1. Überlieferung
Handschrift:
Autograph.
Karlstadt hat in einer außergewöhnlich gut lesbaren Handschrift geschrieben. Zugleich hat er zahlreiche Verschreibungen korrigiert. Am Schluss des Briefes entschuldigt er die Eile, in der er den Brief geschrieben habe. Der Brief war mit einem noch erhaltenen Papiersiegel verschlossen. Er trägt einen späteren Dorsalvermerk: »Carlstads schrifft/ Uffrichtung der Probstei belangendt/«. Umfangreiche Wasserflecken und größere Löcher im Papier, jeweils in der Mitte der Blätter, haben den Text teilweise zerstört. Karlstadts Argumentation ist nicht mehr vollständig erkennbar.
Literatur:
- Barge, Karlstadt 1, 58 Anm. 71 Datierung auf den 24. August 1516 durch Nichtbeachtung der Formulierung auff abendt Bartholomei, fol. 65r
2. Inhalt und Entstehung
Der Brief an Degenhart Pfeffinger1 steht in einem amtlichen Zusammenhang. Pfeffinger war als kurfürstlicher Rat zunächst 1509 in die Errichtung der Statuten des Wittenberger Allerheiligenstifts einbezogen.2 In deren Revision in den Jahren 1516 und 1517 (vgl. dazu die Einleitungen in KGK 049, KGK 057 und KGK 060) übernahm er ebenfalls eine Vermittlungsfunktion zwischen dem Kurfüsten und dem Kapitel. Dies geht aus einem Dokument hervor, das den Wunsch des Kurfürsten nach einer zügigen Annahme der veränderten Statuten festhält. Als kurfürstliche Repräsentanten dieser Weisung begegnen »Fabian von Feylitzsch und Degenhard Pfeffinger«.3
In die Statutenrevision brachte sich Karlstadt in mindestens drei Fragekomplexen ein. Zum einen galten seine Überlegungen der Jurisdiktion am Allerheiligenstift (s. dazu KGK 060), zum anderen dem Präsentationsrecht auf Lehen inkorporierter Pfarreien (zusammenfassend s. KGK 049 und KGK 057). Der Brief an Pfeffinger bietet drittens den frühesten absolut datierbaren Hinweis auf ein Gutachten, das Karlstadt zum Rechtsstatus der 1507 mit Bulle Papst Julius’ II. errichteten neuen Propstei des Wittenberger Allerheiligenstifts aufgesetzt hatte. Die Entstehungsgeschichte dieses verschollenen Dokumentes wird in der Einleitung zu KGK 042 berührt, die einen Auszug Spalatins aus diesen Bedenken bietet und diesen mit dem vorliegenden Brief an Pfeffinger verbindet, da sich beide Texte auf jenes verschollene Dokument beziehen. Der nächstfrühere Brief von Karlstadt an Pfeffinger ist ebenfalls verschollen (zu ihm s. KGK 039, für den Folgebrief an Spalatin s. KGK 040). Chronologisch gehören die drei benannten Schreiben in den Zeitraum vor der Übersendung des Statutenentwurfes vom Kapitel an den Kurfürsten, die nach mehrfacher Anmahnung am 30. August 1516 erfolgte.4
Der vorliegende Brief an Pfeffinger erfüllte die Funktion, dem zunächst involvierten kurfürstlichen Beamten über die weitere Entwicklung des Vorgangs Bericht zu erstatten. Die Eingangspassage, die auf keine Aufforderung Bezug nimmt und vielmehr die Chronologie des zurückliegenden Austausches schildert, macht wahrscheinlich, dass Karlstadts Kontaktaufnahme eigeninitiativ war. Im Korpus des Schreibens bietet Karlstadt eine Zusammenfassung des eigenen Gutachtens, das von einer Problemanzeige zu möglichen Lösungen fortschreitet (s. dazu KGK 042).
Ein Zusatz am Schluss verweist auf einen fortgesetzten Austausch Karlstadts mit einer oder mehreren Kontaktpersonen in Rom, der auch politische Entwicklungen berührt. Karlstadt betont die Glaubwürdigkeit seines Informanten, von dem er am 21. August 1516 ein Schreiben aus Rom empfangen hatte (s. KGK 038).
An zwei Stellen hebt Karlstadt hervor, den Brief in großer Eile aufgesetzt zu haben. Karlstadt widmete Pfeffinger im April 1519 seine erste deutsche Flugschrift, die Auslegung des von Karlstadt in Auftrag gegebenen und von Cranach geschnittenen Himmel- und Höllenwagens.5