Nr. 221
Vertreter der Universität Wittenberg an die kurfürstlichen Räte -- Stellungnahme zur Supplikation des Stiftskapitels
[[Eilenburg], 1522, 13. Februar]

Einleitung
Bearbeitet von Harald Bollbuck

1. Überlieferung

Handschriften:

[a:]LATh-HStA Weimar, Reg. O, Nr. 224, fol. 18r–v, 21r–v (von Nikolaus von Amsdorfs Hand; auf fol. 21r von einer anderen Hand die missverständliche Aufschrift: »Des Raths zu Wittenbergk Antwort unnd Erklerung uff die Vorhaltung wegen Abschaffung der Meß, der bildt, bettelorden etc.«)
[b:]LATh-HStA Weimar, Reg. O, Nr. 225, fol. 59r–60v (Abschrift von Schreiberhand; von dieser auf fol. 60v folgende Aufschrift: »Antwurt der von der Universitet zu wittenberg uff des Capittels unnd feldkirchens ubergeben suplicacion.«)
Editionen:

Literatur:

2. Entstehung und Inhalt

Das Schreiben a ist ein von Nikolaus von Amsdorf wohl am 13. Februar 1522 niedergelegtes Konzept.1 Bei den als Verfassern und sich Beratschlagenden erwähnten »funff« handelt es sich um die Vertreter der Universität Wittenberg Johannes Eisermann (Rektor), Justus Jonas, Andreas Bodenstein von Karlstadt, Philipp Melanchthon und Nikolaus von Amsdorf, die auf Einladung des kurfürstlichen Rates Hugold von Einsiedel zur gemeinsamen Beratung in Eilenburg weilten. Melanchthon nahm Ergänzungen an dem auf das vorliegende Schreiben folgenden, ebenfalls von Amsdorf verfassten Schriftstück zu Fragen der Messe vor.2 Die Abschrift b wurde am 14. Februar von Hugold von Einsiedel an Kurfürst Friedrich III. gesandt.3 Unter den kurfürstlichen Räten als Adressaten waren Einsiedel, Christian Beyer, Johannes Schwertfeger und Johannes von Dolzig.

Die Stellungnahme bezieht sich auf die beiden verloren gegangenen Supplikationen des Stiftskapitels und des Stiftsdekans Johannes Dölsch.4 Es sei richtig, dass sich die kurfürstliche Instruktion vom 19. Dezember 1521 gegen die Neuerungen im Gottesdienst gewandt habe5 und Karlstadt dennoch in der Pfarr- und in der Stiftskirche die Messordnung verändert habe.6 In der Folge sei die Messe von verschiedenen Predigern unterschiedlich gefeiert worden, das eine Mal mit, das andere Mal ohne Messgewand,7 was den Rat verunsichert und verärgert habe.

Der Rat habe daher über die Universität an den Fünferausschuss die Bitte gerichtet, eine einheitliche Weise für die Feier der Messe zu schaffen. Der Ausschuss schlägt deshalb vor, die Messe überall und immer so zu halten, wie es jetzt in der Stadtpfarrkirche (d. h. nach und gemäß Karlstadts Reform) geschehe.8 Die Abschaffung der Bilder habe im Gespräch mit dem Rat durch die Obrigkeit zu erfolgen, die für Vorschriften dieser Art verordnet sei.9 Damit wird den Artikeln der Wittenberger Stadtordnung erneute Gültigkeit attestiert. Die Reformtheologen seien an den erfolgten Tumulten, die sich gegen die geordnete Bilderentfernung gerichtet hätten, nicht schuld, zumal diejenigen, die sie begangen hätten, bestraft bzw. ihrer Ehren beraubt worden seien.10 Auch hinsichtlich des Bettelverbots, der Armenfürsorge, für welche die Zinsen und Renten der Bruderschaften verwendet werden sollten, und der nicht wieder erfolgten Besetzung erledigter Pfründen (im Zusammenhang mit der Abschaffung der Seel- und Opfermessen) wird die eigene Stadt- und Kirchenordnung bestätigt.11


5Instruktion Kfst. Friedrichs III. für Christian Beyer, Lochau, 19. Dezember 1521; Müller, Wittenberger Bewegung, 123–127 Nr. 56.
6Karlstadt hatte zuerst in der Schlosskirche (des Allerheiligenstifts) am 25.12.1521 eine reformierte evangelische Messe gefeiert. S. KGK IV, Nr. 210. Im Brief an Einsiedel sprach er selbst davon, dass er als Archidiakon Messen in der Stiftskirche abgehalten habe (KGK 218). Im Januar 1522 hatte Karlstadt angekündigt, täglich nur noch ein Kapitel aus der Bibel verlesen zu wollen; vgl. Barge, Karlstadt 1, 368. Zudem hielt er in der Pfarrkirche seit dem 1.1.1522 mit Erlaubnis des Stadtpfarrers Simon Heins Messen; s. KGK 220 (Textstelle) mit KGK 220 (Anmerkung); vgl. auch Hasse, Karlstadt als Prediger.
7Aus reformkritischer Sicht dokumentierte Johannes Dölsch in seinem Brief an Peter Burckard vom 3. Februar 1522 die Auflösung der alten Messordnung; vgl. KGK 217 (Textstelle).
8Der Gottesdienst der Pfarrkirche war von Karlstadt reformiert worden, das Abendmahl wurde sub utraque ausgeteilt; s. o. KGK 221 (Anmerkung).
10Bezeugt ist nur eine Strafe für den Weißgerber Leonard Knodel, der ein Bild in der Pfarrkirche abgerissen habe; vgl. Bünger/Wentz, Brandenburg, 155; Zerbe, Memoria, 155; Krentz, Ritualwandel, 204. Dieser ungeordnete Tumult ist auf den 6. Februar 1522 zu datieren, den Tag des Wechsels in der Stadtregierung; vgl. Schnitzler, Wittenberg, 68; Krentz, Ritualwandel, 204. Über dessen Ausmaß war die Forschung lange entzweit, doch scheint sich heute die Vorstellung eines gemäßigten Vorgangs durchzusetzen. Gornig, Rechnungen, 264 sieht auf der Basis erhaltener Rechnungen über die liturgischen Ausstattungsgegenstände in der Pfarrkirche deren Fortbestand als gesichert an und erteilt der Möglichkeit eines umfassenden und radikalen Bildersturms eine Absage. Auch Hennen, Ausstattung, 401–403 kann keine Quellen für einen solchen Tumult auffinden. Vgl. auch Kruse, Universitätstheologie, 369; Krentz, Ritualwandel, 203–205.

Downloads: XML · PDF (Druckausgabe)
image CC BY-SA licence
»