Nr. 75
Andreas Karlstadt an Georg Spalatin
Wittenberg, 1518, 11. April

Einleitung
Bearbeitet von Alejandro Zorzin
unter Mitarbeit von Antje Marx und Antje Marx

1. Überlieferung

Editionen:

Literatur:

2. Inhalt und Entstehung

Karlstadt schickt Spalatin die Abschrift einer von den Zuhörern seiner Vorlesung über Augustin verfassten Supplikation an den Kurfürsten. Darin hätten sie Karlstadts Vorhaben [zusätzliche Einkünfte zu beziehen]1 die einsichtigere Begründung gegeben, dass Schriften gegen die Universität bevorstünden und daher »wache, von Störungen freie Widerstreiter nötig seien«. Spalatin möge ihrer beider »brüderlichen Freundschaft« entsprechend eine Karlstadts Person angemessene [weitere] Supplikation ausarbeiten. Er plane einige Predigten oder einen Predigtzyklus über das ganze Jahr auszuarbeiten, aber seine kirchlichen Verpflichtungen unterbrächen und überschatteten seine Gedankenfolgen dazu. Wäre er jedoch zu seinen Kirchenverpflichtungen nicht anwesend, würde es den Kurfürst empören und ihm würden darüber hinaus die Präsenzgelder gestrichen. Spalatin soll mit der Supplikation [in Karlstadts Namen] und der Supplikation »der Magister«2 zurückschreiben. Karlstadt will von Kirchenverpflichtungen frei sein; er bittet um Versorgung aus anderen Einkünften, um ohne Präsenzgelder leben zu können.

Die Gesamtlage hatte sich in den zwei Monaten seit Karlstadts erstem Vorstoß zur Einkommensverbesserung vom 6. Februar 1518 verändert. Luthers 95 Thesen hatten begonnen, Reaktionen gegen die Wittenberger Theologie auszulösen. Über Ecks kritische und Luthers Person herabsetzende Anmerkungen3 war der engere Freundeskreis des Wittenbergers Mitte März informiert.4 Exemplare von Wimpinas und Tetzels Thesen (vom 20. Januar 15185) waren kurz vor dem 19. März 1518 in Wittenberg von empörten Studenten öffentlich verbrannt worden.6 Vor diesem Hintergrund wird sich auch Karlstadt (im Austausch mit einigen seiner Studenten) Gedanken zur Notwendigkeit einer Verteidigung der Wittenberger Theologie gemacht haben.

Die Präsenzgelder machten etwa ein Viertel von Karlstadts Einkommen aus.7 Die Belastung, die ihm aus den dafür abzuleistenden kirchlichen Pflichten erwuchs, stand für ihn dazu in keinem Verhältnis. Die passende Formulierung der beiden in ihren Inhalten von den Magistern und Karlstadt vorskizzierten Bittgesuche an den Kurfürsten sollte der sprachlich und diplomatisch gewandte Freund Spalatin übernehmen.


1Vgl. KGK 070.
2Bei den »Magistern« unter Karlstadts Zuhörern seiner Vorlesung über Augustins De spirtu et littera kommen fortgeschrittene Studenten und Personen in Frage, die – wie es das Beispiel des Nikasius Claji verdeutlicht – mit abgeschlossenem Magister artium ihre theologischen und biblischen Kenntnisse vertiefen wollten. Auch Johannes Geiling aus Ilsfeld (ca. 1495–1559) – von dem Vorlesungsnotizen in einem der erhaltenen Exemplare von Karlstadts Augustinkommentar stammen – hatte ab 1513 in Heidelberg studiert, bevor er 1515 bis 1519/20 in Wittenberg war (zu ihm: Bossert, Geyling).
4Vgl. Luther an Johannes Wildenauer (aus Eger) vom 24. März 1518, WA.B 1, 157,10–158,25.
6Vgl. Luther an Johannes Lang (21. März 1518), WA.B 1, 155.
7Vgl. Einleitung zu KGK 070.

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