Nr. 242
Andreas Karlstadt an Herzog Johann von Sachsen
[Wittenberg], [1523, um 26. Mai]

Text
Bearbeitet von Stefanie Fraedrich-Nowag
Buchsymbol fehlt Durchlauchter hochgeborner furst gnediger herr Euren f'urstlichen' g'naden' seind meyne
untertenige gehorßame dinste kegen gott allczeit zuvoran bereydt.

Gnediger f'urst' und h'err' Ich werd der teglichen presencz1 halben welche
ich czu wittenberg/ armuts und grosser nodt halben/ pfleg holenn
und nehmen zusampt das ich ein pfarre hab/ und ein pension abwesend
einnehm2/ szo hönlich3 und schimpflich angesprengt4/ das meine oren hyn-
furt nit mehr horen mogen. In sonderheit/ weil mich ßo viele acht-
pare und dapfer menner/ die kegen wittenburg kommen/ ansprengen/
und so offt straffen/ und melden/ das ich die außlendische5 knechte gots/ und
diener Christi, uber die weyße ßere yn obvermelten stucken ergern thun.6
Sie haben mich auch umb des vergossen bluts Christi willen gebeeten/
und bey der lieb und eehre Christi vermandt, das ich auffs schleunigste
von berurtem ergernis abdrethe.7 Nu kan ich gott nicht dangk sagen
das mich got auß seiner grundloßen barmherczigkeit/ von vielen andern
bößen sitten meines alten lebens hatt abgerisßen.8 were auch seiner
gotlichen Maiestet undangkbar und widderspenstig, wen ich meinen bru-
dern, die er hatt erloßet, czu einem ergerniß blieb/ und weld mich diesßes valß nicht besßern und bekeren. Derhalben E'uer'f'ürstlich' g'naden' ich yn un-
terteniger not und demuth bitt. E'uer'f'ürstlich' g'naden' geruchen9 mich/ ein Jarlang oder
czwey/ wo ich nicht sold perpetuyret werden10/ als einen pfarhern czu Orlemunden
lassen sittzen. Oder uff euserste und letzte als ein Conventor umb
czymliche und ertregliche pension annehmen11/ das ich auß armut12 bitt/ und
gestatten das ich den jenen gottlich wort möge vorkundigen/ den ichs am
aller meysten zuvorkundigen schuldig byn.13 Sonste trau ich nicht das
lehen lange czeit zubehalten. E'uer'f'urstlich' g'naden' wollen meyne nodt und armut
gnedigklich beherczen/ und ein Christlich werck myr notdurfftigen mittey-
len.14 Wu15 ich dan e'uer' f'ürstlich' g'naden' nit wurd behagen/ wold ich mich yn denn
czweyen Jaren mit einem pauers oder burgers gut yn der nahe versehen16/
und alles das ich yn E'uer' f'urstlich' g'naden' land mit meyner arbeyt hab erworbenn
oder erwerben wurd da selbest anlegen. E'uer'f'urstlich' g'naden' demutigklich
bitt zuermisßen/ was gotlich und Christlich/ mich desselben lassen
geniessen.17 Das wil ich umb E'uer'f'urstlich' g'naden' nach meynem vormogen als ein
gehorßamer allczeit bereydt sein. Bitt E'uer' f'ürstlich' g'naden' antwort.

E'uer'f'ürstlich' g'naden'

unterteniger
Diener

Endreß Carolstadt.


Beilage 1: Rat von Orlamünde an Herzog Johann von Sachsen, Orlamünde, 26. Mai, 1523

Buchsymbol fehlt Durchlauchter hochgebornerfurst gnediger herr euer f'urstlich' g'naden'
seint unsere willige underthenige dinst nach unserm aller-
besten vermogen in hohen fIeis alleczeit bereitt/ G'nediger' f'urst' und herre
wir bitten e'uer'f'urstlich' g'naden' wissen/ das unsere pfarr mercklichenn
schaden und abbruch18 hatt entpfangen/ der halben zu vermutten
ist/ das muhe und arbeit wurde haben/ einen geschickten gelerten
man zu bekomen/ wan ein redlicher pfarher etwas von sich
solt reichen19/ der wegen bitten wir demutigklich, e'uer'f'urstlich' g'naden' welten
unserer sele selikeit In hefftiger ermessen fassen/ und gne-
digklich lassen verfugen/ das nach verczeigend artickel20 nottur-
fftiglich und zu gots lob und ere wurden angesehen/ und das
wir den rechten pfarher den achtparn hochgelarten doctor Carolstat
auffs wenigste ein jar oder czwey bey unß mogen haben und
horen das wollen wir gancz willigklich mit leip und gut
verdinen.21

Die behausung ist vast paufeltigk worden/ und ist/ zu forchten
das etliche wende ein sincken/ den die rinnen/ wende/ und ge-
welwe22/ seind durch den durchdreiff23 erweicht und verfauelt〈.〉

Auch ist ein gut haus ym garten eingebrochen schindel/ brett
und balken wegkkomen das alles einem pfarhern nuczlich gewest〈.〉

Auch haben die weynberge wider24 mist noch gesengke25/ den der
Conventor26 hat seynen myst/ zu seinem eygen bergen furen lassen27/
Der wegen dye weynberge vorwust/ und von noten ist gutter besserunge〈.〉

Buchsymbol fehlt Die art ecker28 seint ßo gesummerth/ außgehungerth und mager
worden/ das sie ein jar langk uffs wenigst stil ligen und
ruhen mussen/ dorumb werden sie in czweien jaren nichts
ertragen〈.〉

Auch seint die/ zceune umb der pfar garten/ des gleichen umb
die wisen seint abgebrochen und verwust〈.〉

Der pfarren gehölcz/ von welchem sich ein pfarher solt und
mocht enthalten/ ist mercklich vorhauben und verwust/ das
ein zukunfftiger pfarher soliches holczes nicht genissen
kan/ und muß der halben sein eygen gelt vor holcz auß
geben
〈.〉

Auch hadt der leczte Conventor Magister Conradus gliczß eczliche
wein fas/ und bir fas/ und andere fessere als wercztroge/ auch
die stangen auff der scheuenen, dor auff man stro und heu
legen sall, entpfremdt und wegk gefurth〈.〉

Des gleichen des Cappellans29 veder betlein und spohn bette
ist nicht verhanden/ des doch der Capellan nit entperen kan〈.〉

Auch hat der Conventor Conradus gliczs die briffe30 die zu der pfarra
gehoren auch entpfremdt und wegk gefurth〈.〉

Dar auff welten eur f'urstlich' g'naden' beherczigen ap man den vorigenn
Conventor/ wie recht/ dringen und zcwingen/ das ehr briffe〈/〉
vaß〈/〉 bette〈/〉 das abgebrochen haus〈/〉 weynberge und arteckern31
erstaten und bessern solt/ das yme zu armut villeicht gereichen
mocht/ Oder das der doctor Carolstat bey unß eyn czeit wonen
mocht/ und das ehr selber soliche schaden erfullen solt/
Buchsymbol fehlt angesehen das ehr keyne pension gebe32/ wu33 aber doctor Carolstat
kegen wittenbergk ein pension reichen muß/ hetten e'uer'f'urstlich' g'naden'
zu beherczigen das dy zu felle abfallen34 als opfer〈/〉 tauffpfennige〈/〉
grab recht〈/〉 beicht pfennige und das opfer am opfer fest/ do von
man muß eyn Cappellan und schulmeister halten/ die weil nun
sollichs sint abgefallen/ wue man die pension vor voll solt reichen
ßo kunden wir wider35 Capellan noch schulmeister erhalden36/ bitt
e'uer'f'urstlich' g'naden' wolt ein gnedigklich ein sehn haben das wir mit eynem
redelichen und gelarthen man als mit doctor Carolstat vorsorgen
mocht werden/ das wollen wir umb e'uer'f'urstlich' g'naden' mit leib
und gut ver dinen. Datum Dinstagk in der pfingstwochen anno xv
xxiii.37

E'uer'F'urstlich' G'naden'

unthertenige

Der Rath-
zu Orlamunde.

Buchsymbol fehlt Dem durchleuchtigen Hochgebornen Fursten
und hern Johans Herczog zu saschsen
Landtgrave in doringen und margkgraff
zu meyssen unnsern gnedigen hernn.

Beilage 2: Herzogliche Urkunde über die zwischen Andreas Karlstadt und Konrad Glitzsch getroffene Vereinbarung bezüglich der Pfarrei Orlamünde, Weimar, 1522, 9. April

Von gots gnaden Wir Johans hertzog zu Sachssen etc. Thun
kuntt/ Nachdem zwischen dem wirdigen unnd hochgela〈retten〉
Ern Andreas Bodenstayn doctor unnd archidiakon der
Stifftkirchen aller gottes heiligen zu Wittenbergk an ein[em]
und Ern Conraten Glitzsch〈,〉 pfarrer zu Orlamunde38〈,〉 an〈ders〉
teyls/ der pfarren daselbst/ unnd etzlicher hinterstelligen39
versessen40 pension halben Irrung unnd zwitrecht gehalten〈.〉
Derhalb sie vor unser Rethe, Nemlich der Doctor41 durch seinen
geschickten anwalden Casparn Teuschel42〈,〉 Burger zu
〈,〉 unnd gnantter pfarner43 personlich uff heut d〈ato〉
zu gütlicher handlung erschinnen/ Als haben wir sie
durch gedachte unsere Rethe/ nachvolgender meynung m〈it〉
Irer beyderseits bewilligung vortragen lassen/ unnd
nemlich, Dieweil sich gnantter Magister Conradus〈,〉 pfarner
zu Orlamunde, mercklicher abgenge44, so der pfarren besche〈hen〉
sollen/ beclagt/ Derwegen er dieselb umb ein pension nit
bedacht lenger zubehalten/ Sundern dem doctor/ So er45 wid〈er〉
umb mit einem schlechten46 lehen/ oder mit dem so er
zuvor zu Wittenberg gehabt47 versehen möcht werden
auffzulassen48/ unnd daneben angezaigt, wie er einen
wüste, der zum pfarrer unnd selensorger mit predigen
unnd sunst geschickt, unnd gnaigt were die pfarre
anzunehmen49/ Inen auch mit einem lehen zu content〈iren〉
wo50 gedachter doctor sein willen darzu geben und verleihen wöl〈lt〉
Ist abgeredt, das er51 mit Ime52 derb resignacion halben wege
treffen, und dem doctor denselbigen namhafftig angeben
sol/ wo Er dan vom doctor und andern, die es zethun
haben/ tüchtig und geschickt befunden/ und der doctor der
pension halben mit Im einig und zu einem
vicarien angenommen/ ader aber/ ob er gleich nicht
angenommen wirdt/ sol gleichwol vil gnantter Magister Conradus die berurtte pfarre uff michaelis schirstkunfftig53
ane wegerung54 verlassen55/ So wollen wir uns/ wo sich mitler
weil ader nach michaelis ungeverelich ain geistlich lenichen
verledigte〈,〉 das unser lieber bruder56/ und wir zuverleihen
hetten/ und vom Im angesucht würde/ gegen Ime gnediglich
erzcaigen
/ Aber der Hinterstelligen versessen pension halben
unnd soviel der nuen vollent biß auff michaelis sich
vertagen wirdett/ dorfür sol der magister57/ doctor Carstaden
achtzig gülden geben/ und nemblich zehen fl itzt bar über/
unnd zweintzig gulden acht ader ungeferlich vierzehen tage
nach Ostern schirst58/ aber darnach auff Laurentii nagst59
sall er Im xxv fl und die überigen xxv fl auff
michaelis volgendt60 an61 allen behelff〈,〉 schutz ader gegenrede
bezalen, unnd vergnügen/ und sollen hirmit derselbigen
Irer Irrung gentzlich geaynt, geschieden, unnd vertragen
sein unnd pleyben/ welchs sie auch/ nemlich der
anwaldt doctor Carolstadts62 und der magister unsern
Rethen also unverbrücherlich zuhalten und zuverfolgen
mit handtgebender treue zugesagt. Zu urkundt etc.
Geben zu Weymar am mitwoch nach Judica
anno domini xvc xxiii63


Beilage 3: Herzogliche Urkunde über die zwischen Andreas Karlstadt und Konrad Glitzsch getroffene Vereinbarung bezüglich der Pfarrei Orlamünde, Weimar, 1522, 14. Oktober

Buchsymbol fehltcdinstagsd nach
dionisii anno uts.
c64
Recese zwischen Doctor Carolstadt und
Magistro Conrado, pfarrer zu orlamunde:
Von gots gnaden wir Johans etc. Bekennen etc.
nachdem die hochgelarten und wirdigen unnsere
lieben andechtigen, Andreas bodenstain vonn-
Carolstadt, der hailigen schrifft doctor und Archi-
diaconus zu witenberg, und Magister Conradus-
Glitzsch, so ein zeitlang sein vicarius zu orla-
munde gewest65 uber unnserer Rethe vor66 aufge-
richten vortrag67, wideumb zu zwiespeld er-
wachssen. So seind sie derselbigen, durch den
hochgeborenen fursten herrn Johansen Fridrich-
hertzogen zu Sachssen etc. unnsern lieben,
son auf heut dato inmassen wie volget widrumb
vortragen worden/ Und also nachdem
Magister Conradus gebeten, das In der doctor
biß auf walpurgis schirsten68 In der pfarren/
leiden wold auf das er sein getraid und anders
zu seinem besten underbrengen mochte
/ So hat
doch der doctor solchs, nit vorwilligen wollen/
dan mit diesem bescheid, und nemlich zum
Ersten, wo Magister Conradus Ime die
funfundzwaintzig gulden welche auf nechst
vorschinen michaelis69 vortagt auf sontag
Buchsymbol fehlt nach Lucie schirst70 an gelde/ ader71 wo ehr solchs
zuthun nit vermöchte/ an getraide ader wein/
in dem kauffe und wert, wie das itzo des orts ist
nach erkentnus frommer leut/ dofur geben
wirdet.72 Und zum andern, wo er ime xl flf
pension von dem halben Jar biß auf walpurgis
schirstkunftig73 geben und dieselb halb, das seind
xx flg an ausstendigen gewissen/ gelt zinsen,
und die andere xx flh an getraide, in dem
wird was es itzo doselbst gelten ist, durch In
selbst ader74 sainen procuratoren, zuheben unnd
entpfahen, zwuschen itzt und weynnachtenn
vorgnugen wirdet. Was aber die Kosten〈,〉 so
Magister Conradus zu bestellung der wintersahet
aufgewand belanget 〈,〉 des solen sie sich durch
vier menner der yeder zween geben sollenn
entschaiden lassen. Ob sie aber zwuschen itzt
und walpurgis schirstkünftig75 durch die ange-
zaigten menner darmiti nit vortragenn
oder sich selbst entscheiden würden. So soll
Magister Conradus auf walpurgis wie berurt
nichts desterweniger ahne solche und alle andre
eintrege, ader behelff dye pfarr reumen unnd
Buchsymbol fehlt verlassen/ In allemassen wie nechst
michaelis hat beschehen sollen und ange-
zaigter kostung halben, wo sy der nit vor-
tragen, eintzweej vor uns aber unsern
Rethen, ader aber unsern darzu gegeben
Comissarien weißung undk entlichs entschieds gewarten. Und hiemit
derselbigen Ire irrung gentzlich gericht
und voraynt seint/ und pleiben/ Unnd
durch kainen tail, dorwider gehandelt
ader einrede furgewand werden/ Wir
bevelhen auch hiemit unnserm Schösser
zu leuchtenburgk76/ das er den doctor bey
diesem unserm schied handhaben Und
so Im der magister abermals nit zuhalten77
würde/ Ime zu seiner habe, und gutern/
auch wider dieihenigen, so zinß ader anders
schuldig schleunigklich vorhelffen und
sall sunst bey vor aufgerichten vortrage,
was die vortrostung belanget so wir
bemelten magister eins gaistlichen lehns
halben gethan78 pleiben. ahne geferde. Zu
urkund etc.


aVom Editor verbessert für pfarhr
büber der Zeile eingefügt
c-cam Rand ergänzt; fehlt b
ddavor durchgestrichen monta
eSchied b
fviertzigk gulden b
gzwaintzig gulden b
hzwaintzig gulden b
iDarumb b
jentzweder b
kdanach gestrichen aentschieds

1Präsenzgelder für kirchliche Tätigkeiten als Archidiakon am Wittenberger Allerheiligenstift; zur Höhe siehe Barge, Karlstadt 1, 44.
2Pensionszahlungen aus der Pfarrei Orlamünde, die seinem Archidiakonat als Pfründe inkorporiert war; zur Höhe siehe KGK 242 (Anmerkung).
3schmächlich, schändlich, auch zornig. Vgl. DWb 10, 1729.
4anfeinden, angreifen. Vgl. DWb 1, 470.
5auswärtig, aus einem anderen Ort stammend. Vgl. DWb 3, 1178.
6Karlstadt spielt hier auf die massive Kritik auswärtiger Anhänger der reformatorischen Bewegung gegenüber seiner Verstrickung in das altgläubige Pfründenwesen an. Um wen es sich bei diesen Kritikern im Einzelnen handelte, ist nicht bekannt. Anhand dreier in Nürnberg veröffentlichten Laienflugschriften lässt sich aber zumindest eine der Stoßrichtungen solcher Kritik identifizieren; vgl. Zorzin, Gelassenheit, 240f.
7Die oben erwähnten auswärtigen Anhänger der reformatorischen Bewegung, aber auch Karlstadt selbst sahen in seiner fortdauernden Einbindung in das kirchliche Pfründenwesen ein Ärgernis (»scandalum«); vgl. KGK 242 (Anmerkung).
8Mit seiner Eheschließung im Januar (vgl. KGK V, Nr. 215f.), spätestens aber ab Mitte des Jahres 1522 ist ein Wandel in der persönlichen Lebensführung Karlstadts auszumachen, der einen Bruch mit »seiner bisherigen Rolle als Theologieprofessor und Pfründeninhaber im Stile der altkirchlichen Ordnung« darstellt. Ab Beginn des Jahres 1523 nahm er keine Promotionen mehr vor und tauschte sein Leben in Wittenberg mit der bäuerlichen Umgebung seines Landsitzes in Wörlitz; vgl. Zorzin, Gelassenheit, 230f. sowie Einleitung zu KGK 239.
9geruhen.
10Eine dauerhafte Übernahme der Pfarrei Orlamünde stellte für Karlstadt also auch eine Option dar, eine Rückkehr nach Wittenberg scheint aus seiner Sicht nicht zwingend gewesen zu sein; vgl. auch KGK 242 (Anmerkung)
11Bislang hatte der Konventor der Pfarrei Orlamünde Abgaben von 80 Gulden nach Wittenberg zu entrichten, die jedoch nur schwer zu erwirtschaften waren, so dass in der Vergangenheit immer wieder Abgabeausfälle zu verzeichnen gewesen waren. Im Gegenzug standen dem Konventor 17 Gulden als Gehalt zu; vgl. Bünger/Wentz, Brandenburg, 92f. und Barge, Karlstadt 1, 44. Auch wenn Karlstadt grundsätzlich bereit war, finanzielle Einbußen, wie den Verzicht auf die Präsenzgelder, in Kauf zu nehmen, stellte die Übernahme der Pfarrei als Konventor für ihn nur die äußerste Option dar, die er nur im Falle einer »erträglichen Pension«, also einer niedrigeren, gut zu erwirtschaftenden Abgabe nach Wittenberg, anzunehmen bereit war.
12»armut« hier wohl in einer Doppelbedeutung auch im Sinne von Not, Elend, Mühseligkeit, wie sie dem Menschen durch den Sündenfall oder durch eigene Schuld auferlegt sind; vgl. FWB 2, 150f Nr. 6.
13Im Zusammenhang mit dem 1522 einsetzenden Wandel seines persönlichen und theologischen Selbstverständnisses wandte sich Karlstadt zunehmend von der akademischen Lehre ab und stellte die Laien als eigentliche Adressaten immer mehr in den Mittelpunkt seiner theologischen Bemühungen, indem er sie in die Disputation und Interpretation der biblischen Texte mit einband. Vgl. dazu die Einleitungen zu KGK 239 und KGK 241.
14zuteilwerden lassen. Vgl. DWb 12, 2421.
15wenn.
16Tatsächlich scheint Karlstadt im Laufe seiner Tätigkeit in Orlamünde ein Haus in Naschhausen bei Orlamünde erworben oder geschenkt bekommen zu haben; vgl. Hase, Orlamünda, 59 Anm. 26. Die Vollmacht Karlstadts zum Verkauf dieses Hauses wird in KGK VIII ediert.
17Karlstadt bittet den Herzog also darum, ihm ein den göttlichen Gesetzen entsprechendes Leben bei ausreichendem Einkommen außerhalb der Zwänge Wittenbergs zu ermöglichen und damit ein alternatives Unterhaltsmodell für Pfarrer zu implementieren. Von einer Aufgabe seines Archidiakonats ist dabei zu keinem Zeitpunkt explizit die Rede, auch wenn es durch das Angebot an den Herzog, sich für den Fall, dass er unzufrieden mit seiner Amtsführung sein sollte, um eine Bauernstelle zu bemühen, zumindest langfristig impliziert ist.
18Entzug, Wegnahme, Vorenthaltung, Schmälerung. Vgl. DWb 1, 88.
19Bezug auf die Amtszeit des Konventors Konrad Glitzsch (1518–1523), in der dieser die Pfarrei so heruntergewirtschaftet hatte, dass keine Erträge mehr zu erzielen waren. Daher kam es bereits 1522 zwischen ihm und Karlstadt zu Auseinandersetzungen wegen ausgebliebener Zahlungen, die nur unter Vermittlung des Weimarer Hofs hatten gerichtlich geklärt werden können; vgl. Trefftz, Karlstadt.
20Gemeint sind die nachfolgenden Ausführungen zum Zustand der Pfarrei, ihrer Äcker und Weinberge etc.
21Karlstadt war als Pfründeninhaber im Zusammenhang mit der Beilegung der Auseinandersetzungen mit Glitzsch höchstwahrscheinlich mehrfach in Orlamünde gewesen. Wann er den Entschluss fasste, die Pfarrei selbst zu übernehmen ist ebenso unklar wie die Frage, von wem die Initiative ausging, mit dieser Bitte an den Herzog heranzutreten. Hierzu siehe Barge, Karlstadt 2, 96f.
22Gewölbe.
23tropfenweise durchdringen, durchweichen. Vgl. DWb 2, 1704.
24weder.
25Pfropfreis(e), zum Pfropfen bestimmtes oder gepfropftes Reis. Vgl. DWb 5, 4068f.
27Dieses Vorgehen spricht dafür, dass sich Konrad Glitzsch in oder in der Nähe von Orlamünde zu Lasten der Pfarrei eine eigene Lebensgrundlage geschaffen hatte.
28pflügbares Feld. Vgl. DWb 3, 303.
29Der Kaplan ist unbekannt.
30Brief hier im Sinne von Urkunde, Rechtsanspruch, Verzeichnis.
31Siehe Anm. 27.
32Statt Glitzsch zur Rückgabe der von ihm mitgenommenen Wertgegenstände bzw. zur Erstattung der Kosten für den Wiederaufbau der Äcker und Weinberge heranzuziehen, schlug der Rat vor, Karlstadt im Gegenzug für die Übernahme der heruntergewirtschafteten Pfarrei und ihren Wiederaufbau zunächst von Abgaben nach Wittenberg zu befreien. Zu den Abgaben nach Wittenberg siehe KGK 242 (Anmerkung).
33wenn.
34wegfallen, schwinden.
35weder.
36Der Rat verweist hier auf die Einnahmen aus den Amtshandlungen des Pfarrers, die bislang zur Finanzierung des Kaplans und des Schulmeisters verwendet würden und daher von den Gesamteinnahmen der Pfarrei abzuziehen seien. Sollte die bisherige Pension in voller Höhe nach Wittenberg abzutreten sein, müssten diese Gelder ebenfalls dafür aufgebracht und damit auf Kaplan und Schulmeister verzichtet werden.
3726. Mai 1523.
38Konrad Glitzsch war seit 1518 Pfarrer in Orlamünde; vgl. Barge, Karlstadt 2, 568f. Anm. 17.
39zurückgeblieben, hier im Sinne von ausgeblieben.
40nicht leisten, versäumen. Vgl. DWb 25, 1342, s.v. versitzen.
42Kaspar Teuschel (†1543) aus Würzburg; 1502 Immatrikulation an der Universität Wittenberg (AAV 1, 4b); 1503 Promotion zum Bacc. iur. ut., ab 1504 Mitglied des Rats und Stadtrichter in Wittenberg (vgl. Pallas, Urkunden, 92 Anm. 1 u. 2; Bubenheimer, Müntzer, 311 Anm. 32). Er hatte Karlstadt bereits im Zusammenhang mit der Besetzung der Pfarrei Orlamünde inkorporierten Pfarrei Uhlstädt als Prokurator vertreten; vgl. KGK I.1 Nr. 49, S. 434 u. Nr. 52, S. 448. Zu Besetzung der Pfarrei Uhlstädt siehe auch KGK 242 (Anmerkung).
44Hier wahrscheinlich im Sinne von Ertragsminderungen; siehe DWb 1, 280, s.v. abgang.
46schlicht, einfach.
47Vor der Übernahme der Pfarrei Orlamünde war Glitzsch Inhaber der Vikarie St. Wenzel am Wittenberger Allerheiligenstift gewesen; vgl. KGK 242 (Anmerkung).
48aufgeben, überlassen. Vgl. DWb 1, 681.
49Wer hier gemeint ist, ist nicht bekannt.
50wenn.
53nächst kommend. Vgl. DWb 15, 19 s.v. schier. Gemeint ist also der 29. September 1522.
54ohne Weigerung.
55Auch wenn der von ihm vorgeschlagene Nachfolger nicht angenommen wird, verpflichtet sich Glitzsch, die Pfarrei zum 29. September 1522 zu verlassen. Eine Übernahme der Pfarrei durch Karlstadt selbst war zu diesem Zeitpunkt wohl noch keine Option.
58Ostersonntag fiel 1522 auf den 20. April, Glitzsch sollte die zweite Rate also spätestens bis zum 6. Mai zahlen.
5910. August 1522.
6029. September 1522.
61ohne.
639. April 1522.
6414. Oktober 1522.
65Auch wenn Glitzsch mit Genehmigung Karlstadts bis zum 1. Mai 1523 in Orlamünde bleiben durfte, scheint seine Resignation – wie am 9. April 1522 vereinbart – bereits am 29. September 1522 rechtsgültig gewesen zu sein.
66zuvor.
67Beilage 2.
681. Mai 1523.
6929. September 1522.
7014. Dezember 1522.
71oder.
72Glitzsch scheint die zum 29. September 1522 (Michaelis) fälligen 25 Gulden nicht gezahlt zu haben, Karlstadt forderte stattdessen Getreide oder Wein im gleichen Wert zahlbar bis zum 14. Dezember 1522.
731. Mai 1523.
74oder.
751. Mai 1523.
76Johann Prosse, 1518–1520 Schreiber und 1521–1522 Schösser auf der Leuchtenburg, oder Damian Luthier/Luthwer, 1522–1530 Schösser auf der Leuchtenburg, dann Schösser im Amt Arnshaugk. Zu ihnen und dem Amt des Schössers auf der Leuchtenburg siehe Kaiser-Scheibel, Das Amt Leuchtenburg, 166–168.
77einhalten.
78Im Vertrag vom 9. April 1522 war Glitzsch die Belehnung mit einem freiwerdenden Lehen zugesichert worden; vgl KGK 242 (Textstelle).

Downloads: XML · PDF (Druckausgabe)
image CC BY-SA licence
»