Nr. 56
Kurfürst Friedrich III. von Sachsen an Andreas Karlstadt
Altenburg, 1517, 4. April

Einleitung
Bearbeitet von Ulrich Bubenheimer und Martin Keßler
unter Mitarbeit von Dario Kampkaspar

1. Überlieferung

Handschrift:

[a:]ThHStA Weimar, EGA, Reg. O 209, fol. 63r–v (gestempelte Zählung), 65r–v (handschriftliche Zählung)

Kanzleikonzept.

Der Schreiber hat intensiv an dem Text gearbeitet. Neben zahlreichen Korrekturen, Streichungen und Ergänzungen finden sich am Rand Korrekturanweisungen und in einem Fall eine erwogene, aber wieder verworfene alternative Formulierung. Dieser Befund deutet darauf hin, dass der Schreiber seinen Entwurf mit einer zweiten Person durchgesprochen und dabei Notizen für die weitere Bearbeitung gemacht haben dürfte.

Literatur:

2. Inhalt und Entstehung

Das am Vortag des Palmsonntags 1517 aufgesetzte Schreiben benennt einleitend die beiden jüngsten Bezugstexte: Karlstadts Brief vom 31. März 1517 (KGK 054) und das kurfürstliche Reskript vom 8. März 1517 (KGK 051). Knapp wird vermerkt, Karlstadt hätte sich besser gefügt und sein ausführliches Gutachten zum Präsentationsrecht vom 16. März 1517 (KGK 052 (Textstelle)) unterlassen. Eine Prüfung durch Juristen wird abgelehnt: Karlstadt solle sich selbst über die Rechtslage belehren. Zu Karlstadts Berufung auf die Errichtungsbulle von 1507 verweist der Kurfürst auf das seines Wissens mit der Bulle nicht im Einklang stehende Verhalten des Archidiakons im Zusammenhang mit der Romreise. Auch wird Karlstadts Erklärung zurückgewiesen, er habe die Einsetzung des Pfarrers zu Uhlstädt zu einem Zeitpunkt vorgenommen, als die Vakanz dem kurfürstliche Hof noch nicht bekannt gewesen sei. Ebenfalls abgelehnt wird Karlstadts Verständnis des kurfürstlichen Reskriptes, »daz wir dem besitzer der pfarre zu Orlamund daz iuß patronatus liber dann euch gonnen wolten«. Nüchtern wird demgegenüber auf den Wortlaut des Reskriptes hingewiesen. Die Aufforderung, sich diesem uneingeschränkt zu fügen, wird mit Nachdruck wiederholt. Zudem hebt der Kurfürst hervor, dass das Kapitel entsprechend instruiert sei.

An das Kapitel erging am selben Tag ein Reskript1, das drei Themenkomplexe behandelte: die Uhlstädt-Affäre, die Statutenrevision und die alten Wittenberger Privilegien des Allerheiligenstifts. Eine Verzögerung der Inkraftsetzung der neuen Statuten gilt es zu verhindern. Auf Karlstadt geht das Schreiben in zwei Zusammenhängen ein. Zunächst wird Verständnis für das Kapitel zum Ausdruck gebracht: »und als ir bit daz wir die pfarr Urlamund bey altem herkomen und freyheiten solten bleiben lasßen etc. wu solchs sein mag unnd von euch fur gut angesehen werdt/ daß die pfarre in yrem ersten stand pleiben sol so ist es uns auch nit entgegen.«2Als Schwierigkeit werden jedoch mögliche Einbußen der Pfründe benannt: »Ir solt aber zu achten wie solchs stat haben magk. weyl durch zulassung bebstlicher heiligkeit/ ein jerliche pension/ dem Archidiaconen zureichen/ darauf geslagen. derhalb verandrung bescheen/ daß es dormit bey altem herkomenn nit bleiben mag. wir mogen auch nit achten/ daz die und ander eingeleibte pfarrey dadurch ob die nominacionen durch viel personen oder eine in sonderheit bescheen solt mag geringert werden.«3Als konkrete Anweisung folgt schließlich: »nachmals forigem unßerm schreyben nach einen zu der pfar Ulstet zu presentiren nominieren/ darauf wir uns gepurlich ertzeigen wellen/ und doctor Karlstat dahyn halten und weyßen. daß er solchs gescheen lasse. dem wir dan derhalben hiebey auch geschriben/ domit ander beswerung/ so darausz erwachsßen mag verhuth werd/.«4Die Uhlstädt-Affäre unterstreiche die Bedeutung einer zügigen Inkraftsetzung der Statuten:»Unnd wellet mit voltziehung der Statuta wie die abgeredt und durch euch gewilligt und angenomen nit langer aufhalten/ damit die Kirche auch die personen derselbigen in ein ordnung kom und ein yeder wisse wes er sich halden soll.«5Abermals war das Kapitel somit angewiesen worden, den an Karlstadt gegebenen Befehl in seiner Umsetzung zu überwachen und zu unterstützen.

Zusätzlich wählte der Kurfürst nun ein weiteres Mittel. Am Folgetag, am 5. April 1517, schrieb er an Spalatin.6 Er solle sich an das Kapitel wenden, damit dieses die Statutenrevision nicht weiter verzögere. Deutlich wird der Zusammenhang zwischen Karlstadts Anliegen und der Statutenrevision benannt; die neuen Statuten seien eindeutig und im Konsens mit den Vertretern des Kapitels fixiert worden. Karlstadts Position sei rechtlich unbegründet. Eine undatierte Handschrift Spalatins dürfte in die Zeit nach dieser Aufforderung des Kurfüsten, sich der Abstimmungen mit dem Kapitel anzunehmen, fallen.7 Auch Spalatin war der direkte Zusammenhang zwischen der Statutenrevision, den Interessen das Kapitels und dem praktischen Vorgehen Karlstadts deutlich8. Ausweislich der Aufzeichnungen beabsichtigte er individuelle Gespräche mit dem Dekan, also Lorenz Schlamau9, und Karlstadt. Spalatins abschließende Notizen sehen eine mündliche Verständigung außerhalb des Gremiums vor: »mit dem Dechant. und doctor Karlstat/ ydem. insonderhait zureden etc.«10


1ThHStA Weimar, EGA, Reg. O 209, fol. 69r–70r (handschriftliche Zählung), gestempelte Zählung 67r–68r. Das Schreiben wird erwähnt bei Barge, Karlstadt 1, 63 Anm. 84. Der Kurfürst antwortete darin auf ein Schreiben des Kapitels vom 31. März, aus dem der zentrale Passus in der Einleitung zu KGK 054 zitiert ist.
2Ebd., fol. 67r.
3Ebd.
4fol. 67v.
5Ebd.
6Ediert durch Hase, Orlamünda, 87f., Nr. 3. Eine Abschrift befindet sich in der Forschungsbibliothek Gotha, Chart. A 1289 II, fol. 109r–v. Das Schreiben wird erwähnt bei Barge, Karlstadt 1, 63 Anm. 84.
7S. dazu ThHStA, EGA, Reg. O 209, fol. 72r–74r (gestempelte Zählung), fol. 74r–76r (handschriftliche Zählung).
8Ebd., fol. 73v, 74r (gestempelte Zählung), 75v, 76r (handschriftliche Zählung): »Zwm Virdten/ ist der Artigkl der Nominacion halben/ welcher der durch die universitet dem Capitel/ so ain briester auf dem lehn verstirb die den incorporirten beneficia anhengig/ bescheen solt/ gantz verendert und dem/ so ain jerliche pension/ zugeeygent/ dy Nominacion allain behalten[.] Wo vielleicht/ doraus gescheen/ das Karlstadt/ sich in dem/ wider unsern g'nedigs'ten Herren gesetzt. Und euch anderen/ als solt er des/ aus Craft der Bullen fug haben/ uber euer bewilligung zuverendern beweeget/ zu dem hat mein gne'digs'ter herr euch zusagen bevolhen/ wo es dy weg veracht das seiner ch'ur'f'urstlich' g'naden' gelegenhait nach dy Bullen. sollen gedeut/ und nach irem vermogen gehalten werden werd ich daraus wol erfinden wem dy Nominacion zustendig[.] Auch was/ dem Karlstat/ Von der pfarre/ orlamunde jerlichs/ einzunemen geburt Auch wo er es nit anders haben wellet und sol gealtert werden/ wirdet sich wol befinden/ aber/ eurer beneficia/ nach vermog der Bullen/ in besitzung erlanget ader nit/ das alles unser gne'digs'ter herr/ an tag zubringen wo seinen churf'urstlich' g'naden'/ von euch/ darzu nit ursach gegeben/ vill lieber wolten vermiden sehen«.
10ThHStA, EGA, Reg. O 209, fol. 74r (gestempelte Zählung), 76r (handschriftliche Zählung).

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