Nr. 204
Von Anbetung und Ehrerbietung der Zeichen des Neuen Testaments
Wittenberg, [1521, [Ende November]]

Einleitung
Bearbeitet von Alejandro Zorzin

1. Überlieferung

Frühdrucke:

[A:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
Von anbettung vnd ∥ ererbietung der tzeychen ∥ des newen Testa∥ments. ∥ ⸪ ∥ Andreas Boten. von Carolſtatt. ∥ ¶ Wittembergk. ∥ [Am Ende:] ¶ Gedruckt tzu Wittembergk / Nach Chriſt ∥ gepurt Tauſent funffhundert vnd ∥ ayn vnd tzwantzigſten ∥ J a r ∥
Wittenberg : [ Nickel Schirlentz ], 1521.
4°, 8 Bl. A4–B4 (letzte Seite leer).
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, H 67.4° Helmst. (19).
Weitere Exemplare: UB Heidelberg, Salem 82,32 RES. — SUB Göttingen, 8 TH TH II. — BSB München, H.ref. 746 s. — RSB Zwickau, 17.8.11.(3).
Bibliographische Nachweise:

[B:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
Von anbetung vnd eer erbietung ∥ der zaychen des newen ∥ Teſtaments. ∥ ****** ∥ Andꝛeas Bo:von Carolſtadt. ∥ Wittemberg. ∥
[ Augsburg ]: [ Melchior Ramminger ], [1521].
4°, 8 Bl., A4–B4 (letzte Seite leer).
Editionsvorlage:
BSB München, 4° Polem 535.
Weitere Exemplare: SB-PK Berlin, Cu 1227 R. — HAB Wolfenbüttel, 456 Theol.(8); Yv 2172.8 Helmst.(2).
Bibliographische Nachweise:

[C:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
Von anbettung vnd ∥ eer erbietung der zeychen des neü⸗∥wen Teſtaments. ∥ Andꝛeas Bo. von ∥ Carolſtadt. ∥ Vittemberg. ∥
[ Straßburg ]: [ Reinhard Beck ], [1521], TE.
4°, 8 Bl., A4–B4 (letzte Seite leer).
Editionsvorlage:
ULB Halle, li 3169(1).
Weitere Exemplare: SB-PK Berlin, Cu 1228 R. — SLUB Dresden, Hist.eccl.E.242,52.
Bibliographische Nachweise:

[D:]Karlstadt, Andreas Bodenstein von
Von den empfahern:zeichen: ∥ vnd zůſag des heıligē Sacraments/ fleiſtch ∥ vnd blůts Chꝛiſti.Auch von anbettūg ∥ vnd eer erbietūg der zeichen des ∥ Neüwen Teſtaments. ∥
[ Straßburg ]: [ Matthias Schürer (Erben)], [1522].
4°, 7 Bl., fol. D1v–E4r.
Editionsvorlage:
SuStB Augsburg, 4 Th H 542.
Bibliographische Nachweise:

Der Straßburger Sammeldruck D enthält zusätzlich einen Druck von Von den Empfängern des Sakraments (KGK 183). Die Titel beider Drucke ( Von den Empfängern des Sakraments und Von Anbetung der Zeichen ) werden auf dem Titelblatt genannt, jedoch ohne Hinweis auf Autorschaft noch Jahr. Die ursprünglich Von den Empfängern des Sakraments vorangestellte Widmungsvorrede an Nikolaus Demuth wurde mit ihrer Datierung (25. Juni 1521) übernommen; die Von Anbetung der Zeichen einleitende Widmungsvorrede an Albrecht Dürer (vom 1. November 1521) weggelassen. Diese wahrscheinlich im Jahr 1522 gedruckte Straßburger Wiedergabe beider Werke geht auf verschiedene Augsburger Druckvorlagen zurück. Für Von den Empfängern des Sakraments folgt der Straßburger Sammeldruck der Otmar-Ausgabe (KGK 183, Vorlage C), bei Von Anbetung der Zeichen dem Ramminger-Nachdruck (unsere Vorlage B).

Editionen:

Literatur:

2. Entstehung und Inhalt

Auf den 1. November 1521 datierte Karlstadt den Widmungsbrief an den Nürnberger Künstler Albrecht Dürer. Im Text der Schrift bezieht er sich auf ein weiteres, dem Leipziger Kaufmann Jörg Reich gewidmetes Werk ( Von beiden Gestalten der Messe , KGK 205).1 An beiden Schriften wird Karlstadt kurz nacheinander, wenn nicht gar parallel, im Anschluss an die Disputation vom 17. Oktober ( 138 Articuli , KGK 199) gearbeitet haben. Im Schlussabsatz der vorliegenden Schrift erwähnt Karlstadt einen »des Eestands halben« gefangenen Priester2, der nun »ledig und frey geben (sei)«. Damit bezieht er sich wahrscheinlich auf die Freilassung von Balthasar Zeiger am 4. November 1521.3

Anlass zur Abfassung einer Schrift, die für die Beibehaltung der Verehrung beider Eucharistiezeichen plädiert, gaben Karlstadt die Predigten des Wittenberger Augustinermönchs Gabriel Zwilling am Sonntag, den 6. Oktober.4 In ihnen hatte der u. a. Kritik an der Anbetung der Abendmahlselemente geäußert.5 Die im Wittenberger Augustinerkloster von den Mönchen vorgenommenen Änderungen meldete der sie nicht unterbinden könnende Prior Konrad Helt umgehend dem Generalvikar der Augustinereremitenkongregation Wenzeslaus Linck6 in Nürnberg.7 Linck scheint den Wittenbergern vorgeworfen zu haben, sie wollten Christus im Himmel angreifen und auch niederdrücken (vgl. fol. A4r). In diesem Zusammenhang versuchte Karlstadt mit seiner Veröffentlichung v. a. solchen in Nürnberg kursierenden und dem Ansehen der Wittenberger schadenden Gerüchten entgegenzuwirken.8 Das Thema der Anbetung hatte Karlstadt summarisch in der Disputation vom 17. Oktober ( 138 Articuli , KGK 199) als dritten Thesenblock (»De Adoratione Panis«: Th. 43–58) zur Diskussion gestellt.

In seiner volkssprachlichen Schrift räumt Karlstadt ein, dass Christus das Sakrament nicht einsetzte, damit es durch Anbetung verehrt würde. Jedoch spreche nichts dagegen, dass es angebetet bzw. geehrt werde.9 Christus selbst habe Menschen gelobt, die ihm Gutes taten (vgl. fol. A3r–v). Gesegnetes Brot sei der Leib, und Wein das Blut Christi – wie er es im Büchlein Von beiden Gestalten der Messe (KGK 205) mit biblischen Schriftbelegen bewiesen habe (fol. A4v). Deshalb zweifle er nicht daran, Leib und Blut Ehre zu erweisen, weil sie Christus eingesetzt und als Zeichen gegeben hat. Karlstadt verharre aber nicht beim Thema der Anbetung und Verehrung, sondern dringe hin bis zu Christus. Er ehre Brot und Wein, weil sie Leib und Blut Christi geworden sind und somit zu Gott führten. Wer an Christus glaubt, glaube somit an Gott (Joh 12,45). Der Glaube »fliege« durch alle Himmel und Kreaturen und hafte einzig in Gott (fol. B1v). Die (Wittenberger) Papisten dürften nicht sagen: Gestalt des Brotes ist der Leib Christi – Gestalt des Weins ist das Blut Christi, weil sie für eine solche Formulierung keinen (biblischen) Schriftbeleg hätten. Deshalb seien sie diejenigen, die das Sakramente nicht ehrten (fol. B1r). Aufgrund des »Ich bin«-Wortes Christi (Joh 6,51) seien Brot und Wein nicht bloße Zeichen, »sondern Zeichen und das Ding geworden, das für uns gelitten und vergossen ist«. Deshalb sind sie anbetungswürdig (fol. B2r). In Joh 3,14 f. bekräftige Christus selbst, dass er am Kreuz ein Zeichen ist, wie es die (eherne) Schlange war, die Moses in der Wüste aufstellte (3. Mose 21). Wer also Christus im Glauben ansehe, der habe ewiges Leben. Christus sei ein Zeichen der göttlichen Zusage, die allen Glaubenden »geistliche Gesundheit, Schutz vor Verderben und ewiges Leben« verheiße (fol. B2r–v). Wer Glaube, Liebe und Hoffnung auf das Sakrament-Zeichen richte, der hafte nicht an dem, was er sieht, sondern an dem was unsichtbar ist: Leib und Blut Christi (fol. B3r). Paulus beziehe alle Unehre, die gesegnetem Brot geschehe, auf den Leib Christi. Deshalb lobe Karlstadt jene nicht, die (wie z. B. die Hussiten) das Brot im Abendmahl nur als solches ansehen (fol. B3r).

Am Ende seiner Schrift teilt Karlstadt dem Widmungsempfänger Dürer noch einige Neuigkeiten mit, die ihn hinsichtlich einer reformoffenen Haltung Ebf. Albrechts von Brandenburg optimistisch stimmten. Leider – so Karlstadt – fehle den meisten (deutschen) Prälaten noch die Bereitschaft, »das Römische Netz zu brechen«, das dann bald reißen würde. Dadurch solle aber kein Pfaffe zum Bettler werden oder leibliche Gewalt erfahren; wer das wolle, »sei nicht Evangelisch«. Den Prälaten mangele es an gutem Willen, ihm (Karlstadt) fehle (ihre) Macht. Hätten sie seinen Willen bzw. er ihre Macht, könnte »heut, heut« papistische und unchristliche Lehre, Tugend, Sitten und Religion aus Deutschland verbannt und über den römischen Papst der Kirchenbann verhängt werden. Wir (Deutschen) seien in seinem Reich gefangen, zu noch größerem Schaden als die Juden in ihrer Babylonischen Gefangenschaft (fol. B3v).


2 Ebf. Albrecht und das Bistum Magdeburg waren aktiv gegen Priester vorgegangen, die Zölibatsbruch begangen hatten. Siehe dazu auch KGK 211.
3Vgl. Bubenheimer, Bischofsamt, 196. Zeigers Urfehde ist datiert »zu Calbe Montag [= 4. Nov.] nach Omnium Sanctor. Ao. 21«.
5Im Bericht von Gregor Brück an Kfst. Friedrich vom 11. Oktober 1521 schreibt dieser, Zwilling habe gepredigt »[…] das das hochwürdige Sacrament des altars nit sall angebet werdenn; dan es sey der meynung von christo nit ausgesatzt. Und solt ydolatrey und abgoterey seyn, wo mans also gebrauchte, das man es anbette« (Müller, Wittenberger Bewegung, 28 Nr. 10). Brücks Wiedergabe eines kurz nach Zwillings Predigt mit den Augustinermönchen (am 8. Oktober) geführten Gesprächs (an dem Jonas, Karlstadt, Dölsch und Melanchthon teilnahmen) hält fest: »[…] die von der universitet und capittel [haben] fast alle beschlossen, das inen der moniche fuhrnemen nit gefellig, und wie wol ire [= der Augustinermönche] maynung dem evangelio nit mocht ungemeß seynn, ausgeslossen, das das sacrament nit solt angebet werden, welchs mit der schrifft nit woll zubeweißen, […] « (Müller, Wittenberger Bewegung, 28–30, Nr. 10).
7Am 30. Oktober 1521 schrieb Helt an den Kurfürsten: »Ich hab auch auff eigen kost ein potten gesanndt zu unserm vicario [= Linck] und im den zwitracht von anfang pis an das endt erzeltt und weis, das ers kein gefallen dragen werdt, sunder mit ernst betrachten, das solcher vermessenheyt gerathen werdet« (Müller, Wittenberger Bewegung, 56 Nr. 23).
8 Melanchthon hatte am 9. Oktober 1521 Linck bezüglich des Reformvorstoßes der Wittenberger Augustiner in klärender Absicht angeschrieben (vgl. MBW 1, 358–360 Nr. 173; Müller, Wittenberger Bewegung, 21–23 Nr. 6; Wetzel, Melanchthon und Karlstadt, 167 f.; Scheible, Melanchthon, 64). Karlstadts Anspielungen auf den in Nürnberg als aufgeblasene Kröte und »giftiger Drach und elender linckwurm« (fol. A4r) agierenden Widersacher (vgl. KGK 204 (Textstelle); KGK 204 (Textstelle)) legen nahe, dass Linck den Wittenberger Neuerungen Widerstand leistete.
9Die Elevation der konsekrierten Hostie und ihre Anbetung ist erstmalig bei Odo von Sully belegt (vgl. Browe, Elevation, 476 Anm. 12 f.). Zu Art und Weise innerlicher wie äußerlicher Verehrung, vgl. Biel lect. 50 (Biel, Expositio (Oberman/Courtenay) 2, 282 f.).

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