Nr. 222
Vertreter der Universität Wittenberg an die kurfürstlichen Räte -- Erklärung zu den Veränderungen der Messfeier
[[Eilenburg], 1522, 13. Februar]

Text
Bearbeitet von Harald Bollbuck

Buchsymbol19r Nach dem dy meß yn der pfar ist gean
dert wurden und eyn vorneurung
gescheen〈,〉1 ßo hath dy nodt erfurdert〈,〉 das
eyn bestendige ordnung yn der meß〈,〉 wy
sie fort sult gehalden werden〈,〉 auff-
gericht und gemacht wurde〈,〉 auff das
nicht eyn iczlichera nach seym gefallen〈,〉
wy ym gelibt〈,〉 lebt〈.〉

Erstlich, es bleibt dy weiße2〈,〉 klaidung
und gesang allenthalben vor und
nach der gebenedeiung des brots〈,〉 wie
es vor gehalden ist〈.〉

Und ist nit geandert dan dy Comunio〈,〉
welche〈,〉 wy folgt〈,〉 gehalden wirt〈:〉
Es werden〈,〉 wy dan von noten〈,〉 dy wort
der gebenedeiung deutzsch gesprochen mit
erklerung,3 Wen do seyn〈,〉 dy es begeren〈,〉
den sal das sacrament gegeben werden〈.〉4

Ursach diser ordnungb angehabnerc5
Buchsymbol19v vorneuung ist〈,〉 das wir durch
mancherlei weiß und weg〈,〉 dy yn
der pfar mit der meß vorgenommen was, bewegt
seyn, sulchend radtschlagk
und unser bedengken〈,〉 do mit der
große yrthum〈,〉 ßo do durch yhnn
gemeynen man erwachsßen〈,〉 mocht
vorkommen werden〈,〉 vorgewandt6
haben.

Dy weil aber nue mane hath orden7 müßen〈,〉
dof hath es christlich anderß nit gescheen
mogen〈,〉 dan das dy wort der ge-
benedeiung czu deutzsch vom prister
gesprochen werdent〈,〉 auß ursach〈,〉
das alles comunicirn vorgebens
ist on vorstandt der wort der
gebenedeyung〈.〉8 Dan alle krafft
deß sacraments sthehet yn dyßen
worten〈,〉 und ist gebotten ym
evangelio〈:〉 Das thut yn meym
gedechtnuß,9 uff das man auß
Buchsymbol20r dißen worten der gebenedeiung
dy frucht deß todes christi10 lernen
solten〈.〉

Darnach ist befolen, das der prister nicht
sal comunicirn〈,〉 er hab dan hunger und
durst nach der gnaden Christi〈,〉 gunnd so er hunger hatt〈,〉 mag er yhm benedicirn, unnd sichh communicirn, ob er schon gleich khaine convivas hette,g11

Es mag nimant das sacrament
Christlich brauchen anders dan auß begir
durch seyn gewisßen do czu gedrungen〈.〉
Und man sal nymant czu dem
sacrament czwingen〈,〉 sunder eym iczlicheni
frei lasßen〈.〉

Dy weil auch dy elevatio ist eyn
art und eigenschafft eyns offersj
und da fur gehalden ist〈,〉 das auß
der elevation dy meß vor eyn offerk und
sacrificium geacht ist〈,〉12 haben wir sy
mit gutem radt und bedengken〈,〉
dy weil nit vil daran gelegen〈,〉
außgelasßen.


ajechlicher b
bfolgt gestrichen nach a
cnachangehabner b
dfolgt gestrichen radtschalt a
eüber der Zeile hinzugefügt a
fso b
g-gvon Melanchthon autograph am Rand hinzugefügt
hfehlt b
ijechlichen b
jopfers b
kopfer b

2Weise.
5begonnener. Vgl. DWb 1, 370 f.
6abgewandt. Vgl. DWb 26, 1919 Nr. 3.
7ordnen.
9Vgl. Lk 22,19 Vg »hoc facite in meam commemorationem […].«
10Jesu Rede über seinen Tod, die Nachfolge durch die, die das Leben in dieser Welt hassen – was für Karlstadt mit der Gelassenheitsforderung zusammenfällt – und das Licht in der Finsternis; vgl. Joh 12,23–27.31–36. Zur Buße als Frucht des Todes Christi vgl. 1. Kor 15,3; Gal 6,15; 1. Petr 2,24.
12Zur Abschaffung der Elevation s. auch KGK 227 (Textstelle). Die Elevation wurde in der scholastischen Theologie zum Opfer erklärt in Interpretation von Ps 140(141),2 Vg »[…] elevatio manuum mearum sacrificium vespertinum.« Sie entwickelte sich im Spätmittelalter in ihrer Ausstellungs- und Schaufunktion des Leibes Christi nicht nur zum zentralen Teil der Messe, sondern ersetzte für die Laien die orale Kommunion; vgl. Meyer, Elevation, 165; 191.

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