Nr. 108
Andreas Karlstadt an Georg Spalatin
Wittenberg, 1519, 24. Februar

Einleitung
Bearbeitet von Alejandro Zorzin

1. Überlieferung

Editionen:

Literatur:

2. Inhalt und Entstehung

Karlstadt fühlt sich von gegen ihn in einem Brief erhobenen Vorwürfen zutiefst bewegt, da er sich vorgenommen hatte, mit seinem Wagen (KGK 110) nichts töricht gegen den Papst zu schwätzen. Gegen die Scholastiker kämpfe er damit in offenem Schlagabtausch, dem es nicht an gewichtigen Quellenbelegen fehle. Spalatin möge sich erinnern, wie Karlstadt gebeten wurde, die [Mönchs-]Kapuze austilgen zu lassen, die sich auf dem Holzschnitt hervorhob. Karlstadt fürchte nichts, außer jener hölzerne Mönch beiße zurück; aber ihm sei klar, dass es die Scholastiker kaum ertragen werden. Warum sollte er angeblich Gebildete fürchten, wo sein kleines Werk die beste Jugend emporbringen wird. Wenn es Spalatin nicht verhindert, werde er gegen Eck zurückbeißen. Karlstadt habe Luther geraten, sich der 12. These gegen Eck zu enthalten. Da sie aber bereits publik geworden ist, gelte es nun, ihm mit guten Argumenten Unterstützung zuteil werden zu lassen. Vertraulich habe Karlstadt ihn zu Hause beraten, da er wisse, dass die griechischen Kirchenschriftsteller dem heiligen Petrus Würde und Vorrang des Apostelamts eingeräumt hätten. Aber von jemandem, der schlichten Verstandes ist, ließe sich ein scharfsinniger Kopf wohl nicht beraten. Über Spalatin empfiehlt Karlstadt sich einigen Hofleuten; dem jungen Adam von Thüngen habe er geschrieben und warte auf dessen Antwort.

Der Brief, zu dem Karlstadt hier Stellung bezieht, stammte wahrscheinlich von einer dritten Person und wird Vorwürfe zu papstkritischen Positionen (der Wittenberger) enthalten haben.1Karlstadt, der ihn wohl von Spalatin zugespielt bekam, bezieht nur einen Teil der Anschuldigungen auf sich2 und verbindet sie mit seinem Bildflugblatt der zwei Wagen. Um die gegen ihn gemachten Vorwürfe zu entkräften, erinnert er Spalatin an eine schon vorher von diesem geforderte Änderung an der Kapuze eines auf dem Holzstock eingravierten Mönchs.3 Karlstadt spielt die Bedeutung seines (lateinischen) Wagenflugblattes mit dem Diminutiv herunter und beteuert, dass es sich nicht gegen den Papst, sondern gegen die scholastischen Theologen richte, bzw. er damit die Bildung der studentischen Jugend fördern will. Wenn er danach unter dem Vorbehalt, dass Spalatin es nicht zu verhindern suche, die Absicht äußert, etwas gegen Eck zu veröffentlichen, das jedoch für den Papst ehrenhaft sei, ist er weiterhin bemüht zu beschwichtigen. In dieselbe Richtung geht Karlstadts Hinweis an Spalatin, dass er Luther von einer Veröffentlichung der 12. These gegen Eck abgeraten habe.


1Vgl. z. B. den Brief von Otto Beckmann an Spalatin (24. Februar 1519; erwähnt von Jäger, Carlstadt, 22; Barge, Karlstadt 1, 347 und Bubenheimer, Consonantia, 120), in dem dieser Spalatin vorschlägt, über Amsdorf auf Luther einzuwirken, damit dieser nicht leichtfertig in Predigten vor dem einfachen Volk – wie zuletzt am 22. Februar (Cathedra Petri) – am Papst und dessen Schlüsselgewalt Kritik übe.
2Einen nicht datierten Brief von Luther an Spalatin, in dem er sich auf ihm von Spalatin über Karlstadt vermittelte Briefe (bzw. einen Brief) bezieht, stellte WA.B 1, Nr. 156 in direkten Zusammenhang mit der (am 24. Feb. 1519 datierten) Antwort Karlstadts an Spalatin. Luther schrieb (nach einem ersten abgeschlossenen, ebenfalls undatierten Brief) an Spalatin: »Clausis literis prioribus, mi Spalatine, misit me D(ominus) Andreas, quas ad eum dedisti literas, similibus querimoniis plenas, ita ut et ego prope fuissem stomacho motus.« (WA.B 1, 352,5–353,7). Ähnliche Vorwürfe (wie die gegen Karlstadt erhobenen) bereiteten also auch Luther»Magenverstimmung«. In seiner Antwort an Spalatin schreibt Luther: »Urges me ad revelandum consilium meum« (wohl wie Luther plane, Eck in Leipzig beim Disputieren der 12. These zu überwinden). Im Briefwechsel mit Luther fungiert Spalatin immer wieder als Durchgangsstation der Korrespondenz mit anderen; viele Briefe waren in diesen Kreisen keine Privatangelegenheit, sondern halböffentlich.
3Deshalb ist es für Karlstadt naheliegend, im Austausch mit Spalatin diese in den Holzstock eingravierte Mönchsfigur als »hölzernen« Mönch zu bezeichnen.

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