1. Überlieferung
Handschrift:
Konzept, Schreiberhand, durch Hugold von Einsiedel eigenhändig korrigiert und mit zusätzlichen Notizen versehen; fol. 45v von späterer Hand: »Vorhaltung dem Capitell unnd der Universitet beschehen, Abschaffung der Meß und andere Ceremonien belangende.«.
Editionen:
- CR 1, 549–552 Nr. 195.
- Müller, Wittenberger Bewegung, 190–193 Nr. 92.
- Barge, Aktenstücke, 25–30 Nr. 15.
- 1, 446–448 Nr. 211.
Literatur:
2. Entstehung und Inhalt
Das Schreiben ist offensichtlich ohne Beteiligung Kurfürst Friedrichs III. von seinen Räten verfasst worden. Dabei scheint Hugold von Einsiedel die wesentliche Rolle gespielt zu haben, da er zum einen die vorherigen Verhandlungen mit den Vertretern der Stadt (Christian Beyer, der kurfürstlicher Rat und zugleich Bürgermeister war) und der Universität geführt hatte,1 zum anderen der Schreiber des vorliegenden Memorandums häufiger für Einsiedel wirkte,2 der selbst handschriftlich Korrekturen, Ergänzungen und Kommentare vornahm. Auf Seiten der kurfürstlichen Räte haben neben EinsiedelWolfgang Reißenbusch, Günther von Bünau, Hans von Minckwitz, Christian Beyer und Johannes Schwertfeger teilgenommen; als Vertreter der Universität sind der Rektor Johannes Eisermann (1486–1558), Justus Jonas, Karlstadt, Philipp Melanchthon und Nikolaus von Amsdorf belegt, vom Stiftskapitel u. a. der Dekan Lorenz Schlamau und der Kustos Johannes Dölsch (der zugleich Dekan der theologischen Fakultät war).3 Das undatierte Memorandum wird vor dem Tag der Verhandlungen zwischen den kurfürstlichen Räten und den Vertretern von Universität und Stiftskapitel am 13. Februar 1522 verfasst worden sein.
Es drückt den Ärger am kurfürstlichen Hof über die Uneinigkeit in Wittenberg hinsichtlich der Gottesdienstreformen zwischen Universität und Stiftskapitel aus, manifestiert in den divergierenden Gutachten und den jüngsten antireformerischen Supplikationen von Stift und Kustos Dölsch.4 Das Memorandum fordert dazu auf, sich an die kurfürstliche Instruktion vom 19. Dezember 1521 zu halten, keine Neuerung vorzunehmen, sondern nur darüber zu disputieren, zu schreiben und zu predigen.5 Eine Erlaubnis zur Entfernung der Bilder aus den Kirchen sei allenfalls von der Obrigkeit zu erteilen, die Ereignisse in Wittenberg (mitsamt der Stadtordnung vom Januar 1522)6 seien dagegen ein öffentlicher Aufruf und Aufruhr gewesen. Die Bilder nach biblischem Gebot gar zu verbrennen,7 sei für den Kurfürsten und Einsiedel unvorstellbar. Alles sei zu eilig und unter dem Ärgernis der Schwachen verlaufen, ohne dass der gemeine Mann Besserung erfahren habe. Über die ganze Frage sei an der Universität zu disputieren, zudem wird ein Gutachten von Dölsch erbeten. Die Neuerungen hinsichtlich Bettelmönche, Bruderschaften und Messe seien für den Hof und Einsiedel wenig begründet und unklar; sie erwarten Klärung. Schmähungen von der Kanzel seien zu unterlassen. In diesen Fragen seien Melanchthon und die Kanoniker, die die Supplikation unterschrieben, zu konsultieren; letztlich sollte auf eine Einigung mit den reformfreundlichen Mitgliedern der Universität gedrungen werden. Bis dahin sei alles beim Alten zu belassen.8
Karlstadt wird laut Stiftskapitel direkt als Urheber der Neuerungen und des Aufruhrs angesprochen. Er solle sich vorerst der Predigt enthalten.9 Zuletzt kommt das Memorandum auf den Pfarrer der Stadtpfarrkirche Simon Heins von Brück und seinen Kaplan,10 die, da sie ungeeignet seien Messe zu halten, jemanden angemietet und ihre Gemeinde ohne Herz einem fremden Hirten anvertraut hätten. Vermutlich ist damit ein versteckter Angriff auf die Überlassung der Pfarrkirche durch Heins an Karlstadt für die Feier des Abendmahls in beiderlei Gestalt gemeint.11