Nr. 287
Andreas Karlstadt an Martin Luther in Wittenberg
[Rothenburg ob der Tauber] , 1525, 18. Februar

Text
Bearbeitet von Stefanie Fraedrich-Nowag
Buchsymbol fehlt

Pacem et caritatem Christi. Epistola tua mi Reverende

D'omine' M'artine' ac frater in Christo. quam 6 feria post thome
Anno 24 dedisti1/ sero ad me venit/ nempe hoc die.2
optarema eamb citiusc ad me venisse.3 Concordiam
nostram cupio serio et candide resarcire.d nimirum filo
veritatis. volo unum authorem Christum, qui interstitium
et dissidium nostrum dirimat. quod sane non sine
magna ecclesiae iacturae inter nos est obortum,4 plus extenu-
ans
evangelii profectum, quam ipse ego unquam fuissem credituans evangelii profectum, quam ipse ego unquam fuissem creditu-
rus
. Cui reif plane rursum mederig oportet. Impetra
tu igiturh a principibus nostris illustrissimis/ Electore5
et fratre eius germano Joanne etc.6 Dominis meis graciosissimis,
quam promittis, publicam securitatisi fidem.7 Et ego
protinus advolabo.
j Sed impetrabis eam sufficientem
satisque tutam. Siquidem fama est principes nostros
Buchsymbol fehlt mihi male velle et rumor est apud me crebrior quam
ut falsus credi possit.8 Quam culpam in tek permulti
coniiciunt〈.〉
9 Idcirco sine publica securitate ne pedem
quidem promovebo〈.〉10 Atque id amici prudentesl
suaserint11 Et cur etiam insanus tot me
periculis committam. Cum ultro tu securitatis litteras a
principibus impetrarem et vis et potes facillime. Verum
placet, quod vis solum causam contra me urgere. Quia id
ipsum sic sum facturus, quasi ad personam essem
mortuus. Exuamus igitur veterem Adamum prodea-
mus
fraterne, iustitiae armis vestitin12 et sanctificante
Dei veritate, ubi una colloquemur. Ego ad perspicuum
Christi sermonem et ad iuditia domini lucida ero
mollior nive ad ignem ferventissimum
et Celerius
adcurram levissima stipula ad calefactum
Gagatem attrittu.13 Ideo si ex animo scripsisti, quod
persuasissimum habeo, fidem securitatis pollicitam
e vestigio impetrabis. Equidem cursu quo potero.
velocissimo accedam ubi eam in manum accepero. Interea
bene vale in Christo cum fratribus nostriso isthic
morantibus〈.〉14 Datum die 18. februari anno MDXXV.15

Buchsymbol fehlt

Si venerint ad te affines mei.16 Consolare eos in
Domino〈.〉 non enim est. Ut se comedant, quandoquidem non pessimep
favet mihi Christus, cuiusq miro praesidio
consilioque sum adiutus hactenus. Oportebat enim omnino
me subdi adflictioni.17 Alioqui potuisset me dominus domi
meae custodire licet inferorum portae fremuissent si non
re re r TODO: prüfen mea hoc esse vidisset. Scio iam quantum
habeo Dominum. Cui nolim vel oculi nutu aut
digitulo obstrepere eos, quos diligo. Faxit Deus ut
in acquisitionem gloriae eius conveniamus. Ego certe ut
sub hoc Domino longe potentissimo fidelissimoque
periclitari atque in eius castris diutius belligerari
non detrecto. Ita ad communem pacem amicitiamque
nostram a quovis doceri sum paratissimus. Tu
modo cum hoc nuntio18 tuti itineris litteras mitte quas
tua sponte promisisti aut mecum exultabis, quod
ego in rem tuam recuso. Satius fuerit te securitatem
mittere, quam iure fortissimae promissionis peto.
Vale iterum feliciter per Christum


Beilage: Georg Spalatin an Friedrich III., [Wittenberg], 1525, nach 4. März

Buchsymbol fehlt Gottes Gnad und frid zuvor. Gnedigster
Herr. E'uer' C'hurfürstlich' G'naden' schick ich hieneben
Doctor Martinus schrifft19, desgleichen
was Karlstat an in20, und doctor
Martinus an mich geschriben21
hat verteutscht.

Doctor Karlstat schreibt also.
Frid und lieb Christi. Dein schreiben
erwirdiger doctor Martine und
bruder in Christo, das Du am freytag
nach Sant Thomas tag im vier-
undzweintzigsten
Jar gethun hast,22
ist fast langsam mir zukummen,
als nemlich erst heut dato,23 und
wunscht, das mirs ehr worden were,
unser freuntschafft begere ich ernst-
lich
und treulich widerumb aufgelich und treulich widerumb aufge-
richt
zuwerden, nach weisung
der warheit. Dann ich will sonst
nyemant denn24 Christum zum haubt-
sacher
,25 unser irrung und zwispel-
dickeit
abzuleynen26 habens, welche warlich
zwischen uns mit grossem nachteil
der christenlichen kirchen erwachsen
ist. Und dem gedeyen des Evange-
lions
vil mer entzogen hat, denn
ich jet gemeint hett, welchs wir
wider hinlegen27 mussen. Derhalben
Buchsymbol fehlt bringe mir zuwegen ein geleyt von
unsern durchlauchtigsten fursten
dem churfursten28 und seiner C'hurfurstlichen' G'naden'
brudern,29 meinen gnedigsten herrn,
wie Du mir zusagest. So will
ich zustund30 ankumen. Du solt
mir aber ein genugsams sicher
gleyt erlangen.31 Dann es ist
das gerucht, dass mir ire f'urstliche' G'naden'
ungnedig sind,32 das vil Leutu dir
zumessen, als habstu dasselb zu-
wegen
gebracht.
33 Demnach will
ich on ein gleit auch nicht ein
fuß verwenden,34 und das haben
mir verstendige freund35 geraten.
Warumb solt ich mich auch in
fare36 geben, weil Du mir doch
wilt und kanst ein gleit37 gantz
leichtlich erlangen.

Mir gefellt auch wol das Du die
sach allein wider mich wilt treiben,
dann ich will auch also thun
als wer ichv mit der person
tot.38 Darumb laß uns den
alden Adam außthun,39w bruder-
lich
zusammen treten, mit dem
harnasch40 der warheit becleiden,41
Buchsymbol fehlt und uns das wort Gottes lassen
beheiligen, wenn mir mit einander
reden werden. Gegen der hellen
rede Christi und den claren gerichten
Gottes will ich weicher sein den
der schnee gegen dem heissen feur
und will ehr zulaufen denn ein
tayle zu einem erwermten atsteyn
wenn er geriben wirt.42 Derhalben
hastu von hertzen geschriben. Dafur
ichs achte, so wirdestu das zugesagt
gleit43 bald zuwegen bringen, dann
so bald ich das gleit bekum, so will
ich mit dem furderlichsten, als
mir muglich kummen. In dess
gehab dich wol in Christo
mitsampt unsern brudern bey dir.44
Datum am achtzehenden tag des
Februarii Anno domini XXV.
Wenn meine schweger45 zu dir ku-
men
, so troste sie in dem hern,
sie sollen sich nicht bekumern,
dan Christus ist
mir nit fast46 ungne-
dig
. Durch des wundersam schutz
Buchsymbol fehlt und rat mir bisher ist geholfen
worden. Dann ich hab in alleweg
mussen gepeynigt und angefochten
werden, Sonst hett mich der
herr wol doheym behuten mugen,
wiewol die hellische pforten er-
grimmet
47 weren worden, wenn
Gott nicht gesehen hett das
es mir gut were. Ich weisß
nu wievil ich vom hern hab,
denn ich nicht wolt das die so ich
lieb habe mit einem aug oder finger
zuentgegen48 seinx solten. Gott gebe
das wir zu seiner eren zusamen
kummen, dann ich were mich
nicht under disem allermechtigsten
und allergetreuesten hern lenger
in fare49 zusteen und in seynem
heer zukriegen. So bin ich
gemeinem fridy und unser
freuntschafft zu gut berayt von
menniglich50 mich zuweisen lassen.
Allein schick mir bey disem
boten51 ein furstlich sicher gleyt,52
das du mir aus eigenem bewegnus
Buchsymbol fehlt zugesagt hast,53 oder du wirdest sonst
zuz mir in das elend kummen mussen,
welchs ich umb deines frummen
willen nicht wolt. Darumb
wirtsaa vil besser sein das du
mir das Gleyt54 schickest das
ich auch aus crafft deiner starcken
zusage begere. Gehab dich
abermals wol durch Christum.

Darauf schreibt doctor Martinus
mir in seinem brief so mir
nechten spat worden ist also.55

Gnad und Frid. Ich schick dir
hieneben des Karlstats schrifft
an mich,56 mein Spalatine,
in welcher er mir antwort
gibt auf mein schreiben an
in durch magister Joachim57
bescheen,58 wie du sihest.
Nu
ist es darumb zethun, das du
wellest bey meinem Gnedigsten
Hern dem Karlstat ein Gleit59
helffen zuwegen bringen ein
Buchsymbol fehlt zeitlang sich mit mir zu unterreden,
dannab wiewol ich geringe hoffnung hab,
weil er sich auf zufall60 des pofels61
so brusteth〈?〉, das er werd von seiner
meinung treten
, so will mir
doch geburen vleis zuhaben, domit
er nicht ursach neme das evan-
gelion
zuverlestern, darnach
sie mit hochstem vleis allweg
und uberal trachten, auch
das Gott sehe und die weltac wisse das
wir nichts unterlassen haben,
das do dienen solt sie underdenigs〈?〉
gesundt zu machen.
Dan ich
hab im schrifftlich zugesagt,62
wenn das wahr were so mir
Joachim63 gesagt, so wolt ich
unterteniglich zuwegen bringen,
das er auf vergleitung64 sich
mit mir unterreden moecht,
oder aber ich ein zceit mich
von Wittenberg zu im 〈[…]〉ad
mit im65 zureden, etc.

Datum Samstag nach Esto mihi
Anno domini cv et xxv.66

Buchsymbol fehlt Derhalben Gnedigster herr, ist an
E'uer' C'hurfürstlich' G'naden' mein untertenig bitt,
weil sovil an disen dingen
gemeiner christenheit gelegen,
sie wellen sich in dem mit
dem gleit gnediglich ertzeigen,
Angesehen das man das Gleit
wol nit auf doctor Martinus
sonder in gemein67 auf die mit
den er zu Wittenbergae sich
zu unterrreden hett, stellen mocht68,
Gott gebe sein gnad dazu. Amen.

E'uer' C'hurfürstlich' G'naden'

Unterteniger diener

G'eorgius' Spalatinus af


avom Editor verbessert für optaram
bvon Spalatins Hand verbessert für vam 〈?〉
cam Rand von Spalatins Hand korrigiert für cetus
dvom Editor verbessert für resaicire
eüber der Zeile von Spalatins Hand verbessert für netura 〈?〉
fvon Spalatins Hand verbessert für ein unlesbares Wort
gvon Spalatins Hand verbessert für medii 〈?〉
hfolgt gestrichen apud
ivon Spalatins Hand verbessert für securitates
jam Rand von Spalatins Hand korrigiert für adupabo
kam Rand von Spalatins Hand korrigiert für inte
lfolgt gestrichen litteras a principibus impetra
müber der Zeile durch Spalatins Hand verbessert für impetra
nam Rand von Spalatins Hand korrigiert für nostite 〈?〉
ovom Editor verbessert für nostriß
pfolgt gestrichen famet
qam Rand von Spalatins Hand ergänzt
r-rvom Editor verbessert für ere
sam Rand ergänzt
tüber der Zeile ergänzt
uam Rand ergänzt
vfolgt gestrichen geg 〈en〉
wfolgt gestrichen freu 〈?〉
xüber der Zeile ergänzt
yfolgt gestrichen ein unleserliches Wort
züber der Zeile ergänzt für gestrichen mir
aafolgt gestrichen ein unleserliches Wort
abam Rand ergänzt
acam Rand ergänzt
adunleserliches Wort
aefolgt gestrichen ein unleserliches Wort
affolgt von Spalatin unter dem Text ergänzt Eximio viro, Domino D 'octori' M 'artino' Luthero fratri ac amico sibi in Christo reverendo

123. Dezember 1524 (KGK VII, Nr. 284).
218. Februar 1525.
3Zu den Gründen der Verzögerung siehe KGK 287.
4Karlstadt rekurriert hier auf das Zerwürfnis zwischen den beiden Reformatoren, dass sich im Jenaer Gespräch im August 1524 mit der Vereinbarung, sich zukünftig nur noch publizistisch auseinanderzusetzen, manifestiert hatte; vgl. KGK VII, Nr. 263. In der Folge hatte Karlstadt zahlreiche Schriften, v.a. zu seiner von Luther divergierenden Abendmahlsauffassung, zum Druck gebracht; hierzu siehe KGK VII, Nr. 273–280.
7Luther hatte Karlstadt in seinem Schreiben vom 23. Dezember 1524 angeboten, freies Geleit bei den sächsischen Fürsten für ihn zu erwirken; vgl. KGK VII, Nr. 284.
8»et rumor est apud me crebrior quam ut falsus credi possit« wurde von Spalatin in seiner Übersetzung für den Kurfürsten weggelassen; siehe unten KGK 287 (Textstelle).
9Luther hatte Karlstadt in seinen Schriften und seiner Korrespondenz immer wieder in eine Reihe mit Müntzer gestellt und damit das Misstrauen der sächsischen Kurfürsten gegen Karlstadt geschürt (hierzu siehe auch KGK 291).
10Karlstadt will ohne freies Geleit nicht einen Schritt in das sächsische Territorium setzen.
11Bezug unklar.
13Gagat, oftmals mit Bernstein verwechselt, der wiederum durch seine elektrische Anziehungskraft aufgrund elektrostatischer Aufladung bei Reibung auch für einen Magnetstein gehalten wurde. Vgl. FWB s.v. agatstein Nr. 2.
14Hier sind die anderen Wittenberger Theologen gemeint.
1518. Februar 1525.
16Gemeint sind hier wahrscheinlich die Verwandten von Karlstadts Frau, Anna von Mochau, aus Seegrehna in der Nähe von Wittenberg. Anna war zwischenzeitlich auch aus Sachsen vergewiesen worden.
17Karlstadt nutzt hier Begrifflichkeiten seiner Bußlehre. Hierzu siehe KGK 287 (Anmerkung).
18Wer Luther das Schreiben überbrachte, ist nicht bekannt. Hierzu siehe auch KGK 291.
19Gemeint ist das Gesuch Luthers an Friedrich III., Wittenberg, 4. März 1525 (WA.B 3, 449f. Nr. 837), Karlstadt freies Geleit nach Sachen zu bewilligen; hierzu siehe auch KGK 287.
20ihn (Luther), gemeint ist der hier edierte Brief Karlstadts an Luther; siehe KGK 287 (Textstelle).
21Gemeint ist der Brief Luthers an Spalatin; zum lateinischen Originaltext siehe unten KGK 287 (Anmerkung), zur Übersetzung Spalatins siehe KGK 287 (Textstelle).
2223. Dezember 1525 (KGK VII, Nr. 284).
2318. Februar 1525.
24als.
25Urheber, auch derjenige, in dessen Name gehandelt wird. Vgl. DWb 10, 626 s.v. hauptsacher.
26einem Übel ein Ende bereiten. Vgl. FWB s.v. ableinen. Zum hier angesprochenen Zerwürfnis siehe KGK 287 (Anmerkung).
27ablegen, beilegen. Vgl. DWb 10, 1453 s.v. hinlegen Nr. 2 u. 3.
30unverzüglich, im lateinischen Originaltext »protinus«; siehe oben KGK 287 (Textstelle).
32Im lateinischen Original folgt »et rumor est apud me crebrior quam ut falsus credi possit«, was Spalatin für den Kurfürsten nicht übersetzte; siehe oben KGK 287 (Textstelle).
34in eine bestimmte Richtung bewegen. Vgl. DWb 25, 2207 s.v. verwenden Nr. 8. Hierzu siehe auch oben KGK 287 (Anmerkung).
35Bezug unklar.
36Gefahr.
37Geleit.
38Karlstadt begrüßt, dass Luther allein in der Sache, also ohne persönliche Aspekte, mit ihm disputieren möchte und will es ihm gleichtun und sich so verhalten, als sei er als Person nicht vorhanden.
39überwinden. Vgl. FWB s.v. austun Nr. 7.
40Harnisch.
46sehr. Vgl. DWb 3, 1349 s.v. fast Nr. 4a.
47in Zorn geraten, wütend, ärgerlich werden. Vgl. FWB s.v. ergrimmen.
48entgegen. Vgl. DWb 32, 338 s.v. zuentgegen.
49Gefahr.
50jedermann. Vgl. Lexer, Handwörterbuch 1, 2034.
51Konnte nicht ermittelt werden.
52Geleit.
54Geleit.
55Der Brief wurde Luther spätabends übergeben. Zum lateinischen Originaltext siehe WA.B 3, 450f. Nr. 838.
56Gemeint ist der oben edierte Brief Karlstadts an Luther; vgl. KGK 287 (Textstelle).
58Luther an Karlstadt, Wittenberg, 23. Dezember 1525 (KGK VII, Nr. 284). Dieses Schreiben war Karlstadt wohl durch Camerarius übergeben worden.
59Geleit.
60Parteinahme, Beistand, Zulauf. Vgl. DWb 32, 342 s.v. Zufall Nr. 1.
61Pöbel.
62Gemeint ist das Schreiben vom 23. Dezember 1524 (wie KGK 287 (Anmerkung)).
64Geleit. Vgl. DWb 25, 406 s.v. Vergeleitung Nr. 2.
65ihm.
664. März 1525.
67insgesamt.
68Gemeint sind hier die anderen Wittenberger Theologen, möglicherweise ging Spalatin davon aus, dass sich Karlstadt in der angestrebten Unterredung auch mit diesen auseinandersetzen würde und wollte daher das Geleit erweitern.

Downloads: XML · PDF (Druckausgabe)
image CC BY-SA licence
»