Nr. 228
Verschollen: Schrift gegen die Heiligenverehrung wider Hieronymus Emser
[[Wittenberg], 1522, Mitte/Ende April?] (verschollen)

Einleitung
Bearbeitet von Harald Bollbuck

1. Referenz

Karlstadt erwähnt die zensierte Abhandlung in seiner Schrift Ob man gemach fahren soll im November 1524: »Ich hab von den schäden/ so auß haltung der teüfflischen heiligen kommen/ welche unsere nachpauren heiligen/ und wir götzen nennen/ der leng und weydt geschrieben/ wider den elenden und jemerlichen Bock Emser/ aber unthergeschlagen von wegen der neuen Papisten.«1

Literatur:

2. Inhaltliche Hinweise

Laut dem Hinweis aus Ob man gemach fahren soll befasste sich die gegen Hieronymus Emser gerichtete Schrift mit der Verehrung der Heiligen und ihrer Abbilder. Neben dem Traktat über die Messe (KGK 227) war sie die zweite Schrift, deren Manuskript Karlstadt augenscheinlich der Zensurkommission, die in Wittenberg in Auseinandersetzung mit seinen Abhandlungen eine feste Einrichtung geworden war, aushändigen musste und deren Veröffentlichung verboten wurde.2 Der Zeitpunkt der Niederschrift wird im April 1522 gelegen haben. Emser hatte eine Verteidigung der Heiligen- und Bilderverehrung gegen Karlstadts Abhandlung Von Abtuung der Bilder (KGK 219) verfasst, die auf den 2. April 1522 datiert ist.3 Die verschollene Schrift Karlstadts ist eine Reaktion darauf. Da der konfiszierte Traktat gegen Hieronymus Dungersheim (KGK 227), dessen inkriminierte Exzerpte Kurfürst Friedrich III. vom Senat der Universität am 27. April zugesandt worden waren, den Ausgangspunkt der Wittenberger Universitätszensur darstellte, scheint Karlstadt diesen Text nach der Schrift gegen Dungersheim der Zensurkommission übergeben zu haben. Vermutlich wird dies Ende April oder Anfang Mai gewesen sein. Barge vermutet, dass dabei Luther, den Karlstadt später in Jena persönlich für die Konfiskation seiner Bücher verantwortlich machte, tatkräftig mitwirkte. Luther tat nichts, um diesen Vorwurf zu entkräften.4

Inhaltlich lässt sich von der Schrift nur eruieren, dass sie sich gegen die Argumentation Emsers zur Verehrung der Heiligen und ihrer Abbilder gewandt hatte. Emser lieferte im ersten Teil seiner Schrift einen Abriss der Geschichte des Bildes in der christlichen Kirche inklusive Abdruck bildrelevanter Passagen aus dem Konzil von Nizäa, im zweiten Teil setzte er sich mit der Schrift Von Abtuung der Bilder (KGK 219) unmittelbar auseinander, sprach Karlstadt direkt an und zitierte ihn, um ihn – stets mit ironisch-polemischem Unterton – zu widerlegen. Emser hatte sogar Missbräuche im Bilderkult zusammengetragen, was als ein gemeinsamer Ausgangspunkt mit Karlstadt verstanden werden könnte. So tadelte er, dass Geld für teure Altarbilder ausgegeben würde anstatt für Almosen, und kritisierte die Anwendung der weltlichen hyperrealistischen Malerei im niederländischen Stil auf die Abbildung von Heiligen, da diese prunkvolle Malerei nur zur »beschauung der kunst unnd art der bossen« auffordere.5 Vor allem schamlos »hürische« Abbildungen von Heiligen steigerten seine Abneigung, aber selbst wundertätigen und zu prunkvollen Bildern stand Emser skeptisch gegenüber. Diese sollten besser »in dem feur« liegen als »daß sie auff den altarien oder in der kirchen« stünden.6 Emser plädierte stattdessen für Schlichtheit der Heiligenbilder.

Vermutlich regte gerade diese Kritik Karlstadt zu einer Reaktion an, da für ihn Altarbilder und Statuen in Kirchen generell dem Verdikt der Idolatrie verfielen, die den Zeichencharakter der göttlichen Verheißung verdeckten und gegen das erste biblische Gebot verstießen.7


1Vgl. Karlstadt, Gemach faren (1524), fol. C4r–v (neu ediert in KGK VII).
2Barge, Gemeindechristentum, 218 f. Bei Mangrum/Scavizzi, Reformation Debate findet sich kein Hinweis auf diese verschollene Schrift Karlstadts. Zur Einrichtung der Vorzensur durch die Universität vgl. Hasse, Bücherzensur, 189–193 bzw. s. KGK 227.
3Im Erstdruck Emser, Bilder (1524), fol. A1v. Im Nachdruck: Emser, Vorantwurtung (1522), fol. A2r. Vgl. zu der Kontroverse Smolinsky, Bildersturm. Die Schrift ist neu ediert in: Laube/Weiß, Flugschriften, 305–335 Nr. 12.
4Barge, Gemeindechristentum, 218 f. verweist auf einen Brief Luthers vom 29. Mai 1522 an Johann Lang: »[…] probare non possum eos, qui apud nos simpliciter damnant cultores Sanctorum. Oportet enim infirmos lente ducere et non subito deturbare, data primum ratione non necessarii cultus, deinde servato affectu reverentiae erga Sanctos, de qua libellus meus loquetur.« (WA.B 2, 548,22–25 Nr. 501).
5Emser, Bilder (1524), fol. H2v. S. auch Göttler, Disziplinierung, 265–270; 280 f., 287–291.
7Vgl. KGK 219.

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