Nr. 106
Theologische Fakultätsdozenten an Kfst. Friedrich III. von Sachsen
Wittenberg, 1519, 23. Februar

Text
Bearbeitet von Harald Bollbuck und Alejandro Zorzin
Buchsymbol1v
Dem Durchleuchtichsten Hochgebornen Fursten
und Herren, Herren Fridrichen, Hertzogen zu -
Sachssen, des Heiligen Ro'mischen' Reichs Ertzmarschalk
und Churfursten Lantgraven In doringen
und Markggraven zu Meißena, unserm gne-
digsten Herren.

Rector1〈,〉 doctor Martinus und auch
etlichen〈,〉 lection halben zu Witenberg

Buchsymbol1rDurchleuchtigster Hochgebornner Churfurst. euern churf'urstlich' g'naden'
seindt unser gebet zu got mit underthenigen gehorßamen dinsten
zuvor. Gnedigster her. Nachdem wir sßo mannichfeldiglich erfunden
und teglich erfahren eu'er' churf'urstlich' g'naden' sunder gros gunst und neygung
zu dißer löblichen eu'er' churf'urstlichen' g'naden' Universtitet und sich alzeit einen
gutigen Patron und vater erzeigt〈,〉 Seynd wir trostlich bewegt
und mit gantzer zuversicht vorursacht〈,〉 eu'er' churf'urstlich' g'naden' anzugeben:Universitet
was benanther eu'er' churf'urstlich' g'naden' Universitetb zu mehr nutz: lob und ere unsers
vornehmens gereichen möge. Vorhoffend wir eu'er' churf'urstlich' g'naden' daran
ein underthenigen gefallen, gehorßamen Dienste erzeigen〈.〉 Es
ist eine Tomistische Lection nehmlich in Physica〈,〉 Welliche itzo
Magister Johannes Gunckel2 lest, dieselben als ein unnötige
ganz abetun uns vor gut ansicht3, Also daß der selb Magister
Johannes Gunckel textum Arestotelis fur die abgethane lection
leße, bei irem soldt, wie bisher Unser Rector Magister Bartholo-
meus Bernhardt dieselben gelesen〈.〉4 Und das der solt abge-
thaner lection zugegeben wurdt dem Magistro Phillippo5 umb
seins getreuen ubirtrefflichen vleißes, Dan wiewohl ehr das
nit gesucht und ehr sich an eu'er' churf'urstlich' g'naden' gunst und gnaden be-
rumbtc hochlich, Szo solt doch uns ziymen solichen seinen vleis
domit ehr uns ubir die maß gefromet und die Universitet weit
und preit preyßt, danckbarlichen eu'er' churf'urstlich' g'naden' antragen und furbringen. Ubir das ist noch ein lection Thomistica in Logica, die do list Magister
Jacobus Premßel6 fur xx flor'enos' soldt〈,〉 were unßer gutduncken
das solich soldt und stund fruchtbarlicher angelegt wurdt und
die selb lection gewandelt in Ovidium Methamorphoseon l'ibris'd angesehen〈,〉
das an der schotistichene und ftextualis logicis und physicisf gnug
were7 und die Jugent mit ßo viel eynerlei lection nit ubirladen
und im Besseren vorhindert wurde〈.〉 Sunderlich ßo doch wenig auditores
und Studenten do zu gehen〈.〉 Solichs alles stellen wir undertheniglich
in eu'er' churf'urstlich' g'naden' bedencken und wolgefallen/ dan wir auch ethlich der
Universitet nit gantz do zu gneigt finden, Auch ists bei vielen, fur
gut angesehen ßo wyr mochten einen redlichen drucker hie zu
Wittenbergk haben, dan das solt nit wenig der Universitet fur-
derung und eu'er' churf'urstlich' g'naden' ehr einlegen, Den text Arestotelisg und
ander lection kündt man do mit furdern, die sonst an8 bucher
gehort nit ßo begreiflich und nutzlich sein mögen〈.〉 Got wolt
eu'er' churf'urstlich' g'naden' lang fristen und selliglich sparen amen〈.〉 Datum
Wittenbergk Mithwoch nach Cathedra Petri9 Anno domini etc. xix.
Unter meinem Martini Luther Doctoris Bitschaft10.


E'uer' Chur'furstlich' G'naden'

underthenige
Capellan und
diener

avom Editor verbessert für Sachssen
bam Rand eingefügt
cbegnügt WA
dWA verbessert aus 1
eschotistischen WA; Scotistischen EA
f-fTextual Logica und Physica EA
gso im Text
hverbessert für Bu〈rr?〉ckhart

1Bartholomaeus Bernhardi (1487–1551) aus Feldkirch (Vorarlberg), Rektor im Wintersemester 1518/19 (AAV 1, 77), vgl. KGK 106 (Textstelle).
3Uns für gut erscheint.
4AAV 1, 69 zu den Reformen 1517/18: »ac ceptus est legi textus Aristotelis in physicis et logicis«. Spalatin vermerkt zum Aufgabenbereich Bernhardis: »Mag. Bartholomeus von Feltkyrchen der cleiner nicht dumherr zu Wittenberg liseth physicam und metaphysicam Aristotelis nach der neuen translation und dem text.« (ThHStA Weimar, EGA, Reg. O 204, fol. 5r; vgl. UUW 1, 86 Nr. 64 Anm. 1).
7Ähnlich Luther an Georg Spalatin am 9. Dezember 1518 (WA.B 1, 262,8f. Nr. 117): »Nam Scotisticam philosophiam et logicam cum textuali physica et logica sufficere putamus […].« Die skotistische Auslegung blieb noch bestehen, in der artistischen Fakultät vertreten von Nikolaus von Amsdorf (vgl. KGK 106 (Textstelle)) und Sebastian Küchenmeister (vgl. KGK 106 (Textstelle)), in der Theologie durch den am 5. März 1518 in die Fakultät aufgenommenen Franziskaner Petrus Zedlitz Fontinus, vgl. Liber Decanorum, 21; WA 59, 644 Anm. 146. Fontinus war am 12. Januar 1518 promoviert worden; Karlstadt, Luther und Johannes Rhagius Aesticampianus fungierten bei der feierlichen Promotion, der aula doctoralis, und auf der am Vortag stattfindenden großen Disputation, der sogenannten Vesperia, als emancipator und galli (vgl. Liber Decanorum, 21; Bubenheimer, Müntzer, 163 Anm. 113) – das sind die drei die Disputation und die aula doctoralis begleitenden ordentlichen Professoren, die dem Kandidaten die erste Frage vorlegen bzw. auf von diesem an das Auditorium gestellte Fragen antworten (vgl. Erdmann, Lebensbeschreibungen, 211–213; Löhr, Disputationen, 85–98). Für Luther sollte die skotistische Auslegung nur noch übergangsweise unterrichtet werden, bis auch die Skotisten begriffen, dass Philosophie und Theologie allein aus den Quellen zu lehren seien: »donec et Scotisticae sectae aeque inutilis et infelicis ingeniorum negocii, cadat professio, si quo modo tandem dissidiorum nomina funditus pereant et pura philosophia et Theologia omnes Matheses in fontibus suis hauriantur.« (WA.B 1, 262,9–13 Nr. 117).
8ohne.
922. Februar.
10Pettschaft/Siegel.
13Zu Amsdorf vgl. KGK 106 (Textstelle).

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