Nr. 80
Andreas Karlstadt an Georg Spalatin
Wittenberg, 1518, 14. Mai

Einleitung
Bearbeitet von Alejandro Zorzin
unter Mitarbeit von Antje Marx

1. Überlieferung

Editionen:

Literatur:

2. Inhalt und Entstehung

Wegen Zeitdrucks kann Karlstadt nicht jede Bitte in Spalatins Brief beantworten.1 Teils sei er genesen, teils plagten ihn noch Kopfschmerzen.2 Dessen ungeachtet hält er vor einer größeren Zuhörermenge Vorlesung. Er schicke Spalatin einen Teil seiner Thesen3; Eck4 habe einige Leute [gegen die Wittenberger] aufgehetzt5; Karlstadt fürchtet sie nicht und will sie widerlegen. Bibel und Kirchenväter stünden den Wittenbergern zur Seite. Tetzel6 greife mit seinen Thesen nicht sie, sondern den Kurfürsten an. Wenn das fortschreite, werden sie [die Wittenberger] in einen gelehrten Kampf steigen. Karlstadt bittet Spalatin, sich bei [Degenhart] Pfeffinger7 und [Bernhard von] Hirschfeld8 einzusetzen, damit sie seine Supplikation [an den Kurfürsten]9 unterstützen und fördern. Er empfiehlt sich [über Spalatin] dem [Johann] von Taubenheim10, Hieronymus [Rudelauf]11 und allen anderen [Hofleuten]. Während Karlstadt den Brief schrieb, schickte er zum Drucker, um zwei Exemplare seiner Thesen als Geschenk für Pfeffinger und Spalatin zu senden. Da der Drucker nur ein Exemplar aushändigte, das an Pfeffinger abging, schickte Karlstadt Spalatin ein Exemplar der an diesem Tag zu disputierenden Thesen. Mit einem künftigen Boten stellt er in Aussicht ein vollständiges Exemplar zu schicken.

Die mit diesem Brief an Spalatin übersandte, an diesem Freitag zu disputierende Thesenreihe gehört zu den Apologeticae Conclusiones.12 In seiner Vorrede zu denselben wirft Karlstadt Eck vor, hochstehende Personen in der Kirche gegen die Wittenberger Theologen aufgewiegelt zu haben.13 Von Tetzel waren, nach den zusammen mit Konrad Wimpina14 aufgestellten 106 Thesen vom Januar 1518, Ende April/Anfang Mai 151815 weitere 50 Thesen gegen Luthers Ablasskritik erschienen. In seinen Apologeticae Conclusiones (Th. 326–380) hat Karlstadt sowohl gegen Thesen aus der ersten wie der zweiten Lieferung Tetzels Stellung bezogen.16


1KGK 079, verschollener Brief Spalatins an Karlstadt vor dem 14. Mai 1518 (mit mehreren Bitten bzw. Fragen an ihn).
3Nach der 380. These steht im Druck das Datum 9. Mai 1518; Karlstadt scheint zu Beginn dieses Briefes noch zu erwarten, dass ein (größerer) Teil der insgesamt fünf in den Apologeticae Conclusiones enthaltenen Thesenreihen schon gedruckt sein würde.
4Johannes Eck (1486–1543).
5Vgl. Karlstadts Vorwort zu den Apologeticae Conclusiones (KGK 085 (Textstelle)).
6Johannes Tetzel (ca. 1465–1519); ab WS 1482/83 Studium in Leipzig; dort bacc. art. im Okt. 1487; zu ihm vgl. LThK2, 1383f. u. Fabisch/Iserloh, Dokumente 1, 251ff.
7Degenhart Pfeffinger (1471–1519).
8Bernhard von Hirschfeld (1490–1551); vgl. KGK 046; er war Mitte Februar 1518 von seiner Pilgerfahrt zum Heiligen Grab in Jerusalem zurückgekehrt.
9Zu Karlstadts Supplikation vgl. KGK 075 und KGK 078.
10Johann von Taubenheim (um 1490–1541/42), aus Meißnischem Adelsgeschlecht; SS 1504 in Leipzig immatrikuliert; bacc. art. 1505. Schon vor 1511 in den kurfürstlichen Hofdienst eingetreten, hatte er mit Finanz- und Rechnungsangelegenheiten zu tun. Verwaltete 1513 das Amt des Hofkammerschreibers und ‑meisters. In diesem Dienst blieb er über den Tod Friedrichs III. (15. Mai 1525) hinaus tätig. Unter Kurfürst Johann Friedrich wurde er Ende 1532 zum Landrentmeister ernannt. Er starb zwischen Herbst 1541 und Frühjahr 1542. Zu ihm s. Müller, Wittenberger Bewegung 408–414.
11Wahrscheinlich der kurfürstliche Rat und Sekretär Hieronymus Rudelauf aus Frankenberg († 1. 9. 1523). Im WS 1502/3 in Wittenberg immatrikuliert; vgl. Müller, Wittenberger Bewegung, 27 Anm. 1.
12Promotionsdisputation des Nikasius Claji zum Baccalaureus biblicus unter Vorsitz Karlstadts; Liber Decanorum, 22.
13Vgl. KGK 085 (Textstelle) (Vorwort A1v, Zeile 25: »Qui etiam et caeteros ecclesiarum prepositos adversus huius clarae Academiae theologos, excitare conatus est.«).
14Konrad Wimpina (1460–1531); an der Leipziger Universität: Bacc. art. 1481, Mag. art. 1485, Bacc. theol. 1491 und Dr. theol. 1503; von Markgraf Joachim von Brandenburg als Gründungsrektor an die 1506 eröffnete Universität Frankfurt a. d. O. berufen; zu ihm s. Bäumer, Wimpina und VerLex (Hum) 2, 1375–1704.
16Vgl. Bubenheimer, Consonantia, 74 Anm. 23.

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