Nr. 12
Verschollen: Concordantiae ad forum contentiosum pertinentes
[1514]

Einleitung
Bearbeitet von Harald Bollbuck

1. Referenz

Handschrift:

Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 22.8 Aug. 4°, fol. 29v

Autograph, teils zeitgenössische Abschrift.

Editionen:

2. Inhaltliche Hinweise

Die anonym verfasste Liste von Gelehrten der Universitäten Wittenberg, Leipzig und Frankfurt/Oder und ihrer Werke unter dem Titel Catalogus illustrium virorum in Academia Lipsensi & Witebergensi, deren Beschreibung 1514 endet, erwähnt neben den überlieferten Schriften De intentionibus (KGK 001) und Distinctiones (KGK 002) sowie einem unbekannten Metaphysikkommentar (KGK 003) noch weitere verschollene Arbeiten Karlstadts: »Epigrammata quoque et Epistolas. Comportavit insuper novas concordantias seu convenientias ad forum contentiosum pertinentes videlicet iuris tam canonici quam civilis et doctorum scholasticorum sancti Thome et subtilissimi Scoti: in quibus necessitudinem et nexum duorum studiorum scilicet theologici et Iuridici ostendit, sperans dummodo impresse fuerint, eas utilitati et admirationi profuturas; Ceterum quum litterarum amore et mutue agnicionis platonico more hoc anno (quo hec scribo)1 visitassem, et indicem lucubrationum, operumque ipsius expostulassem, exposuit quotidie una hora in conventu minorum legens doctorem subtilissimum per eundem doctorem, i. e. Scotum per Scotum, et fecit concordantias multo labore, quas sperat Scotistis admodum profuturas, ita enim suos auditores sentire intellexit.«2 Es ist nicht bekannt, ob die erwähnten »Epigrammata quoque et Epistolas« eine handschriftliche Sammlung der Gedichte und Briefe oder eine Art Briefbuch Karlstadts mit eingestreuten Epigrammen darstellten, doch bezeugt diese Angabe einen weitaus reicheren Briefverkehr als den auf uns gekommenen.

Der folgende Eintrag verweist auf Karlstadts Arbeit an einer theologisch-juristischen als auch thomistisch-skotistischen Konkordanz, die die Verbindungen der theologischen und juristischen bzw. der zivilrechtlichen und kanonistischen Studien und ihre Notwendigkeit aufweist.3 Der unbekannte Verfasser des Autorenkatalogs4 erwähnt zudem, dass er Karlstadt im Jahr der Niederschrift – vermutlich also 1514 – besucht und um eine Auflistung seiner Werke und Arbeiten gebeten habe, worauf er von dessen Vorlesung über das Werk des Scotus erfuhr, abgehalten täglich um 1 Uhr im Franziskanerkonvent.5 Schon in den Distinctiones suchte Karlstadt, Differenzen zwischen Scotus und Thomas von Aquin zu vermindern, indem er diese mit unterschiedlichen Begriffsverwendungen erklärte.6 In der Folge scheint er sich den Positionen des Scotus weiter angenähert zu haben, sodass er hier als »Thomae pariter et Scoti sectator«7 bezeichnet wird, er selbst sich später, in der Widmungsvorrede zum Augustinkommentar, sukzessive als Carpeolusanhänger bzw. Thomist und daraufhin als Skotist tituliert.8 Karlstadts Arbeit an der Konkordanz ist im Rahmen seiner Tätigkeit als Archidiakon am Allerheiligenstift zu sehen, für die er kirchenrechtliche Aufgaben ausübte und weshalb er letztlich das juristische Doktorat anstrebte.9 Konkordanzen dieser Art, die unterschiedliche, scheinbar widersprüchliche Aussagen der Tradition zusammenstellten und nach Möglichkeit harmonisierten, bildeten eine breite zeitgenössische Literaturgattung auf der Basis der scholastisch-dialektischen Methode.10 Der Einfluss dieser Harmonisierung findet sich noch in Karlstadts Apologeticae conclusiones.11


1Im Druck ergänzt: »eum«.
2Cod. Guelf. 22.8 Aug. 4°, fol. 29v; Scriptorum centuria (Mader), fol. G3r–v.
3Vgl. hierzu Bubenheimer, Consonantia, bes. 15–22. Ob es sich um zwei Konkordanzen handelte, bleibt offen.
4Zur Verfasserfrage vgl. Scriptorum centuria (Merzdorf), 82f.; Kähler, Karlstadt, 3 Anm. 8; Barge, Karlstadt 1, 46 Anm. 35; Negwer, Wimpina, 243–249; Albert, Centuria, 120–124; Bubenheimer, Consonantia, 16f. sowie KGK 003.
5Allerdings findet sich in einer Antwort der Universität auf die Anfrage Kurfürst Friedrichs III., wann welcher Dozent seine Lektion abhalte: »Carolstadts […] solte wol umb eins lessen. dieweil aber doctor Martinus dieselbige stunden liest, so liest ehr umb vier. Luther liest um 1 Uhr nach essen in Bibel im Stift.« Vgl. UUW, 76f. nach ThHSTA Weimar, EGA Reg. O 234, Bl. 10–13.
6Siehe Einleitung zu KGK 002 (Textstelle). Vgl. Bubenheimer, Consonantia, 18, mit dem Verweis auf das Streben nach dem Ausgleich der »viae Scoti et Thomae« in Wittenberg gegen die Nominalisten.
7Vgl. KGK 003.
9Vgl. Bubenheimer, Consonantia, 20. Laut einem Brief Christoph Scheurls an Jodocus Trutfetter vom 27. Februar 1511 hörte Karlstadt täglich Dekretalenvorlesungen beim Propst des AllerheiligenstiftsHenning Göde. S. Scheurl, Briefbuch 1, 71; Bubenheimer, Consonantia, 15 Anm. 21.
10Vgl. Grabmann, Methode 1, 234–249; 2, 216. Anders sieht Kähler, Protest, 300 in Karlstadts Concordantiae nur ein Nachschlagemittel.
11KGK 085. Vgl. Bubenheimer, Consonantia, 18; 117; 127–137.

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