133; WA.B 4, 29 Nr. 979); Melanchthons Brief an Johannes Agricola vom 20.12.1525 (CR 1, 784; 2, 365,1–19 Nr. 432); sowie Luthers Schreiben an Kfst. Johann vom 9.2.1526 (WA.B 4, 30,4–9 Nr. 979). Möglicherweise auch ein Druckerfehler; es könnte auch nur ein Gulden als Pfand gesetzt worden sein.
99Ironische Anspielung auf Johann Eck in der Leipziger Disputation.
100Möglicherweise meint KarlstadtDr. Jacob Schwederich, der aus Torgau stammte, dort in den Orden und das Franziskanerkloster eingetreten war und daher als Sohn des Torgauer Klosters galt. Als er 1519 an der Franziskanerdisputation teilnahm, war er im Barfüßerkloster Erfurt und an der dortigen Universität zum Doktor promoviert worden. 1522 war er Kustos des Bistums Meißen und Lektor im Dresdner Konvent. Sein Disput mit Gabriel Zwilling führte 1525 zum Sturm des Torgauer Franziskanerklosters. Vgl. Hammer, Militia Franciscana 2, 62–70; Bünger/Wentz, Brandenburg, 380; 394; Schlageter, Franziskaner, 22 f.; 30; 153–157; 290–303; Doelle, Klostersturm, 29; 56; s. KGK II, Nr. 139, S. 501 Anm. 1 und S. 505 Anm. 32. Valentin Tham entstammte dem Franziskanerkloster und wurde erster reformatorischer Prediger in der Stadt; er gehörte zu den von Bf. Johann VII. von Meißen Visitierten und musste am 3. April 1522 mit Dungersheim disputieren. Vgl. Pallas, Briefe, 275–278; Freudenberger, Dungersheim, 178. Zur Bezeichnung der Franziskaner durch Karlstadt als »grohe« (graue und grobe) Gesellen vgl. KGK III, Nr. 161, S. 219,Z. 1; S. 224, Z. 5; S. 252, Z. 1; Nr. 167, S. 432, Z. 12; KGK IV, Nr. 173, S. 16, Z. 17; S. 18, Z. 7; S. 19, Z. 8; S. 22, Z. 8.
101Welcher Ort mit Czerwick gemeint ist, bleibt unklar. Es könnte sich um Zerbst oder Zwickau handeln. 1520 hatte Thomas Müntzer eine Auseinandersetzung mit Tiburtius aus Weißenfels, Lektor im Franziskanerkloster Zwickau. Dessen gegen seine reformatorischen Bestrebungen gerichteten Thesen sind, vermutlich verzerrt, nur von Müntzer selbst in einem Brief an Luther vom 13. Juli 1520 überliefert. S. TMA 2, 50 f. Nr. 21; WA.B 2, 140,47–141,71 Nr. 311; vgl. auch Doelle, Kursachsen, 46–51 (dort wird der Mönch mit Tiburtius Advocatus (Vogt) identifiziert, der 1517 als Lektor in Zeitz tätig war). Am 26. März 1522 riet LutherNikolaus Hausmann, die Zwickauer Franziskaner, die auf der Beichte, Predigt und anderen Privilegien bestanden, nur mit dem Wort zu bekämpfen (WA.B 2, 483,4–14 Nr. 465); vgl. auch Karlstadts Verweis auf verschiedene Klöster in der Schrift Von Abtuung der Bilder; s. KGK 219 (Textstelle).
102Der gesamte Konvent der Franziskaner in Brandenburg. 1526 umfasste er 40 Brüder. Das Kloster stellte sich aktiv gegen die Reformation und wurde erst 1562 endgültig aufgehoben; vgl. Bünger/Wentz, Brandenburg, 363–370.
103wen.
104mauschelnd.
105putzen.
106schmücken, putzen. vgl. DWb 12, 2841 Nr. 2.
107ohne.
108Vgl. Mt 10,32 f. Vg »[…] qui confitebitur me coram hominibus confitebor et ego eum coram Patre meo […] qui autem negaverit me coram hominibus negabo et ego eum coram Patre meo […].«
110verleugnen.

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