1. Überlieferung
Handschrift:
Eine Abschrift von unbekannter Hand mit Korrekturen Spalatins, Überschrift von Spalatins Hand »A. Carolostadius ad Lutherum; Die XVIII. Februarii«.
Editionen:
Beilage: Georg Spalatin an Friedrich III., [Wittenberg], 1525, nach 4. März
Handschrift:
Ein Autograph, fol. 14v Dorsalvermerk von anderer Hand: »was doctor Martinus doctor Karlstats halben umb glait fur selbigen getan«.
Edition:
- Burkhardt, Luthers Briefwechsel, 79–82.
Literatur:
- Barge, Karlstadt 2, 312–314.
2. Entstehung und Inhalt
Mit dem vorliegenden Schreiben antwortete Karlstadt auf den Brief Luthers vom 23. Dezember 1524, in dem dieser ihm eine Zusammenkunft zur Beilegung ihrer Differenzen vorgeschlagen und ihm angeboten hatte, ihm zu diesem Zweck freies Geleit nach Sachsen zu verschaffen oder sich außerhalb des Kurfürstentums mit ihm zu treffen.1 Da sich Karlstadt wahrscheinlich ab Mitte Dezember in Begleitung von Ehrenfried Kumpf aus Rothenburg kommend zunächst in Crailsheim und später im Nördlingen aufhielt,2 erreichte ihn der Brief Luthers erst verspätet. Der in Bamberg ansässige Joachim Camerarius, ein Vertrauter und Anhänger Luthers, der in diesem Fall wohl als Bote fungierte,3 berichtete in der ersten Januarhälfte nach Wittenberg, Karlstadt habe sich nach Nördlingen begeben,4 hatte er ihn also vermutlich in Rothenburg nicht angetroffen. Wohl Mitte Januar kehrte Karlstadt nach Rothenburg zurück, war jedoch aufgrund eines durch den Rat gegen ihn erlassenen Beherbergungs- und Verpflegungsverbots und in Ermangelung anderer Alternativen ab dem 27. Januar 1525 gezwungen, sich im Verborgenen zu halten.5 Auf welchem Wege ihn der Brief Luthers schließlich erreichte, ist unklar.
Karlstadt bedauert in seiner Antwort dann auch zunächst, dass ihn der Brief nicht früher erreicht habe, geht anschließend zustimmend auf das Angebot Luthers zur Überwindung ihrer Differenzen ein und fordert ihn auf, ihm, wie in seinem Schreiben in Aussicht gestellt, freies Geleit bei den sächsischen Fürsten zu verschaffen. Ohne ein solches sei er nicht bereit, sich auf den Weg zu machen und sich damit unnötig in Gefahr zu begeben, gebe es doch Gerüchte, dass die Fürsten ihm nicht wohl gesonnen seien, wofür u.a. Luther verantwortlich gemacht werde.6 Mit Blick auf die möglichen Verhandlungen zeigt er sich zu einer sachlichen Auseinandersetzung bereit und fordert Luther auf, gemeinsam den alten Adam abzulegen und den Harnisch der Wahrheit (Eph 6,11–17) anzulegen, sich also auf Basis des Wortes Christi auseinanderzusetzen, dem er sich wie Schnee dem Feuer ergeben möchte.7
Im Postscriptum bittet Karlstadt Luther darum, seine Verwandten in Bezug auf sein Schicksal zu beruhigen. Es sei der Wille Gottes gewesen, dass er »gepeinigt und angefochten« worden sei, dennoch habe er die ganze Zeit unter seinem Schutz gestanden. Damit verweist Karlstadt nicht nur allgemein auf die Schwierigkeiten, denen er sich seit seiner Ausweisung aus Sachsen ausgesetzt war, sondern stellt zugleich auch einen Bezug zu seiner Buß- und Gelassenheitstheologie her, in der die innere und äußere Anfechtung gleichsam die Vorstufe auf dem Weg zur Erlangung der Gelassenheit darstellen.8 Abschließend bringt er seine Hoffnung zum Ausdruck, dass Gott dafür sorgen werde, dass die vorgeschlagene Zusammenkunft zu seinen Ehren zustande komme und fordert Luther erneut auf, ihm mit dem gleichen Boten einen Geleitbrief zu schicken – andernfalls müsse dieser ihn in seinem Elend besuchen, was er um Luthers willen nicht wolle.
Das Schreiben Karlstadts traf am 2. März in Wittenberg ein und wurde dort mit deutlichen Missfallen und Misstrauen aufgenommen – sowohl Luther als auch Melanchthon bescheinigten ihm einen gewissen Hochmut.9 Dennoch verfasste Luther am 4. März wie zugesichert ein Gesuch an Friedrich III., in dem er um freies Geleit für Karlstadt für eine Zusammenkunft auf kursächsischem Territorium bat, gleichzeitig jedoch auch Zweifel zum Ausdruck brachte, dass eine solche Unterredung zu einem Ausgleich führen würde. Dass er sich dennoch für eine solche einsetzte, diente wohl in erster Linie dem Zweck, mögliche Vorwürfe der Gegenseite im Vorhinein zu entkräften, er habe sich einer Diskussion verweigert.10 Dieses Schreiben überschickte er zusammen mit Karlstadts Brief an Georg Spalatin mit der Bitte, sich beim Kurfürsten für dieses Anliegen einzusetzen.11 Spalatin leitete es wiederum mit einem hier als Beilage abgedruckten Begleitschreiben an Friedrich III. weiter, in dem er nicht nur Luthers Schreiben sowie das Schreiben Karlstadts in deutscher Übersetzung (»verteutscht«) wiedergab, sondern dem Kurfürsten außerdem nahelegte, dem Gesuch zu entsprechen,12 was Friedrich III. jedoch nach längeren Beratungen mit seinen Räten am 20. März 1525 schließlich ablehnte.13
KGK 286
Transkription
