Nr. 108
Andreas Karlstadt an Georg Spalatin
Wittenberg, 1519, 24. Februar

Text
Bearbeitet von Alejandro Zorzin
Buchsymbol43
Reverendo et Eximio Domino Georgio Spa-
latino, Canonico Aldenberg'ensi'. Patrono
Colendiss'imo'.


S'alutem' P'lurimam'. Movent me, Reverende Patrone, istae
literae, quantum ad me pertinent1, quod nihil
constituerim vehiculo meo2 ineptire contra Ro-
manum Pontificem3: quem votis omnibus su-
spicio, colo, praedico. Adversus vero Schola-
sticos ingenuo dente, prorsusque exerto pugno, Buchsymbol44
et tali quidem, cui non deerunt gravissimi au-
tores. Scis itidem, te rogatum, ut tuo consilio
cucullus expungeretur, qui nitet insculptus4: nisi
ligneus ille monachus remordeat, non est quod
timeam5, tametsi non nesciam, Scholasticos
aegre passuros.6 At quid eruditulos vereri debeo,
cum nostra opella meliores adiutura, optimam
pariter adolescentiam subvehet, etc. Nisi tu
arceas, rursum Eccum remordebo7, cum gloria
Romani Pontificis, cui cum veritate blandus
adulabor.Caeterum Rever'endo' Patri Martino Lu-
thero consuluerim abstinuisse a XII. conclusio-
ne8, iam vero post editam evidentissimis ratio-
nibus loricandum; clam tum, et domi suasi,
quod sciam, Graecos scriptores S'ancto'Petro apicem
et fastigium apostolatus concessisse. Putas au-
tem fieri posse, ut crassulus acutissimo suadere
queat?9 Vale feliciter. Datum Wittenburgae,
Matthiae10, 〈15〉19:

Commendatum tuo me patrocinio velim
strenuis Dominis meis, Pfeffingero11, Hirsfeldio12,
Taubenheimio13, Dolczio14, Hieronymo15, et caete-
ris. Scripsi Adamo de Tungen. Utinam Opti-
mus iuvenis rescriberet.16


1Karlstadt bezieht sich auf einen uns nicht bekannten Brief eines Dritten, den ihm Spalatin hatte zukommen lassen, und der auch Karlstadt betreffende Vorwürfe enthielt.
2Das Bildflugblatt der beiden Wagen (KGK 110).
3In dem Karlstadt von Spalatin zugespielten Brief wurde ihm vorgeworfen, Kritik am Papst vorgebracht zu haben. Da Karlstadt den Vorwurf auf sein Bildflugblatt zu beziehen scheint, könnten Gerüchte darüber an den kursächsischen Hof gelangt sein. Im Rahmen der durch Karl von Miltitz geführten Verhandlungen sollten die kufürstlichen Beziehungen nach Rom nicht belastet werden (vgl. Brecht, Luther 1, 255–263).
4Karlstadt erinnert Spalatin an die ergangene »Zensur«-Anweisung, eine eingravierte Mönchskapuze abändern zu lassen. Gleich im Anschluss daran spricht er von einem ligneus monachus (»hölzernen Mönch«), was nahe legt, dass es sich um die Abänderung der Kapuze des im unteren Wagen des Bildflugblatts fahrenden Mönchs handelte. Bei genauer Betrachtung wirkt die weiße Kopfbedeckung des Mönchs-Theologen im unteren Wagen nicht nur unspezifisch, sondern auch überdimensioniert. In diesem Fall scheint von kurfürstlicher Seite über Spalatin Druck auf Karlstadt ausgeübt worden zu sein.
5Bei Karlstadts Bemerkung, er fürchte nichts, außer dass dieser ligneus monachus zurückbeissen werde, könnte es sich um eine subtile Ironie gegenüber Spalatin handeln, der wahrscheinlich wusste, welcher nun nach der »Kapuzenabänderung« auf dem Holzstock nicht mehr erkennbare, papstnahe (dominikanische) Mönchs-Theologe im unteren Wagen ursprünglich angedeutet war. Die Vermutung (Zorzin, Flugschriftenautor, 112 Anm. 9 und 138 Anm. 35 – basierend auf Bubenheimer, Andreas Rudolff Bodenstein, 19), mit ligneus wäre ein »Holzschuher« = Franziskanermönch gemeint, ist hinfällig.
6Das Futur lässt vermuten, dass die (Leipziger) Scholastiker, gegen die sich der Currus primär richtete, diesen noch nicht zu Gesicht bekommen hatten; die Fertigstellung des Druckes also Ende Februar 1519 noch bevorstand.
7Direkt hat Karlstadt erst Ende April mit 17 Thesen (KGK 117) auf die von Eck Mitte März 1519 erweiterte Thesenreihe zur Leipziger Disputation geantwortet.
8Am 7. Februar schickte Luther ein Exemplar seiner 12 gegen Eck gerichteten Thesen an Spalatin (vgl. WA.B 1, 325,12–17 und KGK 105).
9Karlstadt hatte Luther offenbar davon abgeraten, eine 12. These gegen Ecks 12. zu veröffentlichen (in Ecks später um eine neue 7. These gegen Karlstadt erweiterten Ausgabe vom März 1519, die 13. These). Der Austausch hierüber zwischen Karlstadt und Luther wird Anfang Februar in Luthers Wohnung stattgefunden haben. Zu Luthers These vgl. WA 2, 161,35–39: »Romanam Ecclesiam esse omnibus aliis superiorem, probatur ex frigidissimis Romanorum pontificum decretis intra CCCC annos natis, contra quae sunt historiae approbatae MC annorum, textus scripturae divinae, et decretum Nicaeni Concilii omnium sacratissimi.«
1024. Februar 1519.
16Hinweis auf ein Schreiben Karlstadts an Adam von Thüngen (KGK 107), dessen Beantwortung anscheinend auf sich warten ließ.

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