Nr. 251
Ob Gott eine Ursache sei des teuflischen Falls. Wenn der Teufel lügt, so redet er aus seinem eigenen. Joh 8,44
1524, [Januar]

Text
Bearbeitet von Harald Bollbuck

Buchsymbol fehlt Ap Got ein ursach sey
des Teuffelischen falhs.
wenn der Teufel
leugt/ so redt er auß seinen
eygen. Joan. 8.1
Andres Carolstat.
M.D.XXiiij.
Jhen.


Buchsymbol fehlt Mich haben etliche studenten/ wie ir
hoͤren werdt/ gefragt. Nach dem
man zů Wittemberg/ ein disputa-
tion/2 uff ettliche artickel/ hielte
und unther andern artickeln/ dießer
gesetzt ward. Das Got. Ein ursach
boͤßer wercken sein solt.3 Unnd ich
fuͤret ein laͤhr Christi darwider/ das nicht also sein kuͤnt
(wie denn der brauch/ in disputationen/ ist)4 und wolt
Joan. 8.das/ durch dieße lahr Christi beweysen. Der teuffel ist
ein luͤgner/ und wenn er leugt/ so redt er auß seynem ey-
genthum. Und sprach. Sih da/ Christus sagt/ das der
teuffel nit durch gottis eingeben oder willen lůgen redt/
sondern auß seinem eygen.5 Nuͤ ist es war/ das der teu-
fell/ auß seynen eygen leugt/ so ist Got/ keine ursach/ der
teuflischen lůgen oder falhs gewest. Demnach wehr
eur conclusion (herr Doctor6 sagt ich zů dem platz halter7)
nichts werd.

Das aber der Teuffell/ on Gotis eingeben/ gelogen
hab/ und das Got gar kein ursach/ dem teuffel/ zů liegen
Joan. 8.gegeben/ zeygt Christus ahn/ in dem das er spricht. Der
teuffel hat auß seinen eygen gelogen.8 Denn wo der
teuffel/ auß seinem eygen synn gelogen hat. So ist nicht
in Got/ oder ahn Got/ das den teuffel zuͤ liegen vor-
ursacht.

Sprichstu/ das Gottis zorniger will/9 den teuffel zů
liegen bewegt/ oder gereitzt hab. So mustu auch bald
sagen/ das der teuffell/ nicht auß seynem eygenthumb/
sondern auß goͤtlicher reytzung unnd bewegung/ gelogen
hat. Dieweyls offentlich am tag ligt/ das die mittele/
durch welche got/ die creaturische krefften des teuffels/
anzůndt oder bewegt/ nicht die bewegte krefften10 waren/
sondern/ sonderliche dinge.11 Gleicher weyse/ die zornige
wort oder hoͤnrede meines feindes/ durch welche er mein
Buchsymbol fehlt bluͤt anzuͤndt unnd bewegt/ weder ich selber/ noch mein
blůt/ noch die hitzige brůnst oder glude meynes hertzen/
seind. Sondere andere ding/ und sonderliche creaturen/
von meinen krefften abgescheiden.

Also auch ist der zornig will Gottis. Oder sein vor-
hencklicher will12/ ye13 nicht/ die creatur/ die von yhm ge-
Joan. 8.triben oder vorhenckt14 wuͤrd. Weil aber Christus spricht/
das der teuffel/ auß seinen eigen lieg/ wenn er leugt.15 Můß
es unmoͤglich sein/ das der Teuffel auß Gottis willen
lieg/ der des teuffels nichts eygen ist. Gottis zorniger
will/ kann auch nit liegen/ als der teuffel. Nach16 ungerecht
sein/ als der teuffel. Wie grimmich gotis zorn sein magk
oder gewest ist/ wie wol er zů flihen ist etc.17

War ist es/ das der teuffel/ nicht sein kuͤnte/ one gotis
verhencknis.18 Ya one gottis willen/ moͤcht der teuffel gar
kein wesen haben/ oder auch nit ein creatur sein/ und sey-
ne krefften/ koͤntten auch nicht sein/ one Gottis willen.19
Vil weniger/ moͤchten sich des teuffels krefften one gotis
willen regen oder bewegen. Das ist aber widerumb
auch war/ das der teuffel sein luͤgen/ auß seinen eygenn
leuget. Unnd ligt nichts an den beweglichen dingen/ so
den teuffel oder menschen/ innerlich oder eusserlich/ be-
wegen/ sie seind leipliche oder geistliche bewegnis. Dann
Got geb/ sie seind wie sie seind/ so ist dannest20 ein klarer
untherschied/ zwůschen den beweglichen dingen/ und den
bewegten krefften. Gleicher maß auch/ ein merglicher
untherschied ist/ zwůschen gotis zornigen oder vorhenck-
lichen willen/ uff einer/ und zwůschen den bewegten kreff-
ten des Teuffels/ uff der andern seytten.

Joan. 14.Christus ist ye die warheit/ und vermack nicht unware
urteyle reden/21 der sagt also. Wenn der teuffel lůgen
redt/ so redet er/ von seinen eygen.22 Drumb muß das
gestracks23 waer sein/ das Got kein ursach/ des verthuͤm-
nis24 und der lůgen gewest. Und das der teuffel von anbe-
gynn/ und noch heutte/ auß seynen eygen krefften gelo-
Buchsymbol fehltgen hab/ und noch heutes tages/ die luͤgen von seinen ey
gen krefften liege/ so offt er leugt/ und nichts durch gotis
eingeben oder treyben/ das ist auß dem zů mercken/ das
Christus nit spricht. Der teuffel hat auß seinem eygen
anfencklich gelogen/ sondern also/ wenn er luͤgen redt/
so redet er von sich selbst/ demnach leugt er heut als vor25.

Ich weiß nit was dem teuffel/ eygenthůmblicher an-
hangt/ denn seine angeschaffene krefftenn/ die Got wol
schůffe/ und dem teuffel zů eygen gab/ drumb sage ich zey-
ten/ der teuffel leugt auß seinen eygen krefften/ wenn ich
sonst sagt/ der teuffel leugt auß seinem eygenthumb.

Nuͤ/ wenn einer sagen woͤlt/ das Got ein ursach der
krefften sey/ durch welche der teuffel leugt/ als durch sein
eygenthumb. Drůmb solt auch Got ein ursach sein des
teufflischen falhs. Darauff sag Ich. Das ist ein
Sophistische und betriegliche rede/ und ist nichts werd.26
So aber ein solche rede bestuͤnde/ wuͤrd volgen/ das Got
Gen. 1.nichts guͤts geschaffen het/ wider das. Das sein goͤtliche
augen/ alle ding sahen/ das sie wol/ gůt/ und recht ge-
schaffen waren.27 Wenn ich euch hochgelarten solt gestehn/
Das got ein ursach/ des teuffelischen falhs/ darumb sein
solt/ das er dem teuffel krefften anschuff/ dadurch sich
der teuffel bedrugk/ und drumb solt volgen/ das die teu-
felische krefften/ derhalben auch boͤß/ ubel/ und ungerecht
weren geschaffen. Wuͤrd auch volgen/ das Heva28/ ubel
und boͤß/ unnd unrecht geschaffen wer/ welcher Adam
auch unrecht gebrauchet.29 So wer auch die heilige schrifft
boͤß/ durch welche vil schrifftweysen vertorben/ und als
die teuffeln/ gefallen seind. Und muͤste zům letzten volgen
das die menschheit Christi/ nit wol/ gůt und recht/ von dem
heiligen geist entpfangen wer/ weil sich so vil verthuͤmbte/
an yme geergert/ und sich gefelt haben. Und můst darnach
auch volgen/ das got selbert nicht gůt wer/ die weil sich
ettliche geister/ an seiner gotheit/ verseert/ unnd sich in
ewigen falh gebracht haben.

Buchsymbol fehltEs ist nit war/ das alles boͤß und unrecht ist/ daran
sich eyner zuͤ falh brengt. Heva wurd ye wol geschaffen/
und recht/ und Adam kuͤnt Got keine ursach geben/ sey-
nes falhs/ drumb das yhm Got die Heva schuff/ und zů
gab.30 Ursach. Got wisset wol das dem Adam nit gůt
wehr/ wenn er allein/ sein blib. Derhalben schuff Got
Gene. 2.dem Adam eine geselline/ die solt dem Adam vor seynen
augen stehn/31 und uff Adams augen und willen achtung
haben/ und yhm dienen. Das alles thet got dem Adam
zů gůt/ das der Adam selbst bekandt. Druͤmb hieß
Adam seyne Hevam ein schridbein/ oder ein ganckbein/32
das sie bereitte beine unnd fueß hette/ noch seynem gebot
und willen zůgehn.

Also was33 ye kein mangell/ an der schoͤpffung Heve/
und Got gab Adam auch kein ursach seynes falhs/ als er
Gene. 3.34durch Hevam fiel/ das Adam vorm falh selbert bezeugt/
als er Hevam ein schridbein/ oder ganckfueß nennet/ und
hieß sie Mennin.35Wenn auch Adam/ seiner Heva/ recht
gebraucht hette/ unnd wer in der ordnung/ als sie Got
beyde geschaffen/ bliben. So wer Adam nicht gefallen.
Aber als Adam seine Heva/ nit zů eynem gehuͤlffen/ fuͤr
seinen augen/ datzů sie Got geschaffen hette/ sondern zů
einem haubt setzt.36 Und sahe uber sicha/ do er solt unther
sich oder stracks fuͤr sich sehen. Und do Adam des dinsts
Heve vergaß/ unnd setzet sie oben/ als einen herren/ des
stymm er hoͤren wolt/ unnd machet auß eynem schridbein
ein oͤberbein/37 da mißbrauchet Adam seines gehilffen/ und
hoͤret ire stymm/ mehr/ dann Gottis stymme/ unnd das
yhm zuͤ nůtz und ehren geschaffen war/ das wandelt er zů
seinem schaden und unehr.
Drumb fiel Adam durch
das weyb/ das got wol/ gůt/ und recht geschaffen haͤtt/
als der Adam selber bezeuget hat/ wie gesagt ist. Wie
Gene. 3.wol er sich nach dem falh wolt entschuldigen/ durch sein
Heva/ und sprach. Die du mir zům gehilffen geben hast/
Buchsymbol fehlt die gab mir den apffel/ und ich assze etc.38

So auch stets mit den naturlichen eygen krefften/
got hat sie wol/ und gůt geschaffen/ der sie auch helt und
gebraucht/ als sie got geschaffen hatt/ der feelt nit. Als
wenig Adam gefallen were/ wenn er aller ding/ im para-
diß/ und seiner Mennin gebraucht hett/ als sie ym Got
erleubte.
So wenig wer der Teuffel gefallen/ wenn er sich
auch nach seynen krefften gehalten/ als yhm Got seyne
krefften anleymbt und eygen macht.

ursach des falhsAuß dem aber kůmbt der schad und falh her/ das die
vornunfftigen creaturen genuͤgde39/ an yren natuͤrlichen
krefften/ haben/ und sprechen. Got hat mir einen freyen
willen/ und geystliche krefften/ eygenthuͤmblich geben/
und er hat mich und alle meine krefften/ gůt/ recht/ und
facere quod in se est40wolgeschaffen.
Drumb wil ich bey meinem willen und
krefften bleyben/ und zuͤ friden sein/ und so vil thun als
ich sol. Das aber ist ein teuffelische ungelaßenheit.41

Die also an yren krefften genuͤgig sein/ die woͤllen das
werck des heyligen geystes/ nit leyden nach42 annehmen.
Man predig yhnen was man wil/ so woͤllen sie bey yrer
natuͤrliche vernunfft bleyben. Unnd ir geschaffen licht/43
fuͤrs beste und genugsam schatzen. Unnd vorsprechen44 das
lichte/ und Gotis einreden45. Das ist/ das Christus
Jo. 1.3.46klagt. Das lichte leucht ym finsternis/ und die finster-
nis wellens nicht annemen.
47

Got/ hat die vornunfftige krefften/ nicht derhalben
geschaffen/ das wir genuͤgde dran hetten. Sondern/
das wir ein vorlangung entpfiengenn nach seynem geyste.48
Und in rechte gelassenheit kemen/ unsers eigenthumbs/
und Gottis wuͤrden/ unnd begereten/ das uns Got selb
leeren/ weyßen und erfuͤllen woͤlt. Demnach solten unsere
krefften/ von uns außgehn/ als unsere arm unnd hende/
von unserm leip außgen/ und solten sich nach gotis werk auß-
streken/ als sich die arme und hende/ nach der spies49 austrecken.

Buchsymbol fehlt Die aber ire krefften/ nicht außbreytten nach gottis
Joan. 15.wirckung/ die achtens dafuͤr/ das sie etwas vermoͤgen/
one den geist Christi/ außrichten oder thun.50 Darumb fal-
Deut. 32.len sie durch ire krefften/ welche got wol und gut schuff/
unnd verlassen den Got/ der sie/ und ire eygen krefften
gemacht/ und ins wesen außgefuͤrt hat.51

Also hat der teuffel than/ Got ließ yhm/ unnd allen
Apocal.engeln Jesum von Nazareth predigen/ das sie alle von
yhm entpfahen/ und durch yhnen52 eingehn/ und nach ym
sein solten.53 Das wolt der teuffel nit annemen/ sondern/
er wolt bey seynen eygen krefften bleiben/ als er auch blieb.54
Drumb beschloß der teuffel/ das er des geystes Christi nit
bedurfft/ nach55 begeren woͤlt. Derwegen/ stund der teu-
fel nit in der warheit/ es war auch kein warheit mehr in
yhm. Sondern die luͤgen/ unnd er reddet/ die luͤgen/
auß seinen eygen krefften/ unnd fiel/ als56Adam/ durch seyn
Heva fielh.

Do mercke/ sprach ich/ das Got kein ursach gewest ist/
des teuffelischen falhs/ oder luͤgen/ als57 Christus spricht/
das der teuffel/ auß seinen eygen krefften leugt.58 So gar59
hat Got keine schuld/ des teuffelischen falhs/ das er dem
teuffel/ die warheit/ das leben/ und den weg/ der Christus
ist/60 ließ vorkuͤndigen/ uff das er verstuͤnde/ das sich sein
eygne krefften/ nach eynem hoͤhern werk auß breyten
und erstrecken můsten denn das sie selber bekommen moͤ-
gen/ und das er auch wisset/ das kein vornuͤnfftige crea-
tur/ an iren eygen krefften/ genuͤgde haben solt. Nach61 ir-
gent eyne creatur/ one Christus geist etwas thun kuͤnt62/
also ist der teuffel/ anfencklich63/ durch sich selbs vorterbet.

Das ist war/ das ein treflicher untherscheydt ist
zwuͤschen der ersten teuflischer luͤgen oder boßheit/ und
zwyschen den boßheyten/ so der ersten boßheyt volgen.
Dann Got kan wol in sunde/ eyner vorgethaner sunde
halben/ treyben.64
Aber anfencklich wist ich nit (herr
Buchsymbol fehlt respondens65/ sprach ich)
zů sagen/ das Got einen/ zů sun-
den anfencklich66 treybe. Dieweil Got erstlich zů den
seynen kuͤmpt/ und weyset iglichem seine warheit/ unnd
Christum seinen sohn/ darumb in diese welt gesandt hat/
alle menschen zů erleuchten/ und ahn sich zebrengen/ die
yhnen67 nůr annehmen woͤllen.68 Christus hatt fuͤr aller
welt sunde gelitten69/ und genugthan/ und erweyset/ das
Got nit mit zorn/ sondern mit offenbarung seyner lieb
und barmhertzickeit/ zům ersten allen creaturen kuͤmbt.70
Do her gehoͤrt das Got ein unendlich lichte ist/71 groͤsser/
weyter/ hoͤher/ und tiffer/72 in geystlicher groͤsse/ dann die
gantze welt/ und so vil an yhm ist/ ist er bereitt/ alle men-
schen zůruffen/ zů leren/ und an sich zebrengen.73

Drumb magk ye74 niemants/ von dem teuffel sagen/
das yhn Got anfencklich gereytzet hab/ zů lůgen. Als
Joan. 3.wenig yemants darff sagen/ das Christus/ von eyner
andern sach wegen komen sey/ dann die welt zůerloͤsen/
und nicht zů richten.75

Joan. 8.Dieße materien/ ist als ein argument/ kuͤrtzer auff ge-
bracht/ dann ich sie hie ertzele
/76 unnd das wort Christi.
Wenn der teuffel luͤgen redt/ so redt er/ auß seinen eigen.77
Stieß vil zuͤhoͤrer/ fuͤr ire stirn/ das sie alle/ gemenigklich
anfingen zů zweyfeln/ ap Got/ ein ursach/ der vorthuͤm-
nis78 und des boͤsen sey/ die es vor unser disputation/ fůr
einen gewißen schlus hielten/ das got/ ein ursach des teu-
flischen falhs gewest.

Weyl dann Christus wort her schnydt79/ als ein schar-
fes schwerdt/80 unnd einen wohn81 machte/ das der teuffel/
selbs ein ursach sein solt/ seines verthuͤmnis82 unnd boͤses/
und nit Got. Und wie wol ich arguiret/ und nit schlus/83
dannest84 kamen etliche Studenten zů mir/ und sagten. Ich solt
yhnen meine meinung vertzelen85/ was ich hielt/ angesehen/
das sich so vil schrifften/ also stossen86/ das sie nit wisten/
was der grůnd/ und warheyt wehr.

Buchsymbol fehltEhe aber ich anfieng zů reden/ sprachen sie/ das des
Osee. 13.Propheten Osee urteyl/ mit der rede Christi/ solt gleych
stymmen87. Denn Oseas spricht. Israel/ dein vorterbnis
ist auß dir/ und allein dein heil oder huͤlff/ auß mir.88 Sihe
sprachen/ sih/ wenn vorterbnis auß den menschen ist/ so
wer das boͤse/ unnd vorthuͤmbnis auch auß dem Israel/
und nit auß Got. Sondern gůt als gůt/ oder hilff unnd
heyl oder selickeit/ ist allein auß got.
Nuͤ/ wenn nichts/
auß Got/ oder von Got kuͤmbt/ dann allein das gůt ist/
und hilflich89/ und des menschen seligkheit ist. Muß von
noͤten volgen/ das Got/ kein ursach ist des verterbnis/
und kein schuldt des teuffelischen falhs hat/ der gleichen
got hat kein ursach des boͤsen und vorthuͤmnis der men-
schen/ das ist ye so vil gesagt/ als das. Wann der teuffel
luͤgen redt/ so redt er/ von seinen eygen luͤgen/90 nicht von
Gottis eingeben. Got lest es wol geschehen/ und vor-
henckts91/ oder lest den teuffel und die vorkerten menschen/
mit yren natuͤrlichen krefften umbgehn/ wie sie woͤllen.
Wie wol Got die creaturische krefften/ nicht darumb
geschaffen hat/ das ymandts genuͤgde dran haben/ oder
sich untherstehn solt/ goͤtliche wercke von sich selber tzů
wircken/ unnd gottis des schepfers vergessen solt/ der sie
geschaffen und iglichem seine krefften angehefft92 hatt.
93

Der verkert will und synn/ seind ein ursache der ver-
thuͤmbnis/ und des teuffelischen falhs.94 Der verkert synn
also. Der teuffel wolt nit synnen oder verstehn/ das er
one Christus geyst nichts thun moͤcht/ unnd es wer yhm
spoͤtlich/ das yhn Got so wol und gůt geschaffen/ unnd
solt dannest95 mangell an seinen krefften haben/ und von
einem andern besser werden/ also was96 sein verstůrtzter97
synn/ ein ursach des falhs.

Buchsymbol fehlt Der verkert will aber/ ist des teuffelischen falhs also
ein ursach/ das der teuffel mit seinen eygen krefften/ kuͤrtz-
weylet98/ unnd sich mit belůstet/ und druff bleyben woͤlt/
Joan. 3.als er auch bleyb. Das ist das Christus saget/ das lichte ist
komen/ in die welt und die welt hat/ finsternis mehr gelibt/
denn das lichte/
99 drumb ist ir synn unnd will verkhert.
Da her kams auch/ das der teuffel/ Got nicht erkandt/
und das lamb nicht annehmen wolt/ durch welches er zů
Got gehn und komen solt.100 Drumb kan der teu-
fel/ weder Got/ noch das lamb beschuldigen/ das er ver-
thuͤmbt ist/ weyl er sich selbert/ mit seynen eygen kreff-
ten verknuͤpffet/ unnd der vorkhuͤndigten warheyt wi-
dersprach.

Eyner auß den Studenten sprach. Mich sihet des
Augustini meynung101 gar nah102 anh/ als er unns verfuͤrt/
und unbillich103 schlies104. Das Got ein ursach der verthuͤm-
Joan. 8.nis sey/ und das er/ ob gehandelten105 sententz Christi. Wenn der
teuffel leugt etc.106 wissigklich uberlauffen107/ und thun hab/ als
hett er yhn nit gesehen. Villeicht der halben/ das yhnen108 das
wasser109 Christi/ von seynem wohn110/ und da hyn fuͤeret do
er stecken111 můß/ unnd nicht112 tzů Christus rede sagen kuͤnn.
Drumb wil sich113 (sprach der selbe) hynfuͤrht114/ nicht so
trotzlich115/ auff der meynung/ Augustini/ stehn116/ auch nit
mehr půchen117 als vor118.

Was wanckelstu/ sagt sein bruͤder/ an dem wohne119
Augustini? Hat er sich nicht allenthalben wol gewap-
pendt? unnd ursachen des teuffelischen falhs/ Got zů-
gerechnet/ unnd durch viel schrifften/ erweyst unnd er-
langt/ das der teuffel/ auß Gottis verhencknis unnd
verhertung120/ gefallen ist/ und vorthuͤmbt?121

Buchsymbol fehltDie schrifft zůndet122/ und beweget/ und jaget mich do-
hyn/ da tzů ich bekennen můß/ das Got ein ursacher ist
Gene. 32.123der verthuͤmbnis124 und des boͤßen. Steht nit also geschri-
Exo.ben. Ich wil mich erbarmen/ des ich mich erbarmen
werd/ und wil vorherten/ den ich vorherten werd?125 Item
Ich werd das hertz Pharaonis vorherten/ unnd er wuͤrt
Exo. 4.mein volck nit verlassen.126 Was ist erbarmen anders/
dann guͤnstige werck in der seelen/ oder im geyste wircken/
uber welchen sich Got erbarmet? Was ist vorherten/
dann gůnst/ genad/ barmhertzickeit/ abtziehen/ von dem/
Hier. 33.den Got vorhertet?127 Welchem Got begerung und bitte
des frides/ oder barmhertzikeit eingibet/ der kan von got/
gůt als gůt/ und gotis begeren oder bitten.128 Dem es aber
Ro. 9.got nit vorleihet/ der kan auch nicht begeren nach129 bitten/
denn es ist nicht des der do wil/ sondern des barmhertzi-
gen Gottis.130

2. Cor. 3.Die creaturen seindt ungenugsam tzů dencken/ vil
weniger vormoͤgen sie/ etwas vonn Got wuͤnschen oder
begeren.131 Nach dem ye/ die begerung/ den gedancken nach-
volgt. Und niemandt des begert/ das er nit vorsteht.

Nů hoͤrstu/ das der mensch/ des goͤtlichen geystes werck/
weyßheit/ sterck/ und der gleychen/ begeren sol/132 und das
dem menschen/ on gottis barmhertzigen willen/ unmoͤg-
Phil. 2.lich sey. Wenn warumb133/ der barmhertzige will Gotis/
schafft und wirckt alleine/ guͤte gedancken und begerung/
nach seinem geyst/134 und wie der selb veterlich will/ seynen
geyst den creaturen schicket/ unnd der geyst machet/ das
Ro. 8.
Gall. 4.
sie zů got/ warhafftigklich sagen. Vater vater.135 Gleich
also schaffet das der geyst/ ym menschen/ das er Gottis
begeren/ und goͤtliche gedancken/ nach Got haben kan.
Gene. 6. 8.Denn/ unsere naturliche krefften/ seind von jugent auff/
unnd alle stunden/ tzuͤ dem boͤßen geneygt.136 Unnd stehn
Esa. 55.tieffer unnd ferner von Got/ denn die erden unther dem
hymmel.137

Buchsymbol fehltNů/ wenn dem also ist/ das unsere krefften/ nicht gůts
gedencken/ nach138 begeren vormoͤgen/ ehe sie got angreifft139.
Und der yene fallen můß/ den Got nit uber sich ruͤcket.
So wer ye140 Got schuldig am falh. Sih/ wenn du mir nit
huͤlffest/ so ich fiel/ und kuͤntest mich retten/ so werestu
meines falhs schuldig.
Sonderlich/ wo du mir wol helf-
fen moͤgest/ als du den andern geholffen hettist. Nuͤ
ist Got reich/ starck/ mechtig unnd klug genuck/ er weis
wie er helffen sol/ und sihet/ das ich durch meine krefften/
nichts anders kan/ dann nider fallen/ und nicht uff stehn
mack/ das ich ein geist bin/ der hin geht/ und nicht wider-
kuͤmpt/ und got kan mir one schaden helffen/ und thuts
nicht. Unnd zeugt141 mir seyne genad ab/ unnd lesset mich
fallen.

Dar kegen sprach der. N.142 Du redest von dem falh/
gleych als zuge143 sich Got ab/ vonn den menschen/ wenn
sie fallen. Aber. Ich sage dir/ das Got alle menschen
erleucht/ und brengt alle geschaffene geyster/ in die war-
heyt/ und ist kein mangel an yhm/ denn er weyset seyne
warheit und gerechtickeit/ und neyget sich zů allen ge-
schaffen geystern. Aber sie wollen nit alle/ in der war-
heyt stehn bleyben. Bliben sie stehn/ so fiellen sie nit.

Nů/ weyl sie von goͤtlicher warheit tretten/ so fallen
sie. Das solstu wissen/ und da durch verstehn/ das got/
ein helles schoͤns und lieplichs licht ist/ welchs stets/ ein
gůte begerung mit sich brengt/ und ist der feel und man-
gel nicht an dem lůstparlichem lichte/ sondern an dem
teuflischen finsternis/ unnd falschem geschaffem lichte.144
Wenn sich das falsche lichte/ seiner vortzeyhen145 woͤlt/ und
ein bessers/ und warhafftigers lichte annehmen/ so wurd
es Got besser und warhafftiger machen.

Uber dieße untherrichtung/ sagt sein widerpart.
Ro. 9.Was kan ein mensch Got sagen? Was darff der offen-
Buchsymbol fehlthafen146/ der krausen147 sagen/ das yhn der heffner oder toͤp-
fer/ tzů dem ofen unnd feur/ unnd die krausen zům tisch
Esa. 45.unnd lůst bereytt hat?148 Was recht hat der stock/ dem
Esa. 10.tzů sagen/ der yhnen bewegt?149 und der mensch kegen sey-
nem schoͤpffer zů reden? Got ist gerecht/ er toͤdt oder mach
lebendig. Er vorthuͤmb150 oder mach selig.151

Esa. 45.Got schaffet das licht/ und finsternis/ gůt und boͤß/
und das finsternis und boͤß/ muß zů friden sein/ und kan/
unnd darff auch Got/ nicht umb seine schoͤpffung/ an-
sprechen/ oder Got zuͤ sagen152:b Warumb hastu mich boͤß/
und nit gůt geschaffen?153 Dastu offinbarlich sehest/
das Got des boͤsen ein ursach sey/ nehm ich dießen text
Ezech. 14.Ezechielis. Wenn ein prophet lůgen redt/ so hab ich/
2. Paral. 18Got/ yhn betrogen.154 Wenn Got macht/ das einer leugt/
so ist er ein ursach der lůgen/ betreugt er/ so ist er ein ur-
2. Reg. 16sach des betrugs.155 Das gesteht David/ der zuͤ seinen
knechten sprach/ das sie dem lůgener nichts thun solten/
der den David mit eynem fuder156 lůgen belestiget.157 Dann
David sagt/ das Gottis will wehr.

Wiltu nů kluͤger sein/ dann David/ oder heyliger
denn David? Ist doch die lehr Pauli klar/ das Got vile
Ro. 1.getrieben hat/ in wolluste yres hertzens/ und hat sie yns
finsternis gestossen.158 Auff dieße redt/ stunden man-
cherley reden auff/ eyner nahm ytzt vertzelte schrifften
ahn/ der ander sprach. Ists doch drobenc abgeredt/ das
Got/ umb voriger sunden willen/ in neue sunden treibt.159
Das auch Paulus unheymlich und unverborgen antzeigt.160

Ro. 1.Drůmb ist dein kegenwůrff161 seer unfuͤglich162. Der dritte
sprach. So kem die alte Scholasterey widerumb auff.
Datzů antwort einer/ und sagt. Nein. Aber der virte
sprach/ Seind denn alle urteyle der Schulesterey163 uffge-
Buchsymbol fehlthaben? Ist der artickel von der dreyheyt und gotheyt/
von der menschwerdung Christi/ unnd der gleychen etc.
auchd umbgestossen? Oder mack es nicht gesein/ das die
Schullesterer/ etliche sachen/ vonn Got handeln/ die sie
nicht erfunden nach164 erdacht haben? Die warheit
sagt jhe165. Er leugt auß seinen eygen krefften.166 Do be-
schlussen sie/ und wolten mich fragen/ und mey-
nen synn unnd verstandt/ uber obertzelte
schrifften hoͤren/ und untherwegen
verwunderten sie sich fast167 sehr/
und giengen/ iglicher/
nach seyner wa-
nung.168

¶ Gedrůckt zů Jhen durch Michell-
Bůchfuͤrer. Anno. 1524.


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1Joh 8,44; zum Wortlaut siehe KGK 251 (Anmerkung).
2Die Disputation fand zwischen Januar und März 1522 oder im Dezember 1522/Januar 1523 statt. Vgl. KGK 251KGK 251 (Textstelle) mit KGK 251 (Anmerkung) u. KGK 251 (Anmerkung). Zur hsl. Überlieferung ihrer Thesen vgl. KGK 251 (Anmerkung).
3Vermutlich bezieht sich Karlstadt auf die 4. These Briesmanns: »Proinde mala atque peccata, quae sunt precedencium viciorum poene non solum permissive (ut aiunt) verum eciam potenter deus in malis operatur.« (SB-PK Berlin, Ms. theol. lat. oct. 91, fol. 75r; Druck: Kolde, Disputationsthesen, 469). Vgl. hierzu Joestel, Neue Erkenntnisse, 131.
4Karlstadt gibt an dieser Stelle an, Opponent in der Disputation gewesen zu sein.
5Vgl. Joh 8,44 Vg »[…] cum loquitur mendacium ex propriis loquitur […].«
6Johannes Briesmann, der praeses der Disputation. Zu ihm vgl. KGK 251 (Anmerkung), KGK 251 (Anmerkung) u. KGK 251 (Anmerkung). Dort auch zu deren Datierung auf Grund der Ansprache Briesmanns als Doktor.
7Bezeichnung des praeses der Disputation (in diesem Fall Briesmanns) als Platzhalter.
9Zu diesem Begriff in Opposition zum zulassenden Willen Gottes vgl. Von Mannigfaltigkeit des Willens Gottes (KGK VI, Nr. 239, S. 52, Z. 21 – S. 53, Z. 20).
10Erneuter Bezug auf die 4. These Briesmanns, nach der Gott Sünden nicht nur permissive, sondern auch potenter auferlege. Siehe KGK 251 (Anmerkung). In der thomistischen Philosophie ist die bewegende Ursache (causa movens) die erste Ursache, auf die alles Seiende zurückgeht. Sie fällt bei Thomas von Aquin als causa agens oft mit der wirkenden Kraft (causa efficiens) zusammen. Gott als unbewegter Beweger ist Ursache der Welt. Zur causa efficiens s. Thomas, S. th. I q. 2 art. 3; Thomas, S.c.g. I cap. 13. Andererseits unterscheidet Thomas extrinsische und intrinsische, vermittelte und unmittelbare und andere Gründe für die Bewegung von Dingen. Vgl. Schütz, Thomas-Lexikon, 500–502. Karlstadt bezeichnet den verhänglichen, zulassenden Willen Gottes als Wirkkraft (causa efficiens), der aber keine ontologische Qualität erhält, sondern dem »einigen Willen Gottes« zugeordnet ist; s. bereits KGK VI, Nr. 239, S. 52, Z. 21 – S. 53, Z. 7.
11Eigenständige, von äußerer Einwirkung abgeschiedene Dinge bzw. Ursachen. Dazu gehören in diesem Zusammenhang der eigene Wille und das alleinige Vertrauen auf die eigenen Kräfte.
12Zum verhänglichen, d.h. zulassenden Willen Gottes s. KGK 251 (Anmerkung).
13ja.
14veranlasst. Vgl. DWb 25, 525f. s.v. verhängen Nr. 4.
16noch.
17Es ist unklar, ob sich hinter dieser Stelle ein biblischer Bezug verbirgt. Zum gerechten Zorn Gottes vgl. Mi 7,9 und Röm 2,5; zur Flucht Lots und seiner Familie vor dem Zorn Gottes vgl. 1. Mose 19; zum Bußaufruf Johannes des Täufers, da niemand dem Zorn Gottes entfliehen könne, vgl. Joh 3,7.
18Zu Gottes Verhängnis siehe KGK 251 (Anmerkung).
19Vgl. Aug. conf. 7,11,17–15,21.
20dennoch. Vgl. DWb 2, 748 s.v. dannest.
21Vgl. Joh 14,6 Vg »dicit ei Iesus ego sum via et veritas et vita […].«
23geradewegs, schlicht (verstärktes »stracks«). Vgl. DWb 5, 4245f. s.v. gestracks Nr. 1a u. f.
24Verdammnis. Vgl. DWb 25, 1895 s.v. Verthümkeit.
25wie zuvor. – Zur Lüge des Teufel in Opposition zur Wahrheit Gottes und den Grundlagen von Unglauben und Glauben vgl. KGK 274 (Textstelle).
26Karlstadt wendet sich gegen die auf Aristoteles beruhende, thomistische Lehre von der Kausalität von Ursache und Wirkung. Thomas von Aquin erkannte in Gott die erste Wirkursache aller Dinge. Vgl. Thomas, S. th. I q. 2 art. 3 co. (Thomas, Opera (Busa) 2, 187f.); Thomas, S.c.g. I cap. 13 (Thomas, Opera (Busa) 2, 3f.).
27Vgl. 1. Mose 1,31 Vg »viditque Deus cuncta quae fecit et erant valde bona et factum est vespere et mane dies sextus.«
28Die atl. Eva.
30Vgl. 1. Mose 3,12 Vg »dixitque Adam mulier quam dedisti sociam mihi dedit mihi de ligno et comedi.«
33war.
34Zum Sündenfall vgl. 1. Mose 3,1–24.
35Vgl. 1. Mose 2,23 Vg »dixitque Adam hoc nunc os ex ossibus meis et caro de carne mea haec vocabitur virago quoniam de viro sumpta est.« Das Lateinische gibt mit virago (Heldin, Heldenjungfrau) nicht den Gegensatz »Mann-Männin« des Hebräischen wieder, auf den Karlstadt hier anspielt und den auch Luther in seiner Übersetzung hervorhebt. Im Lateinischen heißt es auch nur, Eva sei aus den Knochen (os) Adams genommen, Karlstadt aber spricht dezidiert vom Schritt- bzw. Gangbein. Vgl. auch Von Gelübden Unterrichtung: »Darumb nent Adam sein weib ein mennin/ hebreisch Ischa/ alßo ist Heva von Adam kummen.« (KGK IV, Nr. 203, S. 589, Z. 22f.).
36Vgl. dazu 1. Kor 11,3; Eph 5,23. Eine vergleichbare Argumentation zur Unterordnung der Frau unter ihren Mann in der Ehe als Ausdruck gottgewollter Ordnung in Von Gelübden Unterrichtung (KGK IV, Nr. 203, S. 585, Z. 22–25; S. 589, Z. 7–24). Vgl. hierzu Salvadori, Frauen.
38Vgl. 1. Mose 3,12 Vg »dixitque Adam mulier quam dedisti sociam mihi dedit mihi de ligno et comedi.« Vgl. auch 1. Mose 3,6.
39Genüge (haben).
40Die Formel facere quod in se est besagt, dass Gott dem, der tut, was in seinen Kräften steht, die Gnade nicht versagen werde. Sie wurde von Alexander von Hales (um 1185–1245; vgl. Alexander von Hales, Glossa 3, 317,26–32) geprägt und von Hugo Ripelin von Straßburg (um 1205–um 1270) in einem theologischen Handbuch, das zeitgenössisch u.a. Bonaventura (1221–1274) zugeschrieben wurde, weiterentwickelt. Vgl. Hugo von Straßburg, Compendium theologicae veritatis, lib. 5 cap. 13: »Sufficiens igitur habilitatio ad gratiam est, si homo facit quod in se est. Facere autem quod in se est, tria complectitur, scilicet ut homo actum peccandi et voluntatem peccandi deserat, et conetur in bonum, prout est sibi possibile.« (Bonaventura, Opera (1596) 7, 802). Letztlich erhielt der Satz einen zentralen Platz in der nominalistische Gnadenlehre. Die spätmittelalterliche Rezeption ist geprägt durch Gabriel Biel, Collectorium d. 14 q. 1 a. 2 Concl. 5 U: »In quocumque instanti facit peccator quod in se est et quidquid potest, in eodem instanti Deus infundit gratiam […].« (Biel, Sententiae (Werbeck/Hofmann), 437,32f.). Vgl. dazu Leppin, Buße, 532; Hamm, Frömmigkeitstheologie, 277. Luther, der nominalistisch ausgebildet worden war, brandmarkte den Satz in der 13. These der Heidelberger Disputation 1518 als Todsünde (WA 1, 354,5f.).
41Das Vertrauen auf seine eigene Kraft, das die Formel facere quod in se est befördert, und das Berharren auf dem eigenen Willen ist eine Form der Ungelassenheit, das der Selbstaufgabe im Gehorsam gegen Gott entgegensteht. Zu den Formen der Ungelassenheit vgl. KGK VI, Nr. 241, S. 112–115, 125–128, 143–146, 152f. Die Idee, dass Ungelassenheit bedeutet, bei den eigenen Kräften zu verharren, findet sich ähnlich in Wie sich Glaube und Unglaube halten (KGK 274 (Textstelle); KGK 274 (Textstelle)). Vgl. Evener, Enemies, 193 mit Anm. 160.
42noch.
43Das geschaffene Licht, das lumen naturale im Sinne des Lichts menschlicher Vernunft und menschlich-endlichen Erkenntnisvermögens, im Gegensatz zur ewigen, göttlichen Vernunft. Grundgelegt bei Cic. tusc. 3,2,1, war das lumen intellectus agentis bei Thomas von Aquin zwar eingeborenes, apriorisches Erkenntnisprinzip, stand jedoch unter dem lumen fidei, das durch göttliche Gnade die Erkenntnis übernatürlicher Wahrheiten offenbarte. Thomas, De ver. qu. 18 art. 1 ad 10 (Thomas, Opera (Busa), 3, 111); Thomas, S. th. I, q. 79, art. 4 co. (Thomas, Opera (Busa), 2, 300). Karlstadt erstellt eine Opposition zum »ungeschaffenen Licht« Gottes; vgl. dazu ausführlich KGK 274 (Textstelle).
44zurückweisen, verleugnen, verwerfen. Vgl. DWb 25, 1469–1471 s.v. versprechen Nr. II.A1 u. 3.
45Einwand, Gegenrede, Dazwischenreden. Vgl. DWb 3, 247f. s.v. einreden Nr. 2.
46Im Original befindet sich die Marginalie am Beginn des folgenden Absatzes.
47Vgl. Joh 1,5 Vg »et lux in tenebris lucet et tenebrae eam non conprehenderunt«; s. auch Joh 3,19–21. Diese Bibelstellen sind auch in der Schrift Wie sich Glaube und Unglaube halten zentral (KGK 274 (Textstelle) und KGK 274 (Textstelle) mit KGK 274 (Anmerkung)).
48Zum Verlangen bzw. Sehnen nach Gott vgl. den Sermon vom Fegefeuer (KGK V, Nr. 233, S. 350, Z. 3f.; S. 356, Z. 1–3 u. 11–15), Von dem Sabbat (KGK 252 (Textstelle)) und Wie sich Glaube und Unglaube halten (KGK 274 (Textstelle)).
49Speise.
52ihn (»yhn«).
53Bezug höchstwahrscheinlich auf Offb 12,7–11.13–19; 17,14; 19,11–21; allerdings vermengt mit den Legenden vom Engelssturz auf Grund der Weigerung, sich Christus unterzuordnen, aus der Vita Adae et Evae, 14–16 (CCSA 18, 308,1–310,5; Vita Adae et Evae (Meyer), 225,65–226,90); vgl. hierzu auch Bern. Adv. 2 (SBO 4, 162,20–24); Bern. SC 17,5 (SBO 1, 100,22–25; 101, 5–12); Hon. Aug. Elucid. 1,7 (PL 172, 1114).
54Vgl. Von Engeln und Teufeln (KGK VI, Nr. 246, S. 214, Z. 11 – S. 215, Z. 4 mit Anm. 30).
55noch.
56wie (im Sinne eines Vergleichspartikels).
57da (kausal).
59»So gar« im Sinne von »überhaupt«, »so gänzlich«, »so sehr«. Vgl. DWb 16, 1405f. s.v. sogar.
61noch.
63von Anfang an.
64Bezug auf die Behauptung in Briesmanns 4. These, dass Gott in den bösen Menschen sündige Taten zur Strafe für vorangegangene Sünden kreiere. Siehe KGK 251 (Anmerkung). Zugleich Referenz auf Röm 1,24.26.28. Die Argumentation wird später wiederaufgenommen; vgl. KGK 251 (Anmerkung).
65Der Respondent ist unbekannt.
66zuerst, am Anfang. Vgl. DWb 1, 327 s.v. anfänglich.
67ihn.
68Vgl. Joh 1,9.
74als Nebenform von »ja« oder »immer«. Vgl. DWb 10, 2273–2276 s.v. je.
75Joh 3,17 Vg »non enim misit Deus Filium suum in mundum ut iudicet mundum sed ut salvetur mundus per ipsum.«
76Karlstadt kennzeichnet, dass er hier vom originalen Ablauf der Disputation abweicht und ausführlicher argumentiert. Die beiden folgenden Absätze brechen aus der bisherigen, der Disputation folgenden Struktur aus in eine Rede über die Disputation und ihre Umstände.
78Verdammnis; siehe KGK 251 (Anmerkung).
79Unklar; möglicherweise ein Druckfehler bzw. Lesefehler des Druckers von ursprünglich »zerschnitt.«
81Erwartung, Verdacht, Meinung. Vgl. DWb 30, 1205 s.v. Wohn.
82Verdammnis, siehe KGK 251 (Anmerkung).
83Karlstadt hatte in seinem Vortrag als Opponent nur die Argumente ausgebreitet (argumentatio) und noch keine Schlussfolgerung (conclusio) vorgelegt.
84dennoch.
85ausführlich darlegen. Vgl. DWb 25, 2434 verzählen Nr. B.2.
86gegeneinander stoßen, sich widersprechen. Vgl. DWb 19, 515f. s.v. stoszen Nr. 9 u. 19, 526f. Nr. 3c-δ.
87übereinstimmen.
88Hos 13,9 Vg »perditio tua Israhel tantummodo in me auxilium tuum.«
89helfend. Vgl. DWb 10, 1327 s.v. hilflich.
91veranlasst, lässt zu; siehe KGK 251 (Anmerkung).
92angehängt. Vgl. DWb 1, 371f. s.v. anheften; FWB s.v. anheften Nr. 1 u. 3.
93Hier und nach den beiden folgenden Absätzen findet sich im Originaldruck doppelter Durchschuss mit Leerzeilen. Zwar setzt an dieser Stelle die Diskussion der Studenten nach der Disputation ein, dennoch markiert diese Typographie augenscheinlich keine für den Text makrostrukturelle Bedeutung. Vgl. KGK 251 (Anmerkung).
94Vgl. Röm 1,28 Vg »[…] tradidit eos Deus in reprobum sensum […].« Diese Textstelle könnte auf einen Hinweis auf eine Drucklegung der vorliegenden Schrift in Was gesagt ist: Sich gelassen (KGK VI, Nr. 241, S. 154, Z. 6–9 mit Anm. 467) deuten, sodass Karlstadt die Publikation der Disputation und seiner Argumentation als Opponent möglicherweise bereits länger geplant hatte.
95dennoch.
96war.
97verdorben. Vgl. DWb 25, 1819 s.v. verstürzen Nr. 4.
98sich die Zeit vertreiben, an etwas erfreuen, sich belustigen. Vgl. DWb 11, 2861 s.v. kurzweilen.
99Joh 3,19 Vg »[…] quia lux venit in mundum et dilexerunt homines magis tenebras quam lucem erant enim eorum mala opera.«
100Eine etwas andere Akzentsetzung in Wie sich Glaube und Unglaube halten. Dort beruht der Fall des Teufels in erster Linie darauf, dass er sich auf seine eigenen Kräfte verließ, Gott den Gehorsam und den Glauben verweigerte und die Lüge der Wahrheit vorzog (KGK 274 (Textstelle)).
101Vgl. Aug. civ. 5,9(CCSL 47, 138,95–102; 139,144–140,152; 140,158–162). Der Mensch besitzt zwar einen freien Willen, da Gott jedoch die Ursachen aller Dinge bekannt sind, weiß er auch die Ursache der sündhaften Handlungen vorher.
102vertraut, verwandt. Vgl. DWb 13, 276 s.v. nah Nr. I.1b.
103zu Unrecht. Vgl. DWb 2, 28 s.v. billig (adv.).
104schloss.
105die oben behandelte.
107wissentlich ausgelassen.
108ihn.
110Erwartung, Verdacht, Meinung. Vgl. DWb 30, 1205 s.v. Wohn.
111festsitzen, stecken bleiben.
112nichts.
113er (der argumentierende Student).
114hinfort.
115trotzig, stolz, anmaßend. Vgl. DWb 22, 1155–1157 s.v. trotzlich Nr. 1 u. 3.
116bestehen.
117pochen, bestehen auf.
118wie vorher.
119Meinung, Erwartung. S. o. KGK 251 (Anmerkung).
120Zur Verhärtung (des Herzens des Pharao) durch Gott s. KGK 251 (Anmerkung).
121Trotz Prädestination beruht der Höllensturz Lucifers und seiner Schar für Augustinus auch auf deren freier Willensentscheidung; vgl. Aug. civ. 11,9 (CCSL 47, 330,70f.) und bes. Aug. ench. 4,15.
122entzündet. Vgl. DWb 32, 553–556 s.v. zünden.
1231. Mose 32 handelt von Jakobs Kampf mit Gott am Jabbok. Die Stelle taucht bei Karlstadt durchaus prominent auf; vgl. KGK IV, Nr. 191, S. 274, Z. 5–23; S. 275, Z. 5–24. Allerdings ist der Zusammenhang hier unklar. Es kann sich daher um einen Druckfehler eines Verweises auf 2. Mose 33,19 handeln; siehe KGK 251 (Anmerkung).
124Verdammnis; siehe KGK 251 (Anmerkung).
125Vgl. 2. Mose 33,19 Vg »[…] et miserebor cui voluero et clemens ero in quem mihi placuerit«; Röm 9,15 u. 18 Vg »ergo cuius vult miseretur et quem vult indurat.«
126Vgl. 2. Mose 4,21 Vg »ego indurabo cor eius et non dimittet populum.«
127Belegstellen für die im Text beschriebene Verhärtung des Herzens (des Pharao) durch Gott: 2. Mose 3,19f.; 4,21; 7,3; 9,12; 10,1.20.27; 11,10; 14,4.17.
129noch.
133darum, daher.
135Vgl. Röm 8,15 Vg »[…] accepistis Spiritum adoptionis filiorum in quo clamamus Abba Pater.«; Gal 4,6 Vg »quoniam autem estis filii misit Deus Spiritum Filii sui in corda nostra clamantem Abba Pater.«
1361. Mose 6,5 Vg »[…] cuncta cogitatio cordis intenta esset ad malum omni tempore«; 1. Mose 8,21 Vg »[…] cogitatio humani cordis in malum prona sunt ab adulescentia sua […].«
137Karlstadt kehrt das Zitat inhaltlich um. Vgl. Jes 55,9 Vg »quia sicut exaltantur caeli a terra sic exaltatae sunt viae meae a viis vestris et cogitationes meae a cogitationibus vestris.«
138noch.
139anfasst; in Besitz nimmt. Vgl. DWb 1, 356 s.v. angreifen.
140ja.
141zieht.
142Möglicherweise wieder der Respondent.
143ziehe, wende.
144Anklang an Joh 3,19–21. Vgl. o. KGK 251 (Anmerkung) (dort auch zur Parallelverwendung in Wie sich Glaube und Unglaube halten) sowie KGK 251 (Anmerkung).
145Vermutlich verziehen.
146Ein Ofenhafen ist eigentlich als Ofenblase ein Metallgefäß, das in eine Kammer in der Ofenmauer gestellt wird, um Wasser zu erhitzen. Vgl. DWb 13, 1160 s.v. Ofenhafen mit Verweis auf DWb 13, 1158 s.v. Ofenblase. Hier scheint es sich aber um einen »Hafen« aus Ton zu handeln. Vgl. DWb 10, 120–123 s.v. Hafen.
147Trinkgefäß; einfaches, irdenes Geschirr. Vgl. DWb 11, 2093f. s.v. Krause Nr. II.1.
148Vgl. Röm 9,20f. Vg »o homo tu quis es qui respondeas Deo numquid dicit figmentum ei qui se finxit quid me fecisti sic an non habet potestatem figulus luti ex eadem massa facere aliud quidem vas in honorem aliud vero in contumeliam.«; Jes 45,9 Vg »vae qui contradicit fictori suo testa de samiis terrae numquid dicet lutum figulo suo quid facis et opus tuum absque manibus est.«
150verdamme.
151Vgl. 5. Mose 32,39 Vg »[…] ego occidam et ego vivere faciam percutiam et ego sanabo et non est qui de manu mea possit eruere.«
152zuschreiben, Böses nachsagen. Vgl. DWb 32, 726 s.v. zusagen Nr. I.3.
153Vgl. Jes 45,7.9 Vg »formans lucem et creans tenebras faciens pacem et creans malum ego Dominus faciens omnia haec […] vae qui contradicit fictori suo testa de samiis terrae numquid dicet lutum figulo suo quid facis et opus tuum absque manibus est.«
154Hes 14,9 Vg »et propheta cum erraverit et locutus fuerit verbum ego Dominus decepi prophetam illum […].«
156Sehr großes Volumenmaß, urspr. entsprechend einer Wagenlast. Vgl. DWb 4, 364–367 s.v. Fuder.
158Vgl. Röm 1,24 Vg »propter quod tradidit illos Deus in desideria cordis eorum […]«; weiter Röm 1,26.28. – Hier endet die Rede des (wohl studentischen) »Widersachers«Karlstadts, allerdings ohne Absatz, sondern nur mit großem Spatium gekennzeichnet.
161Widerspruch, obiectio. Vgl. DWb 5, 2304 s.v. Gegenwurf Nr. 2.
162unpassend. Vgl. DWb 24, 602 s.v. unfüglich.
163Scholastik in ironischer Verballhornung mit Lästerei.
164noch.
165ja.
166Joh 8,44; siehe KGK 251 (Anmerkung).
167verstärkend: recht sehr. Vgl. DWb 3, 1349 s.v. fast Nr. 4a.
168Vermutlich »wonunge« im Sinne von Gewohnheit, Aufenthalt. Vgl. Lexer, Handwörterbuch 3, 976 s.v. wonunge.

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