Nr. 36
Verschollen: Andreas Karlstadt an Ulrich von Hutten
[Wittenberg], [1516, vor 23. Juli]

Einleitung
Bearbeitet von Ulrich Bubenheimer

1. Referenz

Brief Karlstadts an Spalatin vom 28. Juli [1516] (KGK 037 (Textstelle)).

2. Inhaltliche Hinweise

Nach Karlstadts Brief an Spalatin vom 23. Juli [1516] hatte Spalatin Karlstadt gebeten, ihm die Adresse von Huttens1 Wohnung in Rom mitzuteilen. Als Grund für Spalatins diesbezügliche Rückfrage vermutete Karlstadt, dass er als Adresse auf einem von ihm an Spalatin weitergeleiteten Brief nicht die Unterkunft Huttens genannt, sondern stattdessen geschrieben hatte, der Brief sollte seinem »ersten Prokurator«2 in Rom angezeigt werden. Karlstadt hatte auf dem Brief den Aufenthaltsort seiner Interessensvertreter (negotiorum gestores bzw. sollicitatores) vermerkt. Denn in Rom würden, so Karlstadt, an einem »banchus«3 genannten Ort die Adressaten aller dort eingehenden Briefe öffentlich ausgehängt und gewissenhafte Bevollmächtigte (curatores) könnten dort die sie betreffenden Schreiben entgegennehmen.4

Karlstadt hatte demnach seinen an Hutten gerichteten Brief zwecks Weiterleitung nach Rom an Spalatin geschickt, da vermutlich auch Post Spalatins bzw. des Hofes nach Rom zu befördern war.5 Diesen Brief sollte ein Bevollmächtigter Karlstadts in Rom im »banchus« entgegennehmen und Hutten aushändigen.6

Ergänzend teilte Karlstadt Spalatin am 23. Juli mit, dass Hutten in der Herberge »Ad Campanam« wohnte, als Karlstadt Rom verließ. Man kann daraus schließen, dass Karlstadt während seines Romaufenthalts mit Hutten in Verbindung stand. Beide hielten sich Anfang 1516 einige Monate gleichzeitig in Rom auf.7 Kennengelernt hatten sie sich vermutlich schon, als sich Hutten mindestens von Dezember 1510 bis Februar 1511 in Wittenberg aufhielt und im Hause des Humanisten Balthasar Fabricius Phacchus († 1541) wohnte.8 Im Jahr 1516 wurden in Wittenberg zwei Ausgaben von Huttens Nemo in der Form von Vorlesungsdrucken veröffentlicht.9 Der aus Rom zurückgekehrte Karlstadt könnte dabei mitgewirkt haben.


1Ulrich von Hutten (1488–1523), vgl. VerLex (Hum) 1, 1185–1237.
2Was Karlstadt mit der Formulierung »primo meo procuratori« (KGK 037 (Textstelle)) ausdrücken wollte, ist nicht eindeutig. Im Kontext schreibt er von mehreren sollicitatores, die seine – und Spalatins – Angelegenheiten in Rom betreiben. Vermutlich hatte Karlstadt in Rom einen Hauptbeauftragten, den »ersten Prokurator«, der bei Bedarf von weiteren Prokuratoren vertreten werden konnte.
3Ital. banco Büro.
4Die Begriffe negotiorum gestor, sollicitator, curator und procurator gebraucht Karlstadt im Brief KGK 037 synonym.
5In einem zwischen 21. und 23. Juli 1516 geschriebenen Brief an Spalatin bittet Karlstadt, ihm den Zeitpunkt des Abgangs eines Briefboten mitzuteilen (KGK 035 (Textstelle)). Vermutlich nahm dieser auch die für Rom bestimmte Post mit.
6Die Annahme ist naheliegend, dass Karlstadt auch einen Brief an seinen Bevollmächtigten in Rom mitschickte, zumal er in einem Brief an Spalatin vom 21. Juli 1516 angeboten hatte, auch einen Brief an einen Sollizitator zu schreiben (KGK 034 (Textstelle)). Da jedoch nicht gesichert ist, ob Karlstadt einen solchen Brief tatsächlich geschrieben hat, wird hier auf die Aufnahme eines entsprechenden verschollenen Briefes verzichtet.
7Karlstadt meldete sich am 13. November 1515 aus Rom (s. KGK 022) und blieb dort mindestens bis Ende März 1516 (vgl. Bubenheimer, Consonantia, 34). Hutten erreichte Rom im Januar 1516 und verließ die Stadt gegen Ende April (vgl. Vogler, Hutten, 15).
8Die Widmungsvorrede von Hutten, De arte versificandi (1511) an Johannes und Alexander von der Osten hat Hutten datiert in Wittenberg am 31. Dezember 1510 (fol. a1v), die Schrift am 13. Februar 1511 im Hause seines Wittenberger Gastgebers Balthasar Fabricius Phacchus abgeschlossen (fol. b6r). Die Adressaten der Widmungsvorrede waren laut Hutten Schüler des Humanisten Hermann Trebelius (1475–1514) in Frankfurt/O.
9Ulrich von Hutten: Vlrici Hutteni Nemo. [HS] M.IOANNIS. HERBIPOLITAE in persona Neminis Hexastichon. […]. Wittenberg: Johann Rhau-Grunenberg 1516 (ein Vorlesungsdruck, zu dem sich im Exemplar der ÖNB Wien: 43.G.249 eine Vorlesungsnachschrift befindet). Grossmann, Wittenberger Drucke, Nr. 106 (H 6830). Eine weitere Ausgabe desselben Druckers bei Grossmann, Wittenberger Drucke, Nr. 107/H 6831. Die Erstausgabe des Nemo war 1510 in Erfurt (H 6379) erschienen.

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