Nr. 78
Andreas Karlstadt an Georg Spalatin
Wittenberg, 1518, 19. April

Einleitung
Bearbeitet von Alejandro Zorzin
unter Mitarbeit von Antje Marx und Antje Marx

1. Überlieferung

Editionen:

2. Inhalt und Entstehung

Karlstadt hat erfahren, dass der [in Wittenberg weilende] Kurfürst nach dem mittäglichen zweiten Frühstück abreist. Karlstadt würde seine Supplikation, die ihm Spalatin gemacht hat, erst in den kommenden Tagen an [Degenhardt] Pfeffinger gelangen lassen, damit der sie dem Fürsten vorlegt. Karlstadt weiß nicht, wie die im Namen der Magister [seiner Augustinvorlesung] auch von Spalatin gemachte Supplikation Pfeffinger erreichen wird, damit der sie rechtzeitig dem Fürsten überreicht, um Antwort zu erhalten. Wenn Spalatin nichts dagegen hat, soll Pfeffinger sie über Spalatin bekommen, mit Karlstadts und der Studenten Empfehlung. Zu Petrus Hispanus1 gibt es von Karlstadts Seite nichts weiter zu bedenken; textbezogene Aussagen des Hispanus sollten in »heiteren« Vorlesungen geboten werden; das wäre den Schülern nützlicher, besonders wenn sie sorgfältig in den Syllogismen2 unterwiesen würden.

Zum Festgottesdienst am Sonntag Misericordias Domini (18. April 1518) und Eröffnung der Wittenberger Reliquienschau war Kurfürst Friedrich III. mit einer Komitive (der auch Degenhart Pfeffinger angehörte) in seiner Universitätsstadt anwesend. Der Kurfürst hatte vor, am Montag (nach dem zweiten, gegen Mittag eingenommenen Frühstück) abzureisen. Die beiden von Karlstadt am 11. April bei Spalatin in Auftrag gegebenen Bittgesuche (eines in Karlstadts Namen, das andere im Namen seiner Vorlesungszuhörer3) hatte Spalatin entworfen und sie waren fertiggestellt. Spalatins erneute Anfrage zu Petrus Hispanus steht im Zusammenhang mit Vorschlägen der Wittenberger Dozenten zu Änderungen des Lehrplans.4


1Petrus Hispanus (13. Jh.). Die alte Zuschreibung, die den Autor der Summulae logicales mit Papst Johannes XXI. (1210/20–1277) identifiziert – so z. B. der Erfurter und Wittenberger Dozent Jodokus Trutfetter (um 1460–1519), vgl. dessen Explanatio in nonnulla Petri Burdegalensis: quem Hispanum dicunt: volumina (Erfurt: Wolfgang Schenck, 1501; T 2127) –, wurde in letzter Zeit in Frage gestellt (vgl. die zwischen 1997 und 2004 dazu veröffentlichen Beiträge von Ángel d’Ors).
2Karlstadts Anwendung »textbezogener« Syllogistik kommt im Zusatz der 26. These am Ende seiner Apologeticae Conclusiones zum Tragen. Dort verfährt er in einem Dreischrittschema: Textzitate – darauf bauende Schlussfolgerungen – Widerlegung derselben mittels Bibeltexten (vgl. Th. 381–406, KGK 085 (Textstelle)).
3Vgl. KGK 075.
4Vgl. Spalatins Frage an Karlstadt zur Notwendigkeit der Dialektik für die Theologie (KGK 069). Luther hatte in einem Brief vom 21. März 1518 an Johann Lang, die Abschaffung der »törichten Vorlesungen über Petrus Hispanus, Tartaret und Aristoteles« in Aussicht gestellt; vgl. Scheible, Aristoteles 128f. u. WA.B 1, 155,41–46, bes. auch Anm. 10 (mit Verweis auf Ecks 1516 veröffentlichte In summulas Petri Hispani […] explanatio, J 671). Im April 1518 »wurden in Wittenberg drei neuerrichtete Lehrstühle für aristotelische Philosophie besetzt«, darunter einer für »Logica Aristotelis«; vgl. Scheible, Aristoteles, 131f.

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