Nr. 69
Andreas Karlstadt an Georg Spalatin
Wittenberg, 1518, 5. Februar

Einleitung
Bearbeitet von Alejandro Zorzin
unter Mitarbeit von Antje Marx

1. Überlieferung

Editionen:

Literatur:

2. Inhalt und Entstehung

Karlstadt plant, bald ein Büchlein über die Buße herauszugeben, die in Jesu Aufforderung, das Kreuz auf sich zu nehmen und ihm zu folgen, zusammengefasst sei. Ein Eingehen auf Spalatins[1.] Frage, »inwiefern man Ablässe verdienen müsse und was sie seien«, wird damit nebensächlich. Zu Spalatins anderer [2.] Frage, wie ein Mensch »sein Werk zu einem Werk Gottes machen könne«, verweist Karlstadt ihn auf Augustins Schrift Gegen zwei Briefe der Pelagianer1 und die des Ambrosius Von der Berufung aller Heiden.2 Die in letzterer angeführte Stelle Mt 15,13 (Jede Pflanze, die nicht der himmlische Vater gepflanzt hat, wird ausgerissen) reiche aus, den Wert eigener Leistungen zunichte zu machen. Karlstadt bekräftigt die biblische Beweisführung unter Bezug auf Jesus’ Auseinandersetzung mit Petrus (Mt 16,21–23) und folgert, »dass der Mensch […] durch kein Bemühen seine eigenen Werke zu Werken Gottes machen könne«. Er verweist Spalatin auf drei Stellen in seinem Augustinkommentar und gibt an, eine Fülle weiterer Beweisstellen in den Erläuterungen zu seinen [151] Thesen gesammelt zu haben. Diese wolle er gerne drucken lassen, benötige dafür jedoch (wegen seiner durch Bücher verursachten Geldnot) eine kurfürstliche Unterstützung von 30 Gulden für das Papier. Mit Anklängen an einschlägige Bibelstellen unterstreicht er die Unfähigkeit des Menschen zu guten Taten und dessen Abhängigkeit von Gottes Initiative; abschließend fasst er die nötige Grundhaltung in der Bitte zusammen: »Herr Gott, gib mir die Werke, die ich nach deinem Befehl machen soll. Gib mir das, was du befiehlst, gewähre mir, was du anordnest.« Eine weitere [3.] Frage Spalatins (»an welchen Stellen die Logik für die Theologie notwendig ist«) beantwortet er (unter Verweis auf 1. Kor 3,19 und Kol 2,8) negativ; dialektische Fertigkeit könne genauso an Bibelstellen eingeübt werden, »die schwierig und rätselhaft sind«. Das bedeute jedoch nicht, dass der Unterricht der Dialektik ausgemerzt werden müsse, aber ein Buch (wo jetzt zehn verwendet werden) würde dazu reichen. Änderungen des Studiums in Wittenberg will er lieber im persönlichen Gespräch mit Spalatin erörtern.

Zwei der (drei) Fragen, mit denen sich Spalatin vor dem 5. Februar 1518 an Karlstadt wandte, richtete er kurz darauf auch an Luther.3 Im Vertrauen schrieb dieser Spalatin zurück, dass die Ablässe nichts als Täuschung der Seelen seien und nur denen nützten, die »auf dem Weg Christi faul sind. Und wenn unser Karlstadt diese Meinung nicht hält, ist mir doch gewiss, dass er sie [= die Ablässe] für nichts achtet.«4 In einem Antwortbrief an Spalatin (in der zweiten Märzhälfte 15185) spricht Luther das Thema wieder an, jetzt unter Bezug auf die Spalatin von Rom zugestandenen Ablassvollmachten und Beichtprivilegien.6 Letztere scheinen auch im Hintergrund von Karlstadts Antwort an Spalatin anzuklingen.7Spalatin war auch noch im März 1520 mit der Ablasspraxis an der Wittenberger Schlosskirche und den dort angehäuften Reliquien involviert. Das bestätigt der Einblattdruck zum grossen Aplas der weysung des hochwirdigen heiligthumbs in Aller Heiligen stifftkirchen zu Wittenberg (vom 18. März 1520)8, auf dem sich Korrekturen von Spalatins Hand befinden.9

Im Brief verweist Karlstadt Spalatin auf bestimmte Passagen seines Kommentars zu Augustins De spiritu et littera; damit setzt er voraus, dass der sie in einem gedruckten Exemplar desselben nachlesen konnte.10 Zugleich trägt er ihm das Anliegen vor, dem Kurfürsten eine Spende von 30 Gulden für Papier nahezulegen, auf das Karlstadts Erläuterungen zu seinen 151 Thesen (vom 26. April 1517) gedruckt werden sollen. Das deutet nicht nur an, wie wichtig Karlstadt die Veröffentlichung derselben zu jenem Zeitpunkt war11, sondern auch, wie kostspielig sich die Drucklegung eines solchen Werkes für ihn als Autor gestaltete.


1Aug. c. ep. Pel. 2, 9 (CSEL 60, 483,11); zitiert auch in KGK 064 (Textstelle).
2Ps. Ambr. vocat. gent. 1,2 (CSEL 97, 84f.), auch zitiert in KGK 064 (Textstelle) u. KGK 064 (Textstelle): (»Ambro. de voca. omn. gen. li. i. c. ii. ad fi[nem]. et iii.«
3Luther beantwortete Spalatins Fragen am 15. Februar 1518 (WA.B 1, 144–147).
4Wahrscheinlich ging Karlstadt in seiner Antwort an Spalatin nicht detailliert auf die Ablässe ein, weil er das Thema in der angekündigten Schrift über die Buße behandeln wollte; vgl. hierzu Bubenheimer, Consonantia, 124, Anm. 213.
5WA.B 1, 161, 3–8.
6Höss, Spalatin, 127 u. Anm. 9.
7»indulgentiis stationibus«(!).
8Vgl. Abb. in Kühne, Alltag, 210f. (Nr. 4.9.3); Helmut Claus, Gotha, identifizierte Symphorian Reinhart als Drucker dieses unfirmierten Blatts.
9Freundlicher Hinweis von Ulrich Bubenheimer, Reutlingen. Abbildung in: Kaufmann, Erlöste, 113.
10Vgl. Kähler, Karlstadt, 49* und Anm. 2.
11Noch in der Mitte September 1518 fertiggestellten Defensio gegen Eck (vgl. KGK 090), bietet Karlstadt die Veröffentlichung dieser Erläuterungen zu den 151 Thesen an.

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