Nr. 216
Andreas Karlstadt an Kurfürst Friedrich III. von Sachsen
Wittenberg, 1522, 6. Januar

Text
Bearbeitet von Stefania Salvadori

Buchsymbol1r Durchleuchtigster hochgeborner ChuraFurst gnedigster her
E'ure' Churfustlich G'naden' seynd meyn underthenige gehorsam
dienst zuvor in flaysß berayt. G'nedigster' H'er' Ich hab in haylger
schrifft vermerckt das kayn Standt got behaglicher unnd
Cristenlicher freyhayt nutzlicher und dienlicher ist. dann
der Eelich Standt. welcher mit vill und großern bene-
digung1 auch begnagdet und beziert ist wan er gottlich
gelebt wurdt inhalt2 gotlicher einsaczung. Ich hab auch
beherczet das got seyne priester zů eelichem Stande er-
fordert und inenn3 form und masß Eeliches lebens fur-
geschribenn und ingeben4 hatt darnach zů leben. In
Sunderhayt betracht ich das vill arme Elende betrogenn
und verlorenn pfaffen ein lange zeyt in des Teuffels
gefengnusß und kerecker lygenn, denenn on zweyffel
durch vorgende exempell und furbyld mochte geradten
und geholffen werdenn. Demnach hab ich mich in
ansehenn und auffachtung5 ettlicher meyner hern und
freund mit der Erbarn jungckfrau Anna Mochau
verlobt6 und bin willens so das der almechtig gott
verhengt die hochzeytt uff S. Sebastians abendt Schierst7
kumende8 an zufahenn und volgenden tag Alles im
beyseyn meiner geliebt〈e〉nn hern furderern, gunder
und freund zuvolziehenb〈,〉E'ure' C'hur' F'urstlich' G'naden' derhalbenn gantz underthe-
nigs flaysß 〈bittende〉E'ure' C'hur' F'urstlich' G'naden' wollenn sich in gnaden allhie
erzaygenn.
Das will ich umb hochstgedachte E'ure' C'hur' F'urstlich' G'naden'
in aller underthenigkayt und gehorsame meynes hochsten
vermogens〈,〉 alle zeyt erfundenn9 werdenn. Datum Witten-
berg Montags Epiphanie anno etc. xxii10

E'urer' C'hur' F'urstlich' G'naden'

Undertheniger diener.11

Buchsymbol1v Dem Durchleu〈[…]〉

Fursten und 〈[…]〉

hern zu Sachse〈[…]〉

Reichs Ertzma〈[…]〉

Landtgraven in 〈[…]〉

graven zu M〈[…]〉12


avom Editor verbessert für Cchur
bam Rand hinzugefügt von anderer Hand

1Benedeiung, benedictio. Vgl. DWb 1, 1468.
2in Übereinstimmung mit, laut. Vgl. DWb 10, 2118.
3ihnen.
4tradere, mitteilen, aufgeben. Vgl. DWb 3, 184.
5Obacht, Aufsicht, Sorge. Vgl. DWb 1, 617.
6Die Verlobung Karlstadts mit Anna von Mochau fand am 26. Dezember des Vorjahres statt. Zum unmittelbaren historischen Kontext der Verlobung und der Ehe siehe die Einleitung zu KGK 215.
7demnächst.
8Am Abend unmittelbar vor dem Gedenktag des Hl. Sebastian (20. Januar), also am 19. Januar 1522.
9sich zeigen, erweisen. Vgl. DWb 3, 799.
106. Januar 1522.
11Das Papierblatt ist beschnitten und dadurch Textverlust eingetreten. Ein unbekannter Schreiber rekonstruierte nachträglich die Unterschrift Karlstadts und fügte unmittelbar darunter ein: »Andreas Carlstadt«.
12Eine mögliche Rekonstruktion der Adresse an den Kurfürsten wäre: Dem Durchleu〈chtigsten〉 ∥ Fursten und 〈Herrn〉 ∥ hern zu Sachse〈en〉 ∥ Reichs Ertzma〈rschal〉 ∥ Landtgraven in 〈Döringen〉 ∥ graven zu M〈eissen〉. Es folgt ein Kanzleivermerk mit Karlstadts Namen und vermutlich ein Hinweis auf den Inhalt des Briefes. Siehe die Einleitung zur vorliegenden Edition.

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